[E-rundbrief] Info 776 - Aufruf gegen Computergewalt
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Fr Dez 12 20:50:39 CET 2008
E-Rundbrief - Info 776 - Kölner Aufruf gegen Computergewalt "Wie kommt
der Krieg in die Köpfe - und in die Herzen?"
Bad Ischl, 12.12.2008
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
================================================
Wie kommt der Krieg in die Köpfe - und in die Herzen?
Kölner Aufruf gegen Computergewalt
1. Killerspiele sind Landminen für die Seele
5-, 15- und 25jährige sitzen heute Stunden, Tage und Nächte vor
Computern und Spielekonsolen. In "Spielen" wie "Counter-Strike", "Doom
3", "Call of Duty", "Halo 3", "Crysis", "Grand Theft Auto IV" u.a. üben
sie systematisches und exzessives Töten mit Waffen vom Maschinengewehr
bis zur Kettensäge. Sie demütigen, foltern, verstümmeln, zerstückeln,
erschießen und zersägen Menschen an ihren Bildschirmen.
Längst ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Mediengewalt und vor
allem Killerspiele verheerende Wirkungen insbesondere auf Kinder und
Jugendliche haben.
Ebenso ist im Alltag von Eltern, Lehrerinnen und Lehrern, Erzieherinnen
und Erziehern längst unübersehbar, dass Kinder und Jugendliche durch
Computerspiele aggressiver, gewalttätiger und abgestumpfter werden.
Belegt ist: Je brutaler die Spiele sind und je mehr Zeit die Kinder
damit vergeuden, desto schlechter sind die Schulleistungen.
Viele Eltern sind verzweifelt, Lehrerinnen und Lehrer haben mit
steigender Brutalität und Schulversagen zu kämpfen.
2. Killerspiele sind aktives Kriegstraining
Killerspiele entstammen den professionellen Trainingsprogrammen der
US-Armee, mit denen Schusstechnik, Zielgenauigkeit und direktes
Reagieren auf auftauchende Gegner trainiert werden: Die Soldaten werden
desensibilisiert und fürs Töten konditioniert, die Tötungshemmung wird
abgebaut. Genauso werden durch Killerspiele Kindern und Jugendlichen
Spezialkenntnisse über Waffen und militärische Taktik vermittelt, denn
diese sogenannten "Spiele" sind in Wirklichkeit Simulationen der
Kriegsrealität: Sie erzeugen Angst, Stress und andauernde
Adrenalinschübe. Sie erzwingen unmittelbare Handlungen in einem
Reiz-Reaktions-Schema und verhindern so gezielt kritische Distanz und
Mitgefühl. Die virtuellen Räume und die reale Welt durchdringen sich,
werden ununterscheidbar. Der "Spielraum" unserer Kinder und Jugendlichen
entspricht der Wirklichkeit des Kampfes von Soldaten in den
völkerrechtswidrigen Kriegen z.B. im Irak und in Afghanistan. Vor genau
solchen Zielmonitoren sitzen Panzer-, Flugzeug- und
Hubschrauberbesatzungen und schießen wirkliche Menschen einzeln ab --
gelernt ist gelernt.
3. Wer profitiert vom Krieg in den Köpfen?
Die "Global Player" der Spieleindustrie profitieren in einer
stagnierenden globalen Wirtschaft vom größten Wachstumsmarkt.
Die Computerspielbranche hat einen weltweiten Jahresumsatz von über 30
Milliarden Euro. Computerspiele sind gigantische Geldmaschinen: Die
Branche wächst zweistellig, die Rendite ist riesig, denn Computerspiele
sind teuer bei geringen Investitionen. Dieser boomende Markt wird in
Deutschland sogar staatlich gefördert.
Zudem arbeiten Computerspielindustrie und Militär in Forschung,
Entwicklung und Anwendung eng zusammen: Spielentwicklung und Forschungen
über militärische Simulationen ergänzen einander. Die US-Armee setzt
Computerspiele zur Anwerbung von Soldaten ein (z.B.
www.americasarmy.com). Games-Konzerne dienen somit als Teil des
militärisch-industriell-medialen Komplexes dazu, mit "Spielen" die
künftigen Soldaten heranzuziehen. Das Alltagsleben wird vom Krieg
durchdrungen, um Akzeptanz für die derzeitigen und künftigen Kriege zu
schaffen.
Diese Spiele sind somit massive Angriffe auf Menschenrechte, Völkerrecht
und Grundgesetz. Warum also wird hiergegen nichts unternommen?
4. Komplizen, Kollaborateure und Profiteure der Killer-Industrie
Die Entwicklung von Computerspielen wie die Verharmlosung ihrer
Wirkungen funktionieren nur, weil Wissenschaftler und Hochschulen seit
langem mitspielen. Hochschulen richten Studiengänge für die
Games-Industrie ein und Wissenschaftler kreieren eine neue Sprache, die
die Wirklichkeit verschleiert statt aufzuklären: Mit Nebelbegriffen wie
"Medienkompetenz" und "Rahmungskompetenz" wird pseudo-wissenschaftlich
suggeriert, dass Kinder und Jugendliche mit Killerspielen sinnvoll
"umgehen" könnten, ohne seelischen und körperlichen Schaden zu nehmen.
Die Spiele sind aber gerade so angelegt, dass dies nicht möglich ist.
Kritik an Computerspielen wird als "unwissenschaftlich" diffamiert.
Tatsächlich gibt es aber keinen sogenannten "Wissenschaftsstreit": Über
3500 empirische Untersuchungen belegen den Zusammenhang zwischen dem
Konsum von Mediengewalt und gesteigerter Aggressivität.
Wissenschaftler, die dies leugnen, machen sich zu Komplizen und sind
Profiteure des militärisch-industriellmedialen Komplexes, denn deren
Institute erhalten umfangreiche finanzielle Unterstützung der
Games-Industrie. Die Hochschulen bekommen kaum mehr staatliche Gelder
und werden so immer mehr zum Dienstleister der Industrie. So wird
wissenschaftliche Korruption und Abhängigkeit von Wirtschaft und Militär
geradezu provoziert.
Auch die Politik macht sich zum Handlanger dieser Interessen: Derzeit
laufen Beschlussanträge im Bundestag, die Computerspiele zum "Kulturgut"
erklären wollen. Gelten Gewaltspiele als "Kunst", kann damit aber der
Jugendschutz ausgehebelt werden.
Die staatliche "Bundeszentrale für politische Bildung" beteiligt sich
zudem seit Jahren an der Verharmlosung von Gewaltspielen. Hier
veröffentlichen nahezu ausschließlich solche "Medienpädagogen", die der
Games- Industrie nahestehen und deren Schriften offen für Gewaltspiele
werben. So finanzieren die Bürger mit ihren Steuergeldern ihre eigene
Desinformation. Die Bundeszentrale verstößt damit gegen den
grundgesetzlichen Auftrag zur Friedenserziehung.
5. Wer verantwortlich ist
Verantwortlich sind also nicht Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, denen die
Bewältigung der Folgen immer zugeschoben wird. Verantwortlich sind
Hersteller und Kriegsindustrie; die inflationäre Verbreitung der Spiele
ist politisch gewollt und wird von "Wissenschaft" und Medien
bereitwillig vorangetrieben.
Tatsächlich brauchen Kinder und Jugendliche nicht Medienkompetenz",
sondern eine Medienbildung, die Herzensbildung mit einschließt. Kinder
und Jugendliche müssen an die sinnvolle und mitmenschliche Bewältigung
der realen Aufgaben unserer Zeit herangeführt werden. Daher müssen
Eltern, Lehrer und alle Bürger die Verantwortlichen benennen und zur
Rechenschaft ziehen.
Wir lassen nicht zu,
? dass die Köpfe und Herzen unserer Kinder weiterhin durch Killerspiele
mit Krieg und Gewalt vergiftet werden;
? dass Kinder und Jugendliche zu Tötungsmaschinen auf den virtuellen und
realen Schlachtfeldern dieser Welt abgerichtet werden;
? dass neue Feindbilder geschaffen und Fremdenfeindlichkeit verbreitet wird;
? dass die humanen und zum Frieden verpflichtenden Grundlagen unserer
Gesellschaft zugrundegerichtet werden und Krieg zur Normalität wird;
? dass Menschenrechte, Grundgesetz und Völkerrecht durch Gewaltspiele
unterminiert werden.
Wir fordern,
? dass die Herstellung und Verbreitung von kriegsverherrlichenden und
gewaltfördernden Computerspielen für Kinder und Erwachsene verboten
werden - denn Krieg ist nicht nur schlecht für Kinder, sondern auch für
Erwachsene;
? dass die "Bundeszentrale für politische Bildung" verharmlosende
Schriften zurückzieht und gemäß ihrem Auftrag über den tatsächlichen
Stand der Forschung informiert;
? dass Wissenschaftler ihre Finanzierung durch die Games-Industrie
offenlegen;
? dass alle Parteien ihre Beschlussanträge, die Computerspiele zum
"Kulturgut" erklären wollen, zurückziehen;
? dass die Games-Industrie keine staatliche Förderung und politische
Unterstützung erhält;
? dass Medienbildung über die tatsächliche Wirkung von
Gewaltdarstellungen aufklärt und zum Frieden erzieht;
? dass Politiker, Wissenschaftler und Medienvertreter ihrem Auftrag
gerecht werden, dem Frieden zu dienen, wie es Grundgesetz,
Menschenrechte und Völkerrecht verlangen -- sonst müssen sie abtreten.
Erstunterzeichner:
Arbeiterfotografie - Forum für engagierte Fotografie, Köln; Gabie
Baumann, Psychotherapeutin, GwG, Köln; Prof. Dr. Jörg Becker,
Geschäftsführer KomTech GmbH, Solingen; Prof. Dr. Veronika
Bennholdt-Thomsen, ITPS e.V., Bielefeld; Prof. Dr. Lutz Bieg, Erftstadt;
Beate Bogalho, Rektorin, Kerpen; Ilona Bogdal-Klumpe, Fachberaterin für
Kindertagespflege, Bergisch-Gladbach; Peter Bürger, kath. Theologe,
Publizist, Bertha-von-Suttner-Preisträger 2006, Düsseldorf; Susanne
Dahlmann, Kinderpflegerin, Köln; Dr. Maria Emmerich,
Schulpflegschaftsvorsitzende, Bedburg; Dr. Ing. Christian Fischer, Köln;
Frauenhaus Herford e.V.; Thomas Freitag, Freie Waldorfschule, St.
Augustin; Heidi Graichen, CSU-Stadträtin, Erlangen; Dany Gruneberg,
Bornheim; Gerhardt Haag, Leiter Theater im Bauturm, Köln; Dipl.-Päd.
Renate Hänsel, Gymnasiallehrerin, Wallenwil; Dipl.-Psych. Dr. Rudolf
Hänsel, Schulberater, Wallenwil; U. Hedwig, Bildungswerk Köln, Köln;
Christoph Hirte, Aktiv gegen Mediensucht e.V., München; Dr. Werner H.
Hopf, Schulberatung Oberbayern-Ost; Dr. med. Susanne Hörnemann,
Neurologin und Psychiaterin, Köln; Prof. Dr. Günter L. Huber,
Universität Tübingen; Prof. Dr. Gerald Hüther, Zentralstelle f.
Neurobiolog. Präventionsforschung d. Univ. Göttingen u. Mannheim/
Heidelberg; Dipl.-Soz. Gabriele Isele, ECP, GwG, Hamburg; Christin
Jonas, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin, Engelskirchen; Thomas Jung,
Oberbürgermeister und 20 Stadträte der Stadt Fürth; Hidir Kalay,
Bürgerzentrum Alte Feuerwache, Köln; Hermine Karas, Mutter und
Großmutter, Köln; Dr. med. Heinz Katlun, Naturheilarzt, Bergheim; Karla
Keucken, Psychotherapeutin, GwG, Köln; Prof. Dr. Constanze Kirchner,
Universität Augsburg; Angela König, kath. Religionslehrerin, Wuppertal;
Margarete Kramer & Funda Aras, Frauen helfen Frauen e.V., Köln; Prof.
Dr. Jochen Krautz, Alanus Hochschule, Alfter; Prof. Dr. Hans-Jörg
Kreowski, Universität Bremen, Vorsitzender d. Forums InformatikerInnen
für Frieden u. gesellschaftliche Verantwortung e.V.; Prof. Dr. Ekkehart
Krippendorff, Berlin; Heinz Kruse, Dipl. Volkswirt, Wirtschaftsdezernent
d. LH Hannover AD, Ministerialrat AD; Annette Lehnert, Lehrerin,
Pulheim; Gerd Lohwasser, Bürgermeister der Stadt Erlangen; Michael
Martens, Feuerwehrmann, Bergisch Gladbach; Gabi Martens und weitere zehn
Tagesmütter, Bergisch Gladbach; Prof. Dr. Maria Mies, Köln; Christa
Meves, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Uelzen; Hans Peter
Mortier, Informationsstelle für Friedensarbeit, Meckenheim; Prof. Dr.
Carsten Müller, FH Emden; Prof. Dr. Benno Müller-Hill, Köln; Prof. Dr.
med. Kurt Oette, Köln; Elke Ostbomk-Fischer, Dozentin und Ausbilderin,
GWG, Köln; Dr. Rainer Patzlaff, Institut für Pädagogik, Sinnes- und
Medienökologie (IPSUM), Stuttgart; Gudrun Pausewang, Schriftstellerin,
Schlitz; Prof. Dr. Christian Pfeiffer, Kriminologisches
Forschungsinstitut Niedersachsen, Hannover; Regine Pfeiffer, Dortmund;
Günter Pohl, Bonn; Eva Maria Pott-Bärtsch, Ärztin, Langenfeld; Ruth
Rampini, Musikerin und Mutter, Köln; Martina Reicheneder,
Sonderpädagogin, Köln; Ursula Reinsch, Journalistin, Köln; Andreas
Renger, Psychotherapeut, GwG, Bonn; Ellen Rohlfs, Mitglied von Gush
Shalom und Pax Christi, Trägerin Bundesverdienstkreuz am Bande; Dipl.
Päd. Jürgen Rose, Oberstleutnant, München; Prof. Dr. Klaus Sander, FH
Düsseldorf, GwG, Köln; Gerhard Schäfer, GwG, Bergisch Gladbach; Wolfgang
Schäfer, attac Mainz; Dr. Sabine Schiffer, Institut für
Medienverantwortung, Erlangen; Saral Sarkar, Köln; Stephan
Schimmelpfennig-Könen, Gymnasiallehrer, Kassel; Prof. Dr. Hans Schieser,
Europäische Ärzteaktion e.V., Ulm; Reinhard Schön, Rechtsanwalt, Köln;
Katharina Schubert, Frauenforum, Brühl; Prof. Dr. Gert Sommer, Marburg;
Jana Sommer-Gersippe, Kindertagesstätte der AWO, Bergisch-Gladbach;
Prof. Dr. Hubert Sowa, PH Ludwigsburg; Prof. Dr. Manfred Spitzer,
Universität Ulm; Hans-Christof Graf Sponeck, Mühlheim; Prof. Dr. Fulbert
Steffensky, Hamburg; Otmar Steinbicker, Vorsitzender des Aachener
Friedenspreis e.V.; Felizitas Traub-Eichhorn, StD', SPD-Stadträtin,
Erlangen; Hamila Vasini, Iran.-deutsch. Frauenverein, Köln; Susann
Wagener & Julie Weissenberg, Freie Waldorfschule, Köln; Frieder Wagner,
Filmemacher, Köln; Willy Wahl, seniora.org, Zürich; Michael Wallies,
München; Hermann Weische, Rechtsanwalt, Köln; Dipl.-Psych. Dr. Rudolf H.
Weiss, Medienpsychologe, Auenwald; Werkstatt Frieden & Solidarität,
Linz; Marita Wißmann-Hardt, Jugendamt Wiehl
... und weitere 146 Erstunterzeichner und 175 Unterstützer (Stand:
11.12.08).
Weitere Erstunterzeichner oder Unterstützer wenden sich an:
Prof. Dr. Maria Mies, Blumenstr. 9, 50670 Köln (V.i.S.d.P.),
E-Mail: koelner.aufruf [at] gmx.de
Hier können auch der Aufruf und Unterschriftenlisten angefordert werden.
--
Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
Spenden-Konto Nr. 0600-970305 (Blz. 20314) Sparkasse Bad Ischl,
Geschäftsstelle Pfandl
IBAN: AT922031400600970305 BIC: SKBIAT21XXX
Mehr Informationen über die Mailingliste E-rundbrief