[E-rundbrief] Info 808 - Rb 132 - Robert Jungk - Leopold Kohr
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
So Mär 15 18:38:15 CET 2009
E-Rundbrief - Info 808 - Rundbrief Nr. 132 - Matthias Reichl: Robert
Jungk und Leopold Kohr als Mut-Macher (zum Boden-Problem,
Atomtechnologien, Zusammenbruch der "Großen").
Bad Ischl, 15.3.2009
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Robert Jungk und Leopold Kohr als Mut-Macher
Robert Jungk in Gesprächen mit Matthias Reichl (1983 und 1993/94)
Unser Freund Robert Jungk, sagte mir am 18.2.1994 in einer Salzburger
Klinik - fünf Monate vor seinem Tod - zum Boden-Problem: „Meine
Forderung an alle Parteien und Institutionen: Gebt den Boden an die
zurück, die ihn für das Leben nützen. Das Land soll jenen gehören, die
es bebauen aber nicht verbauen. Wir brauchen wieder – wie zu Beginn des
Jahrhunderts – eine Bewegung der Kleingärtner und Siedler in den Städten
gemeinsam mit den Bauern auf dem Land und in Solidarität mit landlosen
Bauern und indigenen Völkern in der ‚Dritten Welt‘.“ (Siehe Maria Mies:
„Die Suche nach einer neuen Vision“ in Info 812.)
Robert Jungk als Mut-Macher 1983
Matthias Reichl: In Österreich haben wir das Atomkraftwerk (AKW
Zwentendorf) verhindert und daraus einen Aufschwung für die Anti-Atom-
und die Alternativenbewegungen geschafft. Sind damit die Gefahren eines
Atomstaates deiner Meinung nach gebannt oder schleichen sie sich auf
anderen Wegen wieder herein?
Robert Jungk : Ja, diese Gefahr existiert real. Man darf heute nicht nur
die Entwicklung der Atomtechnologie sehen. Sie ist nur ein Teil einer
viel breiteren technologischen Entwicklung, die - wie sie heute
gesteuert wird - immer mehr auf Zentralisierung hinzielt. Immer mehr
Macht in immer weniger Händen, immer mehr Arbeitsleistung geleistet von
immer weniger Köpfen und Händen. Diese gesamte Technologie zielt in die
Richtung auf Zentralisierung. Und das bringt natürlich mit sich, dass
die Leute, die von dieser Zentralisierung profitieren und diese
zentralistischen Organisationen, Mechanismen und Apparate leiten, die
Tendenz haben, alle anderen als störend anzusehen. Jeder, der eine
eigene Meinung hat, jeder, der sich individuell äußern will, der nicht
das, was von oben, von der Zentrale geplant, gesagt, angeordnet wird,
mitmachen will, wird als störend empfunden und muss zur Räson gebracht
werden.
Darum meine ich, dass die Gefahr des Totalitarimus nicht allein aus den
Personen, den Ideologien zu erklären ist, sondern er ist die Folge der
heutigen technologischen Entwicklung. Und wenn es uns nicht gelingt,
diese technologische Entwicklung umzukehren, sie zu verändern und aus
dieser zentralistisch tendierenden Richtung eine dezentrale Entwicklung
zu machen, dann werden wir nicht erfolgreich sein. Das bedeutet aber,
dass wir uns nicht damit begnügen dürfen, nur das Zentralistische zu
bekämpfen. Denn damit hinken wir immer nur nach, sind wir rein defensiv
und verlieren damit. Wir müssen darüber hinaus wesentlich mehr
dezentrale Möglichkeiten entwickeln. Und das bedeutet die Entwicklung
dezentraler Technik, neuer Betriebs- und Organisationsformen, neue
gesellschaftliche Formen, die alle dahin tendieren müssen, dass sie
nicht von einer Zentralstelle dirigiert werden... (Gesamtes Interview:
www.begegnungszentrum.at/texte/jungk/jungk1-mut.htm)
Antiatombewegungen
Die Gratwanderung zwischen einer Nostalgie der Antiatombewegung von 1978
und der aktuellen, reaktivierten Atomkraft-Propaganda wird im Buch „Kein
Kernkraftwerk in Zwentendorf! 30 Jahre danach“ (2008, Verlag der
Provinz, siehe Buchtipps Info 811) anschaulich dokumentiert. Texte von
Verstorbenen - wie Robert Jungk - und jetzt noch aktiven Atomgegnern
machen den risikoreichen, aber schließlich erfolgreichen gewaltfreien
Kampf mitvollziehbar. (Meine Rede dazu, am 5.11.2008 in Wien, haben wir
im Info 762 und im CBA dokumentiert.) 30 Jahre danach forcieren die
Atomlobbies in fast allen unserer Nachbarstaaten den Neubau von AKWs und
den „Ausstieg vom Ausstieg“. Wie würde es unserem Freund Jungk dabei
ergehen, der bis zu seinem Tod davor gewarnt hatte?
Das Todesjahr 1994 vereint Robert Jungk (+14.7.) mit Leopold Kohr
(+26.2.) und leider auch die Tatsache, dass beide in neuen Publikationen
zu ihren Themenbereichen kaum erwähnt werden - ein Pionierschicksal! In
der Plakatserie „Zeit für ein Zitat“ ist auf Wiener Plakatsäulen auch
ein Zitat von Robert Jungk zu lesen: „Wir fliegen zum Mond, wir greifen
nach den Himmelkörpern, aber wir vergessen dabei uns selbst“.
Der Zusammenbruch der "Großen"?!
Leopold Kohr – von manchen in seiner Salzburger Heimat als
reformerischer Regionalist des „small is powerful“ angepasst – wird
wenigstens in Wikipedia auch als gewaltfreier Anarchist und
Globalisierungsgegner charakterisiert. Das betonte er auch in den vielen
Dialogen mit mir. Dass Fusion in immer grössere Einheiten schließlich
zur „Kon-Fusion“ führt und daher Krisen in überschaubaren Einheiten eher
zu bewältigen sind, bewahrheitet sich nicht erst jetzt in den
Weltwirtschaftskrisen - siehe:
www.begegnungszentrum.at/texte/kohr/kohr-einigung.htm. In einer
Ausstellung „Leopold Kohr – das menschliche Maß“ und Veranstaltungen
wird (von 28.2. - 11.10.09) im Salzburg Museum in der Neuen Residenz
(Morzartpl.) seines 100. Geburtstages (am 5.11.2009) gedacht
(www.leopold-kohr-akademie.at/lka/modules/AMS/,
www.salzburgmuseum.at/340.html). Im Salzburger Otto Müller Verlag wurden
die meisten Werke Kohrs neu publiziert - zuletzt „Probleme der Stadt“.
Beide betonten in ihren prophetischen Warnungen vor den Katastrophen,
dass sie froh sind, diese nicht mehr erleben zu müssen.
Matthias Reichl
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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