[E-rundbrief] Info 222 - RB 116 - E. Lanc: Neutralitaet als Kriegsbremse.
Matthias Reichl
mareichl at ping.at
Sa Mär 26 10:12:02 CET 2005
E-Rundbrief - Info 222 - Rundbrief Nr. 116 - Erwin Lanc: Neutralität als
Kriegsbremse. Internationales Symposium zu Österreichs Neutralitätspolitik
"Moskauer Memorandum 1955. Signal für den Frieden in Europa".
Bad Ischl, 26.3.2005
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Neutralität als Kriegsbremse
Erwin Lanc
Das am 15. April 1955 von der österreichischen Regierungsdelegation Raab,
Schärf, Figl und Kreisky in Moskau unterzeichnete Memorandum öffnete jene
Tür für den österreichischen Staatsvertrag, die bis Ende Jänner 1955
Molotow und Malenkow zugehalten hatten. Die Österreicher gaben eine
Verwendungszusage für eine international verpflichtende Deklaration,
»immerwährend (also nicht von Kriegsfall zu Kriegsfall) eine Neutralität
der Art zu üben, wie sie von der Schweiz gehandhabt wird«.
Dennoch hat sich Österreichs Außenpolitik von Beginn an von der Schweiz
unterschieden. Wir wurden rasch Mitglied des Europarates und der Vereinten
Nationen, haben Polizei und Friedenstruppen entsendet und für ein Ende des
Kalten Krieges und für Entspannung in Europa eingetreten. Auch gäbe es
keine Wahlen in der Westbank und im Gazastreifen ohne den damaligen
Einfluss Österreichs auf die PLO.
Längst hätte sich auch die neutrale Schweiz international stärker
engagiert, wäre es nach dem Bundesrat, der Schweizer Regierung, gegangen.
Nach der Schweizer Verfassung bedarf es dazu eines Volksentscheids. Die
Eidgenossen haben aber sowohl eine UN-Mitgliedschaft als auch die
Zugehörigkeit zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) abgelehnt.
Neutralität verdrängt
Österreich hat zwar in seinem Beitrittsbrief zur EG seine Neutralität
ausdrücklich erwähnt, sich aber in den Verhandlungen um jede klare
Stellungnahme gedrückt. Um aufgenommen zu werden hat das Land eine kaum
tragbare Transitlast auf sich genommen und die Neutralität verdrängt.
Der zur Ratifizierung vorliegende Verfassungsvertrag der EU sieht zwar vor,
dass Mitgliedsstaaten mit verfassungsmäßigen Einschränkungen an gemeinsamen
militärischen Aktionen der EU nicht teilnehmen, sondern sich nur wohl
verhalten müssen. Österreich ist aber in der europäischen Rüstungsagentur
dabei und kauft statt Abfangjäger wesentlich teurere
Allzweckkampfflugzeuge, nur um irgendwann einmal bei einem EU-Einsatz mit
einer Staffel dabei sein zu können.
Für eine Battleforce, eine rasche Eingreiftruppe der EU von zehn je 1500
Mann starken Landbrigarden, stellt Österreich standby im Halbjahresrhythmus
200 Mann. Im Fall eines Ausstiegs (Opting out) bei neutralitätswidrigen
Einsätzen muss das zu Schwierigkeiten mit den Nato-Mitgliedern Deutschland
und Tschechien führen.
Wie Österreich außerhalb Europas neutral bleiben will - so lautet die
Absicht der jetzigen Bundesregierung -, wenn es nach der Solana-Doktrin
auch außerhalb Europas zu nicht UN-mandatierten Kampfeinsätzen kommt,
bleibt schleierhaft. Innerösterreichisch kann verfassungskonform
vorgegangen werden.
Schnellschuss unter Klima
Der unter der rotschwarzen Regierung Klima erfolgte verfassungsrechtliche
Schnellschuss, der zum Artikel 23f BVG geführt hat, ermächtigt Kanzler und
Außenministerin das österreichische Battleforce-Kontingent auch im Falle
einer neoimperialistischen Intervention der EU - also neutralitätswidrig -
einzusetzen. Jedenfalls ist das die Interpretation von ÖVP und FPÖ.
Freilich ist die Annahme falsch! Ein solcher Kriegeseinsatz auf der
höchsten Interventionsstufe der so genannten Petersberger Aufgaben der EU
entlässt den Neutralen nicht aus seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen.
Im Gedenkjahr 2005 ist denken an die Zukunft geboten. Österreich sollte
nicht die Neutralität als obsolet erklären oder gar die völkerrechtliche
Bindung Österreichs an den Staatsvertrag in der Fassung vom 6. November
1999 in Frage stellen. Gestützt auf seine Neutralität sollte es vielmehr in
der EU als Mahner für eine friedliche Außen- und Sicherheitspolitik der
Union eintreten und vor allem mit Irland, Schweden und Finnland gegen eine
Verwendung der Battleforce für nicht von den UN- mandatierte kriegerische
Interventionen außerhalb des EU-Territoriums auftreten. Auf die Reaktion
Österreichs gegenüber dem Vorschlag des irischen Außenministers Dermot
Ahern, nur für UN-mandatierte Einsätze zu verwenden, darf man gespannt sein.
Der Autor ist ehemaliger Außenminister und präsidiert heute das
Internationale Institut für den Frieden. Der Kommentar "Neutralität als
Kriegsbremse" erschien in der Rubrik "MEINUNG ZUM TAG" der Tageszeitung
"Die Presse" am 5.März 2005
Veranstaltungstipp (weitere Tipps in Info 224):
15.4. 10:00 WIEN (Diplomatische Akademie, Favoritenstr. 15B):
Internationales Symposium zu Österreichs Neutralitätspolitik "Moskauer
Memorandum 1955. Signal für den Frieden in Europa". Podiumsdiskussion:
"Muss Europa Weltmacht werden?". U.a. mit Prof. Manfred Rotter, Robert
Knight (GB), Univ. Ludwig Steiner und weiteren Zeitzeugen und Historikern
aus Österreich und den Ländern der damaligen Besatzungsmächte.
(International Institute for Peace, Möllwaldpl. 5, 1040 Wien, Tel:
01-5046437, e-mail: secretariat at iip.at, www.iip.at)
Buchtipp:
Österr. Studienzentrum f. Frieden u. Konfliktlösung & International
Insititute for Peace (Hrsg.)/ Wolfgang Koch/ Franz Leidenmühler/ Peter
Steyrer (Red.): Neutralität im Neuen Europa. Österreichs Beitrag zur
Finalität der Union. Ergebnisse des Symposiums "Europäische Verfassung,
Sicherheit und Neutralität" v. Dez. 2003 im österr. Parlament. dialog 45.
2004 agenda Verlag. 12,80
(Weitere Buchtipps in Info 218)
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M. Reichl, Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr.26, A-4820 Bad Ischl, Austria, fon/fax: +43 6132 24590
http://www.begegnungszentrum.at
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