[E-rundbrief] Info 757 - Amy Goodman: Suedamerika

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Mo Nov 24 19:11:38 CET 2008


E-Rundbrief - Info 757 - Amy Goodman (USA): Blickwinkel Südamerika. (Im
Gespräch mit Evo Morales, Bolivien; über das Training 
lateinamerikanischer Militärs in der U.S. School of the Americas)

Bad Ischl, 24.11.2008

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Blickwinkel Südamerika

Amy Goodman

21.11.2008

truthdig.com / ZNet

Evo Morales weiß, was "glaubwürdiger Wandel" bedeutet. Und er weiß auch,
was passiert, wenn eine mächtige Elite, einen Wandel, den sie nicht
will, dennoch mitvollziehen muss.

Morales ist der erste indigene Präsident Boliviens. Bolivien ist das
ärmste Land in Südamerika. Morales ist seit Januar 2006 im Amt. Gegen
enorme innenpolitische Widerstände verstaatlichte er die bolivianischen
Erdgas-Felder und brachte dem Land wirtschaftliche Stabilität.
Interessanterweise profitierte auch jene Elite, die sein Handeln
ursprünglich kritisierte und wurde noch reicher.

Im September 2007 erreichte der Backlash (gegen Morales) einen
Höhepunkt. Ich führte diese Woche in New York ein Interview mit Evo
Morales. Darin sagte er: "Die Opposition, die rechten Parteien...
entschlossen sich zu einem gewalttätigen Staatsstreich... Sie haben es
nicht geschafft".

Als Reaktion auf den Coup hatten sich die Präsidenten der
südamerikanischen Staaten in Chile zu einer Dringlichkeitsversammlung
getroffen. Die Leitung hatten zwei weibliche Präsidentinnen: Michelle
Bachelet (Chile) und Christina Kirchner (Argentinien). Die Gruppe gab
ein Statement ab, in dem sie die Gewalt verurteilte und Morales
unterstützte.

In unserem Interview diese Woche sagte Morales zu mir: "Ich bin aus
folgendem Grund hier in den USA: Ich will der internationalen
Gemeinschaft Respekt zollen, weil alle den Staatsstreich gegen (unsere)
Demokratie und die Herrschaft des Rechtes verurteilt haben - alle, außer
den USA, alle, außer dem US-Botschafter. Es ist unglaublich".

Nach dem Coup-Versuch hatte Morales den damaligen amerikanischen
Botschafter in Bolivien, Philip Goldberg, des Landes verwiesen und
erklärt: "Er konspiriert gegen die Demokratie und versucht, Bolivien zu
spalten". Morales: "Er hat mich immer als den 'Bin Laden der Anden'
bezeichnet. Die Koka-Anbauer pflegte er Taliban zu nennen... Das
US-Außenministerium beschuldigte mich stets, ich sei ein Drogenhändler
und ein Terrorist. Selbst heute, da ich Präsident bin, macht die
(US-)Botschaft das noch. Aber ich weiß, das kommt nicht vom
amerikanischen Volk".

Morales gibt der 'U.S. Drug Enforcement Administration' (DEA) drei
Monate, um Bolivien zu verlassen. Am Montag kündigte Morales vor den
Vereinten Nationen an, die DEA dürfe danach nicht mehr nach Bolivien
zurückkehren. Morales war selbst ein "Cocalero", ein Drogenbauer. Für
die indigene Kultur Boliviens und für die lokale Ökonomie spielt die
Koka-Pflanze eine zentrale Rolle. Roger Burbach ist Direktor des 'Center
for the Study of the Americas'. Burbach schrieb: "Morales vertritt die
Devise: 'Koka ja, Kokain nein'". Burbach fordert ein Ende der
gewaltsamen, von den USA finanzierten Anti-Koka-Razzien.. Er tritt für
das Recht der bolivianischen Bauern ein, Koka für medizinische
Anwendungen und für den Konsum innerhalb des Landes anzubauen. Als Tee,
Kräuterpflanze und in anderen Produkten sollte Koka - so Burbachs
Meinung - auch exportiert werden dürfen.

Evo Morales' Ziel ist es, das bolivianische Erbe des Kokaanbaus zu
bewahren. Gleichzeitig will er die Geißel des Drogenhandels bekämpfen.
Seiner Meinung nach benutzen die USA den Krieg gegen die Drogen als
Vorwand, um sein Land zu destabilisieren: "Würden sie wirklich gegen den
Drogenhandel kämpfen, wäre es etwas anderes", so Morales. Nun sei
endlich der Punkt erreicht, an dem sich die Führer der südamerikanischen
Staaten selbst organisierten, so Morales: "Wir richten einen nationalen
Geheimdienst ein, der mit unseren Nachbarn Argentinien, Chile und
Brasilien kooperieren wird. Auf diese Weise wird der Kampf gegen den
Drogenhandel effektiver werden. Aber die Sache wird auch ein politisches
Element haben. Wir lassen die DEA nicht zurück, aber das heißt nicht,
dass wir die Beziehungen zu den USA abbrechen werden".

Die wiedererstandenen Demokratien Lateinamerikas hoffen auf bessere
Beziehungen zu Amerika - aufgrund des neugewählten Präsidenten Obama.
Zur Wahl des ersten afrikanisch-amerikanischen Präsidenten kommentierte
der erste indigene Präsident Boliviens Morales: "Vielleicht können wir
uns ergänzen, um für die Gleichheit der Menschen einzutreten - für die
Menschen, hier, auf Mutter Erde". Nach unserem Gespräch eilte Morales
nach Washington, um das Lincoln Memorial zu besuchen und Dr. Martin
Luther King Junior zu würdigen: "Ich will meine Brüder würdigen, die
Bewegung, die afro-amerikanische Bewegung. Ich bin verpflichtet, die
Menschen zu ehren, die uns vorangegangen sind - jene, die für Respekt
für die Menschenrechte und für die Rechte im allgemeinen gekämpft haben".

Tausende versammelten sich am vergangenen Wochenende vor Fort
Benning/Georgia. Es war der alljährliche Massenprotest (ziviler
Ungehorsam) gegen die U.S. School of the Americas (die sich mittlerweile
WHINSEC nennt). Diese Einrichtung ist ein militärisches
Trainingszentrum. Hunderte lateinamerikanischer Soldaten, die später
beschuldigt wurden, in ihren Heimatländern Menschenrechtsverstöße
begangen zu haben, waren Absolventen dieser Einrichtung. Die Wunden der
amerikanischen Einmischung in Lateinamerika sind noch nicht verheilt.
Der neugewählte Präsidente Obama hat nun die Chance, die Hand
auszustrecken und den Olivenzweig zu ergreifen, den ihm Präsident
Morales hinhält.

Denis Moynihan hat zu diesem Artikel beigetragen.

Amy Goodman ist Gastgeberin von 'Democracy Now!", einem internationalen
Radio- und Fernseh-Programm, das jeden Tag (stündlich) Nachrichten
sendet. Mittlerweile wird "Democracy Now!" in Nordamerika über 700
Sendestationen verbreitet.

* Amy Goodman ist die diesjährige Trägerin des Right Livelihood Award
2008 (Alternativer Nobelpreis). Im Dezember wird die Verleihung des
Preises an Goodman im Schwedischen Parlament stattfinden.

Orginalartikel: A View From the South, übersetzt von: Andrea Noll

http://www.zmag.de/artikel/blickwinkel-suedamerika

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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
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