[E-rundbrief] Info 12 - RB Nr. 109/110: Vandana Shiva: Wasserkonzerne und Krieg; EU-Wassergemeinschaft
Matthias Reichl
mareichl at ping.at
So Aug 17 21:01:15 CEST 2003
E-Rundbrief - Info 12
Bad Ischl, 17.8.2003
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
109. und 110. Rundbrief (2 und 3/2003) 27. Jhg.,
Doppelnummer Frühling und Sommer 2003
August
2003
Teil 5:
Bechtel und Blut für Wasser:
Krieg als Ausrede für die Ausweitung der Herrschaft der Konzerne
Vandana Shiva
25.April 2003
Vandana Shiva ist eine weltbekannte Autorin und Aktivistin aus Indien,
bekannt für ihre Kritik an der Gentechnik, an industrialisierter
Landwirtschaft und an der Globalisierung.
Englische Veröffentlichung im Zmagazine, Mai 2003
Einen Monat nach Beginn des Krieges gegen den Irak taucht der wirkliche
Sieger auf. Bechtel hat einen 680 Millionen Dollar Vertrag für den
Wiederaufbau des Irak erhalten.
Der von der USA geführte Krieg bombte erst die irakischen
Krankenhäuser, Brücken und Wasserwerke aus, und jetzt ernten die
US-Konzerne die Profite des "Wiederaufbaus" einer Gesellschaft, die zuvor
absichtlich zerstört wurde. Blut wurde nicht nur für Öl vergossen, sondern
auch für die Kontrolle über Wasser und andere lebenswichtige
Dienstleistungen. In einer Periode sinkenden Wirtschaftswachstums und einer
Verlangsamung des Molochs Globalisierung wurde Krieg zu einer
gebräuchlichen Entschuldigung für die Ausweitung der Herrschaft der
Konzerne. Wenn die WTO nicht ausreicht führen wir Krieg.
Dies scheint die zugrundeliegende ökonomische und politische
Philosophie der herrschenden Neo-Konservativen der USA zu sein, die
versuchen die Welt zu beherrschen.
In den letzten Monaten hat sich die totale, faule Korruption gezeigt,
auf die die neue Weltordnung aufgebaut ist.
Bob Herbert stellt im Zeitungsartikel "Fragt Bechtel, wofür der Krieg
gut ist" (International Herald Tribune, 22 April 2003, S.6) fest:
"Warum George Shultz lächelt"
Shultz, dessen Photo genauso gut neben irgendeiner Definition des
militärisch-industriellen Komplex erscheinen könnte, war Staatssekretär
unter Präsident Ronald Reagan. Er war das ewige Schwergewicht der mächtigen
Bechtel-Gruppe aus San Franzisko. Früher regierte er die Gruppe als
Präsident, inzwischen ist er Mitglied des Aufsichtsrats und Senior Berater.
Edwin Starr, Sänger der Anti-Kriegswegung trat wie eine Ironie des
Schicksals diesen Monat seine ewige Ruhe an, genau zu dem Zeitpunkt, als
sich die US-Bodentruppen nach Bagdad wälzten. Im Gegensatz zu ihm behauptet
Shultz zu wissen, wofür Krieg gut ist.
Denn er wollte diesen Krieg mit dem Irak. Und wie er diesen Krieg
wollte. Shultz war Vorsitzender des wildgewordenen Pro-Kriegs-Komitees für
die Befreiung des Iraks. Dieses Komitee hatte sich neben der politischen
Befreiung des ölreichen Landes dem gewinnbringenden "Wiederaufbau seiner
Wirtschaft" verschrieben.
Unter der Überschrift "Jetzt Handeln, Gefahr ist im Verzug" schrieb
Shultz im letzten September in einem Artikel in der Washington Post: "Es
gibt einen starken Zusammenschluß Grundlage für eine sofortige
Militäraktion gegen Hussein und für eine multilaterale Bemühung den Irak
wieder aufzubauen, nachdem er weg ist."
Ich frage mich, welches Unternehmen diese Bemühungen wohl in seinem
Sinne ausführen würde?
In der letzten Woche hat die Bechtel-Gruppe gezeigt, wofür Kriege gut
sind. Die Bush-Regierung gab ihr den ersten großen Vertrag für den
Wiederaufbau des Irak. Es handelt sich dabei um ein geschätztes 680
Millionen Dollar Geschäft mit einer 18-monatigen Laufzeit. Dadurch erhält
Bechtel die Startposition für einen Langzeit-Wiederaufbau des Landes, der
schätzungsweise 100 Milliarden Dollar oder mehr kosten wird.
Bechtel wurde in erster Linie eine Lizenz zum Geldverdienen geschaffen.
Diese Lizenz wurde hinter verschlossenen Türen gewährt und auf eine
handvoll politisch verbündeter US-Unternehmen beschränkt."
Saddams Diktatur wurde durch eine Diktatur der US-Konzerne ersetzt.-
Dabei gibt es wenig Unterschiede zwischen denen, die in den Aufsichtsräten
sitzen und denen, die im weißen Haus, im Pentagon und anderen
Regierungsinstitutionen sitzen.
Intransparenz und Korruption
China´s Intransparenz wurde im Fall von SARS deutlich. Als Bechtel den
ersten Vertrag für den Wiederaufbau des Iraks erhielt, war dies ein
offensichtliches Beispiel für die Intransparenz, die Geheimhaltung und
Korruption mit der die Herrschaft der Konzerne etabliert wird. Ob es sich
um die Wasserprivatisierungsverträge in Bolivien oder Indien handelt,
jedesmal kennzeichnen Geheimhaltung und mangelnde Demokratie die Methoden,
mit denen man sich Märkte und Profite aneignet. "Freier Handel" ist in
Wirklichkeit total unfrei. Er ist erzwungen, korrupt, betrügerisch und
gewaltsam. Die Herrschaft der Konzerne ist keine Alternative zu Saddam´s
Diktatur. Diese Herrschaft ersetzt die eine Diktatur durch die Diktatur der
Konzerne, welche die Staatsmacht gekitnappt haben und mittels militärischer
Gewalt Märkte an sich reißen.
Die grundsätzliche Unehrlichkeit und der Betrug der Diktatur der
Konzerne scheinen diejenigen, die sie im Namen der "Operation irakische
Freiheit" mit Gewalt durchsetzen nicht wahrzunehmen. Dies kommt von einer
tiefen Verwirrung darüber, was Freiheit und was Schöpfung bedeutet.
Als die 7000-jährige Geschichte von Mesopotanien durch das US-Militär
zerstört wurde, war der naive und verantwortungslose Kommentar von Donald
Rumsfeld: "Freie Menschen haben die Freiheit Fehler zu machen, Verbrechen
zu begehen und schlimme Dinge zu tun."
Nach dieser Logik haben die Terroristen, die Flugzeuge in das World
Trade Center gejagt haben, ihre legitime Freiheit wahrgenommen, "Verbrechen
zu begehen und schlimme Dinge zu tun." Nach derselben Logik, nach der das
US-Militär zu einem stummen Zuschauer der Plünderungen in Bagdad und der
Plünderungen seiner historischen Schätze wurde, hatten die USA kein Recht
nach dem 11.September einen Krieg gegen den Terror zu beginnen.
Genauso, wie unter denjenigen, die versuchen "Freiheit" für andere
mittels Krieg durchzusetzen, Verwirrung darüber besteht, was menschliche
Freiheit erfordert, besteht Verwirrung über die Bedeutung von
"Wiederaufbau" und "Zerstörung". Was im Irak passiert ist war Zerstörung.
Es wird aber als Wiederaufbau bezeichnet. Unschuldige Menschen wurden
getötet, tausende Jahre Zivilisationsgeschichte wurden zerstört und
ausradiert. Dennoch sprach Jay Garner, pensionierter US-General, der ohne
Rücksprache mit den Irakern zum Leiter des Büros für Wiederaufbau ernannt
wurde, davon "ein neues System im Irak zu gebären."
Mit Bomben "gebiert" man keine Gesellschaft. Sie vernichten Leben. Neue
Gesellschaften werden nicht durch die Zerstörung des historischen und
kulturellen Vermächtnis alter Zivilisationen geboren."
Vielleicht war die Wahl der Zerstörung des historischen Erbe des Irak
Voraussetzung für die Illusion der "Geburt" einer neuen Gesellschaft.
Vielleicht nehmen die Herrschenden in den USA diese Gewalttätigkeit
nicht wahr, weil ihre eigene Gesellschaft auf dem Genozid an den
amerikanischen UreinwohnerIinnen aufgebaut wurde. Vernichtung des "anderen"
scheint für die diejenigen, die die Kontrolle über die einzige Supermacht
der Welt haben, als "natürlich" zu gelten.
Vielleicht handelt es sich bei der Wahrnehmung einer offensichtlichen
Zerstörung einer Zivilisation und tausender unschuldiger Leben als einen
"Geburts-Prozess", um den Ausdruck einer westlichen patriachalischen
"Illusion von Schöpfung", die Zerstörung mit Schöpfung und Vernichtung mit
Geburt verwechselt. Diese "Illusion" der Schöpfung betrachtet Kapital und
Maschinen, einschließlich der Kriegsmaschinen als Quellen der "Schöpfung"
und die Natur und menschliche Gesellschaften, insbesondere nicht-westliche
Gesellschaften als tot, träge, passiv oder gefährlich und kannibalisch.
Diese Weltsicht führt zur Vorstellung von der "Bürde des weißen Mannes",
der die Natur und unsere Gesellschaften mit Gewalt zu befreien hat und dies
sogar als "Geburt" der Freiheit betrachtet.
Was immer die tieferen Wurzeln von der Errichtung einer irakischen
Wirtschaft des Plünderns und der Gewalt im Namen des "Wiederaufbaus" sind,
Konzerne wie Bechtel machen mit dem Krieg Profite. Dies ist ein Beleg
dafür, daß Krieg als Fortsetzung der Globalisierung mit anderen Mitteln
geführt wird. Die Menschen auf der ganzen Welt sind nun herausgefordert,
die Kräfte der Anti-Globalisierungsbewegung, der Friedensbewegung und der
Bewegung für eine wahre Demokratie zusammen zu bringen.
Wir sind herausgefordert, die wirkliche Bedeutung von Freiheit zu
reklamieren und sie vor der Degradierung zu bewahren, der sie durch das
irreführende Gerede vom "freien Handel" und dem Gerede von der "Operation
irakische Freiheit" erfährt. Die "Freiheit", nach der in den
Freihandels-Abkommen und den Regeln der WTO gestrebt wird, sowie die
"Freiheit" die aus dem Irak-Krieg resultiert, ist die Freiheit für den
Profit der Konzerne. Diese Freiheit besteht in einer Lizenz zum Plündern.
Das Plündern durch Konzerne und die Freiheit der Konzerne zerstört die
Demokratie und die Freiheit für Menschen und Gesellschaften.
Weltweit streben die Menschen nach einer neuen Freiheit, nach der
Freiheit von der Diktatur der Konzerne, die durch Militär und Krieg
ermöglicht wird.
Dies trifft auf die Menschen im Irak und auf die Menschen in anderen
Ländern, die durch multinationale Konzerne unter Protektion des Militärs
oder durch "Freihandels"-Abkommen besetzt wurden, genauso zu wie auf die
Menschen in den USA.
Der Vertrag des Bechtel-Konzerns und der Irak-Krieg, der Profite mit
dem "Wiederaufbau" ermöglicht, haben Fragen aufgeworfen. Es sind Fragen
nach dem Mangel an Demokratie, nach dem Mangel an Transparenz, und dem
Mangel an Verantwortlichkeit, die in der Art und Weise liegen, wie die
US-Regierung, die sich nicht mehr von den US-Konzernen unterscheidet,
ökonomische und politische Entscheidungen trifft. Ein Regime, in dem
Regierungen zu Werkzeugen der Konzerninteressen werden, ist keine
Demokratie mehr. Anstelle einer Regierung "des Volkes, durch das Volk und
für das Volk", entsteht eine Regierung "der Konzerne, durch die Konzerne
und für die Konzerne".
Für das Wohlergehen der Demokratie ist ein "Regime-Wechsel" in den USA,
im Irak und in jedem Land, indem sich eine Diktatur der Konzerne einnistet,
dringend erforderlich.
Bechtel in Bolivien
Die bekannteste Geschichte über die Wasser-Gier des Bechtel-Konzerns
ist die Geschichte der Wasserprivatisierung in Cochabamba Bolivien.
Wir haben hierüber bereits ausführlich in unsere Infobriefe Nr. 7 und 9
berichtet. Deshalb folgt an dieser Stelle eine kurze Zusammenfassung des
Textabschnittes von Vandana Shiva. (zusammengefasst von der Übersetzerin)
Nachdem die bolivianische Regierung im Oktober 1999 die Wasserwerke der
Stadt Cochabamba an den Bechtel-Konzern verkauft hat, stieg der monatliche
Wasserpreis für die Bevölkerung bis auf 30 % des Durchschnittseinkommens.
Daraufhin gründeten die Menschen in Cochabamba im Januar 2000 die
"Koalition zur Verteidigung des Wassers und des Lebens". Nach monatelangen
Protestaktionen, Kämpfen, Generalstreiks, Verhaftungen und Ermordungen von
AktivistInnen, war die Regierung gezwungen, die Wasserprivatisierung
rückgängig zu machen.
Die Menschen gründeten daraufhin lokale Wasserkomitees zur
Selbstverwaltung ihrer Wasserwerke.Bechtel hat die bolivianische Regierung
zur die Herausgabe der entgangenen Profite verklagt.
Von Bolivien haben wir gelernt, daß Bechtel versuchen wird nicht nur
die Wasserwerke, sondern auch die Wasserressourcen zu kontrollieren. Wenn
die internationale Gemeinschaft und die Iraker nicht aufpassen, könnte
Bechtel versuchen, sich die Flüsse Tigris und Euphrat anzueignen, so wie
sie versucht haben, die Quellen in Bolivien zu "besitzen".
Bechtel und Indien
Die private Firma Bechtel Enterprises ist das weltgrößte Bauunternehmen
und war stark involviert in den Bauboom der Nachkriegszeit. Sie ist
verantwortlich für über 19.000 Projekte in 140 Ländern und operiert auf
allen Kontinenten (save Antarctica). Dazu ist Bechtel in über 200
Wasserwerken und Kläranlagen auf der ganzen Welt involviert, größtenteils
über Tochtergesellschaften und Joint Ventures, wie beispielsweise
International Water (eine Partnerschaft von Bechtel, Edison aus Italien und
United Utilities in Großbritannien).
In Indien war Bechtel zusammen mit Enron in die Dabhol-Werke
involviert. Nun sind sie als Teil eines Konsortiums mit 'Mahindra und
Mahindra´ und 'United International North West Water´ in die
Wasserprivatisierung von Coimbatore/Tirrupur involviert. Genau wie bei
anderen Wasserprivatisierungsverträgen wurde dieser Vertrag nicht
öffentlich gemacht. Geschäfte, die nur hinter verschlossenen Türen im
Geheimen abgeschlossen werden, fördern nicht die Freiheit. Sie schließen
Freiheit und Demokratie aus.
(Übersetzung aus dem Englischen von Regina Schwarz. Aus "Der Ausverkauf
des Lebens" - Infobrief Nr. 12, Juni 2003, Netzwerk gegen
Konzernherrschaft und neoliberale Politik, e-mail:
netzwerk-gegen-neoliberalismus at gmx.net,
http://come.to/netzwerk-gegen-neoliberalismus)
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Verheugen plant Europäische Wassergemeinschaft
Fadenscheinige Argumente für Konzerninteressen
Scharf kritisiert wird von der KPÖ-Oberösterreich der Vorstoß von
EU-Erweiterungskommissär Günther Verheugen (Deutschland), eine Europäische
Wassergemeinschaft nach dem Modell der seinerzeitigen Europäischen
Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) oder der Atombehörde EURATOM
einzurichten.
Verheugen möchte mit einer solchen Einrichtung das Wasser als
Wirtschaftsgut des 21. Jahrhunderts auf eine supranationale Behörde
übertragen und damit der Kompetenz der Mitgliedsstaaten entziehen. Als
Argument dafür führt er über weite Gebiete zu hohe Wasserpreise in Europa an.
Wohlweislich verschwiegen wird dabei, dass in zahlreichen EU-Ländern
als Ergebnis der bisherigen Liberalisierungspolitik öffentliche durch
private Monopole ersetzt wurden und diese daher auch Preis, Qualität und
Versorgungssicherheit beim Wasser verantwortlich sind. Das Negativbeispiel
dafür, wohin die Liberalisierung führt, ist Großbritannien, wo sich die
Wasserpreise massiv erhöht und die Qualität und Versorgungssicherheit
drastisch verschlechtert haben.
Der Hintergrund des Verheugen-Vorstoßes ist offensichtlich über eine
EU-Wasserbehörde den Zugriff der großen Konzerne auf das Lebensmittel
Wasser zu erreichen und die auf einer Vielzahl lokaler Wasserversorger so
gibt es etwa in Österreich derzeit rund 6.000 lokale Wasserversorger, vor
allem Gemeinden und Genossenschaften als Hindernis dafür auszuschalten.
Ein Sprecher der EU-Wettbewerbsdirektion meinte dazu, Der Schutz des
Wassers als "besonderes Gut" dürfe nur für die Quellen, also Grundwasser
und Seen, gelten, während die Aufbereitung und Verteilung des Wassers als
"wirtschaftliche Tätigkeit" zu sehen sei. Eine solche Trennung hält die KPÖ
hingegen für absolut unzulässig, weil damit ein elementarer Bereich der
Grundversorgung zum Spielball von Profitinteressen verkommt.
Linker Pressedienst - Herausgegeben vom KPÖ-Landesvorstand
Oberösterreich, Melicharstraße 8, 4020 Linz, Telefon (0732) 652156, Fax
(0732) 604763, Mail kpoe.ooe at aon.at Web www.kpoe.at - Ausgabe vom 17.
Juli 2003
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