[E-rundbrief] Info 79 - WSF 2004 - Heidi Rest-Hinterseer, Berichte 16. - 19.1.2004
Matthias Reichl
mareichl at ping.at
Di Jan 20 23:10:09 CET 2004
E-Rundbrief - Info 79 - Heidi Rest-Hinterseer: World Social Forum 2004
Mumbai/ Bombay (Indien), Berichte vom 16. - 19.1.2004
Bad Ischl, 20.1.2004
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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World Social Forum (WSF) 2004 Mumbai/ Bombay (Indien)
Berichte vom 16. - 19.1.2004
Heidi Rest-Hinterseer, Abg. z. NR, Grüne
16. Januar 2004: Tagebuch aus Mumbai Tag Eins
Mumbai, lärmende indische Millionenmetropole und Heimat von "Bollywood"
(der indischen Filmindustrie), beherbergt in diesen Tagen bis zu 100.000
Menschen aus 132 Ländern. Der Grund? Das Weltsozialforum die
Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum von Davos, das heuer zum
vierten Mal, und das erste Mal außerhalb Brasiliens, veranstaltet wird. Das
Diskussionsforum der Superlative für die, die "für eine andere Welt" und
gegen eine ausbeuterische, neoliberale Globalisierung eintreten. Man könnte
meinen, dass Mumbai nicht ohne Hintergedanken als Tagungsort ausgewählt
wurde, liegen doch Arm und Reich, Slum und Hochhaus eng beisammen. "Mit
Mumbai ist man in die Höhle des Löwen gegangen", meint auch der indische
Gewerkschafter Varada Rajan.
Auch wir, Heidi Rest-Hinterseer und Martina Neuwirth, sind zum
Weltsozialforum angereist. Heute stand noch vor der Eröffnung ein
indo-europäischer Dialog Grüner und "grün-angehauchter" AktivistInnen auf
unserem Programm. Von Beginn an war der grünen Bewegung weltweit der
internationale Ansatz ein wichtiges Thema. Fragen der Globalisierung sind
Anfang der 90iger Jahre dazugekommen. Und obwohl wichtige Umwelt- und
Sozialbewegungen in Indien entstanden, wie etwa der Kampf gegen den
Narmada- Staudamm zeigt, blieben wichtige Länder wie eben Indien, aber
auch China und der arabische Raum von einem "grünen" Dialog zu lange
ausgespart. Heute meldeten sich Aktivistinnen, wie Uma Shankari oder
Arundhati Roy mächtig zu Wort. Sie fordern, Umweltfragen nicht von dem
Problem, Arbeitsplätze schaffen zu müssen, abzukoppeln. Denn "das, nämlich
Arbeit, interessiert arme Menschen". Auch stellen sie Fragen nach der Rolle
des Staates in ihren Ländern und nach der Rolle von Europa und Nordamerika,
die diese für den Globus spielen. Die bekannte indische Aktivistin
Arundhati Roy, die für Informationsfreiheit und Transparenz eintritt, ist
an den Erfahrungen der europäischen Grünen besonders interessiert. Denn um
Umweltschutz und Armutsbekämpfung umsetzen zu können, muss in die
politischen Prozesse eingegriffen werden: "Wir müssen uns einen Platz in
den demokratischen Institutionen schaffen." Sonst bliebe nur, verheerende
Regierungsentscheidungen von außen zu kritisieren ein Kampf gegen Windmühlen.
Danach fahren wir mit der Motor-Rikscha, die sich halsbrecherisch ihren Weg
durch das Verkehrsgewühl bahnt, zum Veranstaltungsgelände des Forums, das
in einem Vorort im Norden Bombays liegt. Beim Forum herrscht schon reges
Treiben: Tausende Delegierte sind bereits auf dem weiträumigen
NESCO-Industriegelände, weitere Gruppen kommen, teilweise singend,
musizierend und Fahnen schwingend an. InderInnen aus Bhopal finden sich
neben trommelschlagenden BrasilianerInnen, und Via Campesina-AktivistInnen
ziehen an einer Hare Krishna-Prozession vorbei. Immer wieder drückt man uns
Einladungen für Veranstaltungen in die Hand, denn bei über 1500
angemeldeten Konferenzen und Seminaren reicht es nicht, "nur" im Programm
aufzuscheinen. Zahlreiche Informationsstände von Organisationen und Gruppen
säumen die Wege rund um die riesigen Veranstaltungs- und
Ausstellungshallen, deren größte bis zu 20.000 Menschen aufnehmen kann.
Auch fair produzierte indische Produkte werden feilgeboten. Und das
Sozialforum macht seinem Ruf als Treffpunkt und Diskussionsforum auch alle
Ehre: Wir treffen unentwegt auf bekannte Gesichter, u.a. auch auf jene
Gruppe von Österreicherinnen der "Frauensolidarität", die bereits seit
Anfang Jänner in Indien tourt. Sie wollten bei ihren Besuchen bei
südindischen Textilfirmen herausfinden, was nun wirklich hinter dem
Schlagwort von "Corporate Social Responsibility" (CSR) steht. Ihre
Conclusio überrascht uns nicht: Bis zu einem verantwortungsbewussten
Verhalten von Unternehmen ist es noch weit, unabhängige Kontrollen müssen
durchgeführt werden, um zu prüfen, ob Gesetze und eigene Standards
tatsächlich eingehalten werden. Denn sonst wird CSR nur dazu benützt, den
Firmen einen "grünen" Anstrich zu geben ("greenwashing").
Die entspannte Stimmung hat fast Volksfestcharakter, die auftretenden Bands
bei der Eröffnungsveranstaltung tun das ihre noch dazu. Trotz des immensen
Trubels und der überall mit Schlagstöcken präsenten Polizei ist kein
einziges Mal Aggressivität zu spüren. Hart ist dagegen die Rede von
Arundhati Roy, einer der EröffnungsrednerInnen: Es reiche nicht mehr aus,
beim Weltsozialforum über eine besser Welt zu reden. Das Forum müsse
angesichts des Strebens der US-Regierung um die weltweite Vorherrschaft
erwägen, "sich im Krieg zu befinden". "Wenn wir gegen Imperialismus und
Neoliberalismus sind, dann müssen wir den Widerstand im Irak nicht nur
unterstützen, dann müssen wir zum Widerstand im Irak werden." Daher sollten
am Ende des Forums zwei US-Konzerne als Ziele einer Kampagne bestimmt
werden. Diese sollte laut Arundhati Roy das Ziel haben, die Firmen "dicht"
zu machen. Vor ihr hatte auch die iranische Friedensnobelpreisträgerin
Shirin Ebadi die USA wegen ihrer Afghanistan- und Irakpolitik kritisiert.
Beide Länder wären "gegen internationales Recht besetzt" worden. Ebadi
griff jedoch auch die russische Regierung an, die in Tschetschenien täglich
Kriegsverbrechen begehe.
Ob die harte Rhetorik von Arundhati Roy bei allen TeilnehmerInnen ankommt,
ist fraglich. Einige fürchten den negativen Niederschlag ihrer Rede in den
Medien und dass dies alle beim Forum geäußerten Forderungen nach einer
friedlicheren und humanitären Welt überdecken könnte. Auch wir haben ein
mulmiges Gefühl bei dieser Kriegsrhetorik. Währenddessen zieht zum
wiederholten Mal die tibetische Delegation, die für eine "Friedensnation
Tibet" eintritt, singend vorbei .....
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17. Januar 2004: Tagebuch aus Mumbai Tag Zwei
Von dem in den Medien gezeigten japanischen "Friedensboot", das gestern mit
rund 700 Irak-KriegsgegnerInnen an Bord im Hafen der
18-Millionen-Einwohner-Stadt Mumbai angelegt hat, haben wir am Konferenzort
gar nichts mitbekommen. Am zweiten Tag des Weltsozialforums sind noch mehr
Leute in den Straßen und Gässchen des Industriegeländes NESCO unterwegs.
Große Gruppen von Delegierten aus sämtlichen asiatischen Ländern sind
gemeinsam unterwegs, skandierend und singend. Dazwischen versprengte
Häufchen von EuropäerInnen. Das Angebot von interessanten Workshops ist
überwältigend. Während Martina sich heute das Thema Handel herausgepickt
hat, habe ich mir die Veranstaltungen rund um Wasser und Landwirtschaft
herausgesucht. Mein erster Weg führt mich zu einer indischen Initiative
"trees for survival". Die Konferenzsprache ist Hindi, zusammenfassend wird
auf Englisch übersetzt. Zur zweiten Veranstaltung werden 8000 Menschen
erwartet. José Bové spricht bei dieser Gelegenheit und Medha Patkar, eine
in Indien ungeheuer bekannte und beliebte Aktivistin gegen den Narmada
Staudamm. José Bové prangert die Aktivitäten großer Konzerne in Indien an
und meint, fast schon in Anlehnung an Arundhati Roy: "Zu Coca Cola,
Monsanto und Nestlé wird Indien wie weiland Gandhi zu den Briten sagen:
Geht jetzt." Die dritte Veranstaltung wird vom neu gegründeten Peoples
Water Forum angeboten, Proponentin ist die vor allem im Ausland bekannte
Umweltaktivistin Vandana Shiva. Schlusssatz von Vandana Shiva: "Später
werden wir einmal sagen: Die Privatisierung von Wasser war einmal die dumme
Idee von ein paar Reichen." Die Veranstaltung über die
Welthandelsorganisation (WTO) lockt etwa 400 ZuhörerInnen an. Ein Panel von
SprecherInnen aus Indien, den Philippinen, Spanien, Brasilien und Simbabwe
(unter ihnen Vandana Shiva und Walden Bello) rekapituliert nochmals, warum
die WTO-Verhandlungen in Cancún einfach scheitern mussten: Unzufriedenheit
über den von den USA und der EU gesteuerten Prozess gäbe es schon seit
längerem, eine Gruppe von etwa 15 Ländern habe bereits während der
Vorverhandlungen Kontakt zueinander aufgenommen und ihren Unmut geäußert.
Nicht nur große Entwicklungsländer, wie sie in den G 20 versammelt wären,
hätten die Verhandlungsrunde scheitern lassen, sondern auch die Gruppe der
allerärmsten, kleineren Länder, die sog. G 90. Die
Nichtregierungsorganisationen hätten ihr Wissen während der Verhandlungen
vor allem jenen Ländern zur Verfügung gestellt und sie unterstützt. Auch
Dot Keet, Wissenschaftlerin und langjährige Aktivistin spricht wie
Arundhati Roy am Vortag von einem "Krieg", einem "Kampf der Ideen". Keet
ist überzeugt, dass sich die neoliberale "Idee" in der Defensive befindet
und ständig neue Rechtfertigungsstrategien erfinden muss. Vandana Shiva
meint, dass die Basis und der Ausgangspunkt des Kampfes gegen den
Neoliberalismus zu Hause, im eigenen Land beginnen muss. Die eigenen
Regierungen müssten zuallererst überzeugt werden. Am Nachmittag besuchen
wir eine Veranstaltung der "Global Greens", bei dem drei "grüne" Dokumente
vorgestellt werden: 1. Das Johannesburg-Memo (www.joburgmemo.org), das im
Vorfeld der UN-Entwicklungskonferenz von Johannesburg (2002) von 16
PolitikerInnen, UnternehmerInnen und AktivistInnen erstellt worden war. Das
Memo rekapituliert nochmals den Prozess seit der UN-Konferenz in Rio im
Jahr 1992 und stellt fest, dass sich im Umweltbereich in diesen 10 Jahren
nicht wirklich etwas geändert hat. Dann werden konkrete Änderungsvorschläge
gemacht, wie eine Änderung der Preisstruktur (Hereinnehmen von
Umweltkosten) oder eine Reihe von institutionellen Reformen. 2. Die Charta
der Global Greens aus dem Jahr 2001, die trotz der enormen kulturellen,
wirtschaftlichen und auch politischen Verschiedenheiten der einzelnen
Grünparteien zustande kam. 3. Ein Vorschlag der finnischen Grünen und des
South Asian Dialogues on Ecological Democracy (Vasudhaiva Kutumbakam) für
eine ökologische Demokratisierung. Dabei werden Umweltprobleme in ihrem
sozialen Kontext analysiert. Während der Diskussion werden von Seiten
indischer TeilnehmerInnen interessante und teilweise provokante Fragen
gestellt: Gehen Demokratie und nachhaltiger Lebensstil immer zusammen, wenn
die Mehrheit der InderInnen etwa einen westlichen (eben nicht nachhaltigen)
Lebensstil anstrebt? Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit von
Entwicklungshilfe aus? Sollten nicht eher Reparationen von den reichen
Ländern verlangt werden, die den armen Ländern durch ihren Lebensstil
Ressourcen entziehen? Fragen, die selbst in einem dreistündigen Workshop
kaum beantwortet werden können.
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18. Januar 2004: Tagebuch aus Mumbai Tag Drei
Die indischen Gastgeber des Weltparlamentariertreffens, das parallel zum
Weltsozialforum am 18. und 19. Januar in Mumbai tagt, legen großen Wert
darauf, dass die pakistanische Delegation prominent auf dem Podium
vertreten ist. Deshalb also ein verspäteter Beginn. Das Eröffnungsplenum
zum Thema "Die Geschichte des Internationalen ParlamentarierInnennetzwerks"
wurde um die Frage erweitert, warum es von besonderer Bedeutung sei, dass
diese Veranstaltung erstmals in Asien stattfindet. Indien und Pakistan, die
ewig verfeindeten "Geschwister", befinden sich gerade auf einem
historischen Pfad der Annäherung. Im Nachmittags-Workshop wird die Frage
"Post-Cancún" behandelt wird und welche Strategie hier wohl zu einer
gerechteren Welt führt. Die Statements der VertreterInnen der
Entwicklungsländer unterscheiden sich nicht substantiell von den
Stellungnahmen der Verhandler in Cancún.
Agrobusiness is overruling Agriculture Der Vertreter Indiens beklagt, dass
der Zugang zu den internationalen Agrarmärkten für Indien weiterhin
versperrt bleibt. 65 % der indischen Bevölkerung lebt von der
Landwirtschaft zu einem großen Teil in Subsistenzwirtschaft. Seit dem
Beitritt zur WTO sind die Preise immer tiefer in den Keller gerasselt. Und
die USA und die EU halten weiter am Exportstützungssystem fest. Der
indische Vertreter fordert entweder eine Abschaffung aller
Stützungsmaßnahmen (auch jener, die der blue und green box zugeschrieben
werden, also Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung und Umweltschutzprogramme
) oder die Einführung einer sog. livelihood Box (das, was die NGOs
Development-Box nennen).
Entkoppelung ist nur ein anderes Wort für Dumping Verbitterung herrscht
auch über die groß angekündigte Reform der EU-Agrarpolitik. Die
lateinamerikanischen ParlamentarierInnen fordern, dass die Landwirtschaft
überhaupt aus dem WTO- Regime herausgenommen wird. Unsere Forderungen im
Bereich der Landwirtschaft sind nicht neu, aber zeitlos: Abschaffung der
Exportstützungen jetzt, Verbot der genetisch modifizierten Organismen,
Nachhaltigkeit als Querschnittsmaterie für alle Bereiche der Landwirtschaft
inklusive der Fischerei. Was das GATS-Regime betrifft, verweisen wir in
unserem Statement auf die großen Erfolge der Stopp GATS Kampagne: über 60
% der Anfragen an die EU Kommission kamen allein aus Österreich! Unser
Schwerpunkt: Wasser ist keine Ware! Die Dienstleistung Wasserversorgung
kann nicht privatisiert werden. Erst müssen die vielerorts bereits
existierenden Erfahrungen mit Privatisierung evaluiert werden.
Die Verantwortung von Unternehmen Wenn von mehr Transparenz bei den
WTO-Verhandlungen gesprochen wird, wird gern auf das Agieren der Multis
vergessen: Corporate Social Responsibility (CSR) und die Codes of Conduct
sollen die Verantwortung der großen Firmen einmahnen und, damit das Ganze
nicht zum "Grünwaschen" verwendet wird, fordern wir einen unabhängigen
Monitoring Prozeß.
Der Ablauf des Parlamentarierforums kommt dem ganz normalen Politikalltag
ziemlich nahe. Aber dann geht's zurück zum Sozialforum. Zu Fuß vorbei an
den "unberührbaren" Einwohnern von Mumbai, die unter den Brückenpfeilern
mit ihren winzigen Kindern unter kaum vorstellbaren Bedingungen überleben,
vorbei an Polizei mit Schlagstöcken, die sie nicht einsetzen mussten bisher
und hinein in einen nicht enden wollenden Menschenfluss, der zwischen den
Hallen, den Ständen und dem großen offenen Platz hin- und herwogt, dass es
eine Freude ist!
Dort treffen wir nach einem sehr interessanten und informativen Workshop
über die Schulden des Irak (wobei die im nächsten halben Jahr anstehenden
Schuldenstreichungen auch Österreich treffen werden), auf einen Großteil
der in Mumbai anwesenden ÖsterreicherInnen. Bei dem kurzfristig angesetzten
ÖsterreicherInnentreffen tauschen wir unsere bisherigen Erfahrungen und
unsere Schlussfolgerungen für unsere künftige Arbeit aus und geben
Programmempfehlungen für die restlichen noch verbleibenden Tage.
Der lange Tag schließt mit einem abendlichen internen Workshop der
Friedrich Ebert-Stiftung, zu der wir bereits vor unserer Abfahrt eingeladen
wurden und wo es um die Zusammenarbeit von ParlamentarierInnen, NGOs und
lokalen Initiativen ging, damit "eine andere Welt möglich" werde.
Erfrischend zu hören, dass oppositionelle ParlamentarierInnen aus Indien
manchmal ganz ähnlich Erfahrungen mit Mangel an Information etc. machen wie
wir! Die deutsche SPD-Abgeordnete beschließt den Abend mit dem Appell an
die NGOs, die ParlamentarierInnen mit (alternativen) Informationen zu
versorgen und bittet um Verständnis, dass nicht immer alles, was notwendig
sei, erledigt werden könnte. Denn auch ParlamentarierInnen seien keine
"eierlegenden Wollmilchsäue".
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19. Januar 2004: Tagebuch aus Mumbai Tag Vier
Heute war der zweite und letzte Tag des Weltparlamentarier-Forums. Es
begann gleich mit einer Programmänderung: Der Vertreter der tibetischen
Exilregierung konnte nun doch ein Statement verlesen, bei dem er für das
Modell des Dalai Lama warb, aus Tibet eine "Nation des Friedens" zu machen.
Schon am Tag zuvor hatten die TibeterInnen am Eingang des Forums
demonstriert und Infomaterial verteilt, weil ihnen der Zutritt verwehrt
worden war.
Das "reguläre" Programm widmete sich danach in zwei Workshops einerseits
der Frage nach "Krieg und Frieden in Asien" (was natürlich auf den Konflikt
zwischen Indien und Pakistan um Kaschmir anspielte) und der Frage nach dem
"Aufbau einer internationalen wirtschaftlichen und sozialen Weltordnung".
Bei letzterem erschöpften sich die Statements leider auf eine Analyse des
Status Quo: Dominanz von spekulativem Kapital, das Problem der
Freihandelszonen, das Schuldenproblem, die wieder zunehmende atomare
Aufrüstung, etc. Also nichts unbedingt Neues. Beim Friedens-Workshop hielt
ein pakistanischer Vertreter ein brennendes Plädoyer für Zusammenarbeit und
Nähe zwischen dem indischen und pakistanischen Volk: "Wir sprechen dieselbe
Sprache, schauen mit unseren Familien dieselben gefühlvollen Filme an und
lieben dieselben Gewürze, also was hindert uns, eine Gemeinschaft nach dem
Vorbild der EU zu begründen?" Eine baskische Abgeordnete kam auf die
Verschlechterung der Situation ihres Volkes zu sprechen. Ein Delegierter
der griechischen Kommunisten fand, dass Europa aufrüstet, um den
Anforderungen der USA zu genügen. Schließlich berichtete ein amerikanischer
Delegierter von einer Friedensstädtepartnerschaft in den USA und sprach die
Hoffnung aus, dass die USA nach den Wahlen zu einer anderen Politik finden
werde.
Am Nachmittag ging es um die wichtige Frage, was ParlamentarierInnen zum
Aufbau einer gerechteren Welt beitragen können. Hier wurde vor allem vom
Briten Jeremy Corbyn (einem der Eröffnungsredner des Sozialforums)
hervorgehoben, dass es noch viel mehr an Zusammenarbeit zwischen den
Abgeordneten der verschiedenen Länder bedürfe, als Informationsaustausch
und um Themen oder Probleme bekannter zu machen. Weiters regte er zu Recht
an, die Verbindung zwischen dem Parlamentarier- und dem Sozialforum enger
zu gestalten. So saß keine einzige Vertreterin und kein Vertreter des
Sozialforums bei den Abgeordneten am Podium. Am Ende begann die heiße
Debatte um den bereits am Vortag verteilten Textvorschlag für das
Abschluss-Statement des Forums, den ein internationales Vorbereitungsteam
(in dem auch Grüne sehr aktiv waren) erstellt hatte. Der Entwurf war zwar
gut, aber für eine Deklaration zu umfangreich. Aus unserer Sicht fehlte die
Rolle der multinationalen Konzerne.
Wir brachten daher einen Textvorschlag ein, der die Forderung enthielt,
dass die freiwilligen Codes of Conduct, die sich viele (v.a. international
tätige) Firmen bereits verordnen, einer unabhängigen Prüfung bedürfen.
Sonst ist die Gefahr groß, dass die "soziale Verantwortung" für
"greenwashing" benützt wird. Auch sollten freiwillige Verhaltenscodes nicht
nationale Gesetzgebungen schwächen.
Für 2004 stehen für das WPF ehrgeizige Vorhaben auf der Tagesordnung:
* Der 20. März 2004 soll zum internationalen Tag der Mobilisierung gegen
Krieg und die Bush-Doktrin werden mit Schwerpunktaktionen für
Konfliktregionen wie Palästina Israel, Indien Pakistan, Mindanao und
die koreanische Halbinsel. Ein absolutes Verbot für Nuklearwaffen muss
international gefordert werden.
* Das UNCTAD Treffen in Sao Paulo im Juni 2004 wird für eine
Weiterentwicklung der sozialen und umweltpolitischen Agenda genutzt.
* Mit dem 2. und 3. April 2004 werden Tage der gewerkschaftlichen Einheit
in Europa unterstützt.
*Das nächste reguläre WeltparlamentarierInnentreffen wird im Jänner 2005
wieder parallel zum Weltsozialforum in Porto Alegre, Brasilien abgehalten.
Abg. z. NR Heidemarie Rest-Hinterseer
Regionensprecherin
Grüner Klub im Parlament
1017 Wien
Tel: +43 1 40110-6323
Fax: +43 1 40110-6793
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