[E-rundbrief] Info 378 - Alternativen zur EU-Politik

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Mi Mär 29 13:09:29 CEST 2006


E-Rundbrief - Info 378:  Matthias Reichl: Gewaltfreie Alternativen 
zur herrschenden EU-Politik. (Informationsblatt zur Konferenz der 
EU-Jugendminister und zum Jugendkonvent in Bad Ischl, 29. - 
31.3.2006); Werkstatt Frieden & Solidarität (Linz): EU = Europa der 
Konzerne und Generäle; M. R.: Weitere Problembereiche: 
Überwachungsstaat, EU-Verfassung, Gentechnik, Biopiraterie, 
Nanotechnologie, Klimazerstörung, aktuelle Termine zu 
Demonstrationen, Aktionstreffen, Konferenzen...

Bad Ischl, 29.3.2006

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Gewaltfreie Alternativen zur herrschenden EU-Politik

(Informationsblatt zur Konferenz der EU-Jugendminister und zum 
Jugendkonvent in Bad Ischl, 29. - 31.3.2006)

Wie üblich wird auch dieses kurze Treffen von EU-Politikern und 
-Experten mit Absichtserklärungen - hier durch eine "Bad Ischler 
Deklaration" - abgeschlossen. Wird sie sich nur auf die vorgegebenen 
Jugend-Themen "Arbeit", "Bildung" und "Mitentscheidung" beschränken?

Aus mehr als dreissig Jahren Engagement in österreichweiten und 
weltweiten Netzwerken für gewaltfreie Proteste und das Durchsetzen 
von Alternativen sind uns - gemeinsam mit jungen und älteren 
Engagierten - die Problembereiche und deren Dimensionen bewußt 
geworden. Ohne die gegenseitige Unterstützung würden auch wir - wie 
eine Mehrzahl der Bürger - auf viele politische Entscheidungen und 
Weichenstellungen mit ohnmächtiger Wut bzw. Resignation reagieren. 
Denn in einigen Bereichen - z.B. Atomkraft, Gentechnik, 
Klimazerstörung... - wurden verantwortungslos Gefahren und 
Zerstörungen provoziert, die irreversibel sind und die unsere 
Existenz und die kommender Generationen gefährden.

Wir haben als Alternative gangbare Wege für "ein anderes Europa" 
mit-entwickelt, die tiefgreifende und nachhaltige Veränderungen voraussetzen.

Einige besonders brisante Bereiche - und Hinweise auf Veranstaltungen 
und Kampagnen (inkl. ausgewählte Homepages) - haben wir hier 
zusammengestellt. Weitere Informationen finden Sie im gedruckten 
"Rundbrief" und im "E-Rundbrief Info" auf unserer Homepage 
www.begegnungszentrum.at/archiv.

Matthias Reichl

Der folgende Text stammt aus der Infozeitung der Werkstatt Frieden & 
Solidarität (Linz): www.werkstatt.or.at.

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EU = Europa der Konzerne und Generäle

Die aktuellen Projekte

Lissabon-Ziel 2010 - Rentenalter rauf, Löhne runter

Im Grundlagenvertrag der EU ist die Verpflichtung der Mitgliedstaaten 
auf eine " Wirtschaftspolitik der offenen Marktwirtschaft mit freiem 
Wettbewerb " verankert. Entsprechend neoliberal ist die Ausrichtung 
des sog. "Lissabon-Ziels 2010", auf das sich die EU-Staatschefs geeinigt haben:
- Liberalisierung der Gas-, Strom-, Post-, Eisenbahn- und 
Beförderungsmärkte, wodurch ein enormer Privatisierungsdruck auf die 
öffentlichen Dienste ausgeübt wird
- Anhebung des Renteneintrittsalters um 5 Jahre, Förderung privater 
Pensionsfonds
- Deregulierung von Arbeitsverträgen und Arbeitszeit, Auflösung von 
Kollektivverträgen

Arbeitszeitrichtlinie - Auf dem Weg zur 65-Stunden-Woche?

Die EU-Kommission drängt auf eine neue Arbeitszeitrichtlinie, die im 
Rahmen der österreichischen EU-Präsidentschaft beschlossen werden 
soll. Ziel dieser Richtlinie ist es, den Durchrechnungszeitraum - 
auch ohne Kollektivvertrag - von vier Monaten auf ein Jahr 
auszudehnen. Die zulässige Wochenarbeitszeit soll bis zu 65 Stunden 
dauern können. Bereitschaftszeiten sollen nicht mehr als Teil der 
Arbeitszeit gewertet werden. Die derzeitige Arbeitszeitrichtlinie 
sieht eine Obergrenze für die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 
48 Stunden vor, die aber durch Individualvereinbarungen überschritten 
werden darf.

Dienstleistungsrichtlinie - Sozial- und Qualitätsdumping

Über die Dienstleistungsrichtlinie (früher "Bolkesteinrichtlinie") 
soll der "freie Markt" bei Dienstleistungen vorangetrieben werden. 
Auch wenn auf Grand der Proteste der ursprüngliche Entwurf entschärft 
wurde, so droht damit weiteres Sozial- und Qualitätsdumping. So 
dürfen z. B. beim derzeitigen Entwurf aus Gründen der Sozialpolitik, 
des Arbeitsmarktes oder des Verbraucherschutzes den 
Dienstleistungserbringern keine Auflagen im Zielland auferlegt 
werden. Das Recht auf "unternehmerische Tätigkeit" wird mit dem 
Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit auf gleiche Stufe gestellt.

Wasser - EU-Kommission drängt auf Privatisierung

Die EU-Kommission ist die aggressivste Verfechterin der Interessen 
der großen privaten Wasserkonzerne aus Frankreich, Deutschland und 
Großbritannien. So fordert die EU in den WTO-Verhandlungen von 72 
Ländern die Öffnung der Wassermärkte für EU-Konzerne und sieht die 
Liberalisierung der Wasserwirtschaft auch als Bestandteil des 
"Lissabon-Ziels 2010". Die Sprachpraxis des EuGH, die die 
Möglichkeiten der Gemeinden zur Vergabe kommunaler Dienstleistungen 
an gemeindeeigene Betriebe immer weiter einschränkt, ebnet auch der 
Privatisierung der Wasserwirtschaft den Boden. Bereits ein Drittel 
der Wasserwirtschaft in der EU ist - mit tw. katastrophalen Folgen - 
privatisiert worden.

EURATOM - Renaissance der Atomenergie

Der EURATOM-Vertrag, ein Grundlagen-Vertrag der EU, hat das Ziel der 
"Förderung einer mächtigen Kernenergie". Die EU-Kommission drängt - 
gemeinsam mit den großen Atomkonzernen wie Framatome und Siemens - 
darauf, eine Renaissance der Atomenergie durchzusetzen. Das 
EURATOM-Kreditvolumen soll von 4 auf 6 Milliarden Euro aufgestockt 
werden. Damit wird die Atomwirtschaft vor allem in Osteuropa 
gefördert. Im 7. EU-Forschungsrahmenprogramm 2007 bis 2013 werden die 
Gelder für Atomforschung mehr als verdoppelt.

Streitkräfteziel 2010 - "Dimension Golfkrieg"

2004 haben die EU-Staatschefs das sog. "Streitkräfteziel 2010" 
(Headline-Goal) beschlossen. Inhalt: Erreichung der globalen 
"netzwerkszentrierten Kriegsfähigkeit" bis zum Jahr 2010, d. h. 
Durchführung von Militärschlägen der Streitkräfte zur See, in der 
Luft und auf dem Boden unter Einbeziehung des Weltraums mit Hilfe des 
Satellitennavigationssystems "Galileo". In einem von den 
EU-Staatschefs in Auftrag gegebenen Strategiepapier ("European 
Defence Paper") wird als Ziel der "freie Fluss von Rohstoffen " 
genannt. Die EU soll zu Kriegen in der Dimension des " Golfkrieges 
von 1991" in der Lage sein. Bei diesem Krieg wurden 300.000 
IrakerInnen getötet.

Schlachtgruppen - Schnelle Kavallerie der High-Tech-Kriege

Die EU-Schlachtgruppen (orig. "Battle-Groups") sollen ab 2007 voll 
einsatzfähig sein. Diese 13 Schlachtgruppen zu je 1.500 Mann sind die 
Speerspitze der EU-Interventionstruppe, die insgesamt - 
einschließlich Bereitschaftstruppen - bis zu 200.000 Mann/Frau 
umfassen soll. Die Battle-Groups sind "eine Art schneller Kavallerie 
der modernen High-Tech-Kriege"', denn ihr Einsatz soll innerhalb von 
10 Tagen in die rohstoffreichen Gebiete Nord- und Zentralafrikas, des 
Nahen und Mittleren Ostens bis hin zum Kaukasus erfolgen können. Die 
Battle-Groups werden für Dschungel-, Wüsten-, Hochgebirgseinsätze 
sowie den Häuserkampf im Stadtgebiet ausgebildet.

EU-Verteidigungsagentur - Halbjährlicher Rüstungscheck

Aufgabe der 2004 gegründeten EU-Verteidigungsagentur (ursprüngl. 
EU-Rüstungsagentur) ist es, dafür zu sorgen, dass die EU-Staaten den 
sog. "European Capability Action Plan" umsetzen. Das ist ein 64 
Rüstungsprojekte umfassender Hochrüstungsplan, der alle 
Waffengattungen umfasst, die für Angriffskriege ä la Irak oder 
Afghanistan erforderlich sind. Zwei Mal im Jahr müssen sich die 
EU-Staaten einer Kontrolle durch die Verteidigungsagentur 
unterziehen. Der Motor der EU-Rüstungsindustrie läuft entsprechend 
rund. Der größte kontinentaleuropäische Rüstungskonzern EADS 
verzeichnete im Zeitraum 2002 bis 2005 ein Wachstum der 
Rüstungsaufträge um 366%.

SSZ - Militärischer Führungszirkel für die EU

Nachdem die EU-Verfassung bei Volksabstimmungen in Frankreich und den 
Niederlanden gescheitert ist, haben Merkel und Schüssel angekündigt, 
diese wiederbeleben zu wollen. Insbesondere die militärischen 
Bestandteile der Verfassung sollen "gerettet" werden, so z. B. die 
sog. "Ständige Strukturierte Zusammenarbeit" (SSZ). Die SSZ bedeutet 
die Schaffung eines militärischen "Kerneuropas", das jene Staaten 
umfasst, die "über anspruchsvollere militärische Fähigkeiten" 
(EU-Verfassung) verfügen. Damit soll ein innerer Führungszirkel der 
EU entstehen, in den nur eintreten kann, wer zur entsprechenden 
Aufrüstung und zu Kriegseinsätzen bereit ist.

Massenvernichtung - "Mini-Nukes" und EU-Atomkommando

Frankreich gibt jährlich 3,5 Mrd. Euro zur Modernisierung seiner 
strategischen und taktischen Atomwaffen aus. Bis 2010 sollen sog. 
"Mini-Nukes", d. h. Atomwaffen mit der Sprengkraft eines Drittels der 
Hiroshimabombe, zum Einsatz gegen tief verbunkerte Ziele 
bereitstehen. Präsident Chirac drohte im Jänner 2006 bereits mit dem 
nuklearen Erstschlag "zur Garantie unserer strategischen Versorgung". 
Großbritannien will bis 2007 seine Ausgaben für Atomwaffen von 
derzeit 450 Mio. auf 2,2 Mrd. Euro nahezu vervierfachen. Die 
deutschen Machthaber wollen den Zugriff auf Atomwaffen über ein 
EU-Oberkommando erreichen ("Europäisierung der Atomwaffen").

Aus der Infozeitung der Werkstatt Frieden & Solidarität - nähere 
Infos auf www.werkstatt.or.at

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Weitere Problembereiche:

Überwachungsstaat

Die altbekannten staatlichen Überwachungsinstitutionen werden 
zunehmend von privaten, "outgesourcten" "Sicherheitsdiensten und 
Datensammler" ergänzt bzw. ersetzt. Manche von ihnen höhlen mit ihrer 
"Sammelwut" die Bürgerrechte aus - mit unabsehbaren Konsequenzen, vor 
allem auch durch Kriminalisierung bzw. sozialen Druck auf engagierte 
Aktive. (www.statewatch.org, www.argedaten.at)

EU-Verfassung

Für Ende April ist in Österreich eine EU-Konferenz zur Reaktivierung 
des EU-Verfassungsprozesses geplant. Zwei Initiativen wollen für die 
EU-kritischen Bewegungen Grundsatztexte als Alternativen zur 
gescheiterten EU-Verfassung erarbeiten: Appell "Europa: Geben wir das 
Wort den Bürgern!" und "Charter of another Europe". 
(www.anothereuropeispossible.net, www.fse-esf.org)

Gentechnik, Biopiraterie, Nanotechnologie

Demnächst entscheidet das EU-Gericht über den - von der WTO 
geforderten - Import von Gen-Pflanzen und Nahrungsmittel. Weiters 
gegen die "gentechnik-freien Regionen". Die Patentierung von altem 
Saatgut, Verbreitung von "Terminator-Saatgut" wird von 
transnationalen Konzernen betrieben. Noch tiefer greift die 
Nanotechnologie in die Bausteine des Lebens ein. 
(www.gmofree-europe.org, www.etcgroup.org)

Klimazerstörung

Die erheblichen Kürzungen im EU-Budgetentwurf bis 2013 u.a. im 
Bereich öffentliche Verkehrsmittel werden den Umstieg weg vom PKW und 
LKW auf Bahn und Bus noch unattraktiver machen. Die Auswirkungen auf 
die Gesundheit bei Menschen, Tieren und Pflanzen sind unabsehbar und 
teilweise irreversibel. (www.foei.org, www.klimabuendnis.org)

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Aktuelle Termine zu Demonstrationen, Aktionstreffen, Konferenzen...( 
Details: www.begegnungszentrum.at/archiv/ Info 373 u. 379)

Kritische Informationsveranstaltungen:

Zur Konferenz der EU-Jugendminister in Bad Ischl, 29. - 31.3.2006

Donnerstag, 30.3.2006 in Bad Ischl:

15:00 - 18.30,  Kaiser-Franz-Josef-Str. (neben Café Ramsauer): 
Informationstisch zur Situation in der EU und ihrer Politik - 
Schwerpunkte: militärische Aufrüstung, zivile Aufrüstung zum 
Überwachungsstaat, Atomtechnologie, Gentechnik, Zerstörung des Klimas 
und der sozialen Netze u.a. Unsere gewaltfreien Alternativen zur 
Konferenz der EU-Jugendminister und ihrer "Bad Ischler Deklaration"

17:00  Kaiser-Franz-Josef-Str. (neben Café Ramsauer): "Brandrede " 
von Hubsi Kramar (Schauspieler, Kabarettist und Regisseur aus Wien).

20:00 - 21.15  Wirtshaus "Zum Chlumetzky" (Bahnhofsrestaurant): 
"Schüler Hitler" mit Hubsi Kramar und Hermann J. Kogler. Eine 
Dokumentar-Groteske über Rhetorik und Propaganda - damals und heute.

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Eine Auswahl weiterer Termine

1.4. - 2.4.WIEN: TEAM - Internationale Konferenz von 
EU-KritikerInnen. (Infos: www.teameurope.info)

4. - 6.4. WIEN: Alternativer ECOFIN "Wirtschaftspolitik für ein 
anderes Europa". Zum Treffen der EU-Finanz- und Wirtschaftsminister 
(ECOFIN). (Attac Österreich, www.alternativer-ecofin.org)

4.4. WIEN (Parlament): Internationale Tagung "Wahlfreiheit = 
Gentechnikfreiheit". (www.gmofree-europe.org/coexistence_conference.htm)

5.4. WIEN: Internationaler Sternmarsch Gentechnikfreier Regionen und 
Gebiete zum Thema Recht auf Gentechnikfreiheit - Anlass: EU-Konferenz 
über "gentechnisch veränderte, konventionelle und biologische 
Feldfrüchte" - "The Freedom of Choice" (Wahlfreiheit) vom 4. - 6.4. 
in Wien. (www.gmofree-europe.org)

15. - 16.4. CHERBOURG (F): Rally against the nuclear reactor EPR Flamanville
(Manche/ Normandie). (Stop EPR, www.stop-epr.org)

22.4. GRAZ: Demonstration "Gegen neoliberalen Wettbewerb - für eine 
solidarische Gesellschaft" - anläßlich des Treffens der EU-Minister 
für Wirtschaft, Bildung und Infrastruktur zum Thema "Wettbewerb in 
der EU". (Infos: http://mayday.widerstand.org/a22)

25.4. LINZ: Gedenkveranstaltungen zur Tschernobyl-Katastrofe. 
(Atomstopp International, www.atomstopp.at)

4. - 7.5. ATHEN (GR): 4th European Social Forum. (www.fse-esf.org)

11. - 13.5. WIEN: Internationale Tagung "Enlazando alternativas 2 - 
Alternativengipfel Lateinamerika/ Karibik und Europa 2006" - zum 
Treffen der Staatsoberhäupter der EU und Lateinamerikas/ Karibik. 
13.5. Internationaler Sternmarsch. (www.alternativas.at)

15. - 18.6. GRAZ: 3. Austrian Social Forum/ ASF. (www.socialforum.at)

22. - 24.6. MADRID (E): 2nd Migrations World Social Forum. 
(www.migrationsworldsocialforum.org, www.cear.es)

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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
     Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
     Center for Encounter and active Non-Violence
     Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
     fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
     Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
Spenden-Konto Nr. 0600-970305 (Blz. 20314) Sparkasse Bad Ischl, 
Geschäftsstelle Pfandl
IBAN: AT922031400600970305    BIC: SKBIAT21XXX




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