[E-rundbrief] Info 61 - RB Nr.111 - Mairead Corrigan Maguire: Lektionen aus Nordirland

Matthias Reichl mareichl at ping.at
Sa Nov 1 15:50:34 CET 2003


E-Rundbrief - Info 61 - RB. Nr 111 - Mairead Corrigan Maguire: Lektionen 
aus Nordirland

Bad Ischl, 1.11.2003

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at

=========================================

Lektionen aus Nordirland

  Festrede von Mairead Corrigan Maguire

  ... Nordirland mit seinen 1,5 Millionen Menschen ist nur ein Mikrokosmos 
und spiegelt das, was auf der Welt passiert und weiterhin passieren wird, 
denn seit dem Fall der Berliner Mauer steigt die Zahl der ethnischen 
Konflikte. Wir als Weltfamilie müssen diese Konflikte studieren und lernen, 
damit umzugehen.

  In Nordirland selbst gibt es verschiedene Konflikte: ethnische, 
politische, soziale, historische und religiöse. Daher brauchen wir einen 
multidimensionalen Ansatz, um all diese Probleme zu lösen. Eines kann 
Nordirland der Welt zeigen: Dass Militarismus von Regierungen, das 
Beiseite-lassen von BürgerInnenrechten und die Gewalt paramilitärischer 
Organisationen die Probleme menschlicher Beziehungen und ungerechter 
Institutionen nicht lösen. Militarismus und Paramilitarismus funktionieren 
nicht.

  Als Bush und Blair die Welt gegen den Willen der Menschen in einen Krieg 
führten, war es für mich am tragischsten zu sehen, dass Premierminister 
Blair all das bei Seite ließ, was er aus dem Konflikt in Nordirland gelernt 
hatte, und den gegenteiligen Weg ging, um die Irakkrise zu lösen.

  Ich habe jetzt nicht die Zeit, um auf alle Details des Friedensprozesses 
in Nordirland, an dem wir arbeiten, einzugehen. Es genügt zu sagen, dass 
wir uns auf die Wiedereinsetzung unserer politischen Institutionen freuen, 
denn im Augenblick werden wir von London regiert. Wir freuen uns auf 
politische Reformen der Polizei und die Umsetzung der Menschenrechtsagenda. 
Und wir freuen uns auf den Tag, an dem die Menschen Nordirlands reif genug 
sind, um ihre eigenen politischen Institutionen zu organisieren und als 
Bevölkerung zusammenarbeiten. Am wichtigsten ist es, dass die BürgerInnen 
den Frieden selbst erarbeiten, das verloren gegangene Vertrauen zwischen 
den Gemeinschaften und Freundschaft aufbauen und das Vertrauen haben, dass 
eine entsprechende Politik und richtige Beziehungen möglich sind. Es ist 
dringend nötig, dass die Bewegung für den Frieden von allen einfachen 
Menschen getragen wird. Man baut kein Haus von oben nach unten, sondern vom 
Fundament zum Dach. Diese Arbeit an der Basis ist die Aufgabe der 
FriedensaktivistInnen...

  ... Auch die Zusammenarbeit mit Gruppen aus der ganzen Welt ist uns ein 
Anliegen, denn wir haben nur diese eine Welt. Es gibt ein Bewusstsein, dass 
wir als menschliche Familie in einem wundervollen neuen Weg miteinander 
verbunden sind.

  ... als der Krieg im März begann, wurden 60 FriedensaktivistInnen, u.a. 
auch der Präsident des US-amerikanischen Versöhnungsbundes, vor dem Weißen 
Haus verhaftet - mittlerweile bin ich müde vom Überklettern von Zäunen.

  Ich erzähle euch dies ..., weil die Vernetzung und Solidarität, 
insbesondere mit US-amerikanischen FriedensaktivistInnen, besonders wichtig 
ist. In den USA führten letztes Jahr über 7.000 AktivistInnen Aktionen des 
zivilen Ungehorsams durch und heute sind hunderte AktivistInnen im 
Gefängnis, weil sie gegen ihre eigene Regierung gewaltfrei gegen den Krieg 
aufgestanden sind. Wir müssen diese AktivistInnen unterstützen, denn die 
Mainstream-Medien in den USA haben ihre Stimmen zum Schweigen gebracht ...

  ... Die derzeitige Politik der Regierung der USA ist darauf ausgerichtet, 
die Welt zu militarisieren, zu dominieren und die Ressourcen der Armen zu 
kontrollieren. Die Politik der präemptiven Kriege ist gegen den Willen der 
Vereinten Nationen und der Menschen. Mit vereinten Kräften müssen wir die 
USA und Großbritannien für ihren Völkerrechtsbruch zur Rede stellen. Die 
Welt sagte Nein, aber sie führten uns in den Krieg und wir müssen sie dafür 
zur Verantwortung ziehen. Wenn wir das nicht tun, wird es Krieg im Iran, in 
Nordkorea und im Sudan geben. Wir müssen mobilisieren und unsere Stimme 
erheben gegen die Politik präemptiver Kriege und für die Vereinten 
Nationen, für Dialog und Verhandlungen, um die Probleme der Welt zu lösen. 
Wir müssen unsere Stimmen auf gewaltfreie Weise erheben - und zwar lauter, 
als wir das bis jetzt getan haben.

  Wir haben zur Zeit die größte Friedensbewegung, die es jemals gab. Sie 
arbeitet für alternative Politik, doch die PolitikerInnen sind nicht mit 
den Gefühlen der Menschen an der Basis verbunden - wir möchten nicht, dass 
Kinder verhungern oder in Kriegen umkommen. Wir müssen die Menschen mit 
ihren PolitikerInnen in Beziehung bringen - PolitikerInnen sind nicht 
unsere Feinde, sondern unsere FreundInnen. Sie sind gute Menschen und haben 
selbst Familie und Enkel und möchten auch, dass unsere Welt überlebt. Wir 
müssen sie erreichen und ihre Denkweise verändern, damit ihre Politik eine 
ethische Grundlage bekommt. Das erreichen wir mit Gewaltfreiheit. Wir 
können nichts ausrichten, wenn wir ärgerlich werden und meinen, dass sie 
nicht so gute Menschen wären wie wir. Wir alle versuchen, eine bessere Welt 
aufzubauen und niemand hat alle Antworten. Lasst uns also mit den 
politischen und religiösen FührerInnen sowie den WissenschaftlerInnen 
zusammenarbeiten, damit wir Weisheit und Mut erreichen und Lösungen 
gemeinsam finden können ...

=================================================

Matthias Reichl
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
Wolfgangerstr.26
A-4820 Bad Ischl
Tel. +43-6132-24590
e-mail: mareichl at ping.at
http://www.begegnungszentrum.at




Mehr Informationen über die Mailingliste E-rundbrief