[E-rundbrief] Info 370 - RB 120 - Genpflanzen, WTO-Diktat

Matthias Reichl mareichl at ping.at
So Mär 5 09:15:06 CET 2006


E-Rundbrief - Info 370: Rundbrief Nr. 120 - Matthias Reichl: WTO-Diktat für 
Genpflanzen; verfassungswidrige Genpflanzen in Frankreich, Kriminalisierung 
von widerständigen Bauern in den USA und Hongkong.

Bad Ischl, 5.3.2006

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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WTO-Diktat für Genpflanzen

Wie die Grünen sieht die globalisierungskritische Organisation Attac in der 
WTO "keine Legitimität" mehr. Wenn der Freihandel wichtiger sei als 
Umweltschutz, Gesundheitsvorsorge und der Mehrheitswille der Bevölkerung, 
dann laufe etwas grundfalsch, so Astrid Konrad, Pflanzenpatente-Expertin 
von Attac Österreich. Die WTO diene den Entscheidungsträgern als Vehikel, 
um unpopuläre Entscheidungen an den Wahlurnen vorbei durchzusetzen und die 
Bevölkerung vor vermeintlich vollendete Tatsachen zu stellen. Attac 
forderte EU-Kommission und Regierungschefs auf, sich für die 
Ernährungssouveränität der Menschen einzusetzen.

Die USA, Argentinien und Kanada hatten im Mai 2003 eine Klage gegen die EU 
vor der WTO eingebracht, weil sie die faktische Aussetzung von Zulassungen 
von gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) in der EU von 1998 bis 2004 
als protektionistische Maßnahme sahen. Außerdem wurde kritisiert, dass die 
EU-Kommission nicht gegen die noch bestehenden Importstopps von fünf 
EU-Ländern, darunter Österreich, vorgehe. Das ursprüngliche Moratorium 
wurde von den EU-Behörden aufgeweicht - ein erster Schritt um schließlich 
unter dem Druck von Gentechlobbies und der WTO das unbeschränkte Anpflanzen 
von - vorerst - 20 weiteren Sorten durchzusetzen.

(Aus einer APA-Aussendung, red. M.R. Die Kommentare von "Attac Österreich" 
und "Friends of the Earth International" - siehe Info 353)

In einer Podiumsdiskussion am 24.2.06 in Salzburg verteidigte der 
ex-EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler auf meine Anfrage die 
Weiterentwicklung der Gentechnik und die Möglichkeit einer Koexistenz mit 
der Biolandwirtschaft. Er warf uns Gentechgegnern Angstmacherei vor. Sein 
Kollege im Führungsteam des "Global Marshall Plan", der 
Wirtschaftswissenschafter Franz Josef Radermacher, hatte mir am 7.2.06 in 
einem Interview versichert, dass auch die Gentechgegner mit entsprechenden 
Expertisen die WTO-Entscheidungen zu ihren Gunsten beeinflussen könnten. 
Entsprechend seiner Überzeugung, dass die WTO reformierbar sei, behauptete 
er, dass diese Schiedsgerichtsprozesse faire Chancen bieten würden und 
ignorierte dabei die einflußreichen Lobbies transnationaler Konzerne und 
auch von Regierungen.

Verfassungswidrige Genpflanzen

Einige französische Bauern und verbündete Gegner von Genpflanzen (GMO) 
sehen sich als erfolgreiche Verteidiger eines verfassungsmäßigen Rechtes 
auf eine gesunde Umwelt und Ernährung. In den zwei gallischen Orten Orléans 
(am 9.12.05) und in Versailles (am 13.1.06) entschieden die örtlichen 
Strafgerichtshöfe über ihre Zerstörung von Monsantos Gen-Maispflanzen. 
Diese Aktionen seien 2004 "notwendig" gewesen, um "die aktuelle Gefahr 
einer unkontrollierten Ausbreitung von GMO-Genen zu verhindern. Diese 
autorisierte Verbreitung stehe im Gegensatz zum Verfassungsrecht auf eine 
gesunde Umwelt". Für die Gentechgegner sind diese Entscheidungen "der 
politische Geburtstag der Umweltcharta", mit der GMOs als illegal verboten 
werden (siehe Info 352).

In einigen vorangegangenen Prozessen wurden Aktivisten zu Haftstrafen und 
vor allem zu horrendem finanziellem Schadenersatz (z.B. an Monsanto) 
verurteilt.

Kriminalisierung in den USA und Hongkong

An anderen Orten geht die Kriminalisierung von Engagierten weiter. Der 
Franzose José Bové, einer der führenden Aktivisten dieser 
Genpflanzen-Vernichter und Koordinator der internationalen 
Bauernorganisation Via Campesina", wurde am 8. Februar bei der Ankunft auf 
dem New Yorker Flughafen festgenommen und nach Frankreich deportiert. Der 
Vorwand der Behörden - er hätte seine Vorstrafe verschwiegen. Bovè, war als 
Sprecher bei einer internationalen Konferenz über "Lebensmittel als 
vermarktete Waren - Via Campesina beschuldigt Monsanto" eingeladen. Für ihn 
und die Bauernbewegungen ist es ein weiterer Beweis dafür, dass die 
Behörden als Erfüllungsgehilfen von transnationalen Konzernen unerwünschte 
Widerstände behindern bzw. brechen.

Mitte Dezember 2005 als Folge der Protestdemonstrationen von 
Globalisierungsgegnern gegen den WTO-Gipfel in Hongkong wurden an die 1000 
von ihnen verhaftet. Darunter waren viele südkoreanische Bauern. - Ein 
kleiner Teil wurde wochenlang festgehalten. Zwei der Bauern warten - als 
angebliche "Anführer" - noch immer auf ihren Prozess (Stand: 5.3.06). 
(Kommentare zum WTO-Gipfel - siehe Infos 320, 321, 337, 339, 341, 344 und 345)

Matthias Reichl

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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
     Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
     Center for Encounter and active Non-Violence
     Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
     fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
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