[E-rundbrief] Info 642 - Datenschutztag

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Di Jan 29 08:46:13 CET 2008


E-Rundbrief - Info 642 - ARGE DATEN (A): Europäischer Datenschutztag 
28.1.2008

Bad Ischl, 29.1.2008

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Europäischer Datenschutztag 28.1.2008

Am 28. Jänner wird wieder europaweit "Datenschutz" gefeiert - die EU hat
in Sachen Datenschutz umfassend versagt - Datenschutz wird seit Jahren
systematisch demontiert - EU, Nationalstaaten und USA zerstören
ambitioniertes Projekt - Österreich sollte Handeln, statt sich selbst zu
beweihräuchern - Datenschutzrat von parteipolitischer Umklammerung
befreien, Datenschutzgesetz reformieren

EU hat in Sachen Datenschutz umfassend versagt

Obwohl schon 2003 die Bevölkerung den Datenschutz äußerst negativ
einschätzte und dies eine unabhängige Studie bestätigte, wurden
keinerlei Initiativen zur Verbesserung gesetzt.

Im Gegenteil. Mit Passagierdatenweitergabe, Vorratsdatenspeicherung,
SWIFT-Datenverkehr, Ausweitung der Polizeibefugnisse, .... werden die
Datenschutzrechte auf EU-Ebene demontiert. Ein Kniefall gegenüber den
USA und den Platters der EU-Nationen.

Ein ehemals vorbildliches und ambitioniertes Projekt wird von der EU
selbst systematisch demontiert. Der neue Reformvertrag sieht weitere
Beschränkungen des Datenschutzes vor, einzelne EU-Staaten, wie
Großbritannien, Irland, Dänemark oder Polen koppeln sich durch
Sonderbestimmungen sogar von dieser Datenschutz-Light-Version ab.


Österreich konnte bei Grundrechtseinschränkungen nicht nachstehen

Mit den ausufernden Lauschbefugnissen des Sicherheitspolizeigesetzes,
erstmals sogar ohne Gerichtsbeschluss, eroberte Österreich jedoch die
Vorreiterrolle in Sachen Beschädigung der Grundrechte zurück.

Privacy International, eine international agierende
Datenschutzvereinigung, stufte Österreich, sogar noch vor der
unsäglichen SPG-Novelle, für 2007 gegenüber 2006 um zwei Gruppen in der
siebenteiligen Werteskala zurück. Österreich liegt damit nur mehr wenig
vor den bekannten "Menschenrechtsnationen" Philippinen, Russland, China,
Malaysia und Taiwan.


Schwere Mängel im österreichischen DSG

Geradezu übervoll ist die Mängelkiste beim österreichischen
Datenschutzgesetz. Abgesehen von den bekannten Problemen einer fehlenden
unabhängigen Datenschutzbehörde (hier läuft noch immer ein
EU-Vertragsverletzungsverfahren) und einer Datenschutzkommission, die
nach eigener Einschätzung unter "organisatorischen Wirren" leidet
(DSK-Bericht 2005), enthält das Datenschutzgesetz eine Fülle von Fehlern
und Versäumnissen, viele Bereiche sind nicht mehr zeitgemäß geregelt:
- fehlende Verständigungspflicht der Betroffenen, wenn Daten verloren
gehen oder in falsche Hände geraten
- kein ausreichender Rechtsschutz bei veröffentlichten Daten §1 DSG
(widerspricht Art. 1 EU-RL)
- unzureichendes Schadenersatzrecht (Schadenersatz nach §33 DSG trifft
nur auf "Datenverarbeiter" zu, nicht anderweitig fremde Daten
veröffentlicht werden)
- keine Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit bei Datenschutzverletzungen von
Behörden (Datenschutz-Endscheidungen sind nicht exekutierbar)
- EU-widrige Privilegien der Datenverarbeiter bei sogenannten "indirekt
personenbezogene" Daten (widersprechen Art. 2 EU-RL)
- unzureichendes Auskunftrecht §1,26 DSG (EU-widrig nur auf
elektronische Daten eingeschränkt, widerspricht Art. 12 EU-RL)
- Informationspflicht nicht EU-konform umgesetzt (§24 DSG widerspricht
Art. 12 EU-RL)
- fehlende Datenschutzregelungen für die Bereiche Internet,
Video-Überwachung und biometrische Daten
- kein Datenschutz bei Datenmissbrauch durch Abgeordnete
- keine wirksamen innerbetrieblichen Datenschutz-Kontrollen durch
unabhängige Datenschutzbeauftragte

Insgesamt arbeiten die Aufsichtsgremien viel zu langsam und bieten den
Betroffenen keinen wirksamen Schutz. Sie ermöglichen es hartnäckigen
Datenschutzverletzern, etwa aus dem Wirtschaftsauskunftsbereich
jahrelang ihr Unwesen zu treiben. Die Reform des Datenschutzes ist
überfällig, nur funktionierende Grundrechte können eine überzeugende
Alternative gegen extremistische und totalitäre Angriffe  darstellen.


Datenschutzrat von parteipolitischer Umklammerung befreien!

Vor 27 Jahren installiert ist der Datenschutzrat als parteipolitisch
orientiertes Abnickgremium für die gröbsten Datenmissbrauchsprojekte der
Ministerien verkommen. Dies wurde zuletzt eindrucksvoll am Beispiel des
Sicherheitspolizeigesetzes deutlich.

Hans G. Zeger, selbst Mitglied des Datenschutzrates: "Zunehmend
konzentrieren sich die Beratungen des Datenschutzrates darauf, wie die
schlimmsten Grundrechtsverletzungen schöngeredet werden können. Viele
brisante Materien werden überhaupt nicht mehr oder verspätet behandelt,
zuletzt etwa das Gewerbesicherungsgesetz oder die Gewerberechtsnovelle.
Nur durch Separatvoten ist es überhaupt möglich Kritik an den
Missbrauchsprojekten der Regierung zu üben."

Das Gremium ist nicht mehr zeitgemäß und sollte statt den
parteipolitisch agierenden Funktionären mit Vertretern von
Menschenrechtsorganisation und unabhängigen Verfassungsexperten besetzt
werden. Wenn das nicht möglich ist, wäre es besser den Datenschutzrat
ersatzlos zu streichen.


Ambitioniertes EU-Projekt Datenschutz gescheitert

In den frühen 90er-Jahren gab es EU-weit eine umfassende
Grundrechtsdiskussion. Nur bei starken Grundrechten, so der damalige
Tenor in Brüssel, haben die Bürger genügend Vertrauen in die EU und die
Nationalstaaten können nicht eu-weite Wirtschaftstätigkeit und die
Grundfreiheiten unter Hinweis auf Grundrechtsdefizite in anderen
EU-Ländern beschneiden.

Damals gab es noch eine Reihe von EU-Ländern, die keinerlei
Datenschutzregelungen aufwiesen, unter anderem Griechenland. 1995 wurde
daher eine EU-weit gültige Datenschutzrichtlinie beschlossen, im übrigen
unter dem wütenden Protest der USA. Sogar mit einem Handelsboykott wurde
bei Verabschiedung einer Datenschutzrichtlinie von Seiten der USA gedroht.

Das ambitionierte Datenschutzprojekt der EU zeigte Wirkung, Griechenland
hatte als eines der ersten Länder die neue Richtlinie umgesetzt und ist
mittlerweile zu einem Datenschutzmusterland aufgestiegen. Auch eine
Reihe von außereuropäischen Staaten, wie Kanada und Argentinien hatten
das europäische Datenschutzkonzept übernommen. Bis 2002 sah es so aus,
als ob mit der Datenschutzrichtlinie der EU auch ein grundrechtlicher
Exportschlager gelungen wäre.

Seit etwa fünf Jahren haben aber US-Hardliner in der EU immer stärker
das Sagen. Systematisch werden mit dem Terrorismus-"Argument"
Datenschutz- und Menschenrechtsverletzungen voran getrieben. Terroristen
wurden damit keine gefangen, das Netz der systematischen Verdächtigung
aller Bürger jedoch immer enger geknüpft. Ziel der ausufernden und
undurchsichtigen Datenaufzeichnungen ist es offenbar, die EU-Bürger zu
einer Art vorauseilendem Wohlverhalten zu bringen, "nicht Auffallen"
wird zur ersten Bürgerpflicht. Der fügsame Bürger, ein Idealzustand für
konzeptlose Politiker.

Österreich ist nach der halbherzigen und verspäteten Umsetzung der
EU-Richtlinie im Jahr 2000 mittlerweile Datenschutznachzügler in der EU,
überholt sogar von EU-Neulingen, wie Rumänien, Estland oder Ungarn. Was
die Datenschutzkontrolle betrifft, rangiert Österreich mit einem
beamteten Datenschützer je 400.000 Einwohner im letzten Drittel der 27
EU-Länder. Bei den Ländern vergleichbarer Größe an neuntletzter Stelle
von 11 Staaten.

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http://www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDATEN&s=30159eha
http://www.privacyinternational.org/article.shtml?cmd[347]=x-347-559597
http://www2.argedaten.at/recht/eu.htm
ftp://ftp.freenet.at/beh/vergleich-datenschutzbehoerden.pdf

artikel - redaktionell/public (2008/01/28-9999/99/99) powered by e-CMS

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