[E-rundbrief] Info 720 - Rb 130 - Grundrechte verteidigen

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Mo Sep 15 20:42:21 CEST 2008


E-Rundbrief - Info 720 - Rb. 130 - Maria und Matthias Reichl:
Grundrechte gegen den juristisch-politischen Druck verteidigen,
"Staatsaktion" gegen politische AktivistInnen, Recht durchsetzen;
Matthias Reichl: Wer kann sich die Verteidigung seiner Grundrechte
finanziell noch leisten?

Bad Ischl, 15.9.2008

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Grundrechte gegen den juristisch-politischen Druck verteidigen

Maria und Matthias Reichl

Bei unseren Sommergesprächen wurden uns wieder einmal die Gefahren bei
allzu kritischen Recherchen von Einzelnen, Initiativgruppen aber auch
großen Organisationen vor Augen geführt. Missstände und deren
Verursacher aufzudecken und öffentlich darüber zu informieren ist
riskant. Die Aufdecker geraten damit unter den Druck der "öffentlichen
Meinung", die sich privat zwar über die Missstände beklagt, aber es
nicht wagt, öffentlich gegen die Verursacher aufzutreten. Ich erwähne
nur einige wenige Disziplinierungsmittel:

So bekam eine Menschenrechtsaktivistin, weil sie mit Kollegen Missstände
bei der Unterbringung von Flüchtlingen publik machte, eine Gerichtsklage
von den Betreibern der Pension. U.a. wegen entgangener Einnahmen, aber
auch wegen Rufschädigung, Kreditschädigung und übler Nachrede, mit hohem
Streitwert und damit Kostenrisiko. Auch Klagen auf Unterlassung von
behaupteten Fakten sind weitere Druckmittel um Kritiker zum Schweigen zu
bringen.

"Staatsaktion" gegen politische AktivistInnen

Der österreichische Staat hielt von 21. Mai 2008 bis 2. Sept. 2008 zehn
TierrechtsaktivistInnen in Untersuchungshaft. Der abstruse Vorwurf: Sie
seien Mitglieder einer kriminellen Organisation (§278a Strafgesetzbuch).
Mit diesem Vorgehen sollen unangenehme politische AktivistInnen
kriminalisiert werden. Dieser Vorwurf kann uns alle treffen, ob
Nichtregierungsorganisation, politische Initiative oder einfach
AktivistIn. Die AktivistInnen sahen sich mit einer doppelt absurden
Situation konfrontiert: In den ihnen bekannten Akten werden ihnen keine
Vorwürfe gemacht, die sie entkräften könnten, weil keine konkreten
Vorwürfe gegen sie enthalten sind. Etwaige konkrete Vorwürfe, sollten
solche in den restlichen Akten enthalten sein, können sie nicht
entkräften, weil sie ihnen nicht bekannt sind. Die Justiz stellt damit
demokratische Mittel als Indizien für kriminelles Handeln dar. Im
Zusammenhang mit der Konstruktion einer kriminellen Organisation, führt
dies zu einem völlig unverhältnismäßigen, nicht gerechtfertigten,
Freiheitsentzug.

Wenn vorgeworfen wird, dass es ein Ziel einer Organisation ist Einfluss
auf Politik und Wirtschaft auszuüben, wenn die politische Vernetzung mit
anderen Personen und Initiativen vorgeworfen wird, wenn der Besitz von
Demonstrationsmaterialien vorgeworfen wird dann gilt: Kriminalisiert
werden der politische Aktivismus und das Engagement für eine
radikaldemokratische Gesellschaft. Getroffen hat es - vorerst - wenige -
Gemeint sind wir alle!  (Auszug aus dem Aufruf zur Großdemonstration)
Weitere Infos u.a. bei www.vgt.at, O.Ö Plattform gegen den § 278ff:
www.werkstatt.or.at

Recht durchsetzen

Dass es schwer ist sein Recht beim Gericht durchzusetzen mussten auch
wir erfahren. Nicht beantwortete Anfragen, eine fehlerhafte
Protokollführung sowie unzureichende Auskünfte sind nur einige Punkte
die unseren Glauben an den Rechtsstaat schwinden ließen. Mehr über
unsere Erfahrungen werden wir euch gerne erzählen. Die alarmierenden
Schilderungen auch von ähnlich Betroffenen, würden einen
"Sonderrundbrief" füllen. (Siehe auch unten.)

Beim nächsten Termin stellen wir u.a. auch das Faltblatt "Zahnbehandlung
- was PatientInnen wissen sollten" vor. Die Konsumentenschutzabteilung
des Sozialministeriums hat es vor kurzem zusammengestellt. Der
Schwerpunkt der Informationen liegt auf der Beratungspflicht des
Zahnarztes und auch die Gewährleistung bei fehlerhaften Leistungen.
Darin angeführt sind auch die Beratungseinrichtungen und
außergerichtliche Schlichtungsstellen in den einzelnen Bundesländern.
Darin wird aber auch vor den Schwierigkeiten und hohen Kosten von
Gerichtsverfahren gewarnt, vor allem wenn vom Gericht Gutachten von
Sachverständigen gefordert werden. Bestellung unter: Tel. 0800-202074
oder  http://broschuerenservice.bmsk.gv.at.

Matthias und Maria Reichl

Karikatur: Klaus Pitter aus "Politische Tätigkeit und Recht" 1982 (Nur
im gedruckten Rundbrief)

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Wer kann sich die Verteidigung seiner Grundrechte finanziell noch leisten?

Schon in der Vergangenheit und vermehrt in der letzten Zeit haben uns
Betroffene über ihre negativen Erfahrungen beim Durchsetzen ihrer Rechte
berichtet - z.B. im Mietrecht, bei fehlerhaften Produkten und
Dienstleistungen und ähnlichem mehr. Zwar soll das
"Gewährleistungsrecht" garantieren, dass die Betroffenen ihre Ansprüche
auch durchsetzen können.

Die damit verbundenen Kosten bei einem außergerichtlichen Vergleich oder
einer Mediation sind im Vergleich zu Gerichtskosten noch eher tragbar.
Dieser Vergleich kommt nur dann zustanden, wenn ihm beide zustimmen.
Besteht z.B. der Lieferant auf eine Klage beim Gericht, war die Mühe
umsonst. Einer der - wie die meisten Unternehmer, Ärzte usw. - durch
eine Rechtsschutzversicherung und einen Anwalt abgesichert ist und sich
sogar eine Berufung in die zweite Instanz leisten kann, ist gegenüber
der nicht abgesicherten Partei im Vorteil. Wenn er ihn voll nützt und
den Prozess gewinnt, kann er damit seinen unterlegenen Gegner in
gravierende Finanzprobleme, ja sogar in die Armutsspirale treiben. Das
besonders auch jene, die durch die eskalierende Verteuerung des Lebens
in Not geraten. Für sie ist dieses Recht ein "totes Recht". Und in ihm
zeigt sich die tiefe Kluft zwischen Recht und Gerechtigkeit.

Beratungsstellen wie die Konsumentenschutzabteilungen der Arbeiterkammer
bieten zwar Hilfe an, sind aber in ihren Möglichkeiten eingeschränkt.
Wie sollen Berufstätige, mit Familienpflichten eingedeckte und erst
recht Migranten mit ihren zusätzlichen Sprachproblemen die zeit- und
energieaufwendigen Laufereien und die damit verbundenen Kosten aufbringen?

Matthias Reichl

Eine Antwort auf diese Frage gibt auch Frau Volksanwältin Mag.a Theresia
Stoisits an Maria Reichl am 28.8.2008.
Siehe: http://cba.fro.at/show.php?lang=de&eintrag_id=10515l

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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
Spenden-Konto Nr. 0600-970305 (Blz. 20314) Sparkasse Bad Ischl,
Geschäftsstelle Pfandl
IBAN: AT922031400600970305 BIC: SKBIAT21XXX






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