[E-rundbrief] Info 485 - Rb 123 - Alternative Nobelpreise 2006, DVD-Doku RLA

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Fr Nov 24 16:35:02 CET 2006


E-Rundbrief - Info 485 - Rundbrief Nr. 123 - Alternative Nobelpreise 
2006/ "Right Livelihood Awards 2006" für Chico Whitaker Ferreira 
(Brasilien), Daniel Ellsberg (USA), Ruth Manorama (Indien) und das 
Festival Internacional de Poesia de Medellin (Kolumbien)- (siehe 
Infos 456 - 460); DVD-documentation "25th Anniversary Right 
Livelyhood Award. Conference in Salzburg June 8 - 13, 2005". 
Veranstaltungen mit den Alternativen Nobelpreisträgern Dr. Ibrahim 
Abuleish (SEKEM/ Ägypten) und Dr. Manfred Max-Neef (Chile); Ruth 
Manorama (Indien): Gewalt an Dalitfrauen.

Bad Ischl, 24.11.2006

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Alternative Nobelpreise 2006

Die "Right Livelihood Awards" ("Alternative Nobelpreise") 2006 
erhalten am 8. Dezember 2006 im Schwedischen Parlament in Stockholm 
Chico Whitaker Ferreira (Brasilien, Ehrenpreis), Daniel Ellsberg 
(USA), Ruth Manorama (Indien) und das Festival Internacional de 
Poesia de Medellin (Kolumbien).

Seit Daniel Ellsberg 1971 mit der Veröffentlichung geheimer 
Pentagon-Papiere die Bewegung gegen den Vietnamkrieg stärkte, setzt 
er sich für Frieden und Transparenz in der Politik ein - und nimmt 
dabei auch persönliche Risiken in Kauf.

Von 1954 bis 1957 war Ellsberg Offizier der US-Marineinfanterie, 
anschließend Analyst bei der einflussreichen »Denkfabrik« RAND 
Corporation sowie Berater des US-Verteidigungsministeriums. Als 
ziviler Mitarbeiter des Außenministeriums lebte und arbeitete 
Ellsberg zwei Jahre in Vietnam. Dort erkannte er, dass der 
Vietnamkrieg für die USA nicht zu gewinnen war. Aufgrund seiner 
Publikation von geheimen Pentagonpapieren wurde er 1971 angeklagt, 
1973 jedoch freigesprochen. Nach der Veröffentlichung engagierte sich 
Ellsberg weiterhin politisch. Er hält bis heute weltweit Vorträge 
über aktuelle Ereignisse, etwa über das Vorgehen der US-Regierung im 
Irak, wofür er von der Regierung Bush heftig kritisiert wird. In den 
letzten Jahren arbeitete Ellsberg am Massachusetts Institute of 
Technology (www.ellsberg.net - siehe auch Antje Bultmanns Beitrag 
"Whistleblower", Info 454).

Der Brasilianer "Chico" Whitacker Ferreira erhält den Ehrenpreis für 
seine "lebenslange Arbeit für soziale Gerechtigkeit", mit der er 
gezeigt habe, dass "eine andere Welt möglich ist". Das ist das Motto 
des 2001 von Ferreira im brasilianischen Porto Alegre mitgegründeten 
ersten Weltsozialforums, das als politisches Gegengewicht zum 
Weltwirtschaftsforum für Topmanager und Regierungsspitzen in Davos 
geschaffen wurde. In den Prinzipien des Weltsozialforums heißt es, 
man biete eine offene Gesprächsplattform für alle, "die sich dem 
Neoliberalismus und der Herrschaft der Welt durch das Kapital und 
jeder möglichen Form des Imperialismus widersetzen". Chico Whitacker 
setzte sich schon in den 60er Jahren für die "Theologie der 
Befreiung" und ihre Umsetzung in christlichen Basisgemeinden ein. Er 
musste vor der brasilianischen - und später der chilenischen - 
Militärdiktatur nach Europa fliehen und arbeitete dann für 
UNO-Organisationen bis er wieder nach Brasilien zurückkehren konnte 
(www.worldsocialforum.org).

Die indische Sozialaktivistin Ruth Manorama wird geehrt, weil sie als 
"wirkungsvollste Anwältin" für die Rechte der so genannten 
"Unberührbaren" in ihrem Land kämpfte. Obwohl das Kastensystem in 
Indien offiziell als abgeschafft gilt, sind noch immer vor allem die 
Frauen dieser "Dalit" genannten Gruppe besonders entrechtet. Sie 
berichtete in der Evang. Akademie Bad Boll - siehe unten! (www.idsn.org).

Ab 1991 setzt sich das Festival für Poesie im kolumbianischen 
Medellín auch dafür ein, dass "Kreativität, Schönheit, freier 
Ausdruck und Kommunikation inmitten tiefer Angst und Gewalt blühen 
und beide überwinden können". Dies unter der Bedrohung durch stark 
verbreiteter Gewalt von Drogenhändlern und anderen 
(www.festivaldepoesiamedellin.org).

73 Kandidaten aus vierzig Ländern wurden dieses Jahr nominiert, wobei 
39 aus Ländern des Südens stammten (www.rightlivelihood.org).

Presseaussendung und Biographien der Preisträger (in Englisch): siehe 
Infos 456 - 460.

Red. Matthias Reichl


DVD-Dokumentation der Right Livelihood Award Foundation:

Winning Alternatives. Work - Culture - Human Dignity. (Alternativen, 
die sich rechnen. Arbeit - Kultur - Menschenwürde; Alternativas 
ganadoras Trabajo - Cultura - Dignidad humana.) 25th Anniversary 
Right Livelyhood Award. Conference in Salzburg June 8 - 13, 2005. 
(Filmberichte und Interviews mit Preisträgern, ROM-Dokumentation der 
Konferenzergebnisse.) DVD in Englisch, Deutsch und Spanisch. 2006 
Right Livelihood Award Foundation. www.rightlivelihood.org


Veranstaltungen mit den Alternativen Nobelpreisträgern Dr. Ibrahim 
Abuleish (SEKEM/ Ägypten) und Dr. Manfred Max-Neef (Chile) 30.11. - 
8.12.2006 in Salzburg, Oberndorf und Seeham (Infos: Tel. 
0662-8042-2106, 0664-5205203, www.tauriska.at):

30.11. 18:00 - 20:00 OBERNDORF (Café Piccolino): Gespräche mit Dr. 
Ibrahim Abuleish  und Dr. Manfred Max-Neef.

1.12. 18:30 SALZBURG (ICC-Forum; Theolog. Fakultät, Universitätspl. 
1, HS 103/ 3. St.): Vorträge: Ibrahim Abuleish: "Die Sekam Vision - 
ganzheitliche Entwicklung" und Manfred Max-Neef: "Einblicke eines 
Außenseiters: Erlebnisse eines Barfußökonoms"

2.12. 10:00 - 16:00 SEEHAM: Exkursion zu Bauern und "Akademisches 
Wirtshaus". (Anmeldung bis 28.11. 06565-6145 od. 06217-5525-0)

5.12. 18:30 - 20:00 SALZBURG (Bibliotheksaula, Universitätbibliothek, 
Universitätspl. 1): Vortrag von Manfred Max-Neef: "Armut und Poverty 
Proofing bzw. Poverty Alleviation"

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Gewalt an Dalitfrauen

Ruth Manorama (Indien)

Die indische Sozialaktivistin Ruth Manorama wird mit dem "Right 
Livelihood Award 2006" geehrt. Meist wird dieser Preis auch als 
"Alternativer Nobelpreis" bezeichnet. Sie hat im September 2004 an 
einer Indien - Tagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll 
teilgenommen und dort die Gewalt an Dalitfrauen angeprangert. Ihre 
Worte haben nichts von ihrer Aktualität verloren. Sie sagte u.a.:

"Dalit-Frauen müssen Tag für Tag um ihre Existenz, für ihr Überleben 
und für Gerechtigkeit kämpfen. Die alltägliche Diskriminierung ist 
gespickt mit körperlicher Gewalt gegen ihre Person als auch mit 
Vernichtung von Eigentum und Ressourcen. Die Prinzipien von Reinheit 
und Unreinheit lassen gar keinen Raum dafür, dass ihr Status sich 
ändern könnte. Daher wird jeder Ansatz von Dalit-Frauen, das System 
in Frage zu stellen oder etwas an ihrer Lebenssituation zu ändern mit 
körperlicher Gewalt, Vergewaltigung, Beschimpfung als Hexen und 
Mordbezichtigungen vergolten. Ganze Gemeinschaften werden bestraft, 
indem man ihre Häuser niederbrennt, Wertsachen, die Ernte und alles 
Eigentum vernichtet. Die Krux im Kampf der Dalit-Frauen ums Überleben 
wurzelt darin, dass sie am untersten Ende der Kasten-Hierarchie stehen.

Gemäß den jüngsten Zahlen, die dem Parlament von der staatlichen 
Kommission für die Scheduled Castes and Scheduled Tribes präsentiert 
wurden, gab es im Jahr 2000, das ist das letzte Jahr für das Zahlen 
vorliegen, 23.742 Fälle von Gräueltaten (einschließlich 1.034 
Vergewaltigungen). Dalit-Frauen sind schätzungsweise die Hauptopfer 
in fast 75 Prozent dieser Fälle. Der Bundesstaat Uttar Pradesh führt 
die Zahl der Fälle, die unter dem Gesetz von 1989 zur Verhütung von 
Gräueltaten Scheduled Castes/Scheduled Tribes registriert wurden, an, 
gefolgt von Rajasthan, Madhya Pradesh, Andhra Pradesh, Tamil Nadu, 
Karnataka, Gujarat und Bihar.

Gewalt stellt daher den Kern der gender-bezogenen Ungleichheiten dar, 
die verursacht, verstärkt und ermöglicht werden durch die 
Kasten-Diskriminierung, die als entscheidender sozialer Mechanismus 
dient, damit die Dalit-Frauen den Männern gegenüber, besonders 
gegenüber Männern der herrschenden Kasten, in untergeordneter 
Position bleiben. Frauen werden von mehreren Männern vergewaltigt, 
zur Prostitution gezwungen, nackt ausgezogen, nackt vorgeführt, und 
sogar gezwungen, Exkremente zu essen und sogar völlig schuldlos 
ermordet. (Gemäß UN Sonder-Bericht über Gewalt gegen 
Frauen  E/CN.4/2002/83 vom 31. Januar 2002). Sie sind Opfer von 
schlimmsten Formen der Erniedrigung. So müssen sie mit bloßen Händen 
menschliche Exkremente beseitigen, und die Praxis des 
Devadasi-Systems wird den Dalit-Frauen in manchen Gegenden Indiens 
immer noch aufgezwungen.

Dalit-Frauen als Latrinen-Frauen (Latrinen-Reinigerinnen)

Tausende Frauen sind gezwungen, ihren Lebensunterhalt auf diese Art 
und Weise zu verdienen. Das bedeutet, sie putzen Latrinen von Hand 
und tragen die Exkremente in Körben, die sie auf ihren Köpfen tragen, 
nach draußen  was von dieser diskreten Gesellschaft mit 
"Nacht-Schmutz" bezeichnet wird. Die Frauen benutzen sogenannte 
"Parethas", Metallpfannen, mit denen sie den Nacht-Schmutz mit Hilfe 
von kurzen Besen aufsammeln. Jeder Haushalt zahlt monatlich fünf 
Rupien, und einen Roti täglich. Diese Arbeit tötet ihre Würde, aber 
zugleich glauben sie, dass sie ruiniert wären, wenn sie diese Arbeit 
nicht hätten. Sie würden gern von Staat rehabilitiert werden. Sie 
glauben aber nicht, dass er etwas für sie tun wird. (The Hindu)

Das Devadasi-System: Prostitution im Namen der Religion:

Im Namen der Religion werden Tausende von unberührbaren Mädchen 
zwischen sechs und acht Jahren gezwungen, "Mädchen Gottes" zu werden, 
das heißt ritualisierte Prostitution in Tempeln. Wenn sie einmal 
"auserwählt" worden sind, dürfen die Mädchen nicht heiraten und sie 
werden von den Tempel-Priestern und Männern höherer Kasten 
vergewaltigt, gelegentlich insgeheim in städtische Bordelle verkauft, 
und schließlich sterben sie an AIDS. Von den 
Nichtregierungsorganisationen wird geschätzt, dass jährlich 5.000 bis 
15.000 Mädchen heimlich versteigert werden."

Wolfgang Wagner

www.ev-akademie-boll.de

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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
     Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
     Center for Encounter and active Non-Violence
     Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
     fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
     Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
Spenden-Konto Nr. 0600-970305 (Blz. 20314) Sparkasse Bad Ischl, 
Geschäftsstelle Pfandl
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