[E-rundbrief] Info 364 - RB 120 - J. Ziegler: Raubtierkapitalismus

Matthias Reichl mareichl at ping.at
Sa Mär 4 18:06:30 CET 2006


E-Rundbrief - Info 364: Rundbrief Nr. 120  - Jean Ziegler: Die Weltordnung 
des globalisierten Raubtierkapitalismus; Leo Gabriel/ LATAUTONOMY (Hg.): 
Politik der Eigenständigkeit. Lateinamerikanische Vorschläge für eine neue 
Demokratie. (Buchhinweis).

Bad Ischl, 4.3.2006

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Die Weltordnung des globalisierten Raubtierkapitalismus

Jean Ziegler

(Zitate aus einem Interview)

Die neuen Feudalherren sind weder auf die Staaten noch auf die UNO 
angewiesen. Welthandelsorganisation (WTO), Weltbank und Internationaler 
Währungsfonds genügen ihnen als willige Söldner ihrer Strategien. Sie 
preisen alle die gleichen Instrumente: Man muss privatisieren. Sie scheuen 
Fülle und Verfügbarkeit der Güter, das beeinträchtigt den Maximalprofit. 
Sie wollen sich nun auch der Natur bemächtigen, der Wasserquellen vor 
allem, und Leben - die genetischen Eigenschaften der Pflanzen und Tiere - 
zu ihrem alleinigen Nutzen patentieren lassen...

100.000 Menschen sterben täglich an Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen 
- meist in den 122 Ländern der Dritten Welt, in denen 4,8 Milliarden 
Menschen leben. Hunger ist zu einer Massenvernichtungswaffe geworden. Dabei 
sagt derselbe Welternährungsbericht, der diese Opferzahlen vorlegt, dass 
die Weltlandwirtschaft in ihrer heutigen Entwicklungsstufe ohne Problem 12 
Milliarden Menschen, das Doppelte der gegenwärtigen Weltbevölkerung, 
ernähren könnte - bei 2700 Kalorien pro Tag. Es gibt keine Fatalität. Ein 
Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet. Die Weltordnung des 
globalisierten Raubtierkapitalismus ist nicht nur mörderisch. Sie ist auch 
absurd. Sie tötet, aber sie tötet ohne Notwendigkeit...

(Karikatur: Manfred Madlberger - nur im gedruckten Rundbrief)

Die EU sollte ihre riesigen Agrarsubventionen abschaffen, die 
Importschranken für Waren und Güter aus afrikanischen Ländern senken und 
die Schulden der Entwicklungsländer streichen. Die Menschen müssen in ihren 
Ländern ein Auskommen in Würde finden - aber nicht durch Almosen. Während 
die Industrieländer 2003 der Dritten Welt staatliche Entwicklungshilfe im 
Umfang von 54 Milliarden Dollar gewährten, mussten die gleichen Länder 436 
Milliarden Dollar als Schuldendienst überweisen. Es kommt also nicht so 
sehr darauf an, den Menschen der Dritten Welt mehr zu geben, sondern ihnen 
weniger zu stehlen...

Mit meinem Buch möchte ich helfen, diesen Prozess in Gang zu setzen, der in 
einen Aufstand verbündeter autonomer Kräfte der sich abzeichnenden 
planetarischen Zivilgesellschaft münden kann...

Jean Ziegler: Das Imperium der Schande. 2005 C. Bertelsmann Verlag.  € 19,90

(aus: "Neues Deutschland" v. 15.10.2005, www.nd-online.de)

Je mehr sich die Wirtschaft universalisiert, desto mehr fragmentiert sich 
die Politik. Um den Angreifern der hegemonialen Wirtschaft zu widerstehen 
bedarf es der Autonomie, die auf einem zuverlässigen kollektiven Gedächtnis 
und einer festen Identität beruht. Die Widerstandskraft von Gruppen und 
Kulturen hängt von ihrer Homogenität, der Vitalität ihres kollektiven 
Gedächtnisses und der Stärke ihres ursprünglichen Kerns ab. Diese 
Autonomie, diese Identität, dieses Gedächtnis müssen aber lokal verwurzelt 
sein. Je lokaler sie sind, desto resistenter erweisen sie sich.

Jean Ziegler

im Buch: Leo Gabriel/ LATAUTONOMY (Hg.): Politik der Eigenständigkeit. 
Lateinamerikanische Vorschläge für eine neue Demokratie. 2005 Mandelbaum 
Verlag (siehe Buchtipps Info 365)

Neben Arbeitslosigkeit und prekären Jobs stellt die Diktatur des Marktes 
ein enormes Defizit an demokratischer Selbstbestimmung dar. Der Ausverkauf 
der Politik an die globalisierte Wirtschaft führt zum Verlust an 
Lebensqualität in nahezu allen Bereichen. Kultur und Umwelt, Solidarität 
und Demokratie werden auf dem Altar einer eindimensionalen 
Wirtschaftsordnung, die sich als Selbstzweck begreift, geopfert. Am 
Beispiel von Kämpfen indigener Völker in Lateinamerika haben zwölf 
Forschungsinstitute auf drei Kontinenten das Konzept »Multikulturelle 
Autonomien« als Alternative zu in Krise geratenen Nationalstaaten 
entwickelt. Die Beispiele reichen von den Kuna- Indianern Panamas bis zu 
den nordkaukasischen Völkern Tschetscheniens. Mit politischem Engagement 
und wissenschaftlicher Genauigkeit weisen die AutorInnen nach, dass eine 
friedlichere, demokratischere und gerechtere Welt in verschiedenen Kulturen 
bereits Wirklichkeit ist. Eine Wirklichkeit, die es lohnt zu studieren.

(Ankündigung Mandelbaum Verlag)

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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
     Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
     Center for Encounter and active Non-Violence
     Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
     fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
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