[E-rundbrief] Info 416 - Gewerkschaftskrise und Bewegungen
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Fr Jun 30 21:21:58 CEST 2006
E-Rundbrief - Info 416 - Matthias Reichl: Krise des Österreichischen
Gewerkschaftsbundes (ÖGB) - Konsequenzen für soziale Bewegungen.
Bad Ischl, 30.6.2006
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Krise des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB)
Konsequenzen für soziale Bewegungen
Matthias Reichl
19./ 30.6.2006
Das Kongresshaus am Wiener Mariahilfergürtel, einstweilen noch im
Besitz der Eisenbahnergewerkschaft, war einer der beiden
Veranstaltungsorte des Alternativengipfels EU-Lateinamerika, der
durch die geringen Kosten eine indirekte Subvention darstellte.
Demnächst soll dieses Gebäude - wie auch andere ÖGB-Gebäude - an
Private verkauft werden und fällt damit als Herberge für weitere
gewerkschaftliche und alternative Veranstaltungen weg. Auch das Büro
von Attac Österreich muss sich dann ein anderes Quartier suchen.
Vom ÖGB-Finanzchef war zu hören, dass es nach der Milliardenpleite
der BAWAG-Bank (finanziell eng mit dem ÖGB verbunden), bei den
Personalausgaben Kürzungen um ca. 70 Mio. EURO geben soll. Generell
werden die Regierung und ähnliche Institutionen - in einem 14 Jahre
dauernden Kuratel - strikte bei der Kontrolle der
Gewerkschaftsfinanzen darauf schauen, dass "betriebsfremde" Ziele
(wie z.B. die Unterstützung sozialer, ökologischer und anderer
Initiativen und Bewegungen) nicht mehr geduldet werden. Entsprechend
sollen auch die damit verbundenen Beschäftigten abgebaut werden -
möglicherweise gerade die selbständig und widerständig Aktiven. Die
Gewerkschaften sollen damit gezwungen werden, sich auf ihren
"Kernbereich" der "Vertretung von ArbeitnehmerInnen" beschränken und
auch keine Opposition zur Regierung wagen. Die staatlichen "Retter"
werden sie folglich dazu zwingen "unnötige" Ausgaben - wie die
Unterstützung (regierungs-) kritischer Initiativen - zu unterlassen.
Wir als Begegnungszentrum hatten den zuständigen Referenten des
ÖGB-Präsidenten seit 1998 mit über 2000 Informationen zur
Globalisierung und verwandter Themen versorgt ohne von ihnen eine
Vergütung unserer Kosten zu bekommen.
Welcher Gewerkschaftsfunktionär bzw. -funktionärin wird die
Interessen aller Bewohner Österreichs - z.B. bei GATS und anderen
wirtschaftspolitischen Anliegen - bei der EU und in anderen
internationalen Gremien kritisch und engagiert vertreten. Der - nun
abgesetzte - Präseident Verzetnitsch wurde oft wegen seiner zögernden
und wenig durchsetzungskräftigen Haltung kritisiert. Wird es nun
jemand sein, der von den neoliberalen ÖVP-Ministern Grasser
(Finanzen) und Bartenstein (Wirtschaft) abhängig ist?
Dass ein stark geschwächter und abhängiger ÖGB in seinen bisherigen
Strukturen der Regierung genehmer sein wird als irgendwelche radikal
veränderte Neuschöpfung dürfte wohl klar sein.
Das müssen auch jene zur Kenntnis nehmen, die beim Österreichischen
Sozialforum in Graz vorgeschlagen haben, ab dem Herbst intensiv an
einer radikalen Gewerkschaftsreform zu arbeiten. Angesichts der sehr
knappen personellen und finanziellen Ressourcen in den
Basisbewegungen und -initiativen - die in vielen brennenden Problemen
kaum das Nötigste decken - würden diese damit hoffnungslos
überfordert und in ihren Grundanliegen gebremst werden.
Unbestreitbar ist, dass die kritischen Kräfte in den Gewerkschaften
unsere Solidarität dringender denn je benötigen. Allerdings müssen
sie dann auch die (relativ) kleineren - unabhängigen und linken -
Fraktionen aktiv einbinden statt sie wie bisher durch administrative
Schikanen zu behindern.
Abschließend noch ein - potentieller - Veranstaltungshinweis:
Gerüchten zufolge soll demnächst in einem der Wiener Staatstheater
Johann Nestroys Stück "Zu ebener Erde und im ersten Stock" neu
inszeniert werden. (Es schildert die Verschwendungssucht eines
Hausherrn - im 1. Stock - der in seinem Bankrott von der von ihm
verachteten armen Familie im Erdgeschoß gerettet wird.) Der
aktualisierte Titel: "Zu ebener Erde und im Penthaus - Von den
Armenhäuslern zu den Penthäuslern und retour". In der Hausbar wird
eine leere Bacardiflasche glänzen, gefüllt mit Schalen und Kernen
karibischer Früchte und einem Zettel mit einer Grußbotschaft von der
BAWAG-Bankenclique.
(Erste Version veröffentlicht in "Glocalist-News" v. 19.6.2006)
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
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