[E-rundbrief] Info 547 - Gefahr Datenspeicherung

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Do Mai 24 17:56:17 CEST 2007


E-Rundbrief - Info 547 - ARGE DATEN (A): Negative 
Stellungnahme zur Vorratsdatenspeicherung. 
Überwachungsvorhaben der österreichischen 
Bundesregierung geht weit über EG-Richtlinie 
hinaus - Österreich wird zum Musterschüler der 
Grundrechtsverletzungen - BotNets werden in 
Zukunft Kommunikation krimineller Vereinigungen 
bestimmten - Journalisten werden in Zukunft auf 
Beamteninformationen verzichten müssen... 
Matthias Reichl/ Hans G. Zeger (A): Vorbemerkung 
zum Missbrauch von E-Mail-Adressen und seine 
Auswirkungen auf die Datenspeicherung.

Bad Ischl, 24.5.2007

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Vorbemerkung von Matthias Reichl (23.5.2007):

Ein Detail unter vielen trifft alle jene von uns, 
deren E-Mail-Adresse irgendwann mißbräuchlich von 
Fremden zum Versenden von illegalen E-mails 
verwendet wurde. (Siehe unten unter "Bestimmungen leicht zu umgehen"!)

Nicht immer sind es idiotische 
Werbe-Spams,  sondern manchmal auch solche mit 
bedenklichem (politischen u.a.) Inhalt. Schon 
jetzt kamen dadurch E-Mail-Adressen unschuldig 
auf Spam-Filter-Listen, die die Kommunikation 
abblocken. Künftig können diese auch noch in 
staatlichen - evtl. auch in privaten - 
Überwachungsdateien gespeichert werden ohne dass 
der unschuldige E-Mail-Adress-Inhaber davon weiß 
und dagegen Einspruch erheben kann. Damit können 
Unbekannte gezielt z.B. Konkurrenten, Gegner, 
unbequeme, kritische Personen und Gruppen sabotieren und kriminalisieren.

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Antwort auf meine Anfrage bei der ARGE DATEN:

Sehr geehrter Herr Reichl!

Wir haben uns im Zusammenhang mit der 
eMail-Aufzeichnung bewußt zurück gehalten, da der 
jetztige Entwurf und auch die Position des 
BMJ/BMVIT (Bundesministerium für Justiz/ 
Bundesministerium für Verkehr, Infrastruktur...) 
einigermaßen konfus und widersprüchlich ist.

Wie bekannt ist bei eMails die Absendeadresse 
nicht wirklich eindeutig ("From", Reply", ..) und 
leicht fälschbar, was hier aufgezeichnet werden 
soll ist daher ziemlich unklar. Das von Ihnen 
aufgezeigte Szenario ist ohne weiters vorstellbar.

mfg Hans G. Zeger (23.5.2007)

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Wilderei, Stalking, falsche Angaben bei Behörden 
und Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang reichen 
für Zugriff auf Telefon- und Internetdaten - 
Überwachungsvorhaben der österreichischen 
Bundesregierung geht weit über EG-Richtlinie 
hinaus - Österreich wird zum Musterschüler der 
Grundrechtsverletzungen - Milliarden Datensätze 
müssen permanent vorrätig gehalten werden - 
BotNets werden in Zukunft Kommunikation 
krimineller Vereinigungen bestimmten - 
Journalisten werden in Zukunft auf 
Beamteninformationen verzichten müssen - 
Musikindustrie fordert noch leichteren Zugriff 
auf Daten - ARGE DATEN gibt negative Stellungnahme ab

Vorratsdatenspeicherung bietet Basis für jede Menge von Zugriffsmöglichkeiten

Der nunmehrige Entwurf erlaubt einen derartig 
einfachen Zugriff auf die aufgezeichneten Daten, 
dass kaum ein Vorwurf oder Verdacht, der gegen 
eine Person erhoben wird, nicht auch den Zugriff 
auf die Telekom- und später Internet-Daten rechtfertigen würde.

So genügt es, den glaubwürdigen Verdacht zu 
äußern, jemand hätte vor einer Behörde falsche 
Angaben gemacht, er würde Betriebsgeheimnisse 
ausspähen, er hätte vertrauliche Unterlagen an 
einen Journalisten weitergegeben oder er würde jemanden "beharrlich verfolgen".

Schon müßten die Telefon- und Internetkontakte 
offen gelegt werden. Der Schaden bliebe bestehen, 
auch dann wenn sich kurz darauf herausstellt, man 
habe sich geirrt, der Verdacht sei doch nicht zu 
erhärten oder er betreffe eine ganz andere Person.

Mit der weitreichenden Verwendungsermächtigung 
wäre eine völlig neue Dimension in Sachen 
gegenseitige Vernaderung und Beschuldigung eröffnet.

Besonders stark betroffen sind auch Journalisten, 
Rechtsanwälte und andere Vertrauensberufe. Ihre 
Kommunikationsnetzwerke können durch die neue 
Regelung systematisch offengelegt werden, 
bisherige Schutzmechanismen greifen nicht mehr.

Vorhaben findet keine Deckung in EG-Richtlinie

Zentrale Voraussetzung für die verabschiedete 
EG-Richtlinie war Bekämpfung von Terrorismus und 
organisiserter Kriminalität. Diese Voraussetzung 
findet sich mehrfach in den Erwägungsgründen der 
Richtlinie, die zentraler Bestandteil der 
Richtlinie sind (Art. 8 EG). Mit der Hereinnahme 
von Allerweltsdelikten wird Österreich wieder 
einmal zum Musterschüler für Grundrechtsverletzungen.

Hans G. Zeger, Obmann der ARGE DATEN und Mitglied 
im Datenschutzrat: "Es gibt keinerlei 
rechtssystematische Begründung mit Bezug auf §17 
SPG die gespeicherten Daten für eine Vielzahl von 
Delikten zugänglich zu machen, die überhaupt 
keinen Bezug zu Terrorismus haben. Selbst der 
bezug auf §17 StGB, der zwischen Vergehen und 
Verbrechen unterscheidet wäre sinnvoller, obwohl 
auch diese Bestimmung noch weit über die 
Intentionen der EG-Richtlinie hinausgeht."

Sinnvoll wäre für dieses Spezialgesetz wohl nur 
eine vollständige Aufzählung jener Delikte, die 
tatsächlich einen nachvollziehbaren Konnex zu 
Terrorismus haben. Dies wäre die Gruppe der 
Tatbestände, wie sie unter §278ff StGB 
(Terrorismus, organisierte Kriminalität) 
beschrieben sind (ftp://ftp.freenet.at/int/stgb-organisationsdelikte.pdf).

Hans G. Zeger: "Offenbar ist den österreichischen 
Politikern bewusst, dass die 
Vorratsdatenspeicherung im Zusammenhang mit 
organisierter Kriminalität kaum Ergebnisse 
bringen wird. Allzuleicht ist es für diejenigen, 
'die etwas zu verbergen haben', die Bestimmungen 
zu umgehen. Vorsorglich wird daher der Zugriff 
auf die Daten auch für zehntausende 
Allerweltsdelikte sichergestellt, damit man nach 
einigen Jahren zumindest einige dutzend 
'Erfolgsmeldungen' verbreiten kann. Eine 
Verbesserung der Gesamtsicherheitslage oder einen 
Beitrag zur Terrorismusbekämpfung wird es nicht 
geben. Eine Rechtfertigung für die 
Bürgerüberwachung wird man aber sehr wohl herauslesen können."

Gerade im Zusammenhang mit einem Modedelikt, wie 
Stalking, ließen sich dann trefflich 
"Erfolgsmeldungen" produzieren. Fehlt doch vielen 
Stalkern mit ihrer oft krankhaften Neigung 
anderen Personen nachzustellen, jedes 
Unrechtsbewusstsein. Sie werden daher auch keine 
Verschleierungsmaßnahmen für ihre Taten treffen 
und könnten dann durch die 
Vorratsdatenspeicherung noch leichter 
ausgeforscht werden als es bisher schon der Fall ist.

Umgekehrt ist das Stalking-Delikt geradezu ein 
Musterbeispiel für den Missbrauch der neuen 
Datenaufzeichnungen. Charakteristisches Merkmal 
von Stalking ist die "Beharrlichkeit" in der 
Nachstellung. Ein Stalkingopfer hat daher schon 
jetzt durch zeitgerechte Anzeige und gezielte 
Überwachung seines Telefonanschlusses jede 
denkbare Möglichkeit der Verfolgung und 
Aufklärung des Delikts. Das nachträgliche 
Herumschnüffeln in Daten unbescholtener Bürger 
ist dazu überhaupt nicht erforderlich.

Milliarden Datensätze müssen permanent vorrätig gehalten werden

Die Daten von - konservativ geschätzten - 
mindestens 14 Mrd. Telefonanrufen und - sobald 
auch Internet erfasst ist - rund 28 Mrd. 
eMailkontakten müssten für Schnüffeldienste aller 
Art permanent bereit gehalten werden (die Zahlen 
sind eine Schätzung, basierend auf einer 
angenommenen Mindestnutzung und den in Österreich bekannten Anschlusszahlen).

Bisher unbeachtet blieb, dass nicht einmal die 
Löschungsverpflichtung nach Ablauf der 
Sechsmonatsfrist für die Datenaufbewahrung 
bedingungslos eingehalten wird. Dies würde eine 
tägliche Löschung der über diesen Zeitraum 
liegenden Daten erfordern. Schon jetzt sind die 
Vorbehalte der Telekomanbieter absehbar.

Beamte werden keine Informationen mehr weitergeben

Auf Informationen aus Beamtenkreisen werden 
Journalisten noch stärker verzichten müssen als 
bisher. Steht doch bei jeder 
Informationsweitergabe der Verdacht des 
Amtsmissbrauchs im Raum. Bei einem Strafrahmen 
von bis zu drei Jahren hoch genug um auf 
Vorratsdaten zugreifen zu dürfen. Selbst wenn 
sich anschließend der Verdacht nicht bestätigt, 
Ruf und wohl auch Karriere des Beamten sind durch 
die durchgeführte Untersuchung nachhaltig 
beschädigt. Kein vernünftiger Beamter wird in 
Zukunft noch einen eMail- oder Telefonkontakt mit 
einem Journalisten pflegen, auch wenn er nichts 
zu verbergen hat, das Risiko in eine Untersuchung 
hineingezogen zu werden ist zu groß.

Musikindustrie fordert noch leichtern Zugriff auf Daten

In nahezu wortidenten Stellungnahmen haben die 
Vertreter der Musikindustrie in einer 
konzertierten Aktion, namentlich ifpi, VTMÖ, VGR, 
austro mechana, LSG und VBT eine Senkung der 
Zugriffsschwelle auf Vergehen mit nur 6 Monaten 
Strafdrohung gefordert. Dies ist der Strafrahmen, 
mit dem Jugendliche theoretisch rechnen müssen, 
wenn sie über eine Tauschbörse auch nur einen einzigen Song verbreiten.

Damit dreht Musikindustrie, die schon in der 
Vergangenheit mit äußerst dubiosen Methoden 
Bürger als Urheberrechtsverletzer jagte und durch 
überzogene Abmahnschreiben einschüchterte, weiter 
an der Kriminalisierungsschraube.

Schon der jetztige Entwurf erlaubt fast 
ungehemmten Zugriff auf die Vorratsdaten. Reicht 
es doch den gewerbsmäßigen illegalen Download 
bloß zu behaupten (§91 Abs. 2a, UrhG), schon 
würde sie Zugang zu den Internetdaten haben.

Freilich, noch ist es nicht soweit, die 
Internetbestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung 
sollen erst in einigen Monaten beschlossen 
werden. Doch werden schon allein aus Gründen der 
Gleichbehandlung die niedrigen Strafrahmen für 
Datenzugriffe ident gehalten werden.

Bestimmungen leicht zu umgehen

Für denjenigen, der "etwas zu verbergen hat" und 
tatsächlich im Bereich der organisisierten 
Kriminalität tätig ist, ist es weiterhin leicht 
unidentifiziert zu kommunizieren.

Ausweichmöglichkeiten gibt es genug: 
Diensteanbieter außerhalb der EU für 
Internettelefonie und e-mail; innerhalb der EU 
werden diese Fremdhandys dann über 
Roaming-Verträge unidentifizierbar genutzt; 
Anonymisierungsdienste; Wertkartenhandys; 
Telefonzellen; Internetcafes; etc... Das sind die 
Möglichkeiten, die schon dem Normalbürger spontan 
einfallen. Daher: Wenn ein Krimineller auch nur 
einigermaßen professionell agiert, wird er sich 
eben auf die neuen Rahmenbedingungen problemlos umstellen können.

Wie die Herkunft von eMails "professionell" zu 
verschleiern ist, zeigen uns die täglichen 
Phishingattacken. Mails werden nicht über 
offzielle und somit durch die 
Vorratsdatenspeicherung erfasste Mailserver 
verschickt, sondern heimlich über geknackte 
Privat-PCs, auf denen mittels Würmer 
entsprechende Serverprogramme installiert wurden. 
BotNets, also illegale Internet-Netzwerke können 
nicht nur für Hackerangriffe genutzt werden, 
sondern auch für Internettelefonie oder als 
eMail- und Web-Netzwerke. Mehrere zehntausend 
derartiger Netze existieren bereits, mit jeweils 
mehreren tausend bis eine Million Computern, allesamt geknackte PrivatPCs.

Negative Stellungnahme abgegeben

Hans G. Zeger: "Die ARGE DATEN hat nach 
gründlicher Analyse des Entwurfes eine umfassende 
und sehr detaillierte Stellungnahme abgegeben."

Dass diese Stellungnahme negativ ist, überrascht 
nicht wirklich, was die ARGE DATEN jedoch 
überrascht hat, war die unverfrorenheit in der 
Beamte des BMJ und des BMVIT, offensichtlich mit 
Rückendeckung aus der Regierung, aus einer 
Regelung zur Terrorismusbekämpfung ein 
Allerweltsinstrument zur Aushebelung von Grundrechten gemacht haben.

Hans G. Zeger: "Persönlich musste ich auch im 
Datenschutzrat eine gesonderte Stellungnahme 
abgeben. Auch in diesem Gremium standen nur 
kosmetische Fragen zur Diskussion und die längst 
vorbereitete Mehrheits-Stellungnahme musste als ungenügend angesehen werden."

Die Stellungnahme im Volltext -->
ftp://ftp.freenet.at/privacy/gesetze/stellungnahme-vorratsdatenspeicherung.pdf

mehr -->
http://www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDATEN&s=28764tot
http://www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDATEN&s=79697twr
ftp://ftp.freenet.at/int/stgb-organisationsdelikte.pdf
ftp://ftp.freenet.at/int/rl_de.pdf
ftp://ftp.freenet.at/int/urhg-91.pdf
ftp://ftp.freenet.at/int/dsr-vorratsdatenspeicherung.pdf
andere -->
http://www.parlament.gv.at/portal/page?_pageid=908,4662640&_dad=portal&_schema=PORTAL


artikel - redaktionell/public (2007/05/23-9999/99/99) powered by e-CMS


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