[E-rundbrief] Info 488 - V. Shiva: Soja frisst den Amazonas auf.

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Do Nov 30 16:15:41 CET 2006


E-Rundbrief - Info 488 - Vandana Shiva (Indien): Soja frisst den Amazonas auf.

Bad Ischl, 30.11.2006

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Soja frisst den Amazonas auf

Von Vandana Shiva (*)

NEW DELHI, (IPS) ­ Vor fünfzig Jahren hat keine Kultur auf der Welt 
Soja auf dem Speiseplan gehabt. Dann hat die Industrie in den USA 
begonnen, sie in 70 Prozent der industriellen 
Nahrungsmittelproduktion beizufügen. Heute findet man sie schon in 60 
Prozent aller verarbeiteten Nahrungsmittel.

Die Förderung der Soja als Nahrungsmittel ist ein riesiges 
Experiment, das in den USA zwischen 1998 und 2004 mit 13 Milliarden 
US-Dollar vom Staat gefördert wurde. Dazu kommen 80 Millionen 
US-Dollar pro Jahr von der dort ansässigen Industrie.

Das Ergebnis dieses Experiments ist die Untergrabung von Natur, 
Kultur und Gesundheit der Bevölkerung.

Die Menschheit hat sich in ihrer Evolution von etwa 80.000 
Nutzpflanzen ernährt ­ von 3.000 in ständiger und systematischer 
Weise. Gegenwärtig liefern die Ernten von 8 Feldfrüchten die Basis 
für etwa 75 Prozent der Nahrungsmittel weltweit.

1998 ist das einheimische Speiseöl in Indien, das traditionell in 
handwerklichen Mühlen aus Senfkörnern, Kokosnuss, Sesam, Leinsamen 
und Erdnüsse kalt gepresst wurde, verboten worden - angeblich aus 
Gründen der "Ernährungssicherheit". Gleichzeitig wurden die 
Importbeschränkungen für Sojaöl aufgehoben. Diese Maßnahmen haben die 
Existenz von 10 Millionen Landwirten aufs Spiel gesetzt. Weiters 
wurden mehr als eine Million Speiseölmühlen geschlossen. Mehr als 20 
Bauern starben bei den heftigen Protesten gegen das Dumping von Soja 
in den indischen Markt und gegen den Preisverfall für Speiseöl und 
lokal gepflanzter Soja. Millionen Tonnen von Ölen aus genetisch 
veränderter Soja - zu niedrig gehaltenen Preisen - werden weiterhin 
in den indischen Markt gepumpt.

Die selben Konzerne, die für das Dumping der Soja in Indien 
verantwortlich sind, Cargill und ADM, zerstören gleichzeitig weite 
Flächen im Amazonas, um Sojapflanzungen anzulegen. Millionen von 
Hektar Regenwald gehen in Flammen auf, um Soja für den Export zu 
produzieren. Die Ausbreitung der Monokulturen wird von den Konzernen 
mit einem hohen Einsatz an Gewalt vorangetrieben ­ eigene Milizen 
werden eingesetzt, um die einheimische Bevölkerung zu versklaven und 
den Widerstand zu brechen.

Die Menschen in Brasilien und Indien werden durch die Förderung von 
Monokulturen, die nur den Interessen der internationalen 
Agroindustrie dienen, existentiell bedroht. Aber auch die Menschen in 
Nordamerika und Europa sind davon indirekt betroffen. Fast 80 Prozent 
der Soja wird als billiges Futter für die Rinderzucht verwendet, ein 
Prozeß der den Regenwald zerstört und beiläufig auch gesundheitliche 
Risiken mit sich bringt, da Soja hohe Konzentrationen an Isoflavone 
und Phyto-Oestrogene vorweist und hormonale Ungleichgewichte beim 
Menschen verursacht.

Die Monokulturen führen zu Mangelernährung sowohl bei den 
Unterernährten wie auch bei den Überernährten. Eine Milliarde 
Menschen leiden unter Nahrungsmangel, weil die Monokulturen ihnen die 
Existenzgrundlage in der Landwirtschaft geraubt haben. Gleichzeitig 
leiden 1,7 Milliarden Menschen an Fettsucht und Krankheiten durch 
Fehlernährung.

Die Abhängigkeit von Monokulturen zwingt die Nahrungsmittelversorgung 
immer stärker in weitere Abhängigkeiten von fossilen Brennstoffen, 
künstlichen Düngemitteln, Großmaschineneinsatz und langen Transportwegen.

Die Monokulturen müssen daher überwunden werden, um das 
Welternährungssystem zu sanieren. Die kleinen und mittleren 
Landwirtschaften mit biologischer Vielfalt haben nachweislich eine 
höhere Produktivität und schaffen ein höheres Einkommen für die 
Bauern. Die Kost auf der Basis von biovielfältigen Produkten schafft 
eine eindeutig bessere Ernährungsgrundlage.

Die Kontrolle der Globalisierung der Landwirtschaft von Seiten der 
großen Konzerne führt immer weiter in die Monokultur. Die 
Ernährungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger hängt aber von der 
Biovielfalt ab. Die Freiheit des Menschen und die Freiheit anderer 
Spezies ergänzen sich gegenseitig.

In unserer Zeit ist die Soja zu einem Symbol für eine Wirtschaft und 
Weltsicht geworden, die die Natur und die Kulturen der indigenen 
Bevölkerung zerstören. Sie symbolisiert eine Entfremdung von der 
Natur und unserem eigenen Organismus. Sie symbolisiert Gier und 
Kontrolle. Mittels der Soja reißen sich die globalen Konzerne wie 
Monsanto, Cargill und ADM die Kontrolle über Landbesitz und 
Biodiversität an sich. Monsanto besitzt eine lange Reihe von Patenten 
von genetisch veränderter Soja.

Wir verlieren nicht nur den Regenwald des Amazonas, der bis 2080 
völlig verschwunden sein wird, wenn der bisherige Rhythmus der 
Regenwaldrodungen beibehalten wird, sondern zerstören auch das Klima 
unseres Planeten. Der Amazonas ist die Lunge und das Herz der Erde. 
Hier wird nicht nur CO2 aus der Atmosphäre abgebaut und in Sauerstoff 
verwandelt, sondern auch Feuchtigkeit an die Passatwinde abgegeben. 
Im Ausmaß, in dem Wälder zerstört werden, verringert sich die 
Luftfeuchtigkeit und die Dürren nehmen zu. Bei der Dürrekatastrophe 
im Jahr 2005 sank das Niveau des Amazonas um 51 Fuß, weit mehr als 
normalerweise. An einer Stelle, in Acre, konnte der mythische 
Amazonas sogar zu Fuß überquert werden.

Während der Amazonas regelrecht "weggegessen" wird, um billiges 
Fleisch und Soja zu bekommen, fressen die Konzerne wie Cargill den 
ganzen Planeten auf. Wenn wir eine totale ökologische und menschliche 
Katastrophe verhindern wollen, müssen wir daher das primitive Modell 
der Akkumulation aufgeben, denn das zerstört und frisst alles, um 
"Wachstum" zu erreichen. Nur die indigenen Kulturen können uns 
zeigen, wie wir anders leben können und zwar so, dass die 
verschiedenen Spezies und Kulturen auf unserem Planeten wieder 
erblühen können. (ENDE/COPYRIGHT IPS)

(*) Vandana Shiva, Schriftstellerin und internationale Aktivistin in 
Kampagnen für die Rechte der Frauen und dem Umweltschutz. Sie erhielt 
1993 den Right Livelihood Award ­ den alternativen Nobelpreis.

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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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