[E-rundbrief] Info 423 - Grundeinkommen - weniger Disziplinierung.
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Do Jul 13 13:11:46 CEST 2006
E-Rundbrief - Info 423 - Kath. Sozialakademie Österreichs (ksoe):
Grundeinkommen - weniger Disziplinierung. Presseinformation.
Bad Ischl, 13.7.2006
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Grundeinkommen - weniger Disziplinierung.
Presseinformation
13.7.2006
ksoe (Kath. Sozialakademie Österreichs) präsentierte neues
Grundeinkommens-Dossier in Wien - Sozial- und Gemeinwesenarbeit
verändern sich durch ein garantiertes Grundeinkommen, bleiben aber
notwendig. Disziplinarmacht von Bildungseinrichtungen oder
Sozialämtern könne sich deutlich verändern.
Im Rahmen eines "jour fixe" präsentierte am 12. Juli 2006 die ksoe
(Kath. Sozialakademie Österreichs) ihr neues Grundeinkommens-Dossier,
das den Schwerpunkt auf den Zusammenhang von bedingungslosem
Grundeinkommen und Sozial- und Gemeinwesenarbeit sowie auf die
Veränderungen der Disziplinarmöglichkeiten von Bildung, Sozialämtern
oder Arbeitsstätten legt.
Die sozialpolitischen Debatten haben zuwenig Tiefgang, stellte die
Heftredakteurin und Grundeinkommens-Expertin Margit Appel (ksoe)
fest. Sie beharren auf Ideen wie Wachstum oder dem Ausbau von
Beschäftigung. Der Ansatz eines bedingungslosen Grundeinkommens ist
kein Instrument, sozialpolitisch nachzubessern, so Appel, z.B. "ein
bisschen Armutsbekämpfung zu machen, etwa für die steigende Zahl der
working poor". Grundeinkommen kann und will unsere Wirtschafts-Weise
substanziell korrigieren. Denn es korrigiert zwei wesentliche
Systemfehler des kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Systems: Zum
einen die "absolute Koppelung" von Einkommen an den Besitz eines
Arbeitsplatzes und zum anderen die "unverschämte kostenlose Nutzung
des weiblichen Arbeitsvermögens".
Michael Kozeluh, Projektkoordinator der Caritas der ED Wien
(zuständig für die "equal"-Projektpartnerschaft "Generation 19+") und
Heftautor, war zu Gast beim gestrigen jour fixe. Der Sozialarbeiter
betonte, dass in seinem Projekt viele junge Menschen, die keinen
Bildungsabschluss besitzen, mit Hilfe der SozialarbeiterInnen
Perspektiven entwickeln können. Im Gegensatz zu vielen Kursmaßnahmen,
die lediglich Personen aus der Arbeitslosenstatistik draußen halten,
könne ein solches Projekt helfen, Klärungen zu treffen: Wo liegen
meine Stärken, meine Interessen. Was will ich als nächstes machen:
eine Bildungsmaßnahme oder eine bestimmte Arbeit. Kern ist nicht,
Menschen einfach in Beschäftigung zu bringen sprich eine
Beschäftigungstherapie anzubieten - sondern die Entwicklung von
Menschen zu ermöglichen. Aufgrund der vielen Problemfelder, die es
von Seiten des AMS oder der EU in der aktiven Arbeitsmarktpolitik
gibt (wie etwa, dass Menschen zur Sozialhilfe nur geringfügig
dazuverdienen können), könnte ein bedingungsloses Grundeinkommen ein
guter Rahmen sein, um Menschen wirklich zu fördern und Teilhabe an
der Gesellschaft zu ermöglichen, so seine private Meinung.
Dass ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht automatisch
Sozialarbeit oder Gemeinwesenarbeit obsolet machen würde,
verdeutlicht Christoph Stoik in seinem Artikel-Beitrag. Die
Verbesserung der ökonomischen Situation führe nicht automatisch zur
Verbesserung der Teilhabechancen für alle. So müssen Menschen dennoch
unterstützt werden, ihre Interessen selbst zu formulieren und
durchzusetzen. Sie müssen "ermächtigt" werden, wie dies in Projekten
der Gemeinwesenarbeit, z.B. im "Grätzelmanagement" oder in "Lokalen
Agenda 21"-Prozessen bereits jetzt geschieht.
Die Geschäftsführerin des Berufsverbandes der SozialarbeiterInnen
(obds) Judith Haberhauer-Stidl erklärt in ihrem Beitrag, warum der
obds die Einführung einer generellen finanziellen Grundsicherung
fordert: Gesellschaftlich notwendige und nützliche Arbeit ist immer
mehr von Erwerbsarbeit abgekoppelt. Deshalb muss sie von
Existenzsicherung entkoppelt werden. Durch ein garantiertes
Grundeinkommen würden die Menschen weniger Existenzängste haben,
Armut und Diskriminierungen würden wirksam bekämpft sein. In der
Sozialarbeit käme es zu einer Verschiebung in den Tätigkeiten hin zu
Gemeinwesenarbeit, Bildungsarbeit, sozio-kulturelle Animation ihre
Arbeit würde sich aber nicht erübrigen.
Universitätsprofessor Max Preglau (Fakultät für Politikwissenschaft
und Soziologie der Universität Innsbruck) sieht in einem
bedingungslosen Grundeinkommen entscheidende
Veränderungsmöglichkeiten hinsichtlich der Sozialisations-,
Disziplinierungs- und Kontrollfunktion von Institutionen wie
Betrieb/Arbeitsstätte, Familie, Schule oder Sozialamt. Der
individuelle Handlungsspielraum würde deutlich größer.
Universitätsprofessor Erich Ribolits (Universität Wien) bleibt, was
die Auswirkungen von Grundeinkommen auf Bildung anbelangt, skeptisch.
Er sieht keine grundsätzliche Korrekturmöglichkeit des Bildungswesens
in seiner Ausrichtung auf marktwirtschaftliche Verwertbarkeit.
Deutlich anders sieht das die Aktion kritischer SchülerInnen. Padraig
Sweeney erwartet sich von einer allgemeinen
SchülerInnen-Grundsicherung deutliche Emanzipation. Eine
Grundsicherung für SchülerInnen würde eine Schule von und für
SchülerInnen erst ermöglichen.
Das Dossier "Grundeinkommen Veränderungen begleiten" umfasst 36
Seiten und kann bei der ksoe bezogen werden: Tel: 01-310 51 59,
nicole.jacques at ksoe.at oder über die homepage www.ksoe.at.
Das "Netzwerk Grundeinkommen und sozialer Zusammenhalt", das die ksoe
initiiert hat, bringt heute einen neuen Newsletter heraus. Die
Themen: Reaktionen auf das Positionspapier, Grundeinkommen am 3.
Austrian Social Forum in Graz, Hartz IV-Zwangsumzüge in Deutschland,
Grundeinkommen für den Kongo u.a. Dieser ist zu finden unter
www.grundeinkommen.at. Bestellung des kostenlosen digitalen
Newsletters ebenfalls über diese Seite.
Wien, 13.7.2006
ksoe (Kath. Sozialakademie Österreichs)
Schottenring 35/DG
A-1010 Wien
Tel: 01-310 51 59
www.ksoe.at
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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