[E-rundbrief] Info 685 - Gaza muss leben - Diskussion T. 2
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Do Mai 29 12:49:14 CEST 2008
E-Rundbrief - Info 685 - Podiumsdiskussion "Gaza muss leben", Wien,
Hotel Regina, 17.5.2008, Bericht der Initiative Initiative "Gaza muss
leben!".
Bad Ischl, 29.5.2008
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
================================================
Die Solidarität mit Gaza ließ sich nicht unterkriegen
27.05.2008
Mit einer in Österreich bisher nicht da gewesenen Breite beteiligten
sich am Samstag, den 17. Mai in Wien an die 200 Menschen an der
Abendveranstaltung der Initiative "Gaza muss leben!" -- und das, obwohl
sich ihre Abhaltung für die VeranstalterInnen vorübergehend zu einem
wahrhaftigen Spießrutenlauf entwickelt hatte. Nicht nur das
Albert-Schweitzer-Haus -- bisher bekannt als Stätte der Toleranz und des
Dialogs --, sondern auch die Arbeiterkammer Wien hatten aufgrund des
Drucks von Seiten der Israelischen Kultusgemeinde und der Leitung des
Dokumentationszentrums des Österreichischen Widerstands(DÖW) ihre
Räumlichkeiten nach bereits gegebener Zusage ohne Angabe von Gründen
zurückgezogen. Damit die Veranstaltung dennoch abgehalten werden konnte
wurde letztendlich der Ort geheim gehalten werden. "Kein gutes Zeichen
für die Demokratie in Österreich, wenn wir auf Methoden der
Klandestinität zurückgreifen mussten, wie ich sie ich unter den
Militärdiktaturen Lateinamerikas kennen gelernt hatte", kommentierte der
Koordinator der Kampagne Leo Gabriel bei der gut besuchten
Protestkundgebung vor dem Albert-Schweitzer-Haus, bei der erstmals
verkündet wurde, dass die Veranstaltung im nahe gelegenen Hotel Regina
stattfinden würde. Denn "Gaza muss eine Stimme haben, egal, ob es der
Israelischen Kultusgemeinde gefällt oder nicht und wir werden uns gegen
jeden wenden, der die Anhänger dieser Kampagne als Antisemiten oder gar
Holocaustleugner diffamiert", sagte Gabriel.
Und Gaza hatte eine Stimme. Der Hauptredner des Abends, Gamal el
Khoudary, unabhängiger Parlamentarier aus Gaza, machte auf die extreme
Notlage der Bevölkerung Gazas aufmerksam. "Gaza befindet sich am Rand
der humanitären Katastrophe." Die Anschuldigung, dass die Palästinenser
selbst die Schuld dafür hätten, weil sie die falsche Partei gewählt
hatten, wies Khoudary als Legitimation einer Kollektivstrafe zurück. "In
einer Demokratie sind Wahlen zu akzeptieren, selbst wenn einem das
Ergebnis nicht passt." Er rief die österreichische Bundesregierung dazu
auf, die Unterstützung des Embargos einzustellen. Gleichzeitig
appellierte er an die Anwesenden, sich so zahlreich wie möglich an
Solidaritätsreisen nach Gaza zu beteiligen. Selbst wenn die Einreise
scheitern sollte, würde das den politischen Druck auf Israel erhöhen.
Politische Unterstützung für die geschlagene Bevölkerung in Gaza zu
erwirken war auch das grundsätzliche Anliegen Khoudarys bei seinen
Gesprächen mit Andreas Schieder, Internationaler Sekretär der SPÖ,
Ulrike Lunacek von den Grünen und dem im Außenministerium für den Nahen
Osten zuständigen Botschafter Scheide. Bei allen diesen Gesprächen stand
das bereits bei seinem Besuch in Italien vorgetragene Anliegen im
Vordergrund, dass jenseits von Diskrepanzen zwischen den
Palästinenserorganisationen und jenseits der bisher ergebnislos
verlaufenen Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien die Europäische
Union auf das Schicksal der 1,5 Millionen Menschen Rücksicht nehmen
sollte, die sich auf Grund des Embargos in einer extremen Notlage
befinden.
Diese Meinung teilten auch die prominenten VertreterInnen von Politik,
Kultur und Religion, die bei der Veranstaltung "Gaza muss leben!" auf
dem Podium saßen. So waren alle großen Religionsgemeinschaften
vertreten: Anas Schakfeh, Präsident der Islamischen
Glaubensgemeinschaft, Paula Abrams-Hourani und Peter Melvyn von der
Jüdische Stimme für einen Gerechten Frieden in Nahost (EJJP-Österreich),
der katholische Betriebsseelsorger von Amstetten und Mitglied von Pax
Christi Franz Sieder sowie die evangelische Theologin Viola Raheb
unterstrichen, dass es sich bei Gaza keineswegs um einen religiösen,
sondern einen politischen Konflikt handelt.
Schakfeh bezeichnete nicht nur das Embargo als Völkerrechtsbruch,
sondern wies auch darauf hin, dass den Palästinenser/innen mit der
Vertreibung aus ihrer Heimat seit sechzig Jahren ein Unrecht angetan
werde, das durch das zuvor von Deutschland begangenen Unrecht am
jüdischen Volk nicht gerechtfertigt werden könne. Peter Melvyn betonte,
dass das 60-Jahr-Jubiläum Israels kein Anlass zum Feiern, sondern
angesichts der fortgesetzten Massaker und ethnischen Säuberungen, der
Nakba, vielmehr Anlass zur Trauer sei. Abrams-Hourani forderte
ihrerseits Österreich und die EU zur Anerkennung der demokratisch
gewählten palästinensischen Regierung auf. "Friedensstiftung", so
Sieder, ist nur möglich, wenn man den anderen nicht zum Sklaven
degradiert". Er schloss dabei an Raheb an, die analysierte, dass die
israelische Propaganda versuche, den Islam als etwas Fremdes und damit
als Feind darzustellen. "Der Weg zum Frieden geht über die
Verständigung, beruht aber gleichzeitig auf die Herstellung von
Gerechtigkeit", sagte Sieder und fügte in Anspielung auf Israel hinzu:
"Die prinzipielle Opposition gegen Atomwaffen bedeutet, sich auch gegen
jene zu richten, die derzeit diese Waffen in ihrem Arsenal haben".
Die österreichische Abgeordnete zum Europäischen Parlament, Karin
Resetarits, die dem Block der Liberalen angehört, berichtete von ihrer
Reise nach Gaza: "Ich habe noch nie etwas Schrecklicheres gesehen". Und
Fritz Edlinger, Generalsekretär der Gesellschaft für
Österreichisch-Arabische Beziehungen, attackierte Außenministerin
Plassniks Lobhudelei für Israel, die das an den Palästinenser/innen
verübte Unrecht ganz in der Diktion ihrer "besten Freundinnen"
Condoleeza Rice and Tzipi Livni völlig außer Acht ließe. Aber nicht nur
die Konservativen, sondern auch die Sozialdemokraten klagte er der
visionslosen Feigheit an. Erst die Rückkehr zu einer Nah-Ost-Politik im
Kreisky-Stil, die die Anerkennung der Mehrheit der Palästinenser/innen
zum Ausgangspunkt hätte, könnte die Türen zur Lösung des Konflikts
aufstoßen.
Die Welle an Zustimmung und Solidarität, die die Initiative "Gaza muss
leben" in Reaktion auf die Schmutzkübelkampagne empfangen hat, gibt
Hoffnung und Mut. Das Personenkomitee bedankt sich dafür und ruft alle
Unterstützer/innen dazu auf, sich an den weiteren Aktivitäten zu
beteiligen. Als nächster Schritt wird an die Übergabe des an die Tausend
Unterschriften zählenden Dokuments und die Vorbereitung einer Delegation
nach Gaza gedacht.
Für die Kampagne "Gaza muss leben!"
Leo Gabriel
Paula Abrams-Hourani
Fritz Edlinger
Peter Melvyn
Wilhelm Langthaler
www.gazamussleben.at
--
Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
Spenden-Konto Nr. 0600-970305 (Blz. 20314) Sparkasse Bad Ischl,
Geschäftsstelle Pfandl
IBAN: AT922031400600970305 BIC: SKBIAT21XXX
Mehr Informationen über die Mailingliste E-rundbrief