[E-rundbrief] Info 333 - RB 119 - Lateinamerika-Europa Alternativen
Matthias Reichl
mareichl at ping.at
Mi Dez 7 12:41:52 CET 2005
E-Rundbrief - Info 333: Rundbrief Nr. 119 - Gefährliche Liberalisierung des
Welthandels; "Enlazando Alternativas 2" ("Alternativen verknüpfen") -
Alternativengipfel Lateinamerika/ Karibik und Europa, 10. - 13. Mai 2006 in
Wien anläßlich des gleichzeitig stattfindenden Treffens von
Staatsoberhäuptern aus Lateinamerika und der EU in Wien mit einem Tribunal
der Völker zu Transnationalen Unternehmen und einer internationalen
Demonstration.
Bad Ischl, 7.12.2005
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Gefährliche Liberalisierung des Welthandels
Bei einem Pressegespräch in Wien warnte der brasilianische
CUT-Gewerkschafter Gonzalo Berron vor einer weiteren Liberalisierung des
Welthandels. Selbst in Schwellenländern wie Brasilien würde die
Handelsliberalisierung bei Industriegütern und Dienstleistungen nur einer
Minderheit nützen und eine große Mehrheit von VerliererInnen verursachen,
wie bereits die Erfahrungen Mexikos in der NAFTA gezeigt hätten. "Die
Liberalisierungsgewinne Brasiliens kämen wenigen Agrarkonzernen zugute,
während im Gegenzug Arbeitsplätze im Industrie- und Dienstleistungssektor
zerstört würden; aber selbst die kleinstrukturierte Landwirtschaft würde
dem Konkurrenzdruck nicht standhalten", so der Gewerkschafter, der außerdem
eine Verschlechterung des Zugangs breiter Bevölkerungsteile zu
grundlegenden Daseinsvorsorgeleistungen wie Gesundheit, Wasser oder Bildung
erwartet.
Gonzalo Berron nahm in Wien an dem Vorbereitungstreffen für den
"Alternativengipfel Lateinamerika/ Karibik und Europa" (siehe unten) teil.
Er berichtete uns in einer Podiumsdiskussion über den erfolgreichen
Widerstand gegen den ALCA/ NAFTA-Gipfel in Mar del Plata (siehe Infos 310,
313).
(Auszug aus: Presseaussendung Attac Österr., 28.11.2005, ergänzt v. M.R.)
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Aufruf nach Wien
Zum vierten Mal seit 1999 wird im Mai 2006 in Wien im Rahmen der
EU-Präsidentschaft Österreichs ein Gipfeltreffen der Staats- und
Regierungschefs der Europäischen Union (EU) und der Staaten Lateinamerikas
und der Karibik stattfinden.
www.alternativas.at
Parallel zu diesem offiziellen Gipfel werden soziale Bewegungen,
Nicht-Regierungsorganisationen und andere Akteure den Alternativengipfel
"Enlazando Alternativas 2" ("Alternativen verknüpfen") abhalten.
Aufruf zum Alternativgipfel Lateinamerika/Karibik und Europa im Mai 2006 in
Wien
Nach 500 Jahren einer durch Kolonialismus geprägten Geschichte haben sich
die Beziehungen zwischen Europa und Lateinamerika nicht wirklich
grundlegend verändert. Die schüttere Fassade nationaler Unabhängigkeit und
nationalstaatlicher Demokratisierung auf dem so genannten "Neuen Kontinent"
kann mit ihrer Schwäche und ihrem Zynismus nicht über die noch nie
dagewesene Verarmung hinwegtäuschen, die unzählige Kulturen zerstört und
ganze Bevölkerungsmehrheiten in Lateinamerika marginalisiert. Diese
Realität ist eine Folge der vom Norden bestimmten Geschichte, in der die
europäischen und nordamerikanischen Regierungen ihre Verantwortung nicht
wahrnehmen und auf den bestehenden Beziehungen der politischen und
wirtschaftlichen Unterordnung beharren.
Ein Jahr nach der Erweiterung der Europäischen Union um zehn neue
Mitgliedstaaten hat diese mit der größten Krise in ihrer Geschichte zu
kämpfen. Im Zuge dieses Erweiterungsprozesses wurde die Chance vergeben,
das politische Projekt EU um eine starke soziale, solidarische und auf die
fundamentalen Rechte der MigrantInnen und Flüchtlinge ausgerichtete
Perspektive zu erweitern. Im Text der Europäischen Verfassung ist der
Vorrang, den die politischen Machthaber den Interessen des kapitalistischen
Marktes einräumen, klar ausgedrückt. Das überwältigende "Nein", mit dem die
Bevölkerung Frankreichs und Hollands gegen den Verfassungsvertrag und für
ein anderes Europa gestimmt hat, ist ein großer Erfolg für die soziale
Bewegung. Jetzt ist das Europäische Verfassungsprojekt tot und die
europäischen politischen Machthaber, die keine Alternativvorschläge haben,
verloren ihre Legitimität. Trotzdem bestehen sie auf der Durchführung immer
neuer ökonomischer und politischer Richtlinien, die im Falle ihrer
Umsetzung die in Europa herrschende Krise noch verstärken werden.
Deregulierung, Privatisierung und Freier Handel sind die neoliberalen
Konzepte, die von Nationalökonomen in Wien, Chicago und Santiago de Chile
entworfen wurden und als Markenzeichen einer Wirtschaftsordnung gelten,
welche die Macht der Waffen um die "Demokratur der Reichen" erweitert. Der
ungerechten Logik des Marktes folgend, werden immer mehr Menschen sozial
ausgeschlossen und damit ihre Menschenrechte mit Füßen getreten. Dadurch,
dass ihnen der Zugang zu Wasser, Bildung, Arbeit, Nahrung und einem
funktionierenden Gesundheitswesen erschwert bzw. unterbunden wird, leiden
insbesondere Frauen und Kinder.
Zugleich werden unzählige natürliche Ressourcen, Quellen der Energie und
des Lebens, der Raubgier transnationaler Konzerne überlassen. Zu den
Gewinnern dieses Prozesses zählen neben den US-amerikanischen vor allem
europäische Großunternehmen, die sich an den Privatisierungen der
öffentlichen Dienste - insbesondere des Wassers - ebenso bereichern wie an
bereits liberalisierten Sektoren wie Banken, Finanzinstitutionen und
natürliche Ressourcen.
Im Laufe der letzten zehn Jahre haben sowohl die EU als auch ein Großteil
der Regierungen Lateinamerikas auf eine Reihe von biregionalen und
bilateralen Verträgen gesetzt, die den Machenschaften der transnationalen
Unternehmen einen rechtlichen Rahmen geben. Diese Abkommen sind im Dienste
ihrer Interessen ausgearbeitet und enthalten Regeln über Investitionen,
intellektuelles Eigentum, Dienstleistungen und Freier Handel - z.B. die
Verträge der EU mit Mexiko, Chile, Mercosur und den Andenstaaten "Trade,
not aid", "politischer Dialog", und "Kooperation" lauten die Schlagwörter,
mit denen die EU einen "Kapitalismus mit menschlichem Gesicht" zu
etablieren vorgibt. Hinter der Rhetorik der Forderung nach "Nachhaltiger
Entwicklung" und Menschenrechten verbergen sich jedoch europäische
Geschäftemacher und große exportorientierte lateinamerikanische
Interessensgruppen, die nicht bereit sind zurückzustecken - insbesondere
was die Investitionen sowie den Handel mit Agrarprodukten und
Dienstleistungen betrifft.
Um in beiden Regionen die Ausbreitung dieses Wirtschaftsliberalismus zu
stoppen, haben viele soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche
Organisationen aus Lateinamerika/Karibik und Europa beschlossen, Widerstand
zu leisten. Denn diese Art von Handelsverträgen fördert und verstärkt die
asymmetrischen Beziehungen zwischen den Kontinenten. Diese sozialen
Bewegungen und Organisationen haben sich seit Mai 2004 zusammengetan, um
biregionale Aktivitäten gegen das Ausschließungsmodell und die neoliberale
Agenda der Regierungen voranzutreiben.
Im Mai 2004 wurde deshalb in Guadalajara, Mexiko, der erste
Alternativengipfel "Enlazando Alternativas" abgehalten.
Heute wie damals sind wir davon überzeugt, dass es nötig ist, in
Übereinstimmung mit den Völkern Lateinamerikas und Europas folgende Ziele
zu erreichen:
Aufbau einer biregionalen politischen Bewegung, die soziale und
entwicklungspolitische Netzwerke, NGOs, globalisierungskritische
Bewegungen, Solidaritätsgruppen, Gewerkschaften, Land- und Arbeitslose,
Campesinos, politische, indigene und ökologische Organisationen, Studenten,
Intellektuelle und Künstler beider Kontinente vereinen soll.
Widerstand gegen die Auswirkungen des neoliberalen Modells auf beiden
Seiten des Atlantiks zu leisten; insbesondere gegen die Wirtschaftspolitik
der europäischen Konzerne und Regierungen in Lateinamerika.
Schaffung von Alternativen. Es sollen gemeinschaftliche alternative
Projekte erarbeitet werden.
Das Interesse einer möglichst breiten Öffentlichkeit für die sozialen
Bewegungen wecken und eine Zusammenarbeit beider Regionen herbeiführen. Auf
diese Weise sollen die Themen des offiziellen Gipfels ebenso bekannt
gemacht und diskutiert werden wie die Alternativvorschläge zur Politik der
EU gegenüber Lateinamerika.
Die Durchführung von Aktionen und Mobilisierungen, welche die soziale
Unzufriedenheit in Form von öffentlichen Protesten zum Ausdruck bringen.
Tribunal der Völker zu Transnationalen Unternehmen
Im Mai 2006 werden während der vier Tage des Alternativengipfels in Wien
nicht nur die Verträge zwischen Lateinamerika und der EU, die
Entwicklungspolitik und die Militarisierung beider Kontinente in Frage
gestellt, sondern auch ein Tribunal der Völker veranstaltet, im Rahmen
dessen die Machtmechanismen der europäischen transnationalen Konzerne in
Lateinamerika und Europa selbst untersucht werden.
Demonstration
Den Abschluss dieser Großveranstaltung wird eine Demonstration am 13. Mai
2006 bilden, welche der Weltöffentlichkeit die Einheit in der Vielfalt der
sozialen, politischen, feministischen und ökologischen Kämpfe in Europa und
Lateinamerika vor Augen führt.
Die VeranstalterInnen dieses Alternativgipfels laden alle AktivistInnen und
SympathisantInnen sozialer und entwicklungspolitischer Netzwerke,
globalisierungskritische Bewegungen, Gewerkschaften, Land- und Arbeitslose,
Indigene, KünstlerInnen und Intellektuelle Lateinamerikas und Europas ein,
vom 10. bis 13. Mai 2006 nach Wien zu kommen und sich an den Diskussionen
um eine friedliche, demokratische und sozial gerechte transatlantische
Allianz auf Grundlage der Menschenrechte und des Selbstbestimmungsrechts
der Völker aktiv und solidarisch zu beteiligen.
"Enlazando Alternativas 2" ist Bestandteil eines breites
Mobilisierungsprozesses, an dem sich unter anderem das Sozialforum von
Caracas im Jänner 2006 und das Europäische Sozialforum in Athen im April
2006 beteiligen, deren weltanschauliche Ausrichtung von dieser Initiative
voll geteilt wird.
EINE ANDERE WELT IST MÖGLICH!
Wir werden sie gemeinsam aufbauen.
Wien, im September 2005
Quelle: www.alternativas.at
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
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