[E-rundbrief] Info 240 - RB 117 - Jose Boves Tour in Oesterreich

Matthias Reichl mareichl at ping.at
Mo Jun 6 00:58:46 CEST 2005


E-Rundbrief - Info 240 - José Bové unterstützt das Agrarbündnis Österreich. 
Bovés Tour durch Österreich im April 2005. José Bové in Salzburg: 
"Agrarpolitik ist ein Desaster"

Bad Ischl, 6.6.2005

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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José Bové unterstützt das Agrarbündnis Österreich

Trotz seines totalen Kampagnen-Einsatzes in Frankreich - als führender 
"Nein"-Aktivist gegen  diese EU-Verfassung - hatte José Bové vom 19. bis 
21. April etwas Zeit für Diskussionen und Pressekonferenzen in Wien, 
Oberösterreich und Salzburg. (Fotos auf www.attac.at/?id=1612) Auf 
Einladung durch die Plattform "Agrarbündnis" verteidigt er wortgewaltig die 
biologische Landwirtschaft (gegen die Gentechnik), das Bündnis zwischen 
Erzeugern und Verbrauchern und die Lebensgrundlagen generell auf allen Ebenen.

Gleich bei der ersten Pressekonferenz in Wien klagte er den ehemaligen 
EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler - einen Österreicher - an, dass 
die EU-Landwirtschaftspolitik am Tod vieler Bauern mitschuldig sei. Seine 
Forderung, dass Fischler vor einen Menschenrechts-Gerichtshof gestellt 
werden müsse, beantwortete der Sekretär des zuständigen Ministers Pröll 
repressiv. Er verbot eine geplante Begegnung von Bové mit Schülern der 
Höheren Bundeslehranstalt für Landwirtschaft in Ursprung (bei Salzburg - 
Fragen und Antworten siehe unten). Die Medien reagierten darauf mit 
ausführlichen Berichten - trotz der Dominanz durch den neuen Papst. Selbst 
konservative Bauern meldeten sich anschließend erbost beim Agrarbündnis und 
kündigten an, künftig nicht mehr den "(ÖVP)Bauernbund" sondern die 
Alternativen dazu zu unterstützen. Es wird daher überlegt, eine ähnliche 
Bauernbewegung wie die französische "Conféderation Paysanne" zu organisieren.

Eine Dokumentation der Tour findet ihr auf der Homepage www.agrarbuendnis.at.

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José Bové in Salzburg: "Agrarpolitik ist ein Desaster"

Gastkommentare zu aktuellen Themen

EU-Agrarpolitik ist eine Katastrophe für Umwelt, Bauern und Konsumenten

Ein Auftritt des französischen Schafzüchters und Agrarrebellen José Bové in 
der Landwirtschaftsschule Ursprung wurde von Minister Josef Pröll verboten. 
Die Organisatoren wichen ersatzweise in ein Elixhausener Gasthaus aus. Wir 
bringen Antworten Bovés auf Fragen von Landwirtschaftsschülern.

Der französische Schafzüchter José Bové erlangte internationale 
Bekanntheit, als er gemeinsam mit anderen Bauern eine McDonalds-Filiale 
demolierte und dafür auch eine Haftstrafe bekam. Bové ist unter anderem in 
der unabhängigen internationalen Bauernorganisation "Via Campesina" aktiv.

Was können die Bauern und Konsumenten zu einer menschengerechten 
Globalisierung beitragen?

Die landwirtschaftliche Produktion eignet sich nicht für einen 
globalisierten und liberalisierten Welthandel. Trotz aller Globalisierung 
werden fast zwei Drittel der landwirtschaftlichen Produkte dieser Welt 
innerhalb eines Radius von 60 Kilometern konsumiert.

Fast 60 Prozent der Weltbevölkerung sind Bauern. Aber natürlich sind das 
keine industriell produzierenden Bauern. Heute im Jahr 2005 haben 28 
Millionen Bauern auf der Welt einen Traktor. 250 Millionen arbeiten mit 
Zugtieren. Und über eine Milliarde arbeiten nur mit Handwerkzeugen. Wenn 
man sich dieses Bild vor Augen hält, fragt man sich, was die Globalisierung 
des Agrarmarktes überhaupt will.

Die Mehrheit der ländlichen Bevölkerung auf der Erde braucht heute vor 
allem Maßnahmen, die ihr lokales Wirtschaften gewährleisten. Ihre Länder 
benötigen in erster Linie die Möglichkeit, sich gegen die Überschussexporte 
der EU und der USA zu schützen. Deshalb sagen wir, dass die Länder wieder 
das Recht bekommen müssen, Zollgrenzen gegenüber dem Dumping des 
agrar-industriellen Weltmarktes zu errichten. Für die Länder des Südens ist 
das das wichtigste Instrument, die Existenzgrundlage für die Mehrheit ihrer 
Bevölkerung sichern zu können.

Das Recht auf Ernährungssouveränität, das Recht der Länder, ihre 
Nahrungsmittel selbst zu erzeugen, ist mit den Mechanismen des neoliberalen 
Welthandels nicht vereinbar. Die Welthandelsorganisation WTO stellt heute 
die größte Gefahr für das Überleben der Bauernschaft weltweit dar. Sie 
verpflichtet die Länder dazu, ihre Grenzen zu öffnen. Sie ist das 
Hauptinstrument für die Durchsetzung der Ziele der großen 
Nahrungsmittelkonzerne. Wir verlangen deshalb ohne Umschweife, dass die WTO 
sich aus dem Agrarbereich zurückzieht.

Die Konsumenten können zusätzlich über ihr alltägliches Einkaufsverhalten 
einen wichtigen Einfluss ausüben, indem sie sich am gerechten Handel 
beteiligen und die Produkte örtlicher Landwirtschaft möglichst direkt von 
den Bauern kaufen.

"Wir verlangen deshalb ohne Umschweife, dass die WTO sich aus dem 
Agrarbereich zurückzieht."

Wie wird sich die Landwirtschaft in der EU weiter entwickeln?

Gegenwärtig geben jedes Jahr 200.000 Bauern in der Europäischen Union auf. 
Die Agrarpolitik der EU ist ein Desaster für die Bauern. Sie ist ebenso für 
die Umwelt und die Konsumenten eine Katastrophe. In Frankreich  etwa in der 
Region Bretagne  können fünfzig Prozent des Grundwassers nicht mehr 
getrunken werden, weil dieses Wasser mit Nitraten verseucht ist. Jeder 
erinnert sich auch noch an den Rinderwahn, der absolut kein Betriebsunfall 
war, sondern die zwingende Konsequenz aus einer industrialisierten 
Landwirtschaft.

Die Politik der EU ist für diesen Zustand verantwortlich. Sie hat die 
ständige Ausweitung der Produktion veranlasst. Das hat zu Überschüssen und 
zur Abhängigkeit der Bauern von einem industriellen Landwirtschaftsmodell 
geführt.

Diese Politik zwingt die Bauern dazu, industriell produzierte Futter- und 
Produktionsmittel einzukaufen. Damit ist die EU heute zu 80 Prozent von 
Protein-Importen aus Übersee abhängig, insbesondere in Form von Soja. Die 
Niederlande etwa importieren für ihre agrarindustriellen Schweinezüchter 
Futtermittel, für deren Anbau sechs Mal die Fläche der Niederlande benötigt 
wird.

Ist eine Landwirtschaft ohne Subventionen überhaupt überlebensfähig?

80 Prozent der Subventionen der EU gehen an 20 Prozent der Erzeuger. 
Gegenwärtig erhält ein Hektar Mais, der für Silofutter verwendet wird, zehn 
Mal mehr Subvention als ein Hektar Grasland.

Es muss die Agrarpolitik also radikal geändert werden. Die Beihilfen müssen 
neu ausgerichtet werden. Nicht hin auf Quantität, sondern auf Qualität. Sie 
müssen einen Umbau zu Gunsten weniger Intensivierung bewirken. Die 
Überproduktion muss abgebaut werden. Es gilt die Produktion unter so vielen 
Bauern wie möglich aufzuteilen.

" Um die Weltbevölkerung zu ernähren muss man den Bauern ermöglichen, mit 
ihrer Landwirtschaft zu überleben."

Kann die Welternährung nur mit Gentechnik gesichert werden?

Um die Weltbevölkerung zu ernähren muss man den Bauern ermöglichen, mit 
ihrer Landwirtschaft zu überleben. 60 Prozent der 872 Millionen Menschen, 
die auf der Welt hungern, sind Bauern. Diese Menschen sind Opfer des 
Agrardumpings, der subventionierten Agrarexporte von reichen Ländern in 
ärmere Länder. Das zerstört die lokale Landwirtschaft in diesen Ländern und 
macht die Bauern arm.

Die gentechnisch veränderten Pflanzen begünstigen einzig und allein die 
industrielle Landwirtschaft und ihre Konzerne. Deren Ziel ist, dass sie 
einerseits ihr Saatgut verkaufen können und gleichzeitig die passenden 
Pestizide dazu. Den Bauern bringt dies nur Abhängigkeit, sie verlieren die 
Kontrolle über das Saatgut.

Es läuft eine Riesenpropaganda der Konzerne, die die Menschen glauben 
machen will, dass sich die Agrar-Gentechnik schon überall verbreitet hat. 
In Wirklichkeit werden nur weniger als ein Prozent der Agrarflächen dieser 
Welt mit gentechnisch veränderten Pflanzen bebaut.
Es ist allerdings klar, dass das Nebeneinander von Feldern mit und ohne 
gentechnisch veränderten Pflanzen unmöglich ist. Deshalb, weil sie 
langfristig jede andere Landwirtschaft ausschließt, sagen wir, die 
Gentechnik-Landwirtschaft ist eine totalitäre Landwirtschaft.

(Aus dem Gespräch von Heinrich Breidenbach mit José Bové am 21.4.2005, im 
SF- Meinungsforum, Salzburger Fenster 14/2005, 
http://www.salzburger-fenster.at/rubrik/meinungsforum/1405/rebell-jose-bove-in-salzburg_785.html)

Redigiert v. Matthias Reichl

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Matthias Reichl

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