[E-rundbrief] Info 383 - S. Aloni: Machsom Watch Frauen kaempfen

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Mo Apr 10 16:46:44 CEST 2006


E-Rundbrief - Info 383: Shulamit Aloni: Nur um sicher zu sein, dass 
wir  nichts wissen. Machsom Watch Frauen kämpfen darum, zu zeigen, 
was  auf gestohlenem Land geschieht (von Israelis besetztes 
palästinensisches Land).

Bad Ischl, 10.4.2006

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Nur um sicher zu sein, dass wir  nichts wissen

Machsom Watch Frauen kämpfen darum, zu zeigen, was  auf gestohlenem 
Land geschieht.

Shulamit Aloni*

Ynet-news, März 2006

Es war einmal ein Volk, in dessen Namen die hoch gelobten Militär- 
und Sicherheitskräfte ­ geheim oder weniger geheim ­ die 
barbarischsten Verbrechen begangen haben.

Das Land behauptet: "Wir haben es nicht gewusst" ­ sogar als die 
Armee Häuser plünderte und fremdes Land angriff. Die Regierungs- PR 
und Propaganda war für die Menschen sehr hilfreich, die nichts wissen wollten..

"Unsere Aktionen sind existentiell notwendig", behaupten sie. "Der 
Feind ist gefährlich" , "Unsere Armee ist die moralischste der Welt", 
"Unser Land braucht uns  und wir sind Patrioten". Sie singen 
patriotische Lieder und erfreuen sich  an der Beute, die sie gestohlen haben.

Eines Tages wird die Nation, "die nichts wusste" und die Welt, die zu 
spät begriffen hat, ernüchtert und vor Schrecken aufwachen. Seitdem 
ist das Recht, Bescheid zu wissen, und sogar die Verantwortung, ( von 
allem) zu berichten, das Kennzeichen der modernen Gesellschaft geworden.

Kein Patriotismus rechtfertigt, die Wahrheit zu verbergen, keine 
Schande rechtfertigt, die Tatsachen zu leugnen, keine Abscheu 
rechtfertigt, Beamten zu erlauben, die Veröffentlichung von Taten  zu 
verhindern, die niemals hätten geschehen dürfen.

Doch  bei uns ist es nicht so. Im besetzten, gestohlenen, gequälten, 
vor Hunger sterbenden Land, in dem Land, das wir seit 39 Jahren 
beherrschen, begehen unsere Brüder und Söhne als Soldaten unserer 
bejubelten Armee unmenschliche Taten.

Aber im Namen des Patriotismus', im Namen von "Wir sind immer in 
Ordnung" und "immer die Opfer" sagen wir, dass alle Kontrollpunkte, 
alle ausgerissenen Bäume, alle zerstörten Häuser " für unser 
Überleben nötig sind" . Ganze Städte und Dörfer in Gefängnislager zu 
verwandeln, ist eine "existentielle Notwendigkeit."

Es ist alles legal und scheinbar einwandfrei. Alles wird von unserer 
glorreichen Armee mit Engagement und mit Genehmigung des 
Verteidigungsministers ausgeführt ­ einem Mann, den man kaum als 
glorreich bezeichnen kann.

Es gibt Leute hier, die sich daran erinnern, ( was es heißt) "nicht 
zu wissen", die sich verantwortlich fühlen und die nicht freiwillig 
blind sein wollen oder sich hinter der Behauptung verstecken wollen: 
"Ich habe es nicht gewusst". Und um die flaue Behauptung  "Wir haben 
es nicht gewusst" zu verhindern , haben die Frauen von Machsom Watch 
mit bemerkenswerter Entschlossenheit eine Photoausstellung 
vorbereitet, bescheiden im Vergleich zur Realität in den (besetzten) 
Gebieten ­ aber sie zeigt, was sich täglich an den Checkpoints abspielt.

Diese Frauen versuchen - von ihrem Gewissen geleitet ­ den ( von 
Soldaten begangenen) Schaden in Grenzen zu halten. Und sie 
dokumentieren nun den Schaden, die erschwerenden Umstände, die 
demütigende Tortur, die die zivile ( paläst.) Bevölkerung durchmachen 
muss. Sie haben ihre Arbeit in einer Photoausstellung in Zentren 
überall im Lande vorgestellt.

Dann kamen sie nach Beer Sheva. Obwohl man  an vielen Orten diese 
Ausstellung abgelehnt hat, ( um die Leute, die nicht wissen wollen, 
nicht aufzuregen) hatte man ihnen die Genehmigung erteilt, die 
Ausstellung in der Halle des Lehrerzentrums zu zeigen.

Der Leiter der Halle und der stellvertretende Bürgermeister 
autorisierten  die Ausstellung schon zwei Monate im voraus. Doch 
letzte Woche kam eine Frau und schrie, dass sie es nicht zulassen 
würde, dass die Ausstellung hier gezeigt würde.

Offensichtlich war sie eine ( um ihren Sohn) trauernde  Mutter, und 
in ihren Augen sind die Araber Teufelskinder, die ausgelöscht werden 
müssen. Am nächsten Tag strich der Bürgermeister die Ausstellung vom Plan.

Das "Elternforum ­ trauernde Familien für den Frieden" bat den 
Bürgermeister dringend, seine Meinung zu ändern. "Wir sind sehr davon 
betroffen, dass Sie eine Möglichkeit des Ausdrucks blockiert haben, 
die nur eines im Sinn hat, das Leiden zu verringern und den Konflikt 
abzukürzen", schrieben sie.

Sie wandten sich sogar an den Gerichtshof, aber der Richter sagte 
weder ja noch nein. Stattdessen sollten sich die Antragsteller an den 
Stadtrat wenden.

Redefreiheit und das Recht zu wissen, selbst wenn die in Frage 
kommende Information nicht erfreulich ist, ist in unserem 
öffentlichen oder juristischen Bewusstsein nicht mehr verankert.

So kann Israel seiner hoch verehrten Armee weiterhin freie Hand 
lassen. Der Generalstabschef lässt Bomben vom Himmel fallen, der 
Verteidigungsminister schaut nach Ausflüchten, um morden, 
strangulieren, verhungern lassen  zu können.

Und die Öffentlichkeit stützt sich auf das Recht zu sagen: "Wir 
wussten nichts". Warum den Bürgermeister Turner und den Richter unter 
Druck setzen, die nur eben ihren Job auf dem goldenen Mittelweg tun.

*Ministerin für Bildung in der Rabin Regierung

(dt. Ellen Rohlfs)

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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
     Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
     Center for Encounter and active Non-Violence
     Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
     fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
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