[E-rundbrief] Info 135 - Arundhati Roy: Die Macht der Zivilgesellschaft in einer imperialen Zeit

Matthias Reichl mareichl at ping.at
Sa Sep 25 18:57:39 CEST 2004


E-Rundbrief - Info 135 - Arundhati Roy (Indien): Die Macht der 
Zivilgesellschaft in einer imperialen Zeit

Bad Ischl, 25.9.2004

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Die Macht der Zivilgesellschaft in einer imperialen Zeit

Von Arundhati Roy

Democracy Now! / ZNet 24.08.2004

Vollständige Transkription der von Arundhati Roy am 16. August 2004 in San 
Francisco, Kalifornien, gehaltenen Rede.

Ich bin gebeten worden über die "Macht der Zivilgesellschaft in einer 
imperialen Zeit" zu sprechen. Ich bin es nicht gewohnt zu tun was mir 
aufgetragen wird, aber durch einen glücklichen Zufall ist das genau das 
Thema über welches ich heute Abend sprechen wollte.

Wenn die Sprache verstümmelt und ihrer Bedeutung beraubt worden ist, was 
können wir dann unter "Macht der Zivilgesellschaft" verstehen? Wenn 
Freiheit Besatzung, wenn Demokratie neoliberalen Kapitalismus, wenn Reform 
Unterdrückung, wenn Worte wie "Bevollmächtigung" und "Friedenserhaltung" 
einem einen kalten Schauer über den Rücken jagen - dann kann die Bedeutung 
von "public Power" beliebig ausgesucht werden. Ein Bizepstrainingsgerät, 
eine öffentliche Powerdusche. Also werde ich "Macht der Zivilgesellschaft" 
eben zu definieren haben.

In Indien ist Public jetzt ein Hindi-Wort. Es bezeichnet das Volk. In Hindi 
haben wir sarkar und public, den Staat und die Menschen. Dieser Wortwahl 
liegt die Annahme zu Grunde, daß der Staat etwas ganz anderes als "das 
Volk" ist. Diese Unterscheidung hat mit der Tatsache zu tun, daß Indiens 
Freiheitskampf, obwohl er großartig war, auf keinste Weise revolutionär 
war. Die indische Elite trat problemlos und elegant in die Fußstapfen der 
britischen Imperialisten. Eine zutiefst verarmte, eigentlich feudale, 
Gesellschaft wurde zu einem modernen unabhängigen Nationalstaat. Auch heute 
noch, fünfzig Jahre danach, betrachten die wirklich Verlorenen den Staat 
als Mai-Baap, als elterlichen Fürsorger. Die etwas radikaleren, jene die 
noch immer Feuer im Bauch haben, bezeichnen ihn mit Chor, den Dieb, jemand 
der alles an sich reißt.

In jedem Fall ist Sarkar für die meisten InderInnen etwas anderes als das 
Volk. Aber sobald man auf der indischen sozialen Leiter emporkommt, 
verschwimmt die Unterscheidung zwischen dem Sarkar und dem Volk. Der 
indischen Elite fällt es, wie allen anderen Eliten auf dieser Welt, sehr 
schwer sich vom Staat zu unterscheiden. Sie sieht wie der Staat, sie denkt 
wie der Staat, sie spricht wie der Staat.

In den Vereinigten Staaten ist die Verwischung der Grenzen zwischen Sarkar 
und Volk viel gründlicher geschehen und in tiefere Schichten der 
Gesellschaft gedrungen. Das könnte ein Zeichen für eine robuste Demokratie 
sein, aber leider ist es etwas komplizierter und unerfreulicher als das. 
Unter anderem hat es mit dem fein ausgearbeiteten Netz der Paranoia zu tun, 
welches der US-Sarkar, die Massenmedien der Konzerne und Hollywood 
gesponnen haben. Gewöhnliche AmerikanerInnen sind so manipuliert worden, 
daß sie sich für ein Volk im Belagerungszustand halten, deren einzige 
Rettung und deren einziger Beschützer ihre Regierung ist. Wenn es nicht die 
Kommunisten sind, ist es al-Kaida. Wenn es nicht Kuba ist, ist es Nicaragua.

Als Konsequenz wird diese mächtigste Nation der Welt - mit ihrem 
konkurrenzlosen Waffenarsenal, ihrer historischen Bereitschaft, endlose 
Kriege zu führen und zu unterstützen, und diese einzige Nation, welche 
jemals wirklich Atombomben benutzt hat - von einer von Angst gepeinigten 
Bürgerschaft bewohnt, welche aufspringt, wenn ein Schatten vorbeihuscht. 
Einem Volk, welches nicht durch soziale Dienste, oder öffentliche 
Gesundheitsversorgung, oder Arbeitsgarantien an den Staat gebunden ist, 
sondern durch Furcht.

Diese synthetisch hergestellte Furcht wird dazu benutzt, öffentliche 
Duldung für weitere Akte der Aggression zu erhalten. Und so geht es weiter, 
so baut man einen Turm von sich selbst erfüllenden Hysterien, welche nun 
ganz formell durch die verblüffenden, in technicolor gehaltenen, 
Terroralarmstufen der US-Regierung feinabgestimmt werden: Fuchsia, Türkis, 
Lachsrosa.

Für Beobachter von außerhalb macht es diese Verschmelzung von Sarkar und 
Zivilgesellschaft in den Vereinigten Staaten oft schwer, die Taten der US- 
Regierung von jenen des amerikanischen Volkes zu unterscheiden. Es ist 
diese Verwirrung, welche den Antiamerikanismus auf der Welt anflammt. 
Antiamerikanismus wird dann von der US-Regierung aufgegriffen und mithilfe 
ihrer getreuen Medien ausgestrahlt. Sie kennen die Routine: "Warum hassen 
sie uns? Sie hassen unsere Freiheit" 
 usw. 
 usw. Dies verstärkt das 
Gefühl der Isolation unter den AmerikanerInnen und macht die Umarmung von 
Sarkar und Gesellschaft sogar noch enger. Wie das kleine Rotkäppchen, das 
zum Kuscheln zum Wolf ins Bett springt.

Die Bedrohung eines äußeren Feindes dafür zu gebrauchen, ein Volk für seine 
Zwecke aufmarschieren zu lassen, ist ein lahmer alter Gaul, auf welchem 
Politiker seit Jahrhunderten in die Macht geritten sind. Aber könnte es 
sein, daß die einfachen Menschen diesen alten Gaul satt haben und sich nach 
etwas anderem sehnen? Es gibt ein altes indisches Filmlied, das geht so: 
yeh public hai, yeh sab jaanti hai (das Volk, es weiß alles). Wäre es nicht 
schön, wenn dieses Lied recht hätte, und die PolitikerInnen falsch lägen?

Vor Washingtons illegaler Invasion des Iraks hat eine internationale 
Gallup-Umfrage gezeigt, daß die Unterstützung für einen im Alleingang 
durchgeführten Krieg in keinem einzigen europäischen Land mehr als 11 
Prozent betrug. Am 15. Februar 2003 gingen nur wenige Wochen vor der 
Invasion mehr als zehn Millionen Menschen auf verschiedenen Kontinenten 
gegen den Krieg auf die Straße, auch in Nordamerika. Und doch zogen die 
Regierungen vieler angeblich demokratischer Länder in den Krieg.

Die Frage ist: ist "Demokratie" noch demokratisch?

Sind demokratische Regierungen den Menschen, die sie gewählt haben, zur 
Rechenschaft verpflichtet? Und, was besonders bedeutsam ist, ist das Volk 
in demokratischen Ländern für die Taten ihres Sarkars verantwortlich?

Wenn man darüber nachdenkt, erkennt man, daß die Logik, welche dem Krieg 
gegen den Terrorismus und jene welche dem Terrorismus zugrunde liegt, genau 
die gleiche ist. Beide lassen gewöhnliche Menschen für die Taten ihres 
Sarkars leiden. Al-Kaida nahm die Leben von Menschen in den Vereinigten 
Staaten als Rache für Taten ihres Staates in Palästina, Saudi-Arabien, Irak 
und Afghanistan. Die US-Regierung hat die Menschen in Afghanistan mit 
tausenden [Toten] für die Taten der Taliban zahlen lassen, und die Menschen 
im Irak mußten mit hunderttausenden [Toten] für die Taten Saddam Husseins 
zahlen.

Der entscheidende Unterschied ist, daß niemand Al-Kaida, die Taliban oder 
Saddam Hussein gewählt hat. Aber der Präsident der Vereinigten Staaten ist 
gewählt worden (oder naja
 wenn man das so nennen will).

Die Premierminister Italiens, Spaniens und Großbritanniens sind gewählt 
worden. Könnte man dann argumentieren, daß die BürgerInnen dieser Länder 
für die Taten ihrer Regierungen verantwortlicher sind als die Irakis es für 
die Taten Saddam Husseins oder die AfghanInnen für jene der Taliban sind?

Wessen Gott entscheidet, was ein "gerechter Krieg" ist, und was nicht? 
George Bush Senior hat einmal gesagt: "Ich werden mich niemals für die 
Vereinigten Staaten entschuldigen. Es interessiert mich nicht, was die 
Fakten sind." Wenn der Präsident des mächtigsten Landes auf dieser Welt 
sich nicht darum kümmert was die Fakten sind, dann können wir zumindest 
sicher sein, daß wir ins imperiale Zeitalter eingetreten sind.

Also was bedeutet die Macht der Zivilgesellschaft in einer 
imperialistischen Zeit? Bedeutet sie überhaupt etwas? Existiert sie überhaupt?

In diesen angeblich demokratischen Zeiten behauptet das konventionelle 
politische Denken, daß die Macht des Volkes sich in Wahlen ausdrückt. In 
einer großen Zahl von Ländern werden dieses Jahr Stimmen abgegeben werden. 
Die meisten (aber nicht alle) werden die Regierung bekommen, für welche sie 
gestimmt haben. Aber werden sie jene Regierung bekommen, die sie haben wollen?

In Indien haben wir dieses Jahr die Hindu-NationalistInnnen aus dem Amt 
gewählt. Aber auch als wir das feierten, war uns bewußt, daß bei 
Atombomben, Neoliberalismus, Privatisierungen, Zensur, riesigen Dämmen - 
bei jedem Thema außer unverhohlenem Hindu-Nationalismus, der Kongress und 
die BJP keine größeren ideologischen Unterschiede aufwiesen. Wir wissen, 
daß es das fünfzig Jahre alte Erbe der Kongresspartei ist, welches das Land 
kulturell und politisch für die Rechtsextremen vorbereitet hat. Es war auch 
die Kongresspartei, welche Indiens Märkte als erstes der Globalisierung 
durch die Konzerne eröffnet hat.

In ihrer Wahlkampagne hat die Kongresspartei angedeutet, daß sie bereit 
wäre einige Punkte ihrer früheren Wirtschaftspolitik zu überdenken. 
Millionen von Indiens Ärmsten kamen in großer Stärke hervor, um in diesen 
Wahlen ihre Stimme abzugeben. Das Spektakel der großen indischen Demokratie 
ist live ausgestrahlt worden - die alten BäuerInnen, die Alten und 
Schwachen, die verhüllten Frauen mit ihrem wunderschönen Silberschmuck, 
welche auf Elefanten, Kamelen und Ochsenkarren wunderliche Reisen zu den 
Wahlurnen unternahmen.

Im Widerspruch zu den Vorhersagen aller Experten und Umfrageinstituten 
Indiens gewann der Kongress mehr Stimmen als irgendeine andere Partei. Die 
kommunistischen Parteien Indiens gewannen einen größeren Anteil der Stimmen 
als je zuvor. Indiens Arme haben klar gegen die "Wirtschaftsreformen" des 
Neoliberalismus und gegen den heranwachsenden Faschismus gestimmt. Sobald 
die Stimmen gezählt wurden, entließen die kommerziellen Medien jene [Armen 
WählerInnen] wie schlecht bezahlte und überflüssige Personen auf einem 
Drehort. Die Sender boten nun geteilte Bildschirme. Die eine Hälfte zeigte 
von außen das Haus von Sonia Gandhi, die Führerin der Kongresspartei, als 
die Koalitionsregierung zusammengefunden wurde.

Die andere Hälfte zeigte aufgeregte AktienhändlerInnen vor der Börse in 
Bombay, welche bei dem Gedanken in Panik gerieten, daß die Kongresspartei 
tatsächlich ihre Versprechen einhalten werde und das Mandat mit dem sie 
gewählt worden war auch umsetzen würde. Wir sahen wie der Sensex-Index 
hinauf, hinunter und seitwärts ging. Die Medien, deren eigenen öffentlich 
gelisteten Aktien an Wert verloren berichteten über den Einsturz an der 
Börse wie wenn Pakistan Interkontinentalraketen gegen Neu-Delhi abgefeuert 
hätte.

Noch bevor die neue Regierung formell eingeschworen worden war, machten 
führende PolitikerInnen der Kongresspartei beruhigende Bekanntmachungen für 
die Investoren und die Medien; daß nämlich die Privatisierung der 
öffentlichen Industrien weitergehen werde. Inzwischen hat die BJP, welche 
jetzt in Opposition ist, zynisch und komisch, damit begonnen ausländische 
Direktinvestitionen und die weitere Öffnung der indischen Märkte zu 
kritisieren.

Das ist die unaufrichtige sich weiterentwickelnde Dialektik der 
Wahldemokratien.

Was die Armen in Indien angeht: sobald sie ihre Stimmen bereitgestellt 
haben, erwartet man von ihnen, daß sie wieder nach Hause abmarschieren. Die 
Politik wird ohne sie gemacht.

Und die Wahlen in den USA?

Und wie sieht es mit den Wahlen in den USA aus? Haben die WählerInnen in 
den USA eine echte Wahl?

Es ist wahr, daß wenn John Kerry Präsident wird, sich einige Öltycoons und 
christliche Fundamentalisten im Weißen Haus ändern werden. Wenige werden 
traurig darüber sein Dick Cheney, Donald Rumsfeld oder John Ashcroft 
mitsamt ihrer unverhohlenen Gaunerei abtreten zu sehen. Aber was wirklich 
bedenklich ist, ist daß auch in der neuen Verwaltung ihre Politik 
weitergehen wird. Wir werden Bushismus ohne Bush haben.

Die Positionen mit echter Macht - die Vorsitzenden der Banken, die CEOs - 
sind durch keine Wahl angreifbar (
 und wer es auch wird, beide Seiten 
werden von diesen finanziert)

Unglücklicherweise hat sich die Wichtigkeit der US-Wahlen zu einer Art 
Persönlichkeitswettkampf verschlechtert. Eine Streiterei darüber, wer 
besser darin wäre, dem Imperium vorzustehen. John Kerry glaubt genauso 
stark an die Idee eines Imperiums wie George Bush.

Das politische System der USA ist sorgfältig konstruiert worden, so daß 
niemand, der die grundlegende Richtigkeit der 
militärisch-industriellen-korporativen Machtstruktur bezweifelt, durch die 
Tore der Macht schreiten kann.

Bedenkt man dies, ist es kein Wunder, daß man in dieser Wahl vor zwei 
Absolventen der Yale Universität steht, welche beide Mitglieder von Skull 
and Bones sind, der gleichen Geheimgesellschaft; beide sind Millionäre, 
beide geben sich gerne als Soldaten, beide reden gerne den Krieg hoch und 
argumentieren fast kindisch darüber, wer den Krieg gegen den Terrorismus 
besser führen wird.

Wie Präsident Bill Clinton vor ihm wird Kerry die Expansion der 
US-Wirtschaft und ihre militärische Durchdringung der Welt weiterführen. Er 
sagt, daß er Bush auch dann die Berechtigung dafür gegeben hätte in den 
Krieg gegen den Irak zu ziehen, wenn er gewußt hätte, daß der Irak keine 
Massenvernichtungswaffen besitzt. Er verspricht mehr Truppen in den Irak zu 
entsenden. Er sagte kürzlich, daß er Bushs Politik Israel und Ariel Sharon 
gegenüber zu 100 Prozent unterstütze. Er sagt, daß er 98% der 
Steuerkürzungen Bushs beibehalten will.

So liegt unter dem schrillen Austausch von Beleidigungen fast absoluter 
Konsens. Es sieht so aus, als würden die AmerikanerInnen auch dann Bush 
bekommen, wenn sie Kerry wählen. Präsident John Kerbush oder Präsident 
George Berry.

Es ist keine echte Wahl. Es ist eine Scheinwahl. Es ist als wähle man eine 
Marke von Waschmittel. Egal ob man Ivory Snow oder Tide kauft, sie gehören 
beide Proctor & Gamble.

Das bedeutet nicht, daß man eine Meinung vertritt, welche keine Abstufungen 
kennt, daß der Kongress und die BJP, New Labour und die Tories, die 
Demokraten und die Republikaner ununterscheidbar wären. Das ist natürlich 
nicht so. Auch nicht bei Tide und Ivory Snow. Tide hat Sauerstoff-Boosting 
und Ivory Snow ist ein sanfter Reiniger.

In Indien gibt es einen Unterschied zwischen einer offen faschistischen 
Partei (die BJP), und einer Partei welche schlau eine Gruppe gegen die 
andere ausspielt (Kongress) und die Saat für den Kommunalismus aussät, 
welche dann von der BJP so geschickt geerntet wird.

Bei den heurigen Kandidaten für die US-Präsidentschaft gibt es Unterschiede 
in den I.Q.s und dem Ausmaß ihrer Rücksichtslosigkeit. Die 
Antikriegsbewegung in den Vereinigten Staaten hat beim Aufzeigen der Lügen 
und Käuflichkeit, welche zur Invasion des Iraks geführt haben, eine 
phänomenale Arbeit geleistet, trotz der Propaganda und der Einschüchterung, 
die sie erfuhr.

Das war nicht nur ein Dienst für die Menschen hier [in den USA], sondern 
auch für die ganze Welt. Aber jetzt, wenn die Antikriegsbewegung offen für 
Kerry wirbt, glaubt der Rest der Welt, daß sie dessen "sensiblen" 
Imperialismus unterstützt. Ist der Imperialismus der USA besser, wenn er 
von den Vereinten Nationen und den europäischen Staaten unterstützt wird? 
Ist es besser wenn die UNO indische und pakistanische Soldaten dazu 
auffordert, das Töten und Sterben im Irak zu erledigen, anstatt daß die 
US-Soldaten dies tun? Ist die einzige Veränderung, auf welche die Irakis 
hoffen dürfen, daß französische, deutsche und russische Firmen auch bald an 
der Beute aus der Besatzung ihres Landes Anteil haben dürfen?

Wäre das wirklich besser oder schlechter für jemanden von uns, die wir in 
untergebenen Ländern leben? Ist es besser für die Welt einen intelligenten 
Herrscher an der Macht zu haben als einen dummen? Ist das unsere einzige Wahl?

Es tut mir leid; Es ist mir klar, daß dies unangenehme und sogar brutale 
Fragen sind, aber sie müssen gefragt werden.

Tatsache ist, daß die Wahldemokratie ein Prozess zynischer Manipulation 
geworden ist. Sie bietet uns heute nur einen sehr eingeengten politischen 
Raum. Zu glauben, daß dieser Raum eine echte Wahl darstellt, wäre naiv.

Die Krise der modernen Demokratie

Unabhängig von der Gesetzgebung souveräner Staaten stehen internationale 
Instrumente des Handels und des Geldes einem komplexen System von 
länderübergreifenden Gesetzen und Verträgen vor, durch welche Methoden der 
Aneignung festgesetzt und ermöglicht worden sind, die den Kolonialismus 
kleinlich wirken lassen. Dieses System erlaubt den ungehinderten Transfer 
riesiger Mengen spekulativen Kapitals - heißen Geldes - in Drittweltländer, 
und aus ihnen heraus, was diesen in der Praxis ihre Wirtschaftspolitik 
vorschreibt. Die Fluchtdrohung aufrecht haltend, kann das internationale 
Kapital sich tiefer und tiefer in diese Wirtschaften saugen. Riesige 
transnationale Korporationen übernehmen die Kontrolle über ihre wichtigste 
Infrastruktur und ihre bedeutendsten natürlichen Ressourcen, ihren Bergbau, 
ihr Wasser, ihre Energieversorgung. Die Welthandelsorganisation, die 
Weltbank, der Internationale Währungsfond und andere Finanzinstitutionen 
wie die Asiatische Entwicklungsbank schreiben deren Wirtschaftsprogramme 
und parlamentarischen Gesetze de facto selbst. Mit einer tödlichen 
Kombination aus Arroganz und Rücksichtslosigkeit nehmen Sie einen großen 
Vorschlagshammer, gehen damit in fragile, von einander abhängige, 
historisch komplexe Gesellschaften, und zerschlagen sie.

Über all diesem weht die Fahne der "Reform".

Als Konsequenzen dieser Reformen haben in Afrika, Asien und Lateinamerika 
tausende kleiner Unternehmen und Industrien geschlossen, Millionen 
ArbeiterInnen und BäuerInnen haben ihre Beschäftigung und ihr Land verloren.

In einer Londoner Zeitung, dem Spectator, kann man sich wieder die 
Zuversicht holen, daß "wir in der glücklichsten, gesündesten und 
friedlichsten Ära der Menschheitsgeschichte leben". Milliarden staunen 
verwundert: Wer ist "wir"? Wo lebt er? Was ist sein christlicher Vorname?

Was man verstehen muß ist, daß die moderne Demokratie stark auf einer 
nahezu religiösen Akzeptanz des Nationalstaates beruht. Aber die 
Globalisierung durch die Konzerne ist dadurch nicht gebunden. Und das 
bewegliche Kapital auch nicht. Und so, obwohl das Kapital die Gewalt des 
Nationalstaates braucht um Aufstände seiner DienerInnen niederzuschlagen, 
macht es diese Konstellation für jeden einzelnen Staat unmöglich, sich 
alleine gegen die Konzernglobalisierung zu stellen.

Radikale Veränderung kann und wird nicht durch Staaten und Regierungen 
ausgehandelt werden. Sie kann nur von den Menschen erzwungen werden. Eine 
Zivilgesellschaft welche sich über Grenzen hinweg die Arme reicht.

Wenn wir also von "Der Macht der Zivilgesellschaft in einem imperialen 
Zeitalter" sprechen, empfindet es hoffentlich niemand als vorschnell 
anzunehmen, daß das einzige, was es wert ist diskutiert zu werden, die 
Macht einer widersprechenden Zivilgesellschaft ist. Einer 
Zivilgesellschaft, welche das Konzept des Imperiums an sich ablehnt. Einer 
Zivilgesellschaft, welche sich als Gegenkraft zur eingesessenen Macht sieht 
- [welche] gegen internationale, nationale, regionale oder provinzielle 
Institutionen und Regierungen [auftritt], die dem Imperium dienen und es 
stützen.

Was für Wege sind Menschen offen, welche sich gegen das Imperium stellen 
wollen? Mit Widerstand meine ich nicht nur die Artikulation einer 
widersprechenden Auffassung, sondern auch das effektive Erzwingen von 
Veränderung. Das Imperium spielt in unterschiedlichen Situationen 
unterschiedliche Karten aus. Es verwendet verschiedene Waffen um 
verschiedene Märkte aufzubrechen. Sie kennen das, [manchmal ist es] das 
Scheckbuch und [manchmal] die Cruise Missile.

Den Armen begegnet das Imperium in vielen Ländern nicht immer in der Form 
von Cruise Missiles und Panzern, wie es im Irak, in Afghanistan und in 
Vietnam geschah. Es erscheint in der Form verschiedenster Avatars vor Ort 
in ihrem Leben [Anm.: Ein Avatar ist die Verkörperung einer Gottheit auf 
Erden] - sie verlieren ihren Job, ihnen werden unbezahlbare Stromrechnungen 
zugesandt, ihnen wird die Wasserversorgung abgedreht, sie werden von ihren 
Häusern vertrieben und von ihrem Land entwurzelt. All dies wird von der 
repressiven Staatsmaschinerie überwacht oder durchgeführt, der Polizei, der 
Armee, der Justiz. Es ist ein Prozess erbarmungsloser Verarmung, mit 
welchem die Armen historisch gesehen sehr vertraut sind. Das Imperium 
verstärkt bestehende Ungleichheiten und verschlimmert sie.

Noch bis vor kurzem war es für die Menschen oft schwierig sich als Opfer 
einer Eroberung des Imperiums zu sehen. Aber nun haben Anstrengungen und 
Kämpfe vor Ort begonnen, ihre Rolle in größerer Klarheit zu sehen. Wie 
übertrieben dies auch klingen mag, Tatsache ist, daß sie auf verschiedenste 
Weise das Imperium auf ihre eigene Art konfrontieren. Dies geht im Irak, in 
Indien und in Argentinien unterschiedlich vor, und wieder anders sieht es 
auf den Straßen Europas und der Vereinigten Staaten aus.

Widerstand oder Terrorismus?

Massenwiderstandsbewegungen, individuelle AktivistInnen, JournalistInnen, 
KünstlerInnen und FilmemacherInnen sind zusammengekommen, um dem Imperium 
seinen Glanz zu nehmen. Sie haben die Informationen zusammengeführt und die 
Cash-Flow-Diagramme und Vorstandsreden in echte Berichte über echte 
Menschen in echter Verzweiflung verwandelt. Sie haben gezeigt, wie das 
neo-liberale Projekt Menschen ihren Wohnraum, ihr Land, und ihre Jobs, ihre 
Freiheit und ihre Würde genommen hat. Sie haben das abstrakte berührbar 
gemacht. Sie haben dem früher körperlosen Feind einen Körper gegeben.

Das ist ein großartiger Erfolg. Er konnte durch die Zusammenkunft von 
verschiedenen politischen Gruppen, mit einer Vielzahl von Strategien, 
erreicht werden. Aber sie alle erkannten, daß das Ziel ihres Ärgers, ihres 
Aktivismus und ihrer Verbissenheit das gleiche war. Das war der Beginn der 
echten Globalisierung, der Globalisierung des Dissenses.

Grob gesprochen gibt es heute in der Dritten Welt zwei Arten von 
Massenwiderstandsbewegungen. Die Bewegung der Landlosen LandarbeiterInnen 
in Brasilien, die Anti-Damm Bewegung in Indien, die Zapatisten in Mexiko, 
das Anti-Privatisierungs-Forum in Südafrika, und hunderte weitere, kämpfen 
gegen ihre eigenen souveränen Regierungen, welche zu Agenten des 
neoliberalen Projekts geworden sind. Viele dieser Anstrengungen sind 
radikal; sie kämpfen um die Struktur und die Art des Entwicklungsmodells 
ihrer eigenen Gesellschaft zu verändern.

Dann gibt es jene, welche brutale neokoloniale Unternehmungen in 
umstrittenen Gebieten bekämpfen, deren Grenzen und Bruchlinien in vielen 
Fällen im vergangenen Jahrhundert künstlich von imperialistischen Mächten 
eingezeichnet worden sind. In Palästina, Tibet, Tschetschenien, Kaschmir 
und mehreren Staaten Indiens nordöstlicher Provinzen, kämpfen Menschen für 
ihre Selbstbestimmung.

Viele dieser Kämpfe waren vielleicht radikal, möglicherweise revolutionär, 
als sie begannen; aber oft zwingt sie die Brutalität der Unterdrückung in 
eine konservative, vielleicht sogar reaktionäre Position, aus welcher 
heraus sie die gleichen brutalen Strategien nutzen und die gleiche Sprache 
des religiösen und kulturellen Nationalismus sprechen wie die Staaten, 
welche sie ersetzen wollen.

Viele FußsoldatInnen dieser Anstrengungen wird es wie jenen gehen, welche 
in Südafrika die Apartheid bekämpft haben. Sobald sie die offensichtliche 
Besatzung überwunden haben, werden sie bemerken, daß ihnen noch ein großer 
Kampf bevorsteht - der Kampf gegen den verborgenen wirtschaftlichen 
Kolonialismus.

Inzwischen, in einer Zeit, in welcher die Kluft die Arm und Reich trennt, 
noch tiefer gegraben wird und der Kampf um die Kontrolle der Ressourcen 
dieser Welt sich intensiviert, wird der wirtschaftliche Kolonialismus durch 
militärische Angriffe wieder gestärkt.

Der heutige Irak ist ein tragisches Beispiel für diesen Prozeß. Eine 
illegale Invasion. Eine brutale Besatzung im Namen der Befreiung. Eine 
Neuauflage der Gesetze, welche den Korporationen eine schamlose Aneignung 
des Reichtums dieses Landes erlaubt; und jetzt die Scharade einer 
"irakischen Regierung".

Aus diesen Gründen ist es absurd, den irakischen Widerstand gegen die 
US-Besatzung allein als geistiges Werk von Terroristen, Aufständischen oder 
Unterstützern Saddam Husseins zu sehen. Wenn die Vereinigten Staaten 
überfallen und besetzt werden würden, würde dann jeder, der kämpft, um sie 
wieder zu befreien, TerroristIn oder Bush-AnhängerIn sein?

Der irakische Widerstand kämpft auf der Frontlinie des Kampfes gegen das 
Imperium. Und daher ist dieser Kampf unser Kampf.

Wie jede Widerstandsbewegung vereinigt diese bunt zusammengewürfelte 
Fraktionen. Frühere Baathisten, Liberale, IslamistInnen, beleidigte 
Kollaborateure, KommunistInnen und andere. Selbstverständlich ist sie voll 
von Opportunismus, inneren Streitigkeiten, Demagogie und Kriminalität. Aber 
wenn wir nur makellose Bewegungen unterstützen, dann wird keine 
Widerstandsbewegung unserer moralischen Reinheit würdig sein.

Das soll nicht heißen, daß wir Widerstandsbewegungen nicht kritisieren 
sollen. Viele von ihnen leiden an einem Demokratiemangel, an einer 
Verherrlichung ihrer "Führer", einem Mangel an Transparenz, einem Mangel an 
Vision und Zielrichtung. Aber am meisten leiden sie an ihrer Verteufelung, 
Unterdrückung und einem Mangel an Ressourcen.

Bevor wir vorgeben, wie ein moralisch hochwertiger irakischer Widerstand 
seinen weltlichen, feministischen, demokratischen, gewaltfreien Kampf zu 
führen hat, sollten wir den Widerstand auf unserer Seite verstärken, und 
die USA, sowie die mit ihr verbündeten Staaten dazu zwingen, sich aus dem 
Irak zurückzuziehen.

In den Vereinigten Staaten fand die erste militante Konfrontation zwischen 
der Bewegung für weltweite Gerechtigkeit und der neoliberalen Junta, wie 
gut bekannt ist, im September 1999 bei der WTO-Konferenz in Seattle statt. 
Für viele Massenbewegungen in Entwicklungsländern, wo sie schon seit langem 
einsam und isoliert gekämpft hatten, war Seattle das erste erfreuliche 
Zeichen, daß ihr Zorn und ihre Vision für eine andere Art von Welt, von 
Menschen in den imperialistischen Ländern geteilt wird.

Weltsozialforum

Im Januar 2001 kamen 20.000 AktivIstinnen, StudentInnen, FilmemacherInnen - 
einige der besten Köpfe dieser Welt - in Porto Alegre, in Brasilien, 
zusammen, um ihre Erfahrungen bei und ihre Ideen für die Konfrontation mit 
dem Imperium auszutauschen. Das war die historisch gewordene Geburt des 
Weltsozialforums. Es war das erste formale Treffen einer aufregenden, 
anarchischen, unindoktrinierten, kraftvollen, neuen Art von 
"Zivilgesellschaft". Der Aufruf des Weltsozialforums ist "Eine andere Welt 
ist möglich". Es ist zu einer Plattform geworden, auf welcher 
hunderttausende Gespräche, Debatten und Seminare dabei geholfen haben eine 
Vision auszuarbeiten und ausreifen zu lassen, was für eine Art von Welt 
dies sein soll.

Im Januar 2004, als das vierte Weltsozialforum in Mumbai, in Indien, 
stattfand, zog es 200.000 Menschen an. Ich war noch nie Teil eines so 
kraftvollen Treffens. Es war ein Zeichen für den Erfolg des Sozialforums, 
daß die Mainstream-Medien in Indien es vollkommen ignorierten. Aber das 
Weltsozialforum ist wegen seinem Erfolg in Gefahr. Die sichere, offene, 
festliche Atmosphäre des Forums hat es PolitikerInnen und 
Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die eng mit dem politischen und 
wirtschaftlichen System verbunden sind, welches das Forum ablehnt, 
ermöglicht, sich Gehör zu verschaffen.

Eine andere Gefahr ist, daß das Weltsozialforum, welches eine so 
entscheidende Rolle in der Bewegung für weltweite Gerechtigkeit gespielt 
hat, ein Ziel für sich wird. Allein die jährliche Organisation verbraucht 
die Energien einiger der besten AktivistInnen. Wenn Gespräche über 
Widerstand echten zivilen Ungehorsam ersetzen, dann könnte das 
Weltsozialforum eine wertvolle Institution für jene werden, denen sich das 
Forum ursprünglich entgegenstellte. Das Forum muß stattfinden und muß 
wachsen, aber wir müssen Wege finden, unsere Gespräche dort in konkrete 
Taten zu verwandeln.

Als Widerstandsbewegungen begonnen haben, über nationale Grenzen hinweg zu 
arbeiten und eine echte Bedrohung darzustellen, haben die Staaten ihre 
eigenen Strategien entwickelt, um mit ihnen fertig zu werden. Von 
Kooptation bis zur Unterdrückung.
Massenbewegungen und Massenmedien

Ich werde über drei Gefahren sprechen, welche Widerstandsbewegungen heute 
bedrohen: die problematische Beziehung zwischen den Massenbewegungen und 
den Massenmedien, der Gefahr der NGO-isierung des Widerstandes, und der 
Konfrontation der Widerstandsbewegungen mit zunehmend repressiven Staaten.

Das Zusammentreffen von Massenmedien und Massenbewegungen ist kompliziert.

Staaten haben gelernt, daß von Krisen angetriebene Medien es sich nicht 
leisten können, zu lange beim selben Thema zu verweilen. Wie 
Wirtschaftsbetriebe einen Umsatz von Geld brauchen, brauchen die Medien 
einen Umsatz von Krisen. Ganze Länder werden zu Nachrichten von gestern. 
Sie hören auf zu existieren, und die Dunkelheit wird schwärzer als noch zur 
Zeit, bevor das Licht kurz auf sie gefallen war. Wir sahen wie das mit 
Afghanistan geschah, als die Sowjets sich zurückzogen. Und nun, nachdem die 
Operation Enduring Freedom die CIA-Figur Hamid Karzai installiert hat, ist 
Afghanistan wieder seinen Warlords zurückgegeben worden.

Eine andere CIA-Figur, Iyad Allawi, ist im Irak installiert worden, und so 
ist für die Medien vielleicht die Zeit gekommen, sich auch von dort wieder 
zu entfernen.

Während Regierungen die Kunst, eine Krise auszusitzen, perfektionieren, 
werden die Widerstandsbewegungen im Wirbel der Krisenproduktion vermehrt 
dazu verführt, Wege zu finden, Krisen in einem einfach verdaubaren und 
zuschauerfreundlichen Format herzustellen.

Von jeder Bewegung, welche ernstgenommen werden will, von jedem "Thema" 
wird erwartet, daß es seinen eigenen Heißluftballon starten lässt, um sein 
Markenzeichen und seinen Zweck zu bewerben.

Deswegen sind Hunger-Tote ein effektiveres Werbemittel für die Verarmung 
als Millionen unterernährter Menschen. Dämme sind nicht für Nachrichten 
gut, bis die von ihnen verursachten Verwüstungen gute Bilder liefern. (Und 
dann ist es zu spät).

Tagelang im ansteigenden Wasser eines Reservoirs zu stehen und dabei sein 
Haus und seine Habseligkeiten wegschwimmen zu sehen, war einmal eine 
effektive Strategie beim Protest gegen große Dämme, aber das funktioniert 
nicht mehr. Die Medien langweilen sich dabei inzwischen zu Tode. Also 
erwartet man von den hunderttausenden Menschen, die von Dämmen vertrieben 
werden, daß sie sich neue Tricks einfallen lassen oder den Kampf aufgeben.

Bunte Demonstrationen und Wochenendmärsche sind ein kraftvoller Ausdruck, 
aber reichen nicht aus, um einen Krieg zu verhindern. Kriege werden nur 
dann gestoppt werden, wenn SoldatInnen sich weigern zu kämpfen, wenn 
ArbeiterInnen sich weigern, Waffen auf Schiffe und Flugzeuge zu laden, wenn 
die Menschen die wirtschaftlichen Außenposten des Imperiums, welche sich 
über die ganze Welt erstrecken, boykottieren.

Wenn wir Raum für zivilen Widerstand zurückerobern wollen, werden wir uns 
selbst von der Tyrannei der Krisenberichterstattung und ihrer Furcht vor 
dem Weltlichen befreien müssen. Wir werden unsere Erfahrung, unsere 
Kreativität und unsere Kunst dafür einsetzen, die Methoden dieses Zustands 
zu hinterfragen; Methoden welche sicherstellen, daß "normal" bleibt was 
grausam, ungerecht, inakzeptabel ist. Wir müssen jene politischen Programme 
und Prozesse für alle sichtbar machen, welche ganz gewöhnliche Dinge - 
Nahrung, Wasser, eine Unterkunft, Würde - zu einem so unerreichbaren Traum 
für gewöhnliche Menschen machen. Für eine erfolgreiche Prävention ist es 
notwendig zu verstehen, daß Krieg die Folge eines mangelhaften und 
ungerechten Friedens ist.

Was die Massenwiderstandsbewegungen betrifft, ist es so, daß keine Menge an 
Berichterstattung durch die Medien eine große und starke Massenbeteiligung 
vor Ort ersetzen kann. Es gibt einfach keine Alternative zu altmodischer, 
aufwendiger, politischer Mobilisation.

Die Konzernglobalisierung hat die Distanz zwischen den Entscheidungsträgern 
und jenen vergrößert, welche die Konsequenz ihrer Entscheidungen zu 
ertragen haben. Foren wie das Weltsozialforum ermöglichen es örtlichen 
Widerstandsbewegungen, diese Distanz zu reduzieren und sich mit den 
Bewegungen aus den reichen Ländern zu verbinden. Diese Allianz ist wichtig 
und sehr fruchtvoll. Als zum Beispiel Indiens erster privater Damm, der 
Maheshwar-Damm gebaut wurde, hat eine Allianz zwischen Narmada Bachao 
Andolan (NBA), der deutschen Organisation Urgewald, der Erklärung von Bern 
und dem International Rivers Network in Berkeley es geschafft, einige 
internationale Banken und Korporationen dazu zu bringen, aus dem Projekt 
wieder auszusteigen. Das wäre ohne eine solide Widerstandsbewegung vor Ort 
unmöglich gewesen. Die Stimme dieser örtlichen Bewegung ist von 
UnterstützerInnen überall auf der Welt verstärkt worden, was die Investoren 
in eine peinliche Situation brachte und sie dazu zwang sich zurückzuziehen.

Eine Vielzahl ähnlicher Allianzen, welche spezifische Projekte und 
spezifische Konzerne als Ziel hätten, würden dabei helfen, eine andere Welt 
möglich zu machen. Wir sollten mit den Konzernen beginnen, welche mit 
Saddam Hussein Geschäfte machten und nun von der Zerstörung und Besatzung 
des Iraks profitieren.

Die NGO-isierung des Widerstandes

Eine zweite Gefahr, welche die Massenbewegungen heute bedroht, ist die 
NGO-isierung des Widerstandes. Es wird einfach sein, das was ich sagen 
werde, als eine Anklage gegen alle NGOs darzustellen. Das wäre nicht 
richtig. Es gibt zwar schmutzige Gewässer, in welchen Schein-NGOs 
schwimmen, die dazu gegründet werden, um Geld zu machen oder um Steuern 
auszuweichen (in Staaten wie Bihar werden sie als Mitgift gegeben), aber es 
gibt auch NGOs, die wertvolle Arbeit machen. Aber es ist wichtig, die NGOs 
in einem breiteren politischen Kontext zu betrachten.

In Indien begann der NGO-Boom zum Beispiel in den späten 80er und frühen 
90er Jahren. Er fiel mit der Öffnung indischer Märkte für den 
Neoliberalismus zusammen. Zu diesem Zeitpunkt reduzierte der indische 
Staat, um den Erfordernissen der strukturellen Anpassung zu genügen, die 
Finanzierung der Entwicklung ländlicher Regionen und von Bereichen wie 
Landwirtschaft, Energie, Transport und öffentliche Gesundheitsversorgung. 
Als der Staat sich von seiner traditionellen Rolle trennte, kamen NGOs, um 
in genau diesen Bereichen zu arbeiten. Der Unterschied ist natürlich, daß 
die Gelder, welche sie zur Verfügung haben, nur ein winziger Bruchteil der 
Reduktionen in den öffentlichen Ausgaben sind. Die meisten großen NGOs 
werden von Hilfs- und Entwicklungsagenturen finanziert und patronisiert, 
welche wiederum von westlichen Regierungen, der Weltbank, der UNO und 
einigen multinationalen Konzernen finanziert werden. Obwohl sie vielleicht 
nicht die gleichen Agenturen sind, sind sie sicherlich Teil derselben losen 
politischen Formation, welche das neoliberale Projekt überwacht und den 
Einschnitt in der öffentlichen Finanzierung erst gefordert hat.

Warum sollten diese Agenturen NGOs finanzieren? Könnte es einfach 
altmodischer missionarischer Eifer sein? Schuldgefühle? Es ist ein bisschen 
mehr als das. NGOs vermitteln den Eindruck, daß sie das Vakuum füllen, 
welches der Staat zurückgelassen hat. Und das machen sie auch, aber in 
einem substanziell nicht relevanten Ausmaß. Ihr echter Beitrag ist, daß sie 
politischen Ärger entschärfen und das, auf was ein jeder ein Recht haben 
sollte, als Hilfe oder im Namen der Wohltätigkeit austeilen.

Sie verändern die Psyche der Bevölkerung. Sie machen Menschen zu abhängigen 
Opfern und stumpfen die Ecken des politischen Widerstandes ab. NGOs bilden 
eine Art Puffer zwischen dem Sarkar und der Bevölkerung. Zwischen dem 
Imperium und seinen Untertanen. Sie sind zu den Vermittlern, den Erklärern 
und den Umsetzern geworden.

Auf lange Sicht gesehen, sind NGOs ihren Finanziers verpflichtet, nicht den 
Menschen mit welchen sie zu tun haben. Sie sind, was BotanikerInnen eine 
Indikatorspezies nennen würden. Es ist fast so, daß je größer die vom 
Neoliberalismus verursachte Zerstörung geworden ist, umso mehr NGOs 
auftauchen. Nichts illustriert dies passender als das Phänomen in den USA, 
welche sich dazu vorbereitet, in einem Land einzufallen und gleichzeitig 
die NGOs bereit macht, um in dieser Zerstörung wieder aufzuräumen.

Um sicherzustellen, daß ihre Finanzierung nicht gefährdet ist, und daß die 
Regierungen der Länder, in welchen sie arbeiten, ihnen weiterhin erlauben 
werden, ihre Funktion zu erfüllen, müssen NGOs ihre Arbeit in einem hohlen 
Rahmen darstellen, dem der politische und historische Hintergrund 
herausgerissen worden ist. Oder zumindest jener historische und politische 
Hintergrund, den man nicht gerne hört.

Apolitische (und daher in Wirklichkeit extrem politische) Notrufe aus armen 
Ländern und Kriegszonen lassen diese (dunkelhäutigen) Menschen dieser 
(dunkelhäutigen) Länder schließlich wie pathologische Opfer aussehen. Noch 
ein unterernährter Inder, noch eine verhungernde Äthiopierin, noch ein 
afghanisches Flüchtlingslager, noch eine verkrüppelte Sudanesin 
 welche 
alle der Hilfe des weißen Mannes bedürfen. Sie verstärken, ohne es zu 
wissen, rassistische Vorurteile und betonen die Errungenschaften, den 
Komfort und das Mitgefühl (die harte Liebe) der westlichen Gesellschaft. 
Sie sind die weltlichen Missionare der modernen Welt.

Und schließlich spielt das für NGOs verfügbare Kapital die gleiche Rolle in 
alternativer Politik, wie das spekulative Kapital, welches in armen 
Wirtschaftsräumen ein- und wieder ausfließt, in einem geringeren Maße zwar, 
aber auf heimtückischere Weise. Es beginnt die Themen zu bestimmen. Es 
macht Konfrontationen zu Verhandlungen. Es entpolitisiert den Widerstand. 
Es mischt sich in regionale Bewegungen ein, welche traditionell 
selbstständig gearbeitet hatten. NGOs haben Gelder, mit welchen Menschen 
angestellt werden können, die sonst AktivistInnen in Widerstandsbewegungen 
sein könnten, aber nun fühlen, daß sie etwas sofort wirksames, 
konstruktives und gutes machen können (und sich ihren Lebensunterhalt 
verdienen, während sie das tun). Echter politischer Widerstand bietet keine 
solchen Abkürzungen.

Die NGO-isierung der Politik droht den Widerstand in einen respektablen, 
vernünftigen, bezahlten 9-bis-17-Uhr-Job zu machen. Und dazu gibt es noch 
einige Vergünstigungen. Echter Widerstand hat echte Konsequenzen. Und er 
wird nicht bezahlt.

Der Kampf zwischen Zivilgesellschaft und Imperium: In Indien und anderswo

Das bringt uns zur dritten Gefahr, über welche ich heute sprechen will: die 
gefährliche Art der eigentlichen Konfrontation zwischen 
Widerstandsbewegungen und immer repressiveren Staaten. Zwischen der 
Zivilgesellschaft und den Agenten des Imperiums.

Wann immer ziviler Widerstand die geringsten Anzeichen gezeigt hat, sich 
von symbolischen Aktionen zu irgendetwas auch nur im entferntesten 
Gefährlichen zu entwickeln, wurde die Unterdrückung gnadenlos. Wir haben 
gesehen, was bei den Demonstrationen in Seattle, in Miami, in Göteburg und 
in Genua passiert ist.

In den Vereinigten Staaten hat man nun den USA Patriot Act, welcher für 
Regierungen überall auf der Welt zu einem Entwurf für Antiterrorgesetze 
geworden ist. Freiheiten werden eingeschränkt, und dies wird mit dem Schutz 
der Freiheit gerechtfertigt. Und wenn wir einmal unsere Freiheiten 
aufgegeben haben, wird es eine Revolution geben müssen, um sie wieder 
zurückzugewinnen.

Einige Regierungen haben viel Erfahrung bei der Einschränkung von 
Freiheiten und sehen noch immer viele Möglichkeiten dabei. Die Regierung 
von Indien, schon lange ein Teilnehmer bei diesem Spiel, wirft Licht auf 
den Pfad.

Über die Jahre hat die indische Regierung eine Vielzahl von Gesetzen 
erlassen, welche es ihr erlauben, fast jeden als terroristisch, 
aufständisch oder militant zu kennzeichnen. Bei uns gibt es das 
Militärische Sonderermächtigungsgesetz, das Gesetz für Öffentliche 
Sicherheit, das Gesetz für Sicherheit in besonderen Gebieten, das 
Gangster-Gesetz, den Terrorist and Disruptive Areas Act (den es formal zwar 
nicht mehr gibt, aber unter welchem noch immer Menschen vor Gericht stehen) 
und POTA (Gesetz zur Verhinderung von Terrorismus), was ein 
Breitband-Antibiotikum gegen die Krankheit des Dissens ist.

Es werden noch weitere Schritte unternommen, wie Gerichtsurteile, welche 
darauf hinauslaufen, die Redefreiheit einzuschränken, 
Regierungsangestellten das Recht zu streiken nehmen, und Menschen das Recht 
auf einen Lebensunterhalt nehmen. Gerichte haben begonnen, unsere 
Lebensweise in Indien zu bestimmen. Und die Gerichte zu kritisieren ist 
strafbar.

Die Zahl jener Menschen, welche im letzten Jahrzehnt von Polizei- und 
Sicherheitskräften getötet worden ist, muß in Zehntausenden angegeben 
werden. Im Staat Andhra Pradesh (dem Vorzeigemodell für 
Konzernglobalisierung in Indien) werden pro Jahr im Durchschnitt etwa 200 
"ExtremistInnen" bei etwas getötet, das "Zusammenstöße" genannt wird. Die 
Polizei in Bombay gibt damit an, wieviele "Gangster" sie in "Shoot Outs" 
erschossen hat. In Kashmir, wo ein Zustand herrscht der eine Art von Krieg 
darstellt, wurden seit 1989 ungefähr 80.000 Menschen getötet. Tausende sind 
einfach "verschwunden". In den nordöstlichen Provinzen ist die Situation 
ähnlich.

In den letzten Jahren hat die indische Polizei häufig Feuer auf 
unbewaffnete Menschen eröffnet, meistens Dalits und Adivasis. Die 
bevorzugte Methode ist es, sie umzubringen und sie dann TerroristInnen zu 
nennen. Indien steht hier aber nicht alleine da. Wir haben gesehen, wie 
ähnliches in Ländern wie Bolivien, Chile und Südafrika passiert ist. In der 
Ära des Neoliberalismus ist Armut ein Verbrechen und Widerstand gegen sie 
wird vermehrt als Terrorismus bezeichnet.

In Indien wird POTA (Prevention of Terrorism Act) auch oft Production of 
Terrorism Act genannt. Es ist ein vielseitig einsetzbares, für alles 
verwendbares Gesetz, das genausogut gegen ein Mitglied Al-Kaidas wie gegen 
einen verärgerten Busfahrer angewendet werden kann. Wie bei allen 
Antiterrorgesetzen ist die Genialität hinter POTA, daß es sein kann, was 
auch immer die Regierung gerade braucht. Nach dem Pogrom in Gujarat vom 
Jahr 2002, in welchem etwa 2.000 MuslimInnen brutal von Hindu-Mobs getötet 
worden sind und 150.000 von ihren Häusern vertrieben wurden, sind 287 
Menschen unter POTA angeklagt worden. Von diesen sind 286 MuslimInnen und 
einer ein Sikh.

POTA läßt unter Polizeigewahrsam erhaltene Geständnisse als Beweismittel 
vor Gericht zu. Das führt dazu, daß Folter die Nachforschungen ersetzt. Das 
South Asia Human Rights Documentation Center berichtet, daß es in Indien 
die meisten Folterungen und Todesfälle während der Inhaftierung weltweit 
gibt. Regierungsdaten zeigen, daß es allein 2002 1.307 Todesfälle in 
Polizeigewahrsam gegeben hat.

Vor einigen Monaten war ich Mitglied eines Volkstribunals, welches sich mit 
POTA befasste. Während einer Dauer von zwei Tagen hörten wir uns 
entsetzliche Berichte darüber an, was in unserer wundervollen Demokratie 
vor sich geht. Es gibt alles - von Leuten, welche dazu gezwungen werden 
Urin zu trinken, denen das Gewand vom Leib gerissen wird, die gedemütigt 
werden, denen elektrische Schocks gegeben werden, die mit Zigaretten 
verbrannt werden, denen Eisenstäbe in den After geschoben werden, die zu 
Tode geschlagen und getreten werden. Die neue Regierung hat versprochen 
POTA aufzuheben. Ich wäre überrascht, wenn das passiert, bevor eine neue 
Gesetzgebung unter einem anderen Namen in Kraft getreten ist. Wenn es nicht 
POTA ist, dann wird es MOTA sein, oder etwas Ähnliches.

Wenn jeder Weg des gewaltfreien Widerstandes gesperrt wird und jeder, der 
gegen die Verletzung von Menschenrechten protestiert, Terrorist genannt 
wird, sollten wir dann wirklich überrascht sein, wenn große Teile des 
Landes von jenen überrannt werden, welche an einen bewaffneten Kampf 
glauben und mehr oder weniger außerhalb der Kontrolle des Staates stehen: 
in Kashmir, in den nordöstlichen Provinzen, in großen Teilen von Madhya 
Pradesh, Chattisgarh, Jharkhand und Andhra Pradesh. Die einfachen Menschen 
in diesen Regionen sind zwischen der Gewalt der Militanten und der des 
Staates gefangen.

Die Armee schätzt, daß in Kashmir zu jeder Zeit zwischen 3.000 und 4.000 
Militante operieren. Um sie zu kontrollieren, setzt der indische Staat dort 
etwa 500.000 SoldatInnen ein. Es sind offensichtlich nicht nur die 
Militanten, welche die Armee kontrollieren will, sondern eine ganze 
Bevölkerung von gedemütigten unglücklichen Menschen, welche die indische 
Armee als eine Besatzungsmacht betrachten.

Das Militärische Sonderermächtigungsgesetz erlaubt es nicht nur Offizieren, 
sondern auch niedrigrangigerem Personal der Armee, Gewalt gegen jede Person 
anzuwenden und sie auch zu töten, wenn sie verdächtigt wird, die 
öffentliche Ordnung zu stören. Es wurde 1958 zunächst für einige Gebiete in 
Manipur erlassen. Heute wird es beinahe im ganzen Nordosten und in Kaschmir 
angewandt. Die Berichte von Folterungen, Verschwundenen, Todesfällen 
während der Gefangenschaft, Vergewaltigungen und Massenhinrichtungen durch 
Sicherheitskräfte ist genug, um einem den Magen umzudrehen.

In Andhra Pradesh, in einem der bedeutendsten Staaten Indiens, ist die 
marxistisch-leninistische Volkskriegsgruppe seit Jahren an einem 
gewalttätigen bewaffneten Konflikt beteiligt und war das Hauptziel bei 
vielen vorgetäuschten "Zusammenstößen" der Polizei Andhra Pradeshs. Sie 
hielten am 28. Juli 2004 in der Stadt Warangal ihr erstes öffentliches 
Treffen seit Jahren.

Hunderttausende Menschen kamen. Unter POTA gelten diese nun alle als 
TerroristInnen. Wird man sie alle in einer indischen Version von Guntanamo 
Bay einsperren?

Der ganze Nordosten und das Kaschmir-Tal stehen vor einem Aufruhr. Was wird 
der Staat mit diesen Millionen Menschen machen?

Es gibt heute keine Diskussion auf der Welt, welche wichtiger ist, als die 
Debatte über die Strategien des Widerstandes. Und die Wahl der Strategie 
ist nicht ganz in den Händen der Bevölkerung. Sie liegt auch in den Händen 
des Sarkars.

Denn wenn die USA den Irak in jener Art überfällt und besetzt, wie sie es 
gemacht hat, nämlich mit überwältigender militärischer Übermacht, kann man 
vom Widerstand dann erwarten, daß er ein gewöhnlicher militärischer sein 
wird? (Natürlich würde er auch terroristisch genannt werden, wenn er ein 
gewöhnlicher wäre.) Auf eine seltsame Art macht das Arsenal von Waffen und 
konkurrenzloser Luftwaffe und Feuerkraft den Terror zur unausweichlichen 
Antwort. Was den Menschen an Geld und Macht fehlt, werden sie durch 
Verborgenheit und Strategie wettzumachen versuchen.

Wenn die Staaten in diesen unruhigen Zeiten, die einen zur Verzweiflung 
bringen können, nicht alles tun, um die gewaltfreien Widerstandsbewegungen 
anzuerkennen, dann privilegieren sie automatisch jene, welche sich der 
Gewalt zuwenden. Keine Verurteilung des Terrorismus durch einen Staat ist 
glaubwürdig, wenn dieser nicht vorzeigen kann, daß er offen für 
Veränderungen durch gewaltfreien Dissens ist.

Aber anstelle dessen werden gewaltfreie Widerstandsbewegungen zerschlagen. 
Jede Art von politischer Massenmobilisierung oder -organisation wird 
bestochen, gebrochen oder einfach ignoriert.

Inzwischen widmen die Staaten, die Konzernmedien - und vergessen wir nicht 
die Filmindustrie - , ihre Zeit, ihre Aufmerksamkeit, ihre Technologie, 
ihre Forschung und ihre Bewunderung dem Krieg und dem Terrorismus. Die 
Gewalt ist vergöttlicht worden.

Die Botschaft, die daraus hervorgeht, ist beunruhigend und gefährlich: Wenn 
du versuchen willst einem Ärger der Bevölkerung Ausdruck zu verleihen, ist 
Gewalt effektiver als Gewaltfreiheit.

Während die Kluft, die Arm und Reich trennt, größer wird, während die 
Notwendigkeit immer akuter wird, die Ressourcen der Welt zuzuweisen und zu 
kontrollieren um die große kapitalistische Maschine zu füttern, wird der 
Aufruhr sich verstärken.

Für jene von uns, welche auf der falschen Seite des Imperiums leben, wird 
die Demütigung unerträglich.

Jedes irakische Kind, welches von den Vereinigten Staaten getötet worden 
ist, war unser Kind. Jeder Gefangene, der in Abu Ghraib gefoltert worden 
ist, war unser Kamerad. Jeder ihrer Schreie war unserer. Wenn sie 
gedemütigt werden, so sind es wir, die gedemütigt werden. Die 
US-SoldatInnen, welche im Irak kämpfen - zum Großteil Freiwillige aus einer 
Konskription in Kleinstädten und armen Stadtteilen, sind genauso Opfer 
dieses schrecklichen Vorgangs, wie die IrakerInnen, einem Vorgehen, das von 
ihnen fordert für einen Sieg zu sterben, der niemals ihrer sein wird.

Die Mandarine der Konzernwelt, die CEOs, die Bankiers, die PolitikerInnen, 
die RichterInnnen und Generäle sehen von oben auf uns herab und schütteln 
ernst ihre Häupter. "Es gibt keine Alternative", sagen sie. Und lassen wir 
die Hunde des Kriegs von den Ketten.

Dann kommt aus den Ruinen Afghanistans, den Schutthaufen des Iraks und 
Tschetscheniens, von den Straßen des besetzten Palästinas, aus den Bergen 
Kaschmirs, von den Hügeln und Prärien Kolumbiens und aus den Wäldern Andhra 
Pradehs und Assms die kalte Antwort: "Es gibt keine Alternative außer dem 
Terror". Terrorismus. Bewaffneter Kampf. Aufstand. Nenne es wie du willst.

Terrorismus ist bösartig, ekelhaft und entmenschlicht sowohl diejenigen, 
die ihn ausüben, wie auch seine Opfer. Aber genauso tut es der Krieg. Man 
könnte sagen, daß der Terrorismus die Privatisierung des Krieges ist. 
TerroristInnen sind die Freihändler des Krieges. Es sind Leute die nicht 
glauben, daß der Staat ein Monopol auf die legitime Anwendung von Gewalt hat.

Die menschliche Gesellschaft steuert einen furchtbaren Ort an.

Natürlich gibt es eine Alternative zum Terrorismus. Sie wird Gerechtigkeit 
genannt.

Es wird Zeit zu erkennen, daß keine noch so große Zahl nuklearer Waffen 
oder Daisy Cutters, weder eine Full-spectrum Dominance noch falsche 
Regierungsräte oder Loya Jirgas, den Frieden auf Kosten der Gerechtigkeit 
kaufen können.

Das Verlangen nach Hegemonie und Übermacht von manchen wird dazu führen, 
daß andere sich noch stärker nach Würde und Gerechtigkeit sehnen.

Welche Form der Kampf haben wird, ob er wunderschön oder blutdürstig sein 
wird, hängt von uns ab.

Quelle: ZNet Deutschland vom 16.09.2004. Übersetzt von: Matthias, leichte 
Bearbeitung von Michael Schmid. Orginalartikel: "Tide? Or Ivory Snow?"

Veröffentlicht am 16.09.04

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