[E-rundbrief] Info 233 - Zensierte EU-Kritik in Frankreich
Matthias Reichl
mareichl at ping.at
So Mai 22 17:13:50 CEST 2005
E-Rundbrief - Info 233 - Das zensierte NON in den (französischen) Medien -
es reicht! Übersetzung des Aufrufs (zur französischen Informationskampagne
vor dem Referendum über EU-Verfassung (am 29.5.2005).
Bad Ischl, 22.5.2005
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Das zensierte NON in den Medien - es reicht!
Übersetzung des Aufrufs (zur französischen Informationskampagne)
Einige Wochen vor dem Referendum über die europäische Verfassung
entscheiden wir uns, den folgenden Aufruf so breit wie möglich bekannt zu
machen.
An alle BürgerInnen und an Belegschaften der öffentlichen Sender, an jedeN
der sich uns verbunden fühlt, dem Fernsehen und Radio zur Kenntnis. In
unserer Eigenschaft als Journalisten können wir nicht länger die einseitige
Unterstützung der Kampagne für das Referendum am 29. Mai 2005 auf unseren
Sendern ignorieren. Angesichts des Mangels an Objektivität und der
Dauerberieselung für das OUI ("Ja"), welche unter dem Vorwand der Pädagogik
auf unseren öffentlichen Sendern genauso wie auf den privaten Sendern dazu
beitragen, den Berufsstand der Journalisten zu diskreditieren, erhebt sich
mehr und mehr Entrüstung. Wir fordern deshalb eine ausgewogene
Berichterstattung. Das NON ("Nein") muss ab heute vollständig in den Medien
wiedergegeben werden. Unter anderem zeigt die Ausstrahlung von "Arrêt sur
images" auf "France 5" vom 10. April 2005, dass sich auf allen Kanälen das
Verhältnis der Fernsehsendungen über den europäischen Verfassungsvertrag
zwischen dem 1. Januar und dem 31. März wie folgt aufteilt:
* Sendungen zugunsten des NON: 29 %
* Sendungen zugunsten des OUI: 71 %
Wir prangern das Abdriften in Richtung des OUI an, dem wir selbst mit der
Ausstrahlung der Ansprache des Präsidenten der Republik auf TF1
zugearbeitet haben. Ihm wurden zwei volle Stunden gegeben, die er nutzte,
um das OUI zu verteidigen, ohne dass ihm auch nur seine Redezeit
angerechnet worden wäre. Die Abwesenheit von Pluralismus, das Vorziehen der
Produktions- und Diskussionsleiter anstelle von Journalisten sowie das
Abdriften der Information in ein Spektakel tragen zur Desinformation bei,
gefährden die Zukunft unseres Berufes und verschlechtern den Ruf des
Journalismus. Wir prangern ganz genauso das heimliche, schamhafte
Einverständnis zwischen dem Redakteur Alain Duhamel und Lionel Jospin an.
Der erste dienend, indem er das einzige Ziel des zweiten herausstellt,
nämlich zur Wahl für das OUI aufzurufen.
Normalerweise interveniert der CSA [Conseil supérieur de l'audiovisue, =
Rat der Audiovisuellen Medien], um das Gleichgewicht bei Kampagnen
aufrechtzuerhalten. Heute, angesichts seines Schweigens, stellen wir
Positionen fest, die öffentlich ausgedrückt oder stillschweigend als Beweis
unterstellt werden von einer Vielzahl von Redakteuren, Korrespondenten,
Darstellern und Herausgebern, welche die Ausübung ihres Berufes verfehlen,
indem sie Partei für das OUI ergreifen. Was die Ausstrahlung der Debatte
betrifft, grenzt die Einseitigkeit zugunsten des OUI an Propaganda.
Bis jetzt war es in unserem Beruf und besonders im öffentlichen Dienst
üblich, von den eigenen persönlichen Überzeugungen zu schweigen und sich
einer unparteiischen Position zu verpflichten.
Wenngleich Persönlichkeiten des Fernsehens, sind wir jedoch zugleich auch
Bürger. In dieser Eigenschaft nehmen wir uns heraus zu behaupten, dass wir
uns nicht mehr wiedererkennen in dieser offensichtlich einstimmigen
Unterstützung der Verfassung seitens der Medien. Wir stellen weiterhin
fest, dass der Text, den man uns zur Abstimmung vorlegt, das Recht auf
Information nicht garantiert:
* Die Europäische Zentralbank ist nicht verpflichtet, sich mit ihren
Entscheidungen an die Öffentlichkeit zu wenden (Art. III 190)
* Der Europäische Rat ist nicht gehalten, seine Empfehlungen zu
veröffentlichen, die er an einen Staat richtet, der sich im öffentlichen
Defizit befindet. (Art. III 184)
* Der Europäische Rat ist nicht verpflichtet, die Sanktionen zu
veröffentlichen, die er an einen Staat richtet, dessen ökonomische Politik
nicht mit der Gesamtorientierung der ökonomischen Politik der Europäischen
Union übereinstimmt (Art. III 179)
* Im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik ist im Fall der Krise für
JournalistInnen keine Garantie des Zugangs zu Information festgeschrieben.
* Die Risiken der sozialen Angleichung nach unten bedrohen direkt die
Rechte des Personals von Fernseh- und andere Medienunternehmen, zB. durch
Tarifverträge oder die sogenannte Gewissensklausel.
* Tantiemen der freien Journalisten, Tantiemen der Autoren, Steuern
zugunsten der Presse... sind in Gefahr, nicht gegen das heilige Prinzip des
freien und unverfälschten Wettbewerbs bestehen zu können (Art. I-3-2).
* Dies kann analog auf die öffentlichen Sender und ihre Finanzierung
angewendet werden...
Deshalb erscheint es uns heute unmöglich, unsere Überzeugung und unsere
Verpflichtung gegenüber der Demokratie und gegenüber einer umfassenden,
pluralistischen Information zu verschweigen.
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Infobrief Nr. 51 von Attac-F
Das zensierte "NON" in den Medien - es reicht!
Versammlung am Dienstag den 17. Mai um 18 Uhr, Place Georges Clemenceau,
Paris 8ème
Dank Eurer Mobilisierung hat die Petition "Das zensierte "NON" in den
Medien - es reicht!", die wir am 4. Mai veröffentlicht haben, bereits mehr
als 12 000 Unterzeichnende.
Mehr als 12 000 BürgerInnen, die das Gefühl der überwältigenden Mehrheit
der FranzosInnen ausdrücken.
Wir Berufstätige in Fernsehen und Radio sind der Existenz der öffentlichen
Sender verpflichtet, dem einzigen Mittel, das in der Lage ist die
Monopolisierung des öffentlichen Raumes durch die Mächte des Geldes
auszubalancieren, und das einen notwendigen Pluralismus der Information
absichern kann, den unsere Demokratie fordert.
Das ist der Grund, weshalb wir uns entschieden haben, diesen
BürgerInnenprotest, direkt an den Präsidenten der Republik zu richten, der
über unsere Verfassung, über die Kontinuität unseres Staates und über den
Respekt gegenüber dem kommunalen Recht wachen sollte. Wir werden in
Delegationen die Gesamtheit der Unterschriften zum Präsidenten tragen und
bitten Euch bei dieser Gelegenheit zur Versammlung im 8. Arrondissement
nicht weit vom Elysée, um unseren Aufbruch zu unterstützen:
Dienstag 17 Mai 2005 um 18 Uhr
Place Georges Clemenceau
In der Erwartung, dass wir fortfahren diesen Aufruf massiv zu unterzeichnen!
http://www.appel-info-impartiale.ras.eu.org
Diese Initiative wird unterstützt von: Attac, Acrimed, CFDT
radio-télévision, SNJ-CGT, SNRT-CGT, UNEF, OFM (Observatoire Francais des
Médias, ADAS (Association Défense Assurés Sociaux), SIPM-CNT (Syndicat
interprofessionnel de la presse et des médias), SFR-CGT (Syndicat français
des réalisateurs), UEC (Union des étudiants communistes), Association "voir
et agir", SUD-Energie-Transport-Gaz, "Ruptures" (Réseau Féministe),URFIG,
U2R (Union des Républicains radicaux) ...
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Matthias Reichl
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