[E-rundbrief] Info 91 - Rb Nr. 112 - 2. ESF Paris - 2. ASF Linz - 4. WSF Mumbai
Matthias Reichl
mareichl at ping.at
Fr Mär 5 23:34:02 CET 2004
E-Rundbrief - Info 91 - Rb Nr. 112 - 2. Europ. Socian Forum Paris - 2.
Austrian Social Forum Linz - 4. World Social Forum Mumbai
Bad Ischl, 5.3.2004
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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2. Europäisches Sozialforum (ESF) in Paris
Leider bleibt mir nicht genug Platz um über die - oft sehr bewegten und
bewegenden - Begegnungen am Rande des 2. Sozialforums in Randgebieten von
Paris zu berichten. Sich mit etwa 100.000 Leuten aus ganz Europa bei einer
Demonstration mitzubewegen hat seinen Reiz. Wesentlich weniger jedoch,
stundenlang quer durch Paris die Orte zu suchen, an denen in
Podiumsdiskussionen etwa 10 Experten drei Stunden lang über ihre
Erkenntnisse und Erlebnisse berichten. Für die Hunderten von Zuhörern blieb
kaum Zeit für detaillierte Fragen und Diskussionen, für
Begegnungen, Entspannen, Essen und Trinken. Nur das "Bauern-Zelt-Dorf" der
"Confederation Paysanne" in St. Denis bot für alle Bedürfnisse etwas - auch
für wertvolle Dialoge, Kooperationen usw.
Mein Gastgeber Bernard Dreano und seine Pariser Freunde von der "Helsinki
Citizens Assembly" nützten das ESF für eigenständige Seminare über Politik
und Projekte in Kaukasien und Balkan und betreuten ihre Experten aus diesen
Ländern auch für weitere Kontakte (siehe Buchtipps Nr. 5, 8 und 25).
An den organisatorischen Treffen der ESF beteiligte ich mich - auch aus
Zeitgründen - nicht. Entweder man hat die Ressourcen, um kontinuierlich zu
den (Vorbereitungs-) Treffen quer durch Europa zu fahren (ich hab' sie
nicht!) oder man betrachtet sie aus der Distanz (in jeder Beziehung).
Jedenfalls werde ich bei dem 3. ESF im teuren London nicht mit dabei sein,
sondern andere Möglichkeiten für Begegnungen suchen.
Sind also solche Großveranstaltungen (das gilt auch für das
Weltsozialforum) unproduktiv und inhuman!? Das wird sich im Herbst 2004 bei
dem nächsten European social Forum in London zeigen. Vorerst gibt es
zwischen führenden britischen Mitgliedern des Social Forums tiefere
inhaltliche und organisatorische Konflikte.
Matthias Reichl
2. Austrian Social Forum/ ASF (3. - 5.6.2004 Linz)
Die Erfahrungen mit traditionellen (Podiums-) Diskussionsforen haben die
Vorbereitungsgruppe des ASF zu Experimenten animiert. So soll der Einstieg
durch "Zugangsforen", die Vernetzung durch "Verschränkungsforen", die
weitere inhaltliche Vertiefung in "Seminaren" und der informelle
Informationsaustausch bei "Infotheken" geschehen. Die Licht- und
Schattenseiten sollen anschließend - am 6.6. - bei dem Treffen der
Sozialbewegungsleute reflektiert werden. (Mehr dazu auf www.socialforum.at)
Matthias Reichl
EU-Verfassungsentwurf
150 Aktive diskutierten Alternativen zur neoliberalen und militaristischen EU
Am 12. und 13. Dezember 2003 hätte bei der Regierungskonferenz der
Mitgliedsstaaten der EU in Brüssel ein neuer Verfassungsvertrag
verabschiedet werden sollen. Das Versprechen dazu im Vorfeld eine breite
zivilgesellschaftliche Debatte durchzuführen wurde nicht eingelöst. Selbst
am eigens dafür eingesetzten Konvent wurden wesentliche Teile des
Verfassungsvertragsentwurfs vorbeiverhandelt.
Auch inhaltlich gab es vehemente Kritik am Verfassungsentwurf. Das
Europäische Sozialforum vom November 2003 in Paris lehnte den
Verfassungsentwurf ab, weil er "...den Wirtschaftsliberalismus als
offizielle Doktrin der EU in den Verfassungsrang erhebt..." Im Entwurf
enthalten ist eine Aufrüstungsverpflichtung und die Selbstermächtigung für
globale Militärinterventionen. Fortschritte im Bereich nuklearer Abrüstung,
Ausstieg aus der Kernenergienutzung, Ökologie vor Freiheit des
Warenverkehrs, Verbesserung der Rechte der Asylsuchenden und MigrantInnen
werden vermißt. Ebenso der Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag (siehe auch
Info 97)...
Die Regierungskonferenz scheiterte, weil man sich auf eine Zentralisierung
der Entscheidungsstrukturen in wesentlichen Bereichen nicht einigen konnte.
Die weitere Entwicklung ist offen. Verschiedene politische Kräfte wollen
den vorliegenden Entwurf nochmals auf die Tagesordnung setzen (darunter
auch Daniel Cohn-Bendit, der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Grünen
im EU-Parlament). Auf der anderen Seite wird das Konzept eines Europas der
zwei Geschwindigkeiten lanciert. Dieses Konzept würde die Hierarchisierung
innerhalb der EU weiter eskalieren.
Die Kampagnenvorschläge des Linzer Treffens (am 31.1.04) reichten von einer
Reform der EU ausgehend vom vorliegenden Verfassungsentwurf, der Forderung
nach einer gänzlichen Neuverhandlung des Verfassungsentwurfs bis zur
Schlussfolgerung, dass der Austritt aus der EU die einzige Möglichkeit ist,
diese politischen Ziele durchzusetzen.
(Die gesamte Presseaussendung - mit den Forderungen - erhaltet ihr von der
Friedenswerkstatt Linz, Waltherstr. 15, 4020 Linz, friwe at servus.at,
www.friwe.at)
Matthias Reichl
Irakkrieg fordert Weltsozialforum heraus
Worum es den Globalisierungskritikern und -gegnern primär geht, haben wir
seit langem berichtet (siehe auch das Info-Verzeichnis) und auch in diesem
"Rundbrief". Zunehmend versuchen politische Strategen der Globalisierer -
und ihre "Meinungsbildner" in vielen Medien - durch ihre Ablenkungsmanöver
mit Vorwürfen von "Befürwortung von Gewalt" und damit "Nähe zum
Terrorismus" die existentiellen Anliegen aller Opfer der Globalisierung zu
verdrängen. Und die Geheimdienste leisten ihren Beitrag dazu. Sie sind es,
die die Spirale der Gewalt in Gang brachten und weiter beschleunigen.
Arundhati Roy, in Indien und weltweit als gewaltfreie Aktivistin geachtet,
wurde daher wegen ihrer couragierten Rede beim Weltsozialforum (am
16.1.2004 in Mumbai) besonders kritisch beurteilt. Sie präzisierte - auch
nachträglich schriftlich - dass sie sich unter "Widerstand im Irak" nur
einen gewaltfreien vorstellen kann, der weltweit durch zivilen Ungehorsam
und andere gewaltfreie Widerstandsformen gegen die militärischen und
ökonomischen Eroberer unterstützt werden muss (siehe "E-Rundbrief-Info 80").
Doron Rabinovici, ein österreichischer Schriftsteller, kritisierte dies in
der Zeitung "Der Standard" (v. 7.2.04). Und nun auch uns in einem e-mail,
weil wir es wagten, diese Rede in unsere homepage zu stellen. Er versucht
darin, die veröffentlichten Klarstellungen Roys als "stalinistische
Geschichtsfälschung" zu denunzieren - entsprechend seiner für mich nicht
akzeptablen politisch-analytischen Methoden von "journalistischer
Wahrheitsfindung".
Unter den vielen Friedensaktivisten erwähne ich Michael Schmidt und seine
Mitarbeiter im "Lebenshaus", die die Kontroverse dokumentiert und
kommentiert haben (www.lebenshaus-alb.de/mt/archives/002105.html). Ein
Zitat daraus: "...Ein Beitrag wider den Schlagwort-Journalismus, der aus
Wortfetzen Stricke knüpft, um Altermondialisten - in diesem Fall Arundhati
Roy - daran aufzuhängen... Wogegen sie (Roy) sich wendet, sind
Feiertagsveranstaltungen - sie will zivilen Ungehorsam mit Biss. Das ist
nicht kriegerisch - das ist friedvoll im Sinne Gandhis und vernünftig im
Sinne der Effektivität..."
Matthias Reichl
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Matthias Reichl
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