[E-rundbrief] Info 540 - Kommunale Wohnungen vermarktet

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Mi Mai 9 16:19:19 CEST 2007


E-Rundbrief - Info 540 - Wolfgang Kessler und 
David Siebert (D): Wenn Wohnraum zur Ware wird. 
(Deutsche) Städte und Gemeinden verkaufen immer 
mehr Immobilien, um Schulden abzubauen. Die 
Bundesregierung will diese Entwicklung 
beschleunigen ­ ohne Rücksicht auf die Mieter

Bad Ischl, 9.5.2007

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

==============================================================

Wenn Wohnraum zur Ware wird

(Deutsche) Städte und Gemeinden verkaufen immer 
mehr Immobilien, um Schulden abzubauen.

Die Bundesregierung will diese Entwicklung 
beschleunigen ­ ohne Rücksicht auf die Mieter

Wolfgang Kessler und David Siebert

Wasserversorgung, Krankenhäuser und öffentlicher 
Nahverkehr wurden in vielen Kommunen und 
Landkreisen bereits privatisiert ­ jetzt 
verkaufen immer mehr Gemeinden auch ihre 
Wohnungen an private Investoren. Mit schwerwiegenden sozialen Folgen.

Dresden gilt als einer der Vorreiter: Die Stadt 
hat im vergangenen Jahr 48.000 kommunale 
Wohnungen an die amerikanische Investorengruppe 
Fortress verkauft. In Nordrhein-Westfalen wurden 
bereits mehr als 200.000 ehemalige Sozial- und 
Werkswohnungen an internationale Finanzinvestoren 
veräußert. Nach einer Untersuchung des 
Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung haben 
bis Anfang 2006 rund 1,3 Millionen Wohnungen den 
Eigentümer gewechselt. Davon stammten rund 
730.000 Wohnungen aus der öffentlichen Hand, 
mehrheitlich Bestände aus den 1950er- und 1960er-Jahren.

Die Privatisierung von Immobilien ist offenbar im 
Sinne der Politik. Sie hat gerade ein Gesetz 
verabschiedet, das den Immobilienmarkt den großen 
Kapitalanlegern öffnet: Am 23. Februar 
ermöglichte der Bundestag ­ gegen die Stimmen von 
Linkspartei und Bündnisgrünen ­ die Einrichtung 
von speziellen Immobilienfonds, sogenannten Real 
Estate Investment Trusts (Reits). Mit der 
Einführung von Reits können erstmals 
Gewerbeimmobilien, wie etwa Firmen- und 
Bürogebäude, Schulen oder Krankenhäuser, in Form 
von Immobilienfonds auch in Deutschland an der 
Börse gehandelt werden. Den Reits wurden große 
Steuererleichterungen gewährt, die einen Anreiz 
dafür schaffen sollen, dass künftig stärker in 
Immobilien investiert wird. Reits sind sowohl von 
der Körperschafts- als auch von der Gewerbesteuer 
befreit. Wer innerhalb der nächsten drei Jahre 
Immobilien an solche Fonds verkauft, muss nur die 
Hälfte seines Gewinns versteuern. Anders als im 
ursprünglichen Gesetzesentwurf vorgesehen, sind 
bereits bestehende Wohnungen vom Handel an der 
Börse ausgenommen ­ ein Zugeständnis an die 
SPD-Linke. Kritiker sehen die Reits dennoch als 
Türöffner, um langfristig an den Börsen auch mit Wohnungen zu handeln.

Die Privatisierung von öffentlichem Wohnraum kann 
schwerwiegende Auswirkungen für die Mieter haben. 
Zwar unterstehen Mieter und Mieten in den ersten 
Jahren nach der Privatisierung noch einem Schutz. 
Doch langfristig wird »geschützter« Wohnraum den 
Spielregeln des freien Markts unterworfen und dem 
Renditedruck von Investmentfonds ausgesetzt. Dass 
die Mieten dann steigen können, bestätigt eine 
Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Price 
Waterhouse Coopers unter 204 Kommunen: Danach 
liegen die Mieten kommunaler Wohnungen im 
Durchschnitt 17 Prozent unter der Vergleichsmiete 
privatwirtschaftlich organisierter 
Wohnungsunternehmen. Entsprechend groß sind denn 
auch die Ängste der Mieter vor dem Ausverkauf von 
öffentlich geschütztem Wohnraum: Nach dem 
aktuellen Mietwohn-Index, den der Verband 
bayerischer Wohnungsunternehmen in Auftrag gab, 
fürchten 73 Prozent der repräsentativ Befragten, 
dass es in Großstädten zu wenig bezahlbaren 
Wohnraum geben wird ­ der Vorjahreswert lag bei 59 Prozent.

Daraus erklärt sich der wachsende Widerstand in 
den Kommunen gegen den Verkauf von Wohnungen an 
private Investoren. Dieser Widerstand hat den 
Ausverkauf von Wohnungen nicht nur in manchen 
Städten verhindert, er führte in einzelnen 
Kommunen wie Flensburg auch zu völlig neuen 
Überlegungen der Kommunalverwaltung (siehe Kasten 
S. 15): Im hohen Norden wurden die kommunalen 
Wohnungen an eine Genossenschaft verkauft. Jetzt 
hat die Stadt Geld, private Investoren haben 
keine Chance, und die Mieter bleiben geschützt.

Publik Forum Nr. 8, 27.4.2007

www.publik-forum.de/f4-cms/tpl/pufo/op/artgrp/art/display.asp?cp=/
pufo/op89740/aktuelleausgabe/art71726/

===========================================================

Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
     Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
     Center for Encounter and active Non-Violence
     Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
     fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
     Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
Spenden-Konto Nr. 0600-970305 (Blz. 20314) 
Sparkasse Bad Ischl, Geschäftsstelle Pfandl
IBAN: AT922031400600970305    BIC: SKBIAT21XXX 




Mehr Informationen über die Mailingliste E-rundbrief