[E-rundbrief] Info 483 - Rb 123 - Repression gegen NGOs
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Fr Nov 24 12:31:42 CET 2006
E-Rundbrief - Info 483 - Rundbrief Nr. 123 - Befürchteter Todesstoss
für humanitäre Organisationen. Unabhängige Hilfeleistung durch
Richterspruch gefährdet. Die Regierung der Niederlande fordert von
der Schweizer Sektion von Médecins Sans Frontières (MSF) die Zahlung
von 1 Million Euro.
Bad Ischl, 24.11.2006
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Befürchteter Todesstoss für humanitäre Organisationen
Unabhängige Hilfeleistung durch Richterspruch gefährdet
In diesen Wochen hat ein Genfer Gericht über die brisante Frage zu
entscheiden, ob Hilfswerke für Lösegeldzahlungen ihrer entführten
Mitarbeiter aufkommen müssen.
as. Die Regierung der Niederlande fordert von der Schweizer Sektion
von Médecins Sans Frontières (MSF) die Zahlung von 1 Million Euro.
Diese Lösegeldsumme haben die Niederlande den Entführern eines ihrer
Staatsbürger bezahlt, welcher als MSF-Programmleiter in Dagestan im
Einsatz war und dort tschetschenischen Flüchtlingen Hilfe leistete.
Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass eine demokratische
Regierung eine international tätige humanitäre Organisation vor
Gericht zieht, um das von ihr bezahlte Lösegeld zurückzufordern.
In zweifacher Hinsicht ein alarmierendes Vorgehen gegen die
Hilfeleistung der humanitären Organisationen und der Menschen, die
deren Hilfe benötigen:
Einerseits bekennen sich Regierungen gemäss internationalen
Gepflogenheiten offiziell niemals zu derartigen Zahlungen, sondern
sind allgemein darum bemüht, solche Transaktionen geheimzuhalten. Mit
der Veröffentlichung dieser Lösegeldforderung bricht die
niederländische Regierung mit dieser Rechtstradition. Andererseits
stellt die Rückerstattungsforderung gegen MSF ein absolutes Novum
dar: Sollte ein Gericht einer Zahlungsforderung in dieser oder
ähnlicher Höhe nachgeben, könnte das die betreffende Organisation in
den finanziellen Ruin treiben oder zumindest deren Handlungsspielraum
entscheidend beeinträchtigen. Humanitäre Hilfeleistung wäre somit de
facto behindert und im schlimmsten Fall gar nicht mehr möglich. Eine
schreckliche Konsequenz, denkt man z. B. an die Krisengebiete in
Darfur, im Kongo, im Irak, in Afghanistan oder an andern Orten der Welt.
Die medizinische Arbeit von MSF für Verwundete, Kinder, vergewaltigte
Frauen, Opfer vernachlässigter Krankheiten und für Menschen mit Aids,
die von völlig überforderten Gesundheitssystemen im Stich gelassen
werden, könnte nicht mehr weitergeführt werden. Ein Hoffnungsschimmer
für Tausende von Menschen, Leiden ohne politische, religiöse oder
rassistische Hintergedanken zu lindern und unabhängige Hilfe zu
leisten, würde erlöschen.
Dass die Niederlande einen solchen Prozess anstrengen, stimmt
bedenklich und ist höchst beunruhigend. War es doch bis anhin nur in
diktatorischen, autoritären bis totalitären Staaten Praxis,
Feindschaft gegenüber NGOs zur Schau zu stellen, wie die jüngsten
Beispiele aus Russland zeigen. Ein Aufschrei müsste durch alle
unabhängigen NGOs gehen. Solidarität ist gefragt!
Auszug aus: "Zeit-Fragen" Nr.45 vom 8.11.2006, © 2006 Genossenschaft
Zeit-Fragen, Volltext: www.zeit-fragen.ch
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
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