[E-rundbrief] Info 800 - WSF 2009 Erklaerung

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Di Feb 24 11:10:32 CET 2009


E-Rundbrief - Info 800 - Wir zahlen nicht für die Krise. Die Reichen 
müssen zahlen!
Erklärung der Versammlung der sozialen Bewegungen anlässlich des 
Weltsozialforums
2009 in Belem (Brasilien).

Bad Ischl, 24.2.2009

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Wir zahlen nicht für die Krise. Die Reichen müssen zahlen!

Erklärung der Versammlung der sozialen Bewegungen anlässlich des 
Weltsozialforums
2009 in Belem (Brasilien).

Wir, die sozialen Bewegungen aus aller Welt, sind anlässlich des 
8.Weltsozialforums in
Belem im Bundesstaat Amazonien, in dem die Völker sich dem Versuch der 
Usurpation
der Natur, ihrer Ländereien und ihrer Kulturen widersetzt haben, 
zusammengekommen.
Wir befinden uns in Lateinamerika, wo sich die sozialen und indigenen 
Bewegungen im
Laufe des vergangenen Jahrzehnts zusammengeschlossen und das 
kapitalistische System
aus ihrer "Kosmovision" heraus radikal in Frage gestellt haben.

In den letzten Jahren haben äußerst radikale soziale 
Auseinandersetzungen in Lateinamerika
zum Sturz neoliberaler Regierungen und zur Machtübernahme von Regierungen
geführt, die viele positive Reformen durchgeführt haben, beispielsweise 
die Verstaatlichung
der wichtigsten Wirtschaftssektoren und demokratische Verfassungsreformen.
In diesem Zusammenhang haben die sozialen Bewegungen in Lateinamerika in 
angemessener
Weise reagiert und beschlossen, die von diesen Regierungen verabschiedeten
positiven Maßnahmen zu unterstützen und eine kritische Distanz zu 
wahren. Diese
Erfahrungen werden dazu beitragen, den entschlossenen Widerstand der 
Völker gegen die
Politik der Regierungen, Unternehmen und Banken, die die Last der Krise den
Unterdrückten aufbürden, zu stärken. Wir, die sozialen Bewegungen der 
Welt, stehen
zurzeit vor einer historischen Herausforderung.

Die internationale Krise des Kapitalismus schadet der Menschheit auf 
verschiedene
Weise: Sie wirkt sich auf die Bereiche Ernährung, Finanzen, Wirtschaft, 
Klima, Energie,
Bevölkerungsbewegungen und die Zivilisation an sich aus, da auch die 
internationale
Ordnung und die politischen Strukturen eine Krise durchlaufen.

Wir sehen uns einer globalen Krise gegenüber, die unmittelbare Folge des 
kapitalistischen
Systems ist und deshalb nicht aus dem System selbst heraus gelöst werden 
kann. Alle
bisher zur Bewältigung der Krise getroffenen Maßnahmen zielen lediglich 
auf die
Vergesellschaftung der Verluste ab, um das Überleben eines Systems zu 
sichern, das auf
der Privatisierung strategischer Wirtschaftssektoren, öffentlicher 
Dienstleistungen,
natürlicher Ressourcen und Energieressourcen, die Vereinheitlichung des 
Produktangebots
und somit des Lebens ("Kommoditisierung") und Ausbeutung der Arbeitskraft
und der Natur sowie der Übertragung von Ressourcen von der Peripherie 
ins Zentrum und
von den Arbeitern zur kapitalistischen Klasse beruht.

Das gegenwärtige System beruht auf Ausbeutung, Wettbewerb, Förderung 
privater
Einzelinteressen zum Schaden des Gemeinwohls und der fieberhaften 
Anhäufung von
Reichtümern durch eine Handvoll reicher Menschen. Es führt zu blutigen 
Kriegen, heizt
Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und religiösen Fundamentalismus an und 
verschärft
die Ausbeutung von Frauen und Kriminalisierung von sozialen Bewegungen. Im
Zusammenhang mit der derzeitigen Krise werden den Menschen systematisch 
Rechte
vorenthalten.

Die wilde Aggression der israelischen Regierung gegen das palästinensische
Volk ist ein Verstoß gegen das Völkerrecht und läuft auf ein 
Kriegsverbrechen und ein
Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinaus und symbolisiert die 
Vorenthaltung von
Rechten gegenüber einem Volk, was auch in anderen Teilen der Welt zu 
beobachten ist.
Die schändliche Straflosigkeit muss gestoppt werden. Die sozialen Bewegungen
bekräftigen ihre aktive Unterstützung für den Kampf des 
palästinensischen Volkes sowie
für alle Maßnahmen, die sich gegen die Unterdrückung von Völkern 
weltweit richten.

Um die Krise zu überwinden, müssen wir das Problem an der Wurzel 
anpacken und
schnellstmöglich Fortschritte im Hinblick auf den Aufbau einer radikalen 
Alternative
erzielen, die das kapitalistische System und die patriarchalische 
Herrschaft beseitigen
würde. Wir müssen auf eine Gesellschaft hinarbeiten, die sozialen 
Bedürfnissen Rechnung
trägt und die Rechte der Natur achtet sowie die demokratische Teilhabe 
im Zusammenhang
mit voller politischer Freiheit unterstützt. Wir müssen dafür sorgen, 
dass alle
internationalen Verträge über unsere unteilbaren bürgerlichen, 
politischen, wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen individuellen und kollektiven Rechte umgesetzt 
werden.

In dieser Hinsicht müssen wir einen Beitrag zu einer möglichst großen 
Mobilisierung der
Völker leisten, um mehrere dringende Maßnahmen durchzusetzen, beispielsweise

* entschädigungslose Verstaatlichung des Bankensektors unter voller 
gesellschaftlicher
Kontrolle;

* Reduzierung der Arbeitszeit ohne Lohneinbußen;

* Einleitung von Maßnahmen zur Sicherung der Nahrungsmittel- und
Energiesouveränität;

* Beendigung von Kriegen, Rückzug von Besatzungstruppen und Abbau von
Militärstützpunkten im Ausland;

* Anerkennung der Souveränität und Autonomie der Völker unter 
Gewährleistung ihres
Selbstbestimmungsrechts;

* Garantie des Rechts auf Land, Landgebiete, Arbeit, Bildung und 
Gesundheit für alle;

* Demokratisierung des Zugangs zu Kommunikationsmitteln und Wissen.

Der von den feministischen, ökologischen und sozialistischen Bewegungen 
im 21. Jahrhundert
getragene soziale Emanzipationsprozess zielt auf die Befreiung der 
Gesellschaft
von der kapitalistischen Herrschaft der Produktions- und 
Kommunikationsmittel und
Dienstleistungen ab, was durch die Unterstützung bestimmter Formen der 
Eigenverantwortung
erzielt wird, die dem gesellschaftlichen Interesse dienen: kleiner 
Familienbesitz
und öffentliches, gemeinschaftliches, kommunales und kollektives Eigentum.

Diese Alternative ist zwangsläufig feministisch, da es nicht möglicht 
ist, eine Gesellschaft
aufzubauen, die auf sozialer Gerechtigkeit und Gleichberechtigung 
beruht, wenn die
Hälfte der Menschheit unterdrückt und ausgebeutet wird.

Schließlich verpflichten wir uns zur Unterstützung des Aufbaus einer 
Gesellschaft auf der
Grundlage eines Lebens im Einklang mit sich selbst, den anderen und der 
Umgebung ("el
buen vivir") durch Anerkennung der aktiven Teilhabe und des Beitrags der 
indigenen
Völker.

Wir, die sozialen Bewegungen, haben die einmalige Chance in der 
Geschichte, emanzipatorische
Initiativen auf globaler Ebene zu entwickeln. Nur durch den sozialen Kampf
der Massen können die Völker die Krise bewältigen. Um diesen Kampf zu 
unterstützen,
ist es wichtig, das Bewusstsein zu schärfen und die Mobilisierung von 
unten zu stärken.

Die Herausforderung für die sozialen Bewegungen besteht darin, die 
globale Mobilisierung
zu bündeln. Darüber hinaus müssen wir unsere Handlungsfähigkeit stärken, 
indem
wir die Bündelung aller Bewegungen unterstützen, die versuchen, 
Unterdrückung und
Ausbeutung zu widerstehen.

Folglich verpflichten wir uns,

* vom 28. März bis 4. April 2009 eine Globale Aktionswoche gegen 
Kapitalismus und
Krieg mit folgenden Schwerpunkten durchzuführen: Anti-G20-Mobilisierung am
28. März, Mobilisierung gegen Krieg und Krise am 30. März, Tag der 
Solidarität mit
dem palästinensischen Volk zur Unterstützung des Boykotts und des 
Rückzugs von
Investitionen sowie von Sanktionen gegen Israel am 30. März, Mobilisierung
anlässlich des 60. Jahrestags der Gründung der NATO am 4. April usw.

* Erhöhung der Zahl der Anlässe für die Mobilisierung im Laufe des Jahres:
Internationaler Frauentag (8. März), Internationaler Tag der 
Nahrungsmittelsouveränität
(17. April), Internationaler Tag der Arbeit (1.Mai), Globale
Mobilisierung des Kampfes für Mutter Erde gegen die Kolonialisierung und
Vermarktung des Lebens (12. Oktober).

* Planung einer Agenda des Widerstands gegen den G8-Gipfel in Sardinien, den
Klimagipfel in Kopenhagen, den Amerika-Gipfel in Trinidad und Tobago usw.
Durch diese Forderungen und Initiativen reagieren wir mit radikalen und 
emanzipatorischen
Lösungen auf die Krise.

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Neues zum Aktionstag 28.3.2009 (Stand: 24.2.2009)

In London, Deutschland, Italien, Spanien usw.: Demonstrationen

In Österreich:

Wien (Westbahnhof - Parlament): ab 13:00 Demonstration, ab 16:00 
Abschlusskundgebung
vor dem Parlament (Infos u.a. bei: www.attac.at, www.iatp.org)

Regionale Aktionen in Salzburg, Innsbruck, Graz und anderen Städten

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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
Spenden-Konto Nr. 0600-970305 (Blz. 20314) Sparkasse Bad Ischl,
Geschäftsstelle Pfandl
IBAN: AT922031400600970305 BIC: SKBIAT21XXX




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