[E-rundbrief] Info 122 - EU-Verfassung - Militarisierung - EurAtomvertrag - Friedensvolksbegehren

Matthias Reichl mareichl at ping.at
Di Jun 22 16:10:22 CEST 2004


E-Rundbrief - Info 122 - Friedenswerkstatt Linz: EU-Verfassung - 
Militarisierung - EurAtomvertrag - Friedensvolksbegehren

Bad Ischl, 22.6.2004

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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* Nach dem EU-Regierungsgipfel: Volksabstimmung über EU-Verfassung zwingend 
erforderlich

I. Nach dem EU-Regierungsgipfel fordert die Friedenswerkstatt Linz die 
Durchführung einer Volksabstimmung über den EU-Verfassungsvertrag. Die 
Friedenswerkstatt sieht 3 Gründe für eine Volksabstimmung über die 
EU-Militärverfassung

1. Die Durchführung einer Volksabstimmung über eine derart weitreichende 
Entscheidung ist eine demokratiepolitische Selbstverständlichkeit. Von 
einem "historischen Schritt" (Kanzler Schüssel) zu sprechen, aber eine 
Volksabstimmung zu verweigern, ist absurd.

2. Die Bestimmungen des EU-Verfassungsvertrags stehen in einigen Punkten in 
diametralem Gegensatz zur Rechtstradition der II. Republik:

a) Die Verankerung einer Aufrüstungsverpflichtung (Art. I-40 
(3)  EU-Verfassungsvertrag)  ist ein einmaliger Akt in der internationalen 
Rechtsgeschichte. Es steht aber auch konkret in Widerspruch zum 
Friedensgebot des Neutralen und zu den Rüstungsbeschränkungen, denen sich 
Österreich im Staatsvertrag unterworfen hat.

b) Der Verfassungsvertrag enthält die Selbstermächtigung zu globalen 
Militärinterventionen (Art. I-40 (1)) "... gemäß den Grundsätzen der Charta 
der Vereinten Nationen ..." heißt eben nicht im Rahmen der Satzung der 
Vereinten Nationen. Die gewählte Formulierung entspricht der Washingtoner 
Erklärung der Nato vom 18. April 1999. Diese Formulierung ist mit den 
Interessen eines immerwährend neutralen Staates völlig unvereinbar.

c) Der Verfassungsvertrag enthält eine militärische Beistandspflicht bei 
terroristischer Bedrohung. (Art. I-42) Diese Bestimmung wurde bereits nach 
den Anschlägen von Madrid beschlossen. Gleichzeitig werden sogenannte 
EU-"Schlachtgruppen" aufgebaut: 6-7 Rambobataillone für den raschen 
globalen Interventionseinsatz. Mit dem EU-Verfassungsvertrag würden all 
diese neutralitätspolitischen Staatsstreiche der Bundesregierung quasi 
legitimiert.

d) Über das Europäische Amt für Rüstung, Forschung und militärische 
Fähigkeiten wird Österreich systematisch in den im Aufbau befindlichen 
EU-Militär-Industriellen Komplex einbezogen. Dieses Amt soll bis Ende 2004 
eingerichtet sein. Dem gewaltigen Konzentrationsprozeß in der 
westeuropäischen Rüstungsindustrie unter deutscher Führung, muß ein 
politischer Konzentrationsprozeß folgen. Dieser Prozeß wird wesentlich 
durch Berlin, Paris und London dominiert. Die kleinen Staaten werden immer 
mehr zu Bütteln bei deren Rivalitäten. Das europäische Rüstungsamt dient 
dazu, diese Abhängigkeiten zu zementieren. Österreich darf daran nicht 
teilnehmen.

e) Mit der EU-Verfassung wird der Druck Richtung Aufrüstung zunehmen. Die 
Bundesheerreformkomission hat jetzt schon die Erhöhung auf 1% des BIP 
gefordert. Dabei nicht berücksichtigt wird, daß Brocken wie der 
Euro-Fighter Kauf, oder die Auslandsmissionen des Bundesheeres nicht im 
Verteidigungsbudget aufscheinen.

Die Offiziersgesellschaft fordert mittelfristig zur Erreichung des 
EU-Durchschnitts 1,5% des BIP. Innerhalb des Verteidigungsbudgets soll 
kräftig zugunsten Rüstung umgeschichtet werden, ein Drittel des Budgets 
soll dafür dotiert werden. Mit der EU-Verfassung wären all jene, die gegen 
diese politische Praxis opponieren, Verfassungsfeinde.

f) Wir stehen vor einer gewaltigen Renaissance der zivilen und 
militärischen Nutzung der Kernenergie. Der EurAtomvertrag wird per 
Protokoll in den Rechtsbestand hinübergerettet. Dadurch ist Österreich 
verpflichtet sich mit jährlich 600 Mio € am Ausbau der Kernenergienutzung 
zu beteiliegen. Eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung ist auch eine 
Volksabstimmung über den EurAtomvertrag.

g) Die vier Freiheiten des Binnenmarktes werden zu obersten 
Rechtsprinzipien. (Art. I-3 und Art. I-4) Die Herausbildung des 
"Finanzplatzes Europa" genießt oberste Priorität in den detailreichen 
wirtschaftspolitischen Bestimmungen des EU-Verfassungsvertrages. Ein 
kleines Land wie Österreich kann daran überhaupt kein Interesse haben. Der 
Binnenmarkt hierarchisiert den Kontinent und zentralisiert 
wirtschaftspolitische Entscheidungen. Ein großer Teil relevanter, 
wirtschaftspolitischer Entscheidungen in Österreich werden heute in den 
Zentralen meist deutscher Konzerne getroffen. Es ist Unsinn so einen 
Zustand in einer Verfassung festzuschreiben.

h) Durch die EU-Verfassung würden alle öffentlichen Dienste im Bereich 
Gesundheit, Bildung und Soziales mit Mehrheitsprinzip der Liberalisierung 
geöffnet werden. Das ist unannehmbar. Die Zustimmung der nationalen 
Parlamente in Fragen Liberalisierung und internationaler Handelsverträge 
wird ausgeschaltet.

3. Der EU-Verfassungsvertrag ist ein schwerer Eingriff in die 
österreichische Souveränität, mit Auswirkungen, die heute noch gar nicht 
absehbar sind. Mit dem Verfassungsvertrag entsteht ein paralleles und 
dadurch widersprüchliches Rechtssystem. Das eröffnet systematisch einen 
breiten Raum für die quasi Legitimierung der Interessenspolitik der Mächtigen.

a) Die EU erklärt sich zur eigenständigen Rechtspersönlichkeit und fordert 
in wesentlichen Bereichen für sich die alleinige Kompetenz. EU-Recht kann 
Verfassungsrecht wie z. B. das Neutralitätsgesetz oder das Atomsperrgesetz 
brechen. In jenen Bereichen, in denen ausschließlich die EU rechtszuständig 
sein soll, würde EU-Recht unmittelbar wirksam. Außen- und 
Sicherheitspolitik, bzw. die "schrittweise Festlegung einer gemeinsamen 
Verteidigung" würden ausschließliche Unionskompetenz. Von Neutralität oder 
einem Neutralitätsvorbehalt ist nirgends die Rede. "Österreich wäre nicht 
mehr zuständig neutral zu sein, oder sein zu wollen!" (Univ. Prof. Dr. 
Michael Geistlinger, Uni Salzburg).

Eingewendet wird an dieser Stelle das Einstimmigkeitsgebot bezüglich der 
gemeinsamen Verteidigung gemäß Art. I-40 (2) im EU-Rat. Das heißt nichts 
weniger,  als daß Wohl und Wehe der Neutralität von Kanzler und 
Außenminister im EU-Rat abhängig sind. Diese sind wohl verpflichtet "gemäß 
ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften" (Art. I-40 (2)) zu entscheiden, 
dabei darf man aber nicht vergessen, daß mit dem Kriegsermächtigungsartikel 
23f BVG, die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die definitive 
Zertrümmerung der Neutralität durch Kanzler und Außenminister im EU-Rat 
bereits geschaffen wurden. Diese Inszenierung gehört zu den 
geschmacklosesten Täuschungsmanövern des heimischen politischen 
Establishments. Wir können nicht mit dem Friedensvolksbegehren die 
ersatzlose Streichung des Art. 23f BVG fordern und auf der anderen Seite 
der EU-Verfassung zustimmen.

b) De facto wäre mit dieser EU-Verfassung ein Austritt nicht mehr möglich. 
Gemäß Art. I-59 wäre ein Austritt nur noch mittels Austrittsvertrag 
möglich. Angesichts der nunmehr vereinbarten Stimmgewichte im EU-Rat 
erkennt man, daß gegen den Willen eines großen EU-Staats, insbesondere 
Deutschlands, ein Austritt nicht mehr durchsetzbar wäre.

c) Gleichzeitig wird die Möglichkeit zur Herausbildung eines 
militarisierten Kerneuropas unter dem Titel strukturierte Zusammenarbeit 
eingerichtet. Im Ergebnis bleiben damit nur zwei Handlungsmöglichkeiten 
offen: entweder mitmarschieren bei diesem Kerneuropa oder Verharren im 
Status Quo. Eine Politik gegen die Interessen der EU-Großmächte ist 
schlichtweg nicht mehr durchsetzbar.

Das sind nur einige Gründe, aber sie alleine sind ausreichend, um die 
Durchführung einer Volksabstimmung über die EU-Verfassung als zwingend zu 
betrachten. Die Einführung dieses Verfassungsvertrages heißt ein Recht 
gegen den Willen der Mehrheit der Menschen einzuführen, heißt ein Recht 
aufzuzwingen, dem sich die Menschen nicht verpflichtet fühlen.

II. Schüssel, Voggenhuber, Gusenbauer fordern immer wieder eine euopaweite 
Volksabstimmung und wenn es diese nicht gebe, soll es gar keine geben. Das 
ist ein leicht durchschautes Ablenkungsmanöver. Der einzige Grund, warum 
manche die Durchführung einer Volksabstimmung in Österreich scheuen wie der 
Teufel das Weihwasser, ist die Angst sich mit dieser Militärverfassung bei 
den Menschen in Österreich eine Abfuhr zu holen.

Im Falle einer Ratifizierung des EU-Verfassungsvertrages durch den 
Nationalrat ohne Volksabstimmung bedarf es dabei einer 
Zwei-Drittel-Mehrheit. Ein Drittel der Abgeordneten kann aber eine 
Volksabstimmung erzwingen. Der SP-EU-Parlamentarier Hannes Swoboda hat noch 
vor den EU-Parlamentswahlen eine Volksabstimmung gefordert (Der Standard 
09. Juni 2004). Hans Peter Martin hat ebenfalls die Durchführung einer 
Volksabstimmung gefordert. (Auch die "Linke Liste - Opposition für ein 
solidarisches Europa" fordert diese. M.R.) Wir rufen alle 
UnterzeichnerInnen des Friedensvolksbegehrens dazu auf, eine 
Volksabstimmung durchzusetzen.

III. Durch das Friedensvolksbegehren wird

* über die Legitimation von Rüstung und Krieg durch die EU-Verfassung breit 
informiert.

* der Widerstand gegen die konkrete neutralitätswidrige Außen- und 
Sicherheitspolitik organisiert.

* zur Verhinderung der EU-Militärverfassung beigetragen.

* die Möglichkeit, vermittels einer aktiven Neutralitätspolitik einen 
konkreten Beitrag für Frieden und Solidarität zu leisten, sichtbar gemacht.

Die wachsende Unterstützung für das Friedensvolksbegehren garantiert 
breiten Widerstand gegen die EU-Verfassung. So hat die Landeskonferenz des 
BSA Kärnten auf Initiative der NR-Abgeordneten Melitta Trunk mit 83 Pro zu 
3 Gegenstimmen bei 2 Enthaltungen die vollinhaltliche Unterstützung des 
Friedensvolksbegehrens beschlossen.

Kontakt: Boris Lechthaler, 0732-771094, 0664-7607937
Friedenswerkstatt Linz
Waltherstr. 15b
A-4020 Linz
Tel. 0732/771094
Fax 0732/797391
e-mail: friwe at servus.at
www.friwe.at

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Matthias Reichl
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A-4820 Bad Ischl
Tel. +43-6132-24590
e-mail: mareichl at ping.at
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