[E-rundbrief] Info 762 - Atomstaat-Rede Wien

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Sa Dez 6 11:37:01 CET 2008


E-Rundbrief - Info 762 - Matthias Reichl: Der Atomstaat (und Robert 
Jungk); Rede von Matthias Reichl bei der Kundgebung zum 30. Jahrestag 
"Nein zum AKW Zwentendorf" am 5.11.2008 in Wien, Stock-am-Eisen-Platz. 
(Siehe auch Info 743)

Bad Ischl, 6.12.2008

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Der Atomstaat

Robert Jungks Buch "Der Atomstaat" warnte uns 1977 vor dem wuchernden 
Über-Wachungsstaat, der uns nicht vor den Gefahren von 
Hochrisikotechnologien schützen kann. Dafür kontrolliert, vereinnahmt, 
behindert und kriminalisiert er - je nach Bedarf - die gewaltfreien 
Warner und ihre Basisinitiativen. Systemstabiliserendes Engagement z.B. 
für erneuerbare Energietechnologien ist willkommen. Gewaltfreier 
Widerstand gegen die - Mensch und Umwelt weltweit terrorisierende - 
Atomtechnik mit seinen irreversiblen Zerstörungen (ähnlich auch die Gen- 
und Nanotechnik) wird durch Politiker, Polizei, Geheimdienste, Justiz, 
Medien, Industrielobbies u.a. bekämpft. Infos dazu u.a. auf: 
http://webmail.horus.at/pipermail/e-rundbrief/2007/000647.html.
Matthias Reichl

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Rede von Matthias Reichl bei der Kundgebung zum 30. Jahrestag "Nein zum 
AKW Zwentendorf"  am 5.11.2008 in Wien, Stock-am-Eisen-Platz

(Nachräglich etwas überarbeitet und ergänzt)

Liebe Freunde!

ich komme aus den Friedens- und der entwicklungspolitischen Bewegungen 
in denen ich - gemeinsam mit meiner Frau schon seit 1968 aktiv bin. Für 
mich und für viele von uns waren natürlich die Kampagnen gegen das AKW 
Zwentendorf die Schlüsselbewegung die uns in die Umweltbewegungen 
hineingebracht  hat. Wenn wir noch immer als Friedliche, Gewaltfreie 
geträumt haben - wir haben seit 1976 in Bad Ischl ein Begegnungszentrum 
für aktive Gewaltlosigkeit aufgebaut - dass wir uns mit allen versöhnen 
können, dann sind wir eines Schlechteren belehrt worden. Wir mussten uns 
mit den Konsequenzen von hochgefährlichen Technologieen 
auseinandersetzen, die irreversible Fakten schaffen. Uns wurde lange vor 
der Tschernobyl-Katastrophe bewusst - was machen wir mit dem Atommüll, 
der dann auf Jahrmillionen hinaus strahlt. Was wird dann auch - nicht 
nur mit uns - in den sozialen Bereichen passieren?

Robert Jungk, mit dem ich seit Ende der 70er Jahre bis zu seinem Tod 
sehr eng befreundet war, hat uns ein Jahr vor der Zwentendorf Abstimmung 
ein Buch geliefert: "Der Atomstaat". Als wir das gelesen haben - wir 
haben es nicht einmal in einem Stück durchlesen können, weil es so 
schockierend war - ist uns klar geworden, was diese Gefahren für die 
Politik bedeuten. Ganz kurz gesagt - sein Zentralsatz war: "Eine 
Hochrisikotechnologie braucht einen hocheffizienten Überwachungsstaat". 
Damals war auch schon die Zeit des Terrorismus und es war die Rede 
davon, dass es Atomterroristen geben könnte, die das große Malheur 
provozieren könnten. In Wirklichkeit aber - das haben wir in der Folge 
gesehen - haben nicht die Atomterroristen unser Leben weltweit in Gefahr 
gebracht, sondern es sind terroristische Regime entstanden, die 
bedrohliche Fakten geschaffen haben. Ich sage es ganz offen, diese 
terroristischen Regime basieren auf der Atomtechnologie. Und ich hänge 
gleich dazu an - uns bedrohen auch andere Hochrisikotechnologien, wie 
z.B. die Gentechnologie und die Nanotechnologie. Von der Gentechnologie 
wissen wir schon etwas mehr, von der Nanotechnologie, die noch brisanter 
als die Atomtechnologie ist, ist kaum etwas bekannt.

Also, alle diese Technologien sollen scheinbar kontrolliert werden, was 
aber technisch und auch organisatorisch unmöglich ist. Wer aber 
kontrolliert werden soll - sowohl aus der Sicht der Atomlobby als auch 
der Politiker - das sind die Bürger und Bürgerinnen die sich dagegen 
wehren, sich gewaltfrei wehren. Ich brauche euch die verschiedenen 
Aktionsformen gar nicht lange erklären. Die Polizeiaktionen gegen sie 
sind euch auch bekannt.

Ich muss meine Rede abkürzen. Es gibt in unserem Land eine viel 
diffizilere Strategie. Robert Jungk hat es einmal so genannt: "In 
Österreich rennt man in Watte". Eine solche Strategie habe ich damals 
1979 bei dem SPÖ-Berater Ernst Gehmacher gefunden. Sie hat drei Stufen: 
Zuerst warten wir einmal ab was denn die Leute in den Initiativen so 
machen, was sie entwickeln.

Zweite Stufe: Finden wir darin Ideen und Personen die wir integrieren 
können, dann versuchen wir es. Diese dürfen dann brav z.B. erneuerbare 
Energien und die Technologien dazu entwickeln. Aber die jenigen, die 
einen sehr tiefergehenden und  radikaleren Ansatz haben, die das System 
an sich hinterfragen, die müssen wir leider sozial ausgrenzen bis hin 
zum Kriminalisieren - und so stehen wir da. Ich möchte es nicht noch 
viel länger erläutern. Es gäbe noch eine Reihe von Beispielen dazu.

Ich möchte die Situation nicht zu negativ schildern. Weltweit sind wir 
nach wie vor eine wichtige Bewegung, auch die globalisierungskritischen 
Bewegungen insgesamt sind ein Teil dieser Bewegung. Daher bin ich noch 
immer voller Zuversicht, dass wir der Atomloby entgegentreten können, 
auch wenn sie uns wie gesagt mit verschiedensten Mitteln, auch mit 
juristischen, das Leben schwer macht und unsere soziale und ökonomische 
Existenz gefährdet.

Ich rufe euch auf, machen wir weiter so im Geist von Zwentendorf und von 
vielen anderen Initiativen - weltweit! Vernetzen wir uns und arbeiten 
wir zusammen, dann sind wir weiterhin stark, so wie wir es auch in den 
Liedern von Kurt Winterstein und anderen gehört haben.

Wir werden weiter kämpfen!

Alles Gute, wir sehen uns sicher wieder - nicht nur bei einer 
Demonstration sondern auch anderswo!

Ein Tondokument der Wiener Kundgebung findet ihr auf 
http://cba.fro.at/show.php?lang=de&eintrag_id=11102 und in 
"Begegnungswege 20 November 2008": eintrag_id=11146

(Siehe auch Info 743 - Aufruf zur Kundgebung)

-- 

Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
Spenden-Konto Nr. 0600-970305 (Blz. 20314) Sparkasse Bad Ischl,
Geschäftsstelle Pfandl
IBAN: AT922031400600970305 BIC: SKBIAT21XXX




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