[E-rundbrief] Info 622 - Rb 127 - NFFA 2007 Salzburg Berichte
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Sa Dez 8 12:41:15 CET 2007
E-Rundbrief - Info 622 - Rundbrief Nr. 127 - Die
Nuclear-Free Future Award (NFFA) Preisträger von
2007; Tagungsberichte Salzburg 2007; Milo Yellow
Hair (Lakota Nation, USA); Motarilavoa Hilda Lini
(Turaga Nation, Pentecost Island, Vanunu); Claus
Biegert: Freda Meissner-Blau, Austria (NFFA-Ehrenpreis 2007 für ihr Lebenswerk)
Bad Ischl, 8.12.2007
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
====================================================================
Die Nuclear-Free Future Award Preisträger von 2007
Der Nuclear-Free Future Award (NFFA), der
weltweit wichtigste Anti-Atom-Preis (taz,
Berlin), ehrt seit 1998 Visionäre und Aktivisten,
die sich beispielhaft für eine Welt ohne
Atomwaffen und Atomenergie einsetzen. Der
internationale Preis, dotiert mit je 10.000
US-Dollar, gliedert sich in die drei Kategorien:
Widerstand, Aufklärung und Lösungen; darüber
hinaus gibt es einen Ehrenpreis für Lebenswerk.
In der Kategorie Widerstand wurden in der
Person von Charmaine White Face die Defenders of
the Black Hills, USA, geehrt.
Die Aktivistin von der indianischen Nation der
Oglala gründete die Organisation im Kampf gegen
das Wiederaufleben des Uranabbaus in den Black
Hills und auf ihrem Heimatreservat Pine Ridge.
Uranabbau bedeutet nicht nur die radioaktive
Verseuchung von Boden und Grundwasser, sondern
auch die Zerstörung der heiligen Plätze des
Stammes. (www.defendblackhills.org, Porträt:
www.nuclear-free.com/deutsch/whiteface.htm)
Den Preis für Aufklärung erhielt Prof. Dr.
Siegwart Horst Günter, Deutschland.
Der Arzt, der bereits mit Albert Schweitzer in
Afrika arbeitete, war einer der ersten, die nach
dem ersten Golfkrieg die Öffentlichkeit auf die
tödlichen Folgen der mit abgereichertem Uran (DU
- depleted uranium) gehärteten Geschosse der
US-Armee hinwies. Für die internationalen Medien
sind Uranwaffen, eine schwere Bedrohung für den
Genpool der Menschheit, noch kein Thema. Mit
Siegwart-Horst Günter ehrt die Jury des
Nuclear-Free Future Award schon zum dritten Mal
einen Wissenschaftler, der die entsetzlichen
Folgen von DU-Waffen vor Ort persönlich studiert
hat und durch keine Drohung zum Schweigen zu
bringen ist. (Porträt: www.nuclear-free.com/deutsch/frames4.htm)
In der Kategorie Lösungen wurden in der Person
von Tadatoshi Akiba, Japan, die Mayors for Peace ausgezeichnet.
1982 hatte Takeshi Araki , Bürgermeister von
Hiroshima, eine einfache Idee von globaler
Dimension: Was wäre, wenn alle Bürgermeister der
Welt ihren Ort zu einer atomwaffenfreien Zone
erklären würden? So begann die weltweite Bewegung
der Bürgermeister für den Frieden, eine
konstruktive Alternative zur atomaren Aufrüstung
und ein Netzwerk, das heute (August 2007) 1698
Städte in 122 Ländern umfasst. Tadatoshi Akiba
ist gegenwärtig Bürgermeister von Hiroshima. (www.mayorsforpeace.org)
Ehrenpreise für ihr Lebenswerk erhielten Freda
Meissner-Blau (siehe unten) und Prof. Armin Weiss.
Die zwei Ältesten der mitteleuropäischen
Anti-Atom-Bewegung, sie in Österreich gegen
Zwentendorf, er in Deutschland gegen Wackersdorf,
beide über 80, erinnern uns an die Pflicht des
Widerstands im Namen der kommenden Generationen.
(In English:
http://www.nuclear-free.com/english/frames7.htm) (Siehe auch Info 602)
2007 SALZBURG: die Anti-Atom-Stadt
Hier tagte 1992 das World Uranium Hearing, hier
wurde 1998 zum ersten Mal der Nuclear-Free Future
Award verliehen, hierher kehrte der Preis zur 10. Verleihung zurück.
Nach der festlichen Verleihung am 18. Oktober
2007 in der Residenz setzten sich alte und neue
Preisträger, Jurymitglieder und Berater aus
Antiatominitiativen zu einem Tag der Vernetzung
zusammen. Freda Meissner-Blau und ich waren die
einzigen österreichischen Aktivisten.
Erschütternd waren die Kommentare des Arztes und
Spezialisten für die Gesundheitsschäden durch das
Depleted Uranium (DU) die er gemeinsam mit dem
Regisseur Frieder Wagner im Film und der
anschließenden öffentlichen Podiumsdiskussion
schilderte. Da wir schon öfters über die Folgen
der DU-Waffen berichteten, erspare ich mir dieses
Mal erschütternden und aufrüttelnden Details.
Am Samstag, 20.10.2007, gab es ein ganztägiges
Symposium: Klimawandel nein danke! Atomkraft ja
bitte?, das dicht gedrängt mit Referaten die
Erfahrungen von Anti-Atomenergie-Initiativen aus
fast allen Kontinenten dokumentierte. Der einzige
Befürworter der Atomenergie, ein Wissenschafter
und Manager aus München war mit seinen geschickt
vorgebrachten Argumenten isoliert und nicht überzeugend.
Berührend waren für mich die Begegungen mit alten
und neuen Freunden und Weggefährten, auch wenn
die Zeit für einen intensiveren und umfassenderen
Dialog leider zu knapp war. Ich greife zwei aus
fernen Ländern heraus. Unser alter Freund
Milo Yellow Hair von der Lakota Nation in den USA
und die neue Kooperationspartnerin Hilda Lini
aus Vanuatu (Südpazifik). Bei der Ehrung stellten
sie Preisträger vor: Milo seine Mitstreiterin
Charmaine White Face und Hilda den Mayor for
Peace aus Hiroshima Tadatoshi Akiba. Hilda
schloss das Symposium mit einer sehr bewegenden
Rede ab. Auf Vorschlag von Claus Biegert, dem
Initiator des NFFA, wurde sie zur ersten
Nuclear-Free-Future-Botschafterin erwählt.
Anschließend setzte ich mich mit Hilda noch zu
einem intensiven Gespräch zusammen, in dem wir
viele Elemente einer künftigen Zusammenarbeit
entdeckten, u.a. Leopold Kohrs Plädoyer für kleine Strukturen.
Milo Yellow Hair (Lakota Nation, USA)
Die Lebenswirklichkeit der nordamerikanischen
Indianer, insbesondere der Oglala Teton -
hierzulande eher unter dem Namen Sioux bekannt -
von ihnen selbst in ihren Freien Radios
geschildert. Sie leben im Indianerreservat Pine
Ridge im US-Bundesstaat South Dakota. Dort liegt
der historische Flecken Wounded Knee - 1890
Schauplatz eines Massakers, 1973 Ort eines
spektakulären Aufstands. Unweit Wounded Knee
erhebt sich aus der Prärie ein Sendeturm. Von
hier aus sendet KILI Radio - The Voice of the
Oglala Nation auf 90.1 FM. KILI Radio ist die
Stimme der Oglala Nation und gleichzeitig der
älteste indianische Rundfunksender der USA; hier
ist die Türe immer offen für die Hörer, hier lebt
die alte Sprache wieder auf, hier mischen sich
keine weißen Behörden ein. KILI Radio informiert
die Reservatsbewohner zwischen Blues, Country,
Rock, HipHop und traditionellen Gesängen zur
Trommel auch über einen nahenden Hurrikan, den
Widerstand gegen den Uranabbau in ihren heiligen
Bergen, über Diabetes-Vorsorge oder die Situation in anderen Reservaten.
Einer ihrer Radiomacher ist der Journalist und
Pferdezüchter Milo Yellow Hair, der mit seiner
holländischen Frau in Wounded Knee lebt. Er hat
sich als Menschenrechtsaktivist und als
Anti-Atom-Aktivist weltweit einen Namen gemacht.
Schon Anfang der 90er Jahre kam er auch zu uns
und hat die Schüler im Ischler Gymnasium mit seinen Schilderungen fasziniert.
-----------------------------------------------------------------------------
Motarilavoa Hilda Lini (Turaga Nation, Pentecost Island, Vanunu)
Mein Gespräch mit Motarilavoa Hilda Lini aus
Vanuatu (einer Inselgruppe im südwestlichen
Pazifik) über ihr Engagement für indigene
Lebensformen und die Antiatom-Bewegungen möchte
ich später niederschreiben, wenn sie mir ergänzende Informationen sendet.
Motarilavoa Hilda Lini, stammt aus der Turaga
Nation, auf Pentecost Island, im
südwestpazifischen Archipel Vanuatu. Sie ist die
Schwester von Vanuatus Premierminister Father
Walter Lini und dessen Nachfolger mit dem sie
seit einigen Jahren politsche Konflikte hat, in
ihrer Studentenzeit Freiheitskämpferin gegen die
Kolonialmächte, Pionierin für Frauenrechte,
Hochschulkarriere, als erste Frau 10 Jahre lang
Parlamentsabgeordnete, Ministerin für Gesundheit
und Justiz, eine der erfolgreichsten
Journalistinnen Ozeaniens, Delegierte in
UNO-Gremien (u.a. für indigene Völker und gegen
Atomrüstung). Als Leiterin des Melanesischen
Instituts für Philosophie, Naturwissenschaft und
Technologien bemüht sie sich mit den Resten der
ozeanische Kultur und Lebensweise im
Spannungsfeld mit der weltweit vorherrschenden
globalisierten (Un)kultur wieder lebensfähig zu
machen (www.vanuatuculture.org).
Seit vielen Jahren ist sie vor dem Hintergrund
der Atombombentests im Pazifik und deren
Auswirkungen sowie die Versenkung von nuklearem
Müll im Pazifischen Ozean aktiv. Als sie 2005 den
Nuclear-Free-Future-Preis verliehen bekam,
feierte bei ihrer Rückkehr das ganze Land mit
ihr. Der Preis sei für alle Menschen ihres Landes
und das Preisgeld für die Errichtung eines
Friedenszentrums. Sie stellt fest: Egal wie groß
eine Organisation sei, jeder könne aktiv werden
und unterstrich dass jeder Einzelne mit anderen
gegen die nuklearen Gefahren für eine
verträgliche Energiegewinnung und nutzung gemeinsam aktiv werden sollte.
Hilda Lini hat ihre Anti-Atom-Überzeugung nie
opportunistisch ausgeblendet, auch da nicht wo es
politisch opportun erschienen wäre: Als
Vizepräsidentin der Südpazifik Frauen-Kommission
prangerte sie auch die französischen
Atombombentests im Pazifik an und erneuerte so
ihr Non!, das den Franzosen noch aus den Zeiten
anti-kolonialer Freiheitsbewegung in den Ohren klang.
Die Regierungspartei, die ich lange mitgetragen
habe, hat immer korrekt darauf geachtet, die
Kolonial- und die Atomfrage in einem zu
betrachten. Man kann Umweltfragen von politischen
nicht trennen. Würde man Hilda Lini nur als
Anti-Atom-Kämpferin betiteln wollen, würde sie -
journalistisch versiert wie sie ist - zum
Korrekturstift greifen: Kämpferin für Frieden
unter den Menschen und mit der Natur. Und für das
Recht auf Identität. Darin ist alles aufgehoben.
Quelle: Katja Göbel, Pazifik-Informationsstelle,
www.pazifik-netzwerk.org/ Red.: Matthias Reichl
Hilda Lini skizzierte ihre Vorstellungen in ihrem
Text The Indigenous Concept of Good Governance -
Program One Opinion auf der Homepage Time to
Talk von ABC - Radio Australia:
http://abc.net.au/timetotalk/english/opinion/TimeToTalkOpinion_425873.htm
Zitate von Hilda Lini:
Zur UNO-NPT-Konferenz im Mai 2005 in New York -
gegen die Weiterverbreitung der Atomwaffen:
"Egal welche Folgen die UNO Konferenzen haben,
sie werden die Zivilgesellschaft nicht
entmachten, um jene Arbeit fortzuführen, die sie
seit Jahrzehnten bereits macht. Die Führungsrolle
der Zivilgesellschaft wächst jeden Tag. Wir haben
die Mehrheit der Weltbevölkerung für eine
Abschaffung aller Atomwaffen hinter uns und
vernetzen uns weiterhin, wie wir auch unsere
Regierung auffordern, die Arbeit für die
Eliminierung der Bedrohung der Atomwaffen
aufzunehmen. NGOs können bedeutende Informationen
und Wissen mit den Regierungen teilen. Unser
Wunsch ist es, dass die Regierungen der
Atomwaffenstaaten enger mit den Kollegen und
Kolleginnen in den akademischen,
wissenschaftlichen und sozialen Gemeinschaften
zusammenarbeiten, um den Fortschritt zu erzielen,
den sie alleine nicht erzielen konnten."
Matthias Reichl
----------------------------------------------------------
Freda Meissner-Blau, Austria (NFFA-Ehrenpreis 2007 für ihr Lebenswerk)
Der aufrechte Gang. Sollte man ihn bebildern,
dann böte sich Freda Meissner-Blau an. So wie sie
geht, geht sie mit Widrigkeiten um. Von unserer
Jurorin Christine von Weizsäcker stammt eine
Charakter isierung Fredas, die bereits alle
nötigen Zutaten für ein Porträt enthält: »Wie
leicht verkommt Schönheit zu gazettentauglichen
Posen, rutscht Eigenwilligkeit in
Absonderlichkeit ab, werden Kontaktfähigkeit und
Eloquenz zur Manipu - lation s waffe, endet
Welter fahrenheit in Zynismus, er - schöpft sich
ein geistreicher Mensch in eitlen Geist -
reicheleien, führt Natur verbundenheit zu
Menschenvergessenheit oder gar
Menschenverachtung. Du bist, als Reichbegabte,
den entsprechend reichlich vorhandenen Gefährdungen nicht erlegen.«
Freda Meissner-Blau wurde am 11. März 1927 als
jüngstes von vier Kindern in Dresden und wuchs in
einer Atmosphäre von Liberalität, Kunst- und
Naturliebe auf. Dass ihr Vater wegen seiner
Veröffent - lichungen gegen das Nazi-Regime als
Staatsfeind« auf der Gestapoliste stand und nach
England emigrieren musste, dass Freunde und
Verwandte im Krieg starben, und dass sie die
Feuernacht in Dresden miterlebte, dass sie in
Belgisch-Kongo der 50er Jahre Zeugin des
Widerstand gegen die Kolonialmacht war, ließen in
ihr den Entschluss keimen, sich für eine
friedliche und gerechte Welt einzusetzen.
Misstrauen gegenüber der Atomindustrie wuchs in
ihr seit den 50er Jahren und gipfelte im
Widerstand gegen das Atomkraftwerks Zwentendorf
im Jahre 1978. Stefan Micko, Wolfgang Pekny und
Peter Weish gehörten zu dieser Front ebenso wie
Fredas Lebens - partner Paul Blau. Kanzler Bruno
Kreisky reagierte mit einer Volksabstimmung, die
am 5. November 1987 mit einem knappen Sieg der
Atomkraftwerksgegner (50,5 Prozent Nein-Stimmen)
endete. Das Parlament beschloss ein
»Atomsperrgesetz«, das die Nutzung der Kernkraft
zur Energieversorgung verbot. Dieser Sieg gab ihr
den Schwung, 1986 für die Grünen als
Präsidentschafts - kandidatin durch die Lande zu ziehen.
Für Freda Meissner-Blau ist der Kampf gegen die
Nuklearindustrie immer Teil einer grundsätzlichen
Veränderung: »Die Chimäre ständigen Wirtschafts -
wachstums in einer endlichen Welt wird immer noch
von Regierungen, Bürokraten und Nationalökonomen
verfolgt. Ihre Logik ist die Logik des
Geldes....Doch Geld ist nicht die Währung der
Natur. Es kann nie den Wert des Lebens bemessen.
Unsere Zivilisation wird nur überleben, wenn
vormarktwirtschaftliche Ethik und
Verantwortungsbewusstsein für die Zukunft wieder
Kategorien wirtschaftlichen und politischen Handelns werden.«
Auf dem World Uranium Hearing 1992 gehörte Freda
Meissner-Blau zu denen, die die Menschen aus
aller Welt zusammenhielten und mit Mut füllten.
Für uns ist es ein großes Bedürfnis, ihr zu danken.
Claus Biegert
===========================================================
Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
Spenden-Konto Nr. 0600-970305 (Blz. 20314) Sparkasse Bad Ischl,
Geschäftsstelle Pfandl
IBAN: AT922031400600970305 BIC: SKBIAT21XXX
Mehr Informationen über die Mailingliste E-rundbrief