[E-rundbrief] Info 15 - RB Nr. 109/110, Jose Bove - Gentechnik - Larzac - Proteste gegen WTO
Matthias Reichl
mareichl at ping.at
Mi Aug 20 21:53:28 CEST 2003
E-Rundbrief - Info 15
Bad Ischl, 20.8.2003
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
109. und 110. Rundbrief (2 und 3/2003) 27. Jhg.,
Doppelnummer Frühling und Sommer 2003
August 2003
Teil 8:
Larzac - Protestversammlung gegen WTO
In Südfrankreich 300.000 gegen Globalisierung
Matthias Reichl
José Bové verließ Gefängnis - weiter aktiv gegen Gentechnik und WTO
Ein Gericht in Montpellier (Südfrankreich) hatte der vorzeitigen
Haftentlassung des französischen Bauernaktivisten und
Globalisierungsgegners José Bové für den 2. August 2003 zugestimmt. Die
verbleibende Strafe solle in gemeinnütziger Arbeit abgegolten werden,
erklärte Bovés Anwalt Francois Roux. Bové war am 22. Juni nach einer
gewalttätigen Aktion der Spezialpolizei wie ein Schwerverbrecher ins
Gefängnis eingeliefert. Er sollte eine insgesamt zehnmonatige Haftstrafe
wegen Zerstörung gentechnisch veränderter Pflanzen verbüßen. Über 800.000
Protestschreiben von Sympathisanten an den Staatspräsidenten Chirac- im
Rahmen einer europaweiten Kampagne - zeigten offensichtlich Wirkung.
Mit seinen gewaltfreien Protestaktionen riskierte er immer wieder
gerichtliche Sanktionen. Im vergangenen Jahr saß er wegen einer Aktion
gegen eine McDonald's-Filiale in Millau 43 Tage im Gefängnis.(APA/AP, red.
M.R.)
Ist das Protestieren/ Demonstrieren gegen die Gefährdung durch
Gentechnikprodukte und durch andere Auswirkungen der Globalisierung nicht
eine vorrangig "gemeinnütziger Arbeit" - in Frankreich und europaweit gegen
die EU-Entscheidung für eine "Koexistenz" von Genpflanzen neben
gentechnikfreien? Jedenfalls konnten Bovés Freunde vom Larzac ihn bei ihrem
Treffen auf dem Larzac vom 8. - 10.8. entsprechend feiern - dank der
rechtzeitigen Entscheidung des Gerichts von Montpellier.
In einem Protestbrief an die Botschaft Frankreichs in Wien erklärt Dr.
Elisabeth Moser aus Salzburg die Beweggründe des gewaltfreien Widerstandes
gegen die Gentechnik und ihre Lobbyisten:
"...(Bovés) 10-monatige Inhaftierung steht in keiner Relation zu den
Vorkommnissen. Er ist gegen die Gentechnik-Lobbies und ihre
Manipulationsmaschinerie massiv und in französischer Tradition
aufgetreten!! Einer Tradition übrigens, auf der sich die französische
Demokratie begründet! Diese Inhaftierung erfolgte aus politischen Motiven
und ist eines europäischen Staates unwürdig!
Im Saatgutbereich Gentechnologie beherrschen bereits nur (!) 4 Firmen
zu 100% den Markt!
WEM NÜTZT DIE GENTECHNOLOGIE IN DER LANDWIRTSCHAFT? WER HAT DIE VORTEILE?
Wer eine Pflanze oder ein Tier gentechnisch verändert, kann sich seine
Kreation patentrechtlich schützen lassen und wird damit zum Eigentümer
einer ganzen Tier- und Pflanzenart, deren Reproduktion ihn anschließend
keinen Cent kostet. Dann kauft er konkurrierendes Saatgut auf, lässt es
sich ebenfalls patentieren oder nimmt es vom Markt - und schwingt sich auf
diese Weise zum Eigentümer einer ganzen Gattung auf. Hier wird das Recht
der Industrie, das Warenrecht, auf Leben angewandt. Die Gentechnik ist ein
Mittel, um auch auf Lebewesen Lizenzgebühren erheben zu können. (José Bové
und Francois Dufour: Die Welt ist keine Ware. Bauern gegen Agromultis.,
2001, Rotpunktverlag)
Das jahrtausendealte Bauernrecht, aus der Ernte Saatgut zu gewinnen um
es selbst wieder anzupflanzen oder mit anderen Bauern zu tauschen wird
durch Patente außer Kraft gesetzt und zu einem kriminellen Akt. Die
Zusatzausgaben für Lizenzzahlungen und Nachbaugebühren werden die
Überlebensfähigkeit vieler Klein- und SubsistenzbäuerInnen in Frage
stellen. In den Ländern des Südens mit einem überwiegenden Anteil an
ländlicher, bäuerlicher Bevölkerung wird diese Entwicklung die
Armutsspirale beschleunigen und die Landflucht verschärfen. Im Norden
werden den kleinstrukturierten Landwirtschaftsbetrieben die
Existenzgrundlagen entzogen werden.
Wer sich gegen die Agrolobbies nicht zur Wehr setzt, will dass die Welt
zur Ware wird."
Dr. Elisabeth Moser
Anuradha Mittal - Co-Direktorin der US-Basisbewegung für Ernährung
"Food First" - charakterisiert die internationale Politik, die hinter
diesen - und weiteren - Repressionen steht: "Die ist ein Teil einer
fortschreitenden Kriminalisierung des weltweiten Dissenses, ein Prozess,
der von der Bush-Administration geschürt wird. José Bové wurde aus
politischen Gründen eingesperrt, um die gentechnik-förderndende US-Politik
zu besänftigen und um die Aktivisten und Bauern zu warnen, dass ihre
Ablehnung nicht toleriert wird." Die Antwort aus den Bewegungen ist
unmißverständlich: "Diese repressiven Maßnahmen sind ungerecht und müssen
daher gestoppt werden! Bovés muss ohne Bedingungen freigelassen werden!"
Über 30 Jahre Larzac-Bewegung
Die Protestkampagnen von José Bové und seinen Mitstreitern haben ihre
Wurzeln in der "Larzac-Bewegung" ("Gardarem lo Larzac", ) von 1971 bis
1981. Die Schafbauern verteidigten mit kreativen, gewaltfreien Aktionen und
Kampagnen ihr Land gegen die Enteignung - zur Vergrößerung eines
Militärcamps zu einem NATO-Stützpunkt - für Manöver und Waffentests.
1975 und '77 erlebten Maria und ich - mit unseren kleinen Kindern - den
entschlossenen gewaltfreien Kampf und die Gemeinschaft der Larzac-Bewohner.
Sie haben nicht nur eigenständige politische Aktionsformen entwickelt und
ihre alte occitanische Kultur wiederbelebt sondern auch - unter anderem in
ihrer "Larzac-Universität" - an landwirtschaftlichen Alternativen
gearbeitet. Diese Erfahrungen haben auch uns in unserem Engagement geprägt.
Anknüpfend an große "politische Festivals" vor 30 Jahren versammelten
sich Bauern und Globalisierungskritiker vom 8. - 10. August wieder, diesmal
"für eine solidarische Welt, die nicht käuflich ist". So wie 1973 und 1974
kamen an die 300.000 Aktivisten und Interessierte aus einer Vielfalt von
Basisbewegungen. José Bové rief dazu auf, mit gewaltfreien Mitteln die
WTO-Konferenz in Cancun wie jenes in Seattle (1999) zum Scheitern zu
bringen. Am Samstag mussten die Veranstalter sogar die Gendarmerie bitten,
die Straßen zu sperren weil für die unerwartet vielen Besucher die
Versorgungseinrichtungen nicht ausreichten. Ein Beweis, dass sich ihre
Initiativen landesweit ausgebreitet und vernetzt haben. Mehr zum Treffen
unten im Bericht von "indymedia".
Infos zu José Bové: Buch: José Bové und Francois Dufour, Die Welt ist
keine Ware. Bauern gegen Agromultis. 2001, Rotpunktverlag.
Homepages der Bauernbewegungen: www.confederationpaysanne.org
www.foodfirst.org/action/2003/JoséBové.html
Info zu Larzac: www.monde-solidaire.org, www.larzac2003.org,
In der Rubrik "Antimilitarismus, Kritischer Konsum, Umweltschutz,
Sozialismus, Dritte Welt" berichtete die Zeitschrift "graswurzelrevolution"
in ihrer Nr. 0/1972 über die Anfänge der Larzac-Bewegung 1972 - im Internet
archiviert: http://www.graswurzel.net/0/larzac.shtml
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Larzac D'autres mondes sont possible
von noglobal - 11.08.2003 20:54, geschrieben am Sonntag, 10 August 2003-11.41
+annähernd 300.000 bei der Versammlung auf dem Larzac++Motto: D'autres
mondes sont possible (andere Welten sind möglich)++Protest gegen den
WTO-Gipfel in Cancun/Mexiko++José Bové ruft zum verstärkten Wiederstand
gegen gentechnisch verändertes Saatgut auf+
Viele der annähernd 300.000 Menschen, die am Wochenende auf dem Plateau von
Larzac (100 km nördlich von Montepellier/Südfrankreich) waren, sind schon
wieder auf der Heimreise. Das Hauptkonzert am Samstag dauerte bis in den
frühen Morgen.
Die Höhepunkte waren Manu Chau (Spanien) und eine kurze Rede des
Auslandssprechers der Confédération paysanne, José Bové. "José Bové kennt
in Frankreich jeder", so ein Journalist von indymedia Paris. Seine
Inhaftierung im Mai, wegen des Abbrennens eines Versuchsfeldes mit Gen-Mais
hat seine Popularitaet weiter erhöht. José Bové wurde am 02. 08. 2003 unter
Auflagen und vorläufig aus der Haft in Montepellier entlassen. Seine
Popularitaet führt dazu, daß die Themen der AnitGlobbewegung stärker in der
öffentlichen Diskussion stehen.
Protest hat in Larzac Tradition! Anfang der 70-er Jahre wollte die
französische Zentralregierung einen bestehenden Lufftwaffenstützpunkt um
einen Truppenübungsplatz erweitern. Die ersten Proteste lassen sich auf das
Jahr 1973 also vor 30 Jahren- datieren. Die Auseinandersetzungen mit der
Staatsmacht waren teilweise heftig, führten aber 1981 dazu, daß auf das
Projekt verzichtet wurde. Nur auf diesem Hintergund kann man verstehen,
woher die Leute hier ihr Selbstbewußtsein und ihr Engagement, über den
unmittelbaren Lebensbereich hinaus, haben.
Die Leute sind es gewohnt, Kämpfe zu führen, von denen der Staat sagt,
daß sie "aussichtslos" wären. Und das ist ein Grund, weshalb die
Versammlung auf dem Larzac stattfindet. Es geht auch um den Protest gegen
den im September in Cancun/Mexiko stattfindenden WTO-Gipfel.
Schwerpunktthemen in den einzelnen Konferenzzelten waren: gentechnisch
veränderte Organismen, Privatisierung (Wasser, Energie,
Gesundheitsfürsorge,
), landwirschaftliche Themen wie Antibiotikaeinsatz
bei Tieren. Das Programm fand auf acht Seiten gerade so Platz!
Eine Vielzahl von Gruppen und Organisationen nutzten die Möglichkeit,
ihre aktuellen Projekte vorzustellen. Die Organisation und Logistik war
absolut professionell! Die OrganisatorInnen haben sich wirklich gut um ihre
Gäste gesorgt! Über fünfzig Organisationen haben die Versammlung
ermöglicht. Die in Deutschland bekanntesten sind die Gewerkschaft cgt und
Attac-Frankreich.
Bei 40°C 30 Minuten am Wasserwagen anzustehen ist kein Spaß! Aber
niemand drängelte, niemand schimpfte. Es war, wie überall, ein wirklich
solidarischer Umgang miteinander.
Und es war eine Abwechslung, die Leute einmal nicht bei irgendwelchen
Gipfelprotesten, in einer, von Tränengas eingenebelten, Stadt zu treffen.
Sondern dort, wo sich Menschen ein Stück Freiheit erkämpft haben: auf dem
Plateau von Larzac.
10.8.2003
http:// germany.indymedia.org/2003/08/59375.shtml
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