[E-rundbrief] Info 660 - Rb 128 - Kosovo-Balkankriegsschaeden

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Mo Mär 10 15:05:36 CET 2008


E-Rundbrief - Info 660 - Rb. 128 - Matthias Reichl: Balkankrieg und 
Zerstörung der Lebensgrundlagen; Wiederaufbau in ex-Jugoslawien auf 
vergifteter Grundlage? (Kritisches zur Unabhängigkeit des Kosovo, 
Kriegsschäden durch Depleted Uranium/ DU u.a.)

Bad Ischl, 10.3.2008

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Balkankrieg und Zerstörung der Lebensgrundlagen

Matthias Reichl

Es ist eine altbekannte Tatsache, dass Kriege und andere gewaltsame 
Konflikte sowohl die politischen und sozialen Strukturen als auch die 
ökologischen Lebensgrundlagen auf lange Zeit hinaus zerstören. Bei dem 
Zerfall des jugoslawischen Staates - vorallem bei den militärischen 
Auseinandersetzungen um den Kosovo - verdrängten militärische und 
politische Hardliner jene Gruppen, die sich für friedliche Alternativen 
einsetzen. Diese (selbst)zerstörerischen Mechanismen wurden durch die 
militärischen Interventionen der NATO und den politischen aus der EU und 
USA nicht gelöst, sondern teilweise noch verstärkt. Das wirkt sich auch 
bei der problematischen Anerkennung des Kosovo als selbständiger Staat 
aus - und auf das Ziel vieler Albaner, ihre Regionen in sechs Ländern zu 
einem "Großalbanien" zu vereinigen.

Ich beschränke mich in hier auf die "Politik der verbrannten Erde" im 
Kosovo an den Beispielen "Organisierte Kriminalität" und "Folgen der 
NATO-Bombenangriffe". (Materialhinweise und Links zur gesamten 
Problematik findet ihr am Ende des Textes.)
Militärische Befreiungsbewegungen aus armen Regionen waren schon immer 
auf illegale Geldquellen angewiesen. Waffen-, Drogen- und Menschenhandel 
hat auch auf den alten Schmugglerwegen von Süd- nach Mitteleuropa 
Tradition im politischen Überlebenskampf. Kann ein politischer 
"Friedensschluss" daran was ändern?

Der deutsche Journalist Michael Schwelien berichtete ("Unter 
Kriegsgewinnlern" in DIE ZEIT v. 15.04.1999) aus Albanien über die 
dominierende Mafia und unter anderem über Zwangsrekrutierungen und 
Zwangsprostitution: "Dort oben (an der Nordgrenze zum Kosovo, M.R.) 
pressen die UÇK-Soldaten, 'oder vielleicht sind es nur Mafiatypen, die 
sich als Soldaten ausgeben', jeden albanischen Mann, dessen sie habhaft 
werden können, in den Dienst - es sei denn, er zahlt ihnen ein 
ordentliches Ablösegeld... Für die Mafia sind die Flüchtlingsmädchen, 
hübsche Kosovo-Albanerinnen, nichts weiter als neue Ware für ihre 
Bordelle in Hamburg und Wien..."

Etwas ungläubig berichtete ich zwei Monate später in Brüssel einem 
befreundeten Sozialarbeiter davon. Der zitierte einen Zuhälter: "Wenn 
wieder einmal 'Frischfleischimport' aus Albanien eintrifft, macht er 
unsere Tarife kaputt...".

Einige respektable Informationsquellen berichten über die aktuelle 
Situation. So dokumentiert Jürgen Roth in der "Weltwoche" unter anderem:

In einer 67 Seiten starken Analyse des BND über die organisierte 
Kriminalität (OK) im Kosovo, die vom 22. Februar 2005 datiert, steht 
wörtlich zu lesen: «Über die Key-Player (wie z. B. - die Politiker 
Premierminister Hashim Thaçi, Vizechef der Demokrat. Partei des 
Kosovo/PDK/ Javit Haliti, ex-Regierungschef Ramush Haradinaj /AAK/) 
bestehen engste Verflechtungen zwischen Politik, Wirtschaft und 
international operierenden OK-Strukturen im Kosovo. Die dahinter 
stehenden kriminellen Netzwerke fördern dort die politische 
Instabilität. Sie haben kein Interesse am Aufbau einer funktionierenden 
staatlichen Ordnung, durch die ihre florierenden Geschäfte 
beeinträchtigt werden können.» Deshalb, schreibt der deutsche 
Bundesnachrichtendienst, strebten «massgebliche Akteure der OK auf dem 
Balkan entweder in hohe Regierungs- oder Parteiämter und/oder pflegen 
gute Beziehungen zu diesen Kreisen». Die organisierte Kriminalität 
verschaffe sich so «ein geeignetes politisches Umfeld»...

Erwähnt wird insbesondere auch die "grassierende Zwangsprostitution" im 
Kosovo die nicht nur ein lukratives Geschäftsfeld albanischer Banden 
bildet, sondern auch aufgrund der hohen "Nachfrage" seitens der 
anwesenden internationalen (zivilen und militärischen) Hilfskräfte (...) 
ignoriert wurde. Nach einer Analyse von Amnesty hat sich Kosovo zu einem 
"Zentrum des internationalen Frauenhandels" entwickelt und bildet einen 
relevanten Umschlagplatz für junge und minderjährige Prostituierte in 
Europa. Vorgefunden wurden hier bereits mehrere geheime 
Internierungslager, "in welchen die zumeist aus Moldawien, der Ukraine, 
Bulgarien, Rumänien oder Albanien stammenden Frauen und Mädchen 
systematisch gefügig gemacht sowie auf ihren 'Einsatz' in EU-Staaten 
vorbereitet wurden."

(Siehe auch: Linda Polman: Serbien und Montenegro/Kosovo. Mit Haut und 
Haaren. In: amnesty journal, März 2005, 
www.whywar.at/verbot_von_sklaverei_und_menschenhandel).
Weitere Informationen:

Michael Schwelien "Unter Kriegsgewinnlern" in DIE ZEIT v. 15.04.1999, 
www.zeit.de/1999/16/199916.albanien_.xml?page=1

www.Weltwoche.ch/artikel/?Asset/ID=12373&CategoryID=73

www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Serbien/kosovo37.html

Studie: http://balkanforum.org/IEP-BND/iep0001.PDF

Jürgen Elsässer: Kriegslügen. Der NATO-Angriff auf Jugoslawien. 2008, 
Kai Homilius Verlag

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Wiederaufbau in ex-Jugoslawien auf vergifteter Grundlage?

Matthias Reichl

Meine Warnungen im folgenden Text vom 13.8.1999 sind - leider - noch 
immer aktuell. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat unter Druck der 
UN-Atombehörde IAEA ihren Untersuchungsbericht über die radioaktive 
Verseuchung der Kriegsregion durch Uranmunition stark abgeschwächt. 
Offenbar um die Region für die wirtschaftliche Vermarktung und als 
"sicheres" Rückkehrgebiet für Flüchtlinge als "gesund" zu erklären. Als 
verantwortungsbewusste Basisinitiative müssen wir daher die Verursacher 
weiter fragen und anklagen:

Welchen Beitrag können und sollen NGOs und andere Basisinitiativen beim 
Wiederaufbau einer zivilen Gesellschaft im Kosovo und dem restlichen 
Jugoslawien leisten? Können Versöhnungsarbeit und Mediation nachhaltig 
das Überleben der verbliebenen Bewohner und der Rückkehrenden sichern? 
Oder müssten nicht angesichts der großflächigen radioaktiven und 
chemischen Kontaminierung (ex-)Jugoslawiens (und angrenzender Regionen) 
auf Jahrzehnte hinaus alle Bewohner evakuiert werden? Das fordern nicht 
nur wir, sondern immer mehr unabhängige Experten. Ein gefahrloses 
Bewohnen des Landes, Landwirtschaft (inkl. Export), selbst ein Transit 
ist mit unabschätzbaren Gesundheitsrisiken verbunden, weil nachweislich 
winzige Spuren, aufgenommen über die Luft, das Wasser bzw. 
Nahrungsmittel tödlich wirken können.

Haben wir verdrängt, wovor Experten wie Robert Jungk, Günter Anders und 
andere schon vor 30 Jahren warnten - dass selbst konventionelle Kriege 
in industrialisierten Ländern wegen der Auswirkungen (un)absichtlicher 
Bombardements von chemischen Fabriken, Lagerhäuser, Raffinerien und 
anderer Gefahrenquellen, aber auch von Atomkraftwerken selbstmörderisch 
sind. Wenn z.B. der WWF schätzt, dass an der Donau über 80 von der NATO 
bombardierte serbische Objekte mit - meist unbekannten - Giftstoffen die 
Luft, den Boden, das Grundwasser und auch die Donau (bis zum Schwarzen 
Meer) auf Jahrzehnte hinaus vergiften. (Bis zu 20 Millionen Bewohner 
sind auf Trinkwasser aus der Donau angewiesen!) Dazu kommen noch 
Dioxine, Furane und ähnliches, die von Winden hunderte Kilometer weit 
verfrachtet werden (von Griechenland bis Österreich).

Nicht nur diese Art von Kriegführung ist nach internationalem Recht 
verboten, sondern auch der Einsatz von Kassetten-/Splitterbomben. Man 
schätzt, dass mindestens an die 30.000 davon als Blindgänger 
herumliegen. Andere wurden vor der Rückkehr der Flugzeuge auf ihre 
NATO-Stützpunkte in die Wälder des Kosovo und Montenegros, aber auch in 
die Adria (bis nach Venedig) abgeworfen.

Schwerwiegender sind die hunderte Tonnen von Cruise-Missile-Sprengköpfen 
und panzerbrechenden Geschossen - die absurderweise z.T. auf 
Gummiattrappen von Panzern abgeschossen  wurden - deren Kern unter der 
dünnen Leichtmetallhülle aus abgereichertem Uran besteht. (Dieses 
Abfallprodukt der Atombrennstab-Produktion - Halbwertszeit 4,5 Mio. 
Jahre - wird  dadurch großflächig und ungeschützt "endgelagert". Ihre 
Alpha-Strahlung ist nur mit Spezialgeräten und -labors - v.a. in Kanada 
- messbar, nicht mit den üblichen, militärischen Geigerzählern!) Der 
"durchschlagende" Effekt entsteht beim Aufprall in der Hitze von 1500°, 
die winzige glasartige Uranpartikel freisetzt. Diese geraten über die 
Atmung, offene Wunden, Wasser und Nahrung in den Körper und provozieren 
- oft erst nach vielen Jahren - Krebs, Schäden an Organen, Nerven und an 
den Genen. Auch sie werden durch Luft- und Wasserströme über hunderte 
Kilometer verteilt - über die Atmosphäre schließlich weltweit!

Das von NATO-Militärs und Politikern lange geleugnete - jetzt aber von 
Rosalie Bertell und anderen bei Irakern und NATO-Veteranen dokumentierte 
- "Golfkriegssyndrom", ist nun bei hunderttausenden Betroffenen 
nachweisbar, wie Bertell beim Treffen der Alternativnobelpreisträger in 
Salzburg schlüssig analysierte. George Vithoulkas, Homöopath aus 
Griechenland, hat meine Warnungen mit Kollegen aus den Balkanländern 
diskutiert und sie untermauert.

Mit allen propagandistischen Mitteln der NATO und den von ihr 
(ideologisch) beeinflußten Massenmedien (inklusive den österr. ORF-Radio 
und Fernsehen sowie die meisten Zeitungen) wird versucht, die Illusion 
eines sauberen Luftkrieges - ohne irreversible Schäden - weitgehend 
aufrechtzuerhalten und das Augenmerk nur auf die - zurecht abzulehnenden 
- Menschenrechtsverletzungen serbischer Gewalttäter zu lenken. 
Globalisierende, herrschende Wirtschaftskräfte wollen das Land als 
investitions- und wiederaufbauwürdig präsentieren. Politiker und 
humanitäre Organisationen rechnen mit der Rückkehr der Flüchtlinge und 
verschweigen die Gefahren auch für KFOR und Polizei sowie die zivilen 
Hilfs- und Aufbauteams. Die serbischen Politiker wollen ihreseits 
Lethargie bzw. Flucht ihrer Leute verhindern.

Wir haben Rosalie Bertells Warnung eine Woche nach Kriegsbeginn von 
einem US-indianischen E-mail-Netzwerk (NativeNews) erhalten (siehe auch 
"Rundbrief" Nr. 93, S. 3-6). Dazu kamen noch Informationen von 
Gorbatschows Umweltorganisation "Green Cross", von Basisinitiativen aus 
dem Balkan sowie Ende Mai auch aus einer UNO- (und im Juni einer EU-) 
Untersuchung. Dagegen schwiegen die führenden österreichischen 
Umweltorganisationen Greenpeace und GLOBAL 2000 (im Unterschied zu den 
Anti-Atom-Initiativen und dem WWF) wegen innerer Uneinigkeit zu lange 
zur akuten Umweltgefährdung... Aber auch in Publikationen von 
Friedensinitiativen wurden  - wenn überhaupt - auf die Ausmaße der 
Bedrohung nur kurz hingewiesen. Ihr Schwerpunkt liegt - ähnlich der 
Menschenrechtsorganisationen - im Versöhnungsprozess zwischen den 
Menschen. Presserklärungen und Appelle der österr. Grünen Partei bekamen 
nur wenig Publizität und wurden von den Balkan-Konferenzen hochrangiger 
Politiker ignoriert. Ebenso erging es den Kommunisten. Ein gemeinsame 
Kampagne von Betroffenen - wie sie sich in einigen Ländern entwickelte - 
kam in Österreich bis jetzt (1999) nicht zustande.

Die geopolitische NATO-Strategie - u.a. die Ausweitung des 
Einflussgebietes westlicher Mächte über Bulgarien, Rumänien, Moldavien, 
Ukraine, Kaukasus, den Ölfeldern von Kasachstan und weiter bis zur 
chinesischen Grenze - analysiert mit anderen auch Michael Chossudowski 
(www.globalresearch.ca).

Führende amerikanische Juristen brachten beim Internationalen 
Gerichtshof zu ex-Jugoslawien eine Klage gegen insgesamt über 60 
Staats-/Ministerpräsidenten, Außen- und Verteidigungsminister der 
NATO-Staaten (inklusive Ungarn, Tschechien und Polen) sowie gegen die 
Spitze des NATO-Führungsstabes ein. Begründung: die geschilderten 
Kriegsfolgen - ein Genozid - und die Verletzungen des Völkerrechts sowie 
von UN-Beschlüssen. Damit wurden nicht nur militärfreundliche Hardliner 
sondern u.a. auch der "Grüne" Joschka Fischer sowie die früheren 
tschechischen Menschenrechtsaktivisten Vaclav Havel und Jan Kavan 
angeklagt. Mit dem ex-NATO-Chef Javier Solana wird demnächst ein der 
Kriegsverbrechen verdächtigter Politiker der erste 
de-facto-"Außenminister" der EU. Angesichts der Machtverhältnisse werden 
diese Machthaber jedoch voraussichtlich einen Prozess vor dem 
Gerichtshof verhindern können und damit ihr humanitäres Image bewahren.

Keiner dieser Prozesse kann aber die geschilderten Gefährdungen - auf 
viele Jahrzehnte - beseitigen, sondern sie höchstens etwas vermindern. 
Ein zu heißer Boden für den Aufbau einer zivilen, gewaltarmen Gesellschaft?

Aus: www.begegnungszentrum.at/texte/reichl/reichl1-du.htm  bzw. 
"Rundbrief Nr.94" (3/99)

(Einige Details korrigiert und ergänzt am 27.2.2008, Matthias Reichl)

Materialien und Links:

Matthias Reichl: DU. www.whywar.at/depleted_uranium

Siegwart-Horst Günther, 2007, www.sdnl.nl/gunther-home.htm

Deadly Dust/ Todesstaub. Dokumentation eines Kriegsverbrechens. Ein 
Frieder F. Wagner Dokumentarfilm, (93 min., DVD). Ochoa-Wagner 
Filmproduktion, Köln, e-mail: ochowa-film at t-online.de

Prof. Ernest Sternglass: Radioaktive Strahlung und Gesundheit, 2006, 
(Audio-Mitschnitt im Archiv Begegnungszentrum)

Doug Rokke: Unsere Kriege -- ein toxischer Alptraum, 2008, 
www.zeit-fragen.ch/ausgaben/2008/nr5-vom-2912008/

Dr. Chris Busby/ ICBUW: www.bandepleteduranium.org

DFG-VK - Uranmunition: www.uranmunition.de

www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/DU-Geschosse/Welcome.html


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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
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