[E-rundbrief] Info 9 - RB Nr. 109/110 - Hawaii, GATS - Gentechnik, FriedensVB, Dorothee S�lle
Matthias Reichl
mareichl at ping.at
Sa Aug 16 13:10:46 CEST 2003
E-Rundbrief - Info 9
Bad Ischl, 16.8.2003
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
109. und 110. Rundbrief (2 und 3/2003) 27.
Jhg. Doppelnummer Frühling und Sommer 2003
August
2003
Teil 2:
Unabhängiges Hawai'i
Vor 14 Monaten hatte ich Freunde auf Hawai'i besucht und durch sie auch
Aktivisten unterschiedlicher hawaiianischer Unabhängigkeitsbewegungen
kennengelernt (siehe auch meine Berichte in den "Rundbriefen" Nr. 106,
Seite 2/3 und 107, Seite 4). Darunter ist auch Niklaus Schweitzer,
Schweizer Konsul, als Unterstützer der Initiativen zur Wiederherstellung
des hawaiianischen Königreichs. 1893 - also vor 110 Jahren - wurde Hawai'i
durch eine US-Militärintervention unrechtmäßig besetzt, wie auch
US-Präsident Clinton 1993 in seiner Entschuldigung feststellen musste.
Trotzdem blieb es der 50. US-Bundesstaat und wurde weiter politisch,
ökonomisch und militärisch "kolonisiert".
Nun haben endlich Nachkommen der letzten Könige in einer "Declaration
of Independence" - am 24. Juni 2003 an US-Präsident Bush und am 26.6. an
Kofi Annan und die UNO - die Unabhängigkeit des "Kingdom of Hawai'i"
erklärt. In einer Presseaussendung vom 15.7.2003 informieren sie über die
Verhandlungsbereitschaft des "Weißen Hauses" und das Verständnis seitens
der UNO. Im November vorigen Jahres wurde Edmund Kelii Silva, Jr. -
direkter Nachkomme von König Kamehameha the Great - zum Ali'i Nui (High
Chief und König) und Samuel Keolamauloa Kaluna, Jr. zum Premierminister des
wiedererstandenen Königreichs ernannt.
Auf meine Frage nach weiteren Informationen teilte mir das
Informationsbüro (Samuel Kaluna, Jr., Tel. ++1-808-928-6188, e-mail:
newsdesk at kingdomofhawaii.org) mit:
"Aloha Matthias Reichl, Mahalo for your interest and response to our
Declaration of Independence. We are still in the process of forming our
government and once we have our institutions in place and our decision
making defined we will be able to respond to your request for more
information. Your contact information is in our address book and we will
keep you posted. Mahalo nui loa. At one with the Earth, Athena"
Die "Declaration of Independence" - mit ausführlicher historischer und
aktueller Kritik an der US-Besatzungspolitik und mit Alternativen für eine
Unabhängigkeit - findet ihr auf der homepage www.kingdomofhawaii.org sowie
weitere Infos auf http://hawaii-nation.org.
Selbst Skeptiker gegenüber einer Rückkehr zur ursprünglichen
hawaiianisch-polynesischen Form eines Gemeinwesens müssen zugestehen, dass
deren gemeinschaftlichen und auf gewaltfreie Konfliktlösung orientierten
Traditionen zwar einen radikalen Wandel in der Gesellschaft voraussetzen,
aber sozialere Zukunftsperspektiven eröffnen. Die meisten Beispiele einer
konstitutionellen Monarchie - wie die britische - sind allerdings
abschreckende Beispiele einer ausgehöhlten und neoliberal unterwanderten
Pseudodemokratie. Die Realisierbarkeit dieses riskanten Wechsels eines
politischen Systems wird nicht zuletzt davon abhängen, ob diese von unten
her durch zivilgesellschaftliche Initiativen und Organisationen mitgetragen
- und auch kontrolliert - werden und diese gemeinsam dem Druck (und
Erpressung) durch etablierte politische und ökonomische Mächte standhalten
können. Dass viele der Gruppen unter sich über gemeinsame Wege und Ziele
uneins sind und auch Schwierigkeiten haben, mit den Zugewanderten (aus
Festland-Amerika, Japan und anderen Ländern) eine Koexistenz zu finden,
erschwert diesen Prozeß zusätzlich. Neben vielen Basisinitiativen
engagieren sich auch Teams an der University of Hawai'i, aber auch die
Quäker (AFSC Hawai'i), die sich besonders auch gegen die Militarisierung wehren
Doch auch die derzeitige Politik, die ökonomische und soziale
Ungleichheiten eher verstärkt statt sie abzubauen bietet kaum Perspektiven.
So ist die Verteilung des knappen Landes ungelöst. "Ceded land" -
ursprünglich im (teils kollektiven) Besitz von Hawaiianern wurde später vom
US-Staat enteignet uns soll nun schrittweise an private Investoren verkauft
werden.
Indianer und Eskimos vom Festland warnen - vereinfacht gesagt - vor
einer Scheinautonomie als ein "indigenes Volk", wie sie durch die "Akaka
bill" US-Gesetz werden soll. Negative Erfahrungen mit der Bundesverwaltung
und der nationalen Politik - auch mit den herrschenden republikanischen und
demokratischen Politiker - haben die davon Betroffenen skeptisch gemacht
und ihre Forderung nach vollständiger Unabhängigkeit bestärkt. Darüber
können auch großzügige Investitions-Versprechungen nicht hinwegtäuschen.
Dazu kommt noch die fortschreitende Ausbeutung und Zerstörung des
Landes (und Meeres), die ein Vielfaches der materiellen und ideellen Werte
vernichtet. Die hartnäckigsten Verteidiger der Besetzung sind die Militärs
(die auf Oahu 22% des Landes beanspruchen). Zwar haben sie z.B. die - den
Ureinwohnern heilige - Insel Kaho'olawe geräumt, die ihnen von 1941 bis
1994 als Bombenabwurf- und Testgelände diente. Sie wurde aber nur teilweise
von den explosiven und hochgiftigen Rückständen gesäubert. Trotzdem bemühen
sich Experten in Ökologie, Naturschutz und hawaiianischen Traditionen
gemeinsam mit Freiwilligengruppen, so weit als möglich in den gesäuberten
Bereichen den ursprünglichen natürlichen Zustand wiederherzustellen.
... Das Militär will dessen weitere Trainingsgelände für den Dschungelkampf
(und "Terroristenbekämpfung") und andere militärische Stützpunkte sowohl
auf den 2500 km westlich gelegenen Midway-Inseln als auch auf Big Island,
sowie der Ost- und Westküste von Oahu neu anlegen. Am 22.7.2003 hatte das
Militär dort im Makua-Tal, einem Naturschutzgebiet, ein "kontrolliertes
Feuer" gelegt, das einen Großteil des Tals bis zum Meeresstrand
niederbrannte. Schon im Vorjahr, während meines Hawaiibesuchs hatten
Friedensaktivisten vom Militär die Räumung des Tals (und der anderen Camps)
sowie einen wirksamen Naturschutz eingefordert. Doch die strategische Lage
von Hawai'i macht es militärisch (und ökonomisch) immer begehrter - u.a.
auch für Bodenstationen des "Star-Wars"-Programms.
Die unheilige Allianz zwischen Wirtschaft und Militär wird auch in
diesem Erdteil sichtbar und wirksam. Dennoch ist der gewaltfreie Kampf für
eine Unabhängigkeit unverzichtbar und schließlich auch erfolgreich.
Matthias Reichl
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Krieg gegen Konsumenten
Nicht nur der "Ausverkauf im Geheimen" - wie die STOPP
GATS-Veranstaltung mit Christian Felber am 15. Mai 2003 in Bad Ischl zeigte
- bedroht unsere Grundversorgung mit lebenswichtigen und gesunden Dingen.
Das folgende Beispiel zeigt auf, was wir in Zukunft "im Geheimen" einkaufen
sollen:
Der Handelskrieg der USA gegen die EU-Länder wird nun auch mit
"biologischen Substanzen" geführt. Zurzeit drängt die US-Regierung - auf
Druck der Gentech-Firmen - die EU-Behörden darauf, den Import von
gentechnisch veränderten Pflanzen und Nahrungsmitteln nicht mehr zu
behindern. Damit würden auch die strengen österreichischen Regelungen
abgeschafft und die Forderungen des Gentechnik-Volksbegehrens endgültig
abgeblockt . Wehrt sich die EU weiter, werden von der US-Regierung vor dem
Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO Zwangsmaßnahmen und
Schadenersatzforderungen eingeklagt die für die europäischen Länder ruinös
sein könnten. (Ähnliches mit Strafzöllen passierte schon im
"Hormonfleischstreit".)
Wenn es nach den WTO-Experten ginge, sollten sogar Kaufboykotte
verboten oder zumindest nicht mehr praktizierbar werden. Umso notwendiger
ist es, den politischen Druck von unten zu verstärken und vor den
neoliberalen Globalisierern, die uns wirtschaftlich wie politisch und
militärisch beherrschen wollen, nicht in die Knie zu gehen. Nicht nur
dieses Beispiel sondern weitere aus den Bereichen "Bildung, Gesundheit,
Wasser und Pensionen" zeigten uns, dass sich globale, bedrohliche
Entwicklungen auch lokal verheerend auswirken.
Matthias Reichl
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Friedensvolksbegehren jetzt unterschreiben!
Im April wurde auf einer bundesweiten Friedenskonferenz von einer
Vielzahl von Friedensgruppen das überparteiliche FRIEDENSVOLKSBEGEHREN
gestartet. Dieses Volksbegehren befindet sich nun in der Einleitungsphase.
In dieser müssen wir über 8.000 Unterschriften sammeln. Diese müssen beim
Hauptwohnsitzgemeindeamt beglaubigt werden. Wer sich nicht damit abfinden
will, dass mit der neuen EU-Verfassung Österreich zu Aufrüstung und
Neutralitätsdemontage verpflichtet werden soll, wer dagegen Widerstand
leisten will, dass Milliarden für Eurofighter ausgegeben werden, während im
Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich gestrichen wird, den/die rufen
wir auf, das Friedensvolksbegehren zu unterstützen. Nähere Informationen
unter www.friedensvolksbegehren.at
Text des Friedensvolksbegehrens
Volksbegehren für Friedenspolitik durch aktive Neutralität NATO-Anbindung
und Beteiligung an einer EU-Armee
Wir beantragen gesetzliche Maßnahmen, mit denen die Bundesregierung zu
einer Friedenspolitik im Sinne folgender Zielstellungen verpflichtet wird:
- Die Republik Österreich bekennt sich im Sinne des
Bundesverfassungsgesetzes über die Neutralität Österreichs BGBl 1955/211 zu
einer aktiven Neutralitätspolitik. In diesem Sinne orientiert sich die
Außen- und Sicherheitspolitik an den Prinzipien des Dialogs, der
Konfliktvermeidung, der friedlichen Konfliktregelung und der
internationalen Solidarität.
- Die Republik Österreich darf keine SoldatInnen, keine Waffen, keinen
Euro für eine EU-Armee bereitstellen. Sämtliche Zusagen der Bundesregierung
in diesem Zusammenhang werden widerrufen. Die Republik Österreich wird
keine militärische Beistandsverpflichtung in der Europäischen Union
eingehen. Der Nationalrat streicht den neutralitätswidrigen Artikel 23f
B-VG aus der Verfassung.
- Die Republik Österreich beendet die Beteiligung an der
"NATO-Partnerschaft für den Frieden" und wird auch der NATO nicht
beitreten. Sämtliche gesetzliche und verwaltungsrechtliche Bestimmungen in
diesem Zusammenhang werden außer Kraft gesetzt.
- Alle Vorhaben, das Bundesheer in Richtung Angriffsfähigkeit
umzurüsten, und die dazugehörenden Aufrüstungspläne (Kampfjets,
Großraumtransporter, etc.) werden gestoppt und jegliche
Vorbereitungshandlungen rückgängig gemacht. Wir fordern soziale Sicherheit
statt Aufrüstung.
Das Friedensvolksbegehren ist ein "Graswurzel-Volksbegehren", d. h. es
lebt von Engagement und Initiativen vor Ort. Falter, Pickerl und Plakate
für das Friedensvolksbegehren können bestellt werden unter:
office at friedensvolksbegehren. at . Wer in seiner/ihrer Gemeinde als
Kontaktperson für das Friedensvolksbegehren auftreten möchte, ersuchen wir
ebenfalls um Rückmeldung an office at friedensvolksbegehren.at oder Tel.
0732/771094. Weil wir keine großen Geldgeber haben, sind wir auf viele
"kleine" Spenden angewiesen. Bankverbindung des Friedensvolksbegehrens:
Kt. Nr. 80006274146, BLZ: 34777, Raika Perg, Bankstelle Ried in der
Riedmark. Auf Wunsch schicken wir gerne einen Erlagschein zu. Vielen Dank!
Friedenswerkstatt Linz, Waltherstr. 15b, 4020 Linz, e-mail:
friwe at servus.at, www.friwe.at
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Zum Tod von Dorothee Sölle
Dinge tun, weil wir sie für richtig und wahr halten
Wir trauern um die evangelische Theologin und Schriftstellerin Dorothee
Sölle. Sie starb am 27. April 2003 in Göppingen. Als Friedensaktivistin
wandte sie sich gegen den Vietnamkrieg und protestierte mit
Blockadeaktionen in Mutlangen gegen die Stationierung der Atomraketen
Pershing II .. (Paul Russmann in "Ohne Rüstung Leben" 3/2003).
Auch uns geht Dorothees Tod sehr nahe. War sie für uns doch seit 20
Jahren nicht nur eine einflußreiche Inspiratorin sondern auch eine in
tiefer Freundschaft verbundene Mitstreiterin.
Ich erinnere mich noch an unsere erste Begegnung, 1984 bei der
"European Nuclear Disarmament Convention" in Perugia als ich mit Dorothee
auf einer Terrasse bei einem Glas Rotwein über unseren lokalen, kreativen
und gewaltfreien Widerstand gegen die Militärapparate sprach. Sie mit ihren
"Hexenkomitee von Hamburg" und ich mit meinen "Zwergerlkomitee von Bad
Ischl". Vor der scheinbaren Über- und Allmacht der "Riesen" nicht zu
resignieren und kapitulieren und auch noch Energien für konstruktive
Alternativen aufzubringen, das verband uns seither - und übrigens auch mit
unserem gemeinsamen Freund Robert Jungk. (Weil sie mit "seiner" Bibliothek
eng verbunden war, wurde sie vom Land Salzburg mit dem
"Robert-Jungk-Zukunftspreis" geehrt).
Sie wird auch weiterhin in unserer Arbeit - auch in unserem
Begegnungszentrum - als solidarische Unterstützerin gegenwärtig sein und
weiterwirken.
Matthias und Maria Reichl
Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge aus einem Vortrag , den sie
anlässlich eines Seminars über Steuerboycott gehalten hat und in "Ohne
Rüstung Leben" Informationen 106 - 3/2003, abgedruckt wurden.
Darüber nachdenken, was Erfolg eigentlich bedeutet!
Die Abhängigkeit von den USA, die Verflochtenheit von Rüstungsprofiten
und generellen Profiten an der Ausbeutung der armen Länder, all das
bewirkt, daß unsere Politiker nicht umkehren. Und so haben viele Menschen
ein Erlebnis der Ohnmacht, der Hoffnungslosigkeit, der undemokratischen
Ausgeliefertheit an irgendwelche "da oben", die sich bereichern, ständig
Skandale produzieren, die aber nicht in der Lage sind das Leben friedlicher
zu gestalten, und wir "da unten" können gar nichts machen, wir sind dem
ausgeliefert, wir haben keinen Erfolg.
Ich möchte darüber nachdenken, was Erfolg eigentlich bedeutet, was diese
Kategorie für uns heißt. Ich gehe von meinen Erfahrungen aus. Ich bin im
Januar 1976 mit einer kleinen Widerstandsgruppe aus der katholischen Linken
in den USA um Daniel Berrigan vor dem Pentagon gewesen, zu einer
symbolischen gewaltfreien Aktion. Wir waren etwa 40 Leute, einige knieten
nieder und begleiteten die Aktion durch Gebet.
Als ich nach Hause kam, die Presse hatte nichts über unsere Aktion
berichtet, und danach Daniel Berrigan traf, da fragte ich ihn: Wer hört uns
denn, wer sieht uns denn, was ändern wir denn, wenn wir so was tun? "Daniel
Berrigan hat lange geschwiegen, und dann hat er mir zwei Dinge gesagt. Das
eine war: "War es eigentlich je anders?" Damit meinte er diese
Grunderfahrung von Christen: in der Minderheit zu sein, nicht in der
Mehrheit, nicht an der Macht, sondern unterlegen, wie Christus und kein
bißchen besser dran. Das Zweite, das er mir sagte, war: "Du kannst den
Erfolg nicht zu deiner letzten Kategorie machen. Wenn du nur das tust, was
Erfolg verspricht, dann machst du dich selbst kaputt. Wenn für dich das
Entscheidende bei deinem Handeln das Erfolghaben ist, dann zerstörst du
deinem eigenen Anspruch auf Wahrheit, dann zerstörst du den Menschen, der
du eigentlich bist."....
... Der Erfolg kann dabei nicht unsere einzige Kategorie sein. Es gibt
Dinge, die mußt du tun um deiner eigenen Würde willen, damit du dir noch
ins Gesicht sehen kannst. Es gibt Dinge, die mußt du tun, damit du
überhaupt ein Mensch bleibst. Und das meine ich das relativiert die
Kategorie Erfolg und bringt uns auf einen festen Grund, wo wir nämlich
Dinge tun weil wir sie für richtig und wahr halten. Auch dann wenn sie
jetzt in unsere Stadt oder vielleicht in meiner Lebenszeit keinen Erfolg
haben, werde ich sie trotzdem tun, auch wenn das Leben, das ich habe und zu
geben habe für den Frieden, dabei vergeht.
Dorothee Sölle, Bielefeld, den 24. August 1985
Gerade als wir den obenstehenden Beitrag fertig gestellt hatten erhielten
wir von ihrem Mann Fulbert Steffensky aus Hamburg den folgendenr Brief:
Liebe Freunde, es sind nun schon über zwei Monate, dass Dorothee
gestorben ist. Es erreichte unsere Familie eine solche Flut von Briefen,
dass wir nicht jedem einzelnen antworten können. Hunderte von Menschen
schreiben, dass Dorothee ihnen dazu verholfen hat, Christ zu werden, Christ
zu bleiben, in der Kirche zu bleiben, Theologie zu studieren, den
Pfarrberuf zu ergreifen. Am Ende ihres Lebens hatte sie eine hohe
Anerkennung auch bei den Kirchenleitungen. Am wenigsten haben sich deutsche
Fakultäten und Theologen geäußert, ausländische dagegen in großer Zahl.
Einige von ihnen haben nach den genaueren Umständen ihres Todes
gefragt. Ich will sie kurz beschreiben. Dorothee hatte im Januar einen
mittelschweren Herzinfarkt, den sie selber nicht sehr ernst nahm. Wir
fuhren für drei Wochen zu einer Rehabilitation an die Nordsee. Unmittelbar
danach hat Dorothee wieder gearbeitet. Sie saß an einem Buch, das sie
unbedingt beenden wollte. Sein Thema "Mystik des Todes". Die Arbeit an
diesem Buch war ihre Sterbevorbereitung. Am 25. April fuhren Dorothee und
ich nach Bad Boll, einer Evangelischen Akademie in der Nähe von Stuttgart.
Thema der Tagung war "Gott und das Glück". Sie hielt am Abend des 25. einen
Vortrag mit dem Titel "Wer nur das Glück will, will nicht Gott". Am Abend
des 26. las sie aus Ihren Gedichten und Texten. Der letzte Text, den sie
las, war ein Brief an ihre Enkelkinder, dabei weinte sie. Danach
sassen wir mit einigen Freunden zusammen, tranken Wein und waren guter
Dinge. Am frühen Morgen des 26. dann bekam sie einen neuen Herzinfarkt. Wir
brachten sie in ein nahegelegenes Krankenhaus. Dort starb sie nach drei
Stunden. Wie sie es beim Sterben ihrer Mutter getan hatte, sang ich ihr
Lieder und betete Psalmen. Dann ist sie sehr sanft gestorben.
Die Beerdigung hielt ihre Freundin, die Bischöfin Bärbel
Wartenberg-Potter. Ihre Predigt hänge ich diesem Brief an.
Das Buch, das sie noch schreiben wollte, ist nicht fertig geworden. Wir
werden es als Fragment veröffentlichen. Einer ihrer letzten Zeilen war ein
Brief an den Tod. Er beginnt mit der Anrede "Dear Mister Death". Er
schließt mit dem Satz: "Manchmal vermute ich, dass Liebe falls wir wissen,
was wir mit diesem Wort sagen das einzige ist, wovor Sie Respekt haben."
Ich grüße Euch alle herzlich
Fulbert Steffensky (3. Juli 2003)
Anschließend noch ein Gedicht und vier ermutigende Bücher - aus den
über 80 Publikationen - von Dorothee Sölle:
Ich finde in einer Endzeitverzweiflung,
die wie gebannt auf die Katastrophe starrt,
ohne den Kampf
und die Auseinandersetzung
noch wahrzunehmen,
ein Stück Zerstörtheit,
Zynismus und Menschenverachtung.
Um kämpfen zu können, braucht man eine Hoffnung.
Dorothee Sölle
"Gegenwind. Erinnerungen" (1999, Piper TB 2688); "Mutanfälle. Texte zum
Umdenken" (1993, Hoffmann & Campe); "Mystik und Widerstand. 'Du stilles
Geschrei'" (1997, Hoffmann & Campe); (mit Fulbert Steffensky) "Nicht Ja und
Amen." Von Christen im Widerstand (rororofuchs)
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Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
Wolfgangerstr.26
A-4820 Bad Ischl
Tel. +43-6132-24590
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Ihr findet die Texte auch im Archiv unserer Homepage:
http://www.begegnungszentrum.at/archiv/.
Zusätzliche längere und fremdsprachige Texte stelle ich auch in unsere
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