[E-rundbrief] Info 253 - Rufmord an Salvador Allende
Matthias Reichl
mareichl at ping.at
Mo Jul 11 18:51:21 CEST 2005
E-Rundbrief - Info 253 - Rufmordkampagne gegen den früheren chilenischen
Präsidenten Salvador Allende. Verteidigungskampagne. Interview mit Juan
Garcés (Madrid), Alternativer Nobelpreisträger.
Bad Ischl, 11.7.2005
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
===========================================================
Bei dem Treffen der Alternativen Nobelpreisträger in Salzburg hat mich der
spanische Staatsanwalt Juan Garces - einer der Preisträger - in einem
beeindruckenden Gespräch um Unterstützung der Kampagne gegen die
Diffamierung Allendes gebeten. Er ist Präsident der Fundación Presidente
Allende (Allende-Stiftung) mit Sitz in Madrid. Zwischen 1970 und 1973 war
er persönlicher Berater des Sozialisten Allende. (Weiters hat er sich
jahrelang für ein Gerichtsverfahren gegen den chilenischen Diktator
Pinochet engagiert.) Da das Gespräch in Salzburg im Wesentlichen mit einem
Interview in "junge welt" übereinstimmt, habe ich diesen Text unten angehängt.
Anscheinend ist die Kampagne von Deutschland zum Glück noch nicht nach
Österreich vorgedrungen. Trotzdem bitten wir euch, nach euren Möglichkeiten
zur Verteidigung Allendes beizutragen.
Eine ausführliche Stellungnahme der Fundación Presidente Allende
(Allende-Stiftung) und weitere Texte findet ihr in
http://www.elclarin.cl/hemeroteca.html. Ihre Partnerorganisation in
Deutschland: Chile-Freundschaftsgesellschaft "Salvador Allende" e.V,
Jonasstraße 29, 12053 Berlin, Tel.: +49 30 62982717, e-mail:
fgsa at redglobe.de. Die deutsche Übersetzung in:
www.trend.infopartisan.net/trd0605/t240605.html. Ihre Partnerorganisation
in Deutschland:
Diese Art von Rufmord ähnelt den Kampagnen von Pseudo-Linken gegen
Globalisierungskritiker, Kritiker der Politik Israels, der USA usw. Auch
darin werden die Unterstellungen wie "Antisemitismus", "Rassismus" und
"Antiamerikanismus" und ähnliche als rufmordende Instrumente ge- und
mißbraucht.
Matthias Reichl
---------------------------------------------------------------------------
»Mißbrauch des Namens der Freien Universität«
Hat ein chilenischer Historiker Quellen gefälscht, um Salvador Allende als
Rassist erscheinen zu lassen? Ein Gespräch mit Juan Garcés.
junge welt, 28.05.2005
Interview: Harald Neuber
* Juan Garcés ist spanischer Jurist und Präsident der Fundación Presidente
Allende (Allende-Stiftung) mit Sitz in Madrid. Zwischen 1970 und 1973 war
er persönlicher Berater des Sozialisten
F: Derzeit sorgt der chilenische Historiker Víctor Farías mit einem Buch
für Aufsehen, in dem er dem ehemaligen chilenischen Präsidenten Salvador
Allende Rassismus und Antisemitismus unterstellt. Seine Thesen stützen sich
auf die Dissertation Allendes aus dem Jahr 1933, die Farías entdeckt und
auch Ihrer Stiftung zur Verfügung gestellt hat. Wie stehen Sie zu den
Vorwürfen?
G.: Ich werde dazu nicht nur als Präsident der Stiftung Stellung nehmen,
sondern auch als jemand, der Salvador Allende persönlich gekannt hat. Von
dieser Warte aus halte ich das Buch von Víctor Farías für ein Pamphlet, das
Allende nicht nur Worte in den Mund legt, sondern andere, tatsächliche
Aussagen entstellt.
F: In einer Erklärung der Stiftung werfen Sie Farías Quellenfälschung vor.
Welche Belege haben Sie für diesen schwerwiegenden Vorwurf?
G.: Farías verfälscht offenbar vorsätzlich zentrale Absätze aus der
Dissertation Salvador Allendes, andere reißt er aus dem historischen
Kontext. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: In seiner Dissertation positioniert
sich Allende explizit gegen die Thesen des italienischen Kriminalisten
Cesare Lombroso, der eine Verbindung zwischen bestimmten Verbrechen und
Ethnien herstellte. Farías' Pamphlet verschweigt, daß Allende diese
Theorien in seiner Dissertation verurteilt, statt dessen legt der Autor
Allende die Worte Lombrosos, in der Dissertation tauchen sie als Zitat auf,
in den Mund.
Solche Fälschungen gibt es in Farías Pamphlet mehrfach. So bezieht er sich
auf ein Interview mit Allende, das am 16. November 1939 in der chilenischen
Tageszeitung La Nacion erschien. Laut dem Buch soll Allende auch in diesem
Interview rassistische Positionen vertreten haben. Im Archiv der Zeitung
findet sich zwar das Interview, die entsprechenden Passagen aber sucht man
vergebens. Im ersten Fall könnte es sich noch um ein Versehen handeln. Im
Fall des Interviews aber fälscht Farías die Quellen offen.
Was den Antisemitismus angeht, verschweigt Farías' Pamphlet konsequent
Allendes vollen Familiennamen: Er hieß Salvador Allende Gossens trug also
einen jüdischen Namen. Seine Mutter war jüdischer Herkunft. Farías
verschweigt diesen Umstand, weil er seine Unterstellungen in Frage stellen
würde.
F: Farías schreibt, Allende habe sich geweigert, den Nazikriegsverbrecher
Walter Rauff 1972 des Landes zu verweisen.
G.: In diesem Fall setzen sich die Fälschungen fort, denn Farías dreht
selbst Simon Wiesenthal die Worte im Mund um. Farías hat wiederholt
behauptet, Wiesenthals Auslieferungsgesuch sei »kühl und bürokratisch«
abgelehnt worden, das sagte er etwa in einem Interview mit der chilenischen
Tageszeitung El Mercurio. Dabei hatte er beide Briefe Wiesenthals an
Allende vorliegen: Das Gesuch zur Auslieferung Rauffs und die Reaktion auf
die Antwort Allendes. In diesem zweiten Brief bedankt sich Wiesenthal bei
Allende: »Das edle Denken, das aus Ihrem sehr menschlichen Brief spricht,
kann ich nur bewundern.« Das klingt schon anders, oder? Die Korrespondenz
haben wir übrigens vom Wiesenthal-Zentrum zur Verfügung gestellt bekommen.
F: Wie werden Sie auf das Buch reagieren?
G.: Nachdem Farías den Originaltext aus gutem Grund unter Verschluß
gehalten hat, haben wir den Volltext der Dissertation Allendes ins Internet
gestellt. Unter www.elclarin.cl/ hemeroteca.html kann sich jeder von den
Fälschungen Farías' überzeugen. Allende gibt die verschiedenen Positionen
zur damals aktuellen Eugenikdebatte wieder, um dann eine eigene Position zu
entwickeln: Er weist die rassistischen Theorien Lombrosos explizit zurück.
F: Sie hoffen, Farías' Thesen so zu entkräften?
G.: Die Veröffentlichung der Dissertation, der Aussagen Wiesenthals und des
erwähnten Interviews werden das Pamphlet entkräften. Aber nicht nur das.
Sie werden Farías als Aufschneider entlarven, der den guten Namen der
Freien Universität Berlin in Verruf bringt. Er bedient sich ihres Namens,
um seinen Machwerken den Schein wissenschaftlicher Seriösität zu verleihen.
http://www.jungewelt.de/2005/05-28/020.php
Ein Interview mit Víctor Farías hat "junge welt" am 18.5.05 veröffentlicht:
http://www.jungewelt.de/2005/05-18/007.php
----------------------------------------------------------------------------
Einen weiteren Kommentar dazu veröffentlichte:
FDCL, Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V.,
Gneisenaustraße 2a
10961 Berlin
Tel. : 49-(0)30-693 40 29; -69 81 89 35
email: fdcl-berlin(at)t-online.de
http://www.fdcl.org
Eine Richtigsstellung der Falschmeldung publizierte die "taz" am 1.6.05
(www.taz.de/pt/2005/06/01/a0154.nf/text):
Verdrehte Anwürfe. Salvador Allende war weder Antisemit noch Rassist:
Diesbezügliche Behauptungen Víctor Farías' halten einer Überprüfung nicht stand
VON BERND PICKERT
Es ist die Geschichte eines Rufmordes, der funktioniert hat. Alle Medien,
auch die taz, haben darüber berichtet...
--------------------------------------------------------------------------------
Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
Spenden-Konto Nr. 0600-970305 (Blz. 20314) Sparkasse Bad Ischl,
Geschäftsstelle Pfandl
IBAN: AT922031400600970305 BIC: SKBIAT21XXX
Mehr Informationen über die Mailingliste E-rundbrief