[E-rundbrief] Info 178 - RB 115 - Hans A. Pestalozzi: Aufruf zur Rebellion. Nachrufe
Matthias Reichl
mareichl at ping.at
Sa Dez 11 00:20:52 CET 2004
E-Rundbrief - Info 178 - 115. Rundbrief - Hans A. Pestalozzi (1929 - 2004):
Aufruf zur Rebellion. Auszug (veröffentlicht 1982). Matthias Reichl:
Erinnerungen an HAP; swissinfo: Einsamer Tod eines wirtschaftskritischen
Managers; Frederic Vester Stiftung: Nachruf und Vesters Beitrag zu
Pestalozzis Buch "nach uns die Sintflut".
Bad Ischl, 11.12.2004
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Aufruf zur Rebellion
Hans A. Pestalozzi (1982)
Sie behaupten, sie wollten den Frieden - und bereiten den Krieg vor.
Sie behaupten, sie müßten den Krieg vorbereiten, um den Frieden zu
schützen, und verschweigen, daß diese Formel noch immer zu Krieg geführt hat.
Sie behaupten, sie wollten unsere Souveränität schützen, und machen uns vom
Ausland abhängig.
Sie behaupten, sie wollten das Volk schützen, und provozieren seine
Vernichtung.
Sie behaupten, vor dem Regime in Moskau auf der Hut sein zu müssen, und
liefern uns dem Regime in Washington aus.
Sie behaupten heute, gegen die kommunistische Weltrevolution kämpfen zu
müssen, und behaupten morgen, das Sowjetsystem sei am Ende.
Sie behaupten, mit dem Bundesgrenzschutz die Grenzen der Republik
verteidigen zu müssen, und setzen ihn gegen die eigenen Bürger ein.
Sie behaupten, uns vor totalitären Staaten schützen zu müssen, und arbeiten
mit faschistischen Regimes zusammen.
Sie werfen uns »Zerstörung des politischen Friedens« vor, und meinen
Polizeieinsatz gegen Andersdenkende.
Sie predigen Dialog, und drohen mit dem Rücktritt.
Sie geben sich demokratisch, und verbieten die Teilnahme an
Demonstrationen. Sie loben den Schutz der Minderheiten, und berufen sich
auf eine angebliche schweigende Mehrheit. Sie pochen auf die Ganzheit der
Demokratie, und schließen die Randgruppen aus.
Sie werfen uns vor, kritiklos irgendwelchen Drahtziehern zu folgen, und
knieten zwölf Jahre vor dem »Führer«...
Sie geben vor, den Rechtsstaat schützen zu müssen, und verhaften unsere
Nachkommen gleich massenhaft.
Sie berufen sich auf internationale Abmachungen, und knallen uns mit
chemischen Waffen nieder, die im Kriegsfall verboten sind...
Widerstandsfähig sind nur die Rebellen.
Die schweigende Mehrheit - die Angepaßten - passen sich unverzüglich auch
einem neuen Herrscher an.
Rebellen bleiben Rebellen.
Wollt ihr überleben?
Dann rebelliert!
Hier und jetzt!
Auszug aus: http://www.sterneck.net/cybertribe/pestalozzi
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Bewegte Erinnerungen an Hans A. Pestalozzi (HAP)
Matthias Reichl
Seit unserem ersten Treffen mit HAP 1982 bei einer von uns mitorganisierten
originellen Aktion waren wir irgendwie befreundet, auch wenn wir uns nur
selten trafen und auch wenig korrespondierten. Auch wir haben seine
Entscheidung mit Bedauern respektiert, sich aus seiner Rolle des Agitators
und Provokateurs in seine selbstgewählte Einsamkeit zurückzuziehen. Er wäre
für uns und die weltweiten Bewegungen - gerade in diesen kritischen Zeiten
- ein unverzichtbarer Sprecher. Andererseits sind wir froh, dass - z.B. bei
den globalisierungsgegnerischen Bewegungen - ähnlich engagierte Leute, auch
aus dem "Süden", HAPs radikale Ausdrucksweise auf ihre Situation übersetzen.
(Aus meinem Brief an seine Tochter Bettina, August 2004)
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Einsamer Tod eines wirtschaftskritischen Managers
swissinfo 27. Juli 2004 13:32
Der Manager, ehemalige Leiter des Gottlieb Duttweiler Instituts,
Wirtschaftskritiker und freie Publizist Hans A. Pestalozzi ist tot.
Mit Sachbuch-Bestsellern wie "Nach uns die Zukunft" oder "Auf die Bäume ihr
Affen" wurde Pestalozzi einer breiten Öffentlichkeit bekannt.
Hans A. Pestalozzi wurde 1929 als Sohn eines Theologen und einer
Frauenrechtlerin geboren. Nach dem Abschluss an der Hochschule St. Gallen
kam er 1955 als persönlicher Sekretär zum Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler.
1966 bis 1979 leitete er das Gottlieb Duttweiler Institut (GDI)in
Rüschlikon und machte es zu einer international bekannten Denkfabrik, heute
als Think Tank bezeichnet. Seine Aufgabe bestand darin, Schwachstellen der
Wachstums- und Konsumgesellschaft aufzuspüren und "Alternativen zu den
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zielsetzungen" zu entwickeln. Als
er dies, ab 1977 auch in Vorträgen immer kompromissloser und radikaler tat,
wurde er entlassen.
In einem Film von Franz Deubzer sagte Pestalozzi später: "Wir waren die
Hofnarren der Wirtschaft, hoch angesehen. Aber der Hofnarr hat den
Nachteil, dass er die Wahrheit immer nur dem König sagen durfte."
Zweite Karriere
Nun begann der Ex-Manager seine zweite Karriere als "freier Publizist und
autonomer Agitator". Der Film "Pestalozzi" von Roman Brodmann machte ihn
über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Seine erstes Buch "Nach uns die
Zukunft Von der positiven Subversion" wurde ein Bestseller.
Pestalozzi legte sich auch mit dem nationalen Heiligtum an, der Schweizer
Armee. 1982 gab der ehemalige Bataillons-Kommandant das Buch "Rettet die
Schweiz, schafft die Armee ab" heraus.
Als autonomer Agitator engagierte er sich Anfang der 80er-Jahre im
"Migros-Frühling". Diese Oppositionsgruppe wollte im Juni 1980 offene
Migros-Wahlen erzwingen und eigene Kandidaten und Kandidatinnen aufbauen,
und damit über die Verwendung des "Sozialen Kapitals" mitbestimmen.
"Edel-Aussteiger"
Neben der Tätigkeit als Sachbuchautor hielt Pestalozzi bis 1996 Vorträge im
In- und Ausland.
"Hans A. Pestalozzi. Schweizer Rebell" definierte ihn das alternative
Online-Projekt Coforum.de, "Alt Revoluzzer" apostrophierte ihn die Presse,
gelegentlich auch als "Edel-Aussteiger". In den letzten Jahren äusserte
sich Pestalozzi nur noch selten in der Öffentlichkeit. Er zog sich immer
mehr zurück.
Vom Erlös seines Erstlings kaufte sich Hans A. Pestalozzi das "Heimetli" im
Steintal bei Wattwil im Toggenburg. Dort versorgte er sich seit 1984
praktisch selbst und starb vorige Woche als Einsiedler.
http://www.swissinfo.org/sde/swissinfo.html?siteSect=105&sid=5107818
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Zum Tod von Hans A. Pestalozzi am 14. Juli 2004
In einem Vorwort zu dem Buch von Hans A. Pestalozzi "Nach uns die Zukunft"
schreibt Frederic Vester unter dem Titel "Ein aufbauender Rebell":
"Um Hans A. Pestalozzi zu charakterisieren, seine Arbeit, seine Wirkung zu
beschreiben, müsste man am ehesten ihn selbst zitieren. Genau das geschieht
aber mit dieser Sammlung seiner markantesten zeitkritischen Vorträge. In
vielen Fällen versteht man unter solch einer Sammlung etwas
Langatmig-Langweiliges. Ausgewogene Analysen, die gedruckt schon gar nicht
zu genießen sind. Wir alle haben solche Vorträge über uns ergehen lassen,
von Festrednern, Präsidenten, oft musikalisch umrahmt, Opening Addresses zu
Jahresversammlungen oder Fachtagungen und sind teilweise dabei eingenickt.
Anders hier. In diesem Fall spricht ein Rebell, eine Stimme, die aufhorchen
lässt, durch ihre Unerschrockenheit verblüfft. Und es spricht nicht nur ein
Rebell, ein protestierender, niederreissender, sondern gleichzeitig ein
Pionier; ein aufbauender Rebell also, dessen von Verantwortung getragene
Analysen in packende Erkenntnis übergehen und von dort in handfeste
Orientierungshilfen."
Hans A. Pestalozzi war übrigens der erste, der mit seinem Gottlieb
Duttweiler Institut eine Trägerschaft für die große Wanderausstellung von
Frederic Vester "Unsere Welt ein vernetztes System" übernahm, weil er darin
ein wichtiges Aufklärungsinstrument sah.
http://www.frederic-vester.de/Pestalozzi.htm
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Matthias Reichl
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