[E-rundbrief] Info 593 - Rb 126 - US-Basisbewegungen, Ueberwachung

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Di Sep 4 12:07:08 CEST 2007


E-Rundbrief - Info 593 - Rundbrief Nr. 126 - 
Matthias Reichl: Solidarität mit den 
Basisbewegungen in den USA und anderswo - 
Überwachung und Behinderungen durch Behörden; 
Bernhard Redl (akin, A): USA/ Moderne Zeiten: Police America Act 2007.

Bad Ischl, 4.9.2007

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Solidarität mit den Basisbewegungen in den USA und anderswo

Matthias Reichl

Der Bericht über das US-Sozialforum auf der 
vorigen Seite macht Lust auf eine verstärkte 
Zusammenarbeit inklusive eine zeitweilige 
Mitarbeit in Projekten in den USA (unsere 
finanzielle Situation schließt solche Reisen 
leider aus). Benachteiligte und unterdrückte 
Bevölkerungsgruppen wie sie der Bericht schildert 
hätten dringend Unterstützung nötig wie wir sie 
sonst vor allem aus den verarmten Zonen der 
südlichen Hemisphäre kennen. Welche effektiven 
Unterschiede bestehen noch zwischen 
repressiv-diktatorischen Staaten und der USA - 
für die Bewohner des Landes und auch für Besucher 
von auswärts? Die von regierungsnahen 
Institutionen und Think-Tanks geschickt geschürte 
Terrorismushysterie mit ihrem Überwachungsapparat 
erreicht in großen Teilen der Bevölkerung 
offensichtlich ihre Einschüchterungs- und Abschreckungsziele.

Menschenrechts- und andere politische Bewegungen 
haben immer wieder zu verschiedenen Formen von 
Boykotts aufgerufen - nicht nur von Produkten 
sondern auch bei Reisen. Die verschärften 
Einreise- und Transitbestimmungen veranlassen 
immer mehr Touristen und andere Reisende, um die 
USA einen Bogen zu machen und sich mit Freunden 
in den USA nur noch in Drittstaaten zu treffen. 
Das erinnert mich an die Zeit vor 1989 als ich - 
wie viele andere politische Aktivisten auch - 
wegen meiner Kontakte zu oppositionellen Gruppen 
in der DDR Einreiseverbot hatte. Dadurch waren 
wir gezwungen, die Kontakte über geheime Kanäle 
aufrecht zu halten - und es funktionierte auch 
dank unserer alternativen Kreativität und 
Organisationsgeschick. Die 
Kommunikationsmöglichkeiten sind seither durch 
das Internet wesentlich erweitert worden und eine 
inhaltliche bzw. administrative Überwachung 
(“Vorratsdatenspeicherung”) bewirkt, dass die 
Überwacher in einer Datenflut ersticken - selbst 
wenn sie diese in viele zivile Firmen auslagern. 
Dass auch EU-Staaten folgsam diese US-Politik 
übernehmen - nicht nur bei Pässen, sondern auch 
in der gesamten elektronischen Kommunikation 
zeigt, dass die (Un)Sicherheitsparanoia auch in 
den führenden politischen Kreisen grassiert (siehe Infos 564, 585).

Aktivisten, die sich in Israel und Palästina an 
gewaltfreien Projekten (z.B. in der Olivenernte 
und Bildungsinstitutionen) und Aktionen (z.B. 
gegen die “Apartheidsmauer” und Repressionen 
gegen die Besatzer) engagiert haben, haben uns 
über die massive Unterdrückung durch israelische 
Behörden auch gegen “ausländische Gäste” 
berichtet. Ein Ausweisung mit Einreiseverbot auf 
Jahre hinaus ist noch eines der “geringeren” 
Mittel. Im Vergleich zu dem Aushungern der 
Bevölkerung in Gaza und Repressionen im 
restlichen Palästina erscheinen diese “harmlos”, 
sind es aber nicht. Die Zusammenarbeit von US- 
und israelischen Behörden und Geheimdiensten ist 
seit langem bekannt und dokumentiert. Dass die 
dahinterstehenden - meist privaten - Firmen ihre 
“Produkte” weltweit vermarkten zeigt die 
Dimension der  Gefahr (siehe u.a. http://gush-shalom.org, www.nahostfriede.at).

Vor einigen Tagen berichteten Medien in 
Österreich und den USA, dass einem 
Auslandszivildiener aus Oberösterreich die 
Aufenthaltsgenehmigung verweigert wurde. Dabei 
wird seine Einsatzstelle, das “Los Angeles Museum 
of the Holocaust” staatlich akzeptiert und auch 
von jüdischen Institutionen unterstützt. Ähnliche 
Fälle von administrativer Behinderung kommen in 
den USA immer öfter vor. So bietet z.B. der 
internationale “Service Civil International” für 
die USA nur wenige Sozial- und Umwelt-Workcamps 
an, aber keine Friedensprojekte. Eine 
Beschäftigung mit Verstorbenen, mit der 
faschistischen Vergangenheit (z.B. in 
“Gedenkdienstprojekten”) ist den Behörden 
offenbar politisch suspekt. Erst recht ist es ein 
gesellschaftskritisch-engagiertes Engagement für 
(noch) lebende Unterdrückte (z.B. im Netz des 
“Weltsozialforums” und anderer Basisbewegungen). 
Persönlich finde ich zwar die Auseinandersetzung 
mit der faschistischen Vergangenheit und 
Gegenwart für notwendig. Angesichts der 
eingeschränkten Ressourcen halte ich das 
Engagement mit Basisinitiativen in 
sozio-politischen Projekten für sinnvoll und 
verantwortbar. Ich bin überzeugt, dass in diesen 
Basisnetzwerken auch die entsprechenden Kontakte 
für Freiwilligeneinsätze vermittelt werden. 
Allerdings müssen die Organisatoren dieser 
gewaltfreien Einsätze aus der wachsenden 
administrativ-politischen Unterdrückung die 
entsprechenden Schlüsse ziehen und ihre 
Strategien aktualisieren damit nicht die 
engagierten Freiwilligen die Opfer sind.

Weitere Infos (u.a.):

www.ussf2007.org

www.sciint.org

www.intersol.at

www.gedenkdienst.at

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USA/ Moderne Zeiten:

Police America Act 2007

Auch in den USA geht der "Krieg gegen den 
Terrorismus" weiter. Man hört kaum mehr hin, wenn 
solche Meldungen über die Ticker gehen, zu 
vielfältig sind die zum Teil haarsträubenden 
Massnahmen der US-Regierung - nun allerdings mit 
Unterstützung eines in beiden Häusern 
demokratisch dominierten Kongresses. Der letzte 
Anschlag auf die Civil Rights ist der "Protect 
America Act 2007" -- die "American Civil 
Liberties Union/ Amerikanische 
Bürgerfreiheitenunion" (ACLU) nennt das Gesetz 
nur mehr "Police America Act" und verteilt 
Postkarten, die die demokratischen 
Fraktionsanführer als willige Schafe darstellen.

Im PAA geht es um nichts weniger als die 
Überwachung sämtlicher Telekommunikation 
(Telefon, Email etc.) über US-Amerikas Grenzen 
hinweg. Diese Daten sollen komplett aufgezeichnet 
werden und ohne jegliche richterliche Verfügung 
ausgewertet werden dürfen. Kontrolle darüber hat 
der - im übrigen gerade jetzt neu zu bestellende 
- Justizminister. Für die ACLU ist das ein 
unerhörter Affront gegen den 4. Zusatzartikel der 
Verfassung (Hausrecht, Schutz des Privatlebens). 
Denn nun wird eben nicht nur das Ausland 
abgehört, sondern die Kommunikation mit dem 
Ausland. Ersteres war zwar auch nicht im Sinne 
von Bürgerrechtsaktivisten, betraf aber nicht 
explizit die Rechte von US-Bürgern. Nun wird aber 
jeder Auslandskontakt überwacht. Die einzige 
Einschränkung (wohl dem obzitierten 
Verfassungsrecht geschuldet): Es darf dabei nicht 
gezielt ein US-Bürger Gegenstand der Untersuchung 
werden - eine schwammige Bestimmung, wenn man 
stattdessen halt sämtliche Auslandskontakte des Bürgers für verdächtig hält.

Auch wenn konkrete Informationen über die Praxis 
dieses Lauschangriffs noch fehlen (und wohl auch 
in Zukunft der Öffentlichkeit vorenthalten 
werden), ist anzunehmen, dass dieses Gesetz wohl 
weltweit die Kommunikation betreffen wird - denn 
gerade mit dem Interesse an der Kommunikation von 
Ausländern mit Ausländern wurde das Gesetz durch 
den Kongress geboxt. Diese Überwachungsbreite ist 
möglich durch eine starke Beteiligung 
US-amerikanischer Telekommunikationsgiganten am 
weltweiten Markt. So gehen beispielsweise viele 
e-Mails auch über US-amerikanische Server -- 
selbst wenn sie eigentlich nur (in Wien) zwischen 
Hernals und Ottakring hin und her laufen sollten.

Bernhard Redl

Weitere Informationen: www.aclu.org

Aus: akin-Pressedienst, 28. August 2007

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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
     Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
     Center for Encounter and active Non-Violence
     Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
     fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
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