[E-rundbrief] Nr. 7 - November 2002 - Teil b: Artikel und weitere Informationstexte

Maria Reichl maria.reichl at gmx.at
Mo Nov 18 09:43:53 CET 2002


E-RUNDBRIEF Nr. 7 - November 2002 - Teil b:  Artikel und weitere
Informationstexte

(*  Teil a:   Inhalt und Allgemeines
*  Teil b:  Artikel und weitere Informationstexte
*  Teil c:  Buchtipps
*  Teil d:  Termine)

November 2002

Liebe Freunde!

Die regelmäßigen Treffen mit „Frauen einer Welt" in Bad Ischl sind immer
wieder eine Bereicherung. Ohne selber viel Reisen zu müssen, lernen wir
verschiedene Bräuche und Kulturen kennen. Auch österreichische Frauen sind
willkommen mit uns ihre Erfahrungen auszutauschen (siehe Termine Seite 10).

Ich habe mich gefreut am Nationalfeiertag beim Österreich-Forum für Frieden
& Gewaltfreiheit in Graz unter dem Motto "Widerstand dem globalen Krieg -
Allianzen für den Frieden bilden", viele von euch wieder getroffen zu
haben. Am meisten beeindruckt hat mich bei dem Forum das konkrete Beispiel
von Amos Gvirtz (Israel) und Noah Salameh (Palästina). In den Arbeitskreis
"Strategien gegen den globalen Krieg am Beispiel der Friedensbewegungen in
Israel/Palästina" erzählten sie beeindruckend aus ihrem Leben mit den
vielen Schikanen und dem erlittenen Leid und sie schilderten das Bemühen um
Frieden auf beider Seiten. Uri Avnery, einer der vorjährigen "Alternativ
Nobelpreisträger", beschreibt die Situation in Israel und Palästina in
seiner Geschichte auf Seite 13. 

Ein kleiner Fackelzug rund um die Universität in Graz vereinte am Abend des
26. Oktober alle Forumsteilnehmer in einer Kundgebung für Frieden und gegen
den Krieg in Israel, Palästina und Irak. Es war nur eine kleines Häuflein
in Vergleich mit den vielen Hunderttausenden die in Florenz, im Anschluss
an das Europäische Sozialforum, auf die Straße gingen um für Frieden und
soziale Gerechtigkeit zu demonstrieren. Dass das Europäische Sozialforum
für alle ein Erfolg war, berichtet uns Leo Gabriel auf Seite 16. 

Wir danken allen die uns heuer durch einen Mitgliedsbeitrag oder
Kostenbeitrag für den Rundbrief unterstützt haben (vermerkt durch Abo 2002
vor der Adr. Nr.). Alle anderen laden wir ein dieses nachzuholen. Wir
danken bei dieser Gelegenheit auch der Firma Horus Informations Technologie
GmbH (www.horus.at) für das Sponsoring unserer Homepage und die technische
Betreuung des e-Rundbriefes. Wir verwenden zum Versenden das  Programm
"MailMan". Dazu müssen die Eintragungen und Änderungen von den Beziehern
selber durchgeführt werden. Das könnt ihr wenn ihr unsere Webadresse
<www.begegnungszentrum.at> öffnet und "e-Rundbrief online abonnieren"
anklickt. Sollte etwas unklar sein ruft  bitte an (Tel. 06132-24590).

Wir hoffen, dass viele von euch auch in nächster Zeit den Weg zu unserem
Begegnungszentrum finden, damit wir öfter über unsere gemeinsame Anliegen
diskutieren können. Auch im Hinblick auf unserer kommenden
Generalversammlung, voraussichtlich in April 2003 (bitte teilt uns eure
bevorzugten Termine mit!), muss ich euch noch warnen, dass sich der Rand
unserer Vorortsiedlung Pfandl geändert hat. Durch mein Bürofenster kann ich
beobachten wie die letzten Reste einer ehemaligen Wiese und eines
Holzlagers asphaltiert werden und aus einer monatelangen Baustelle ein
Einkaufszentrum fertig wird.

 Ich wünsche euch noch einen schönen Winter, frohe Festtage und einen guten
Rutsch ins neue Jahr.

 Friede, Kraft und Freude

Maria Reichl

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Liebe Freunde!

Die düstere, kalte Novemberatmosphäre wurde zwar kurz durch Sonnenschein
durchbrochen, dennoch spüre ich weiter ihren bedrückenden Einfluß. Blicke
ich aus Marias Bürofenster so durchbrechen grelle, kitschige Leuchtreklamen
die Finsternis (siehe Leserbrief unten). Auf der einen Seite eine
verschlafene Siedlung, auf der anderen der Trubel von Einkaufsfanatikern. 

Ich sollte dafür sorgen, dass der „Rundbrief" noch vor der Wahl in euren
Briefkästen landet (ohne zwischen der Reklame unterzugehen). Doch die
Nachrichten nicht nur aus dem österreichischen Wahlk(r)ampf, sondern auch
aus den USA, garniert mit Kriegsdrohungen gegen den Irak (der - soeben
gemeldet - die UN-Resolution akzeptiert), aus Israel/ Palästina und anderen
Gebieten reißen mich aus mehr oder minder geordneten Gedankengängen heraus.
Die Strategiediskussionen bei dem Grazer Frie-dens-treffen waren eine
willkommene Unterbrechung.

Geplant hatte ich auch, bei dem Europäischen So-zial-forum (ESF) in Florenz
in der „Via Campesina"-Delegation als (Konsumenten-)Vertreter der
Österreichischen Bergbauernvereinigung mitzuarbeiten. Doch eine verdrängte
Erkältung hinderte mich daran. So konnte ich es nur per Medien miterleben -
zuerst die Unterstellungen, dass „Chaoten" die Kulturdenkmäler zertrümmern
würden. Doch diese ließen sich nicht durch Michelangelos „David"-Statue zu
Steinwürfen gegen „Goliath" (bzw. seine modernen Nachfolger) verleiten. So
konnten die Journalisten „nur" über konstruktive Diskussionen und am 9.11.
in Interviews von einer unerwartet riesigen Demonstration berichten. (In
den stündlichen CNN-Nachrichten lange auf Platz 1!) Leo Gabriels Bericht
(auf Seite 16) weist auf die nächsten Schritte und Prozesse hin, an denen
ich mich wieder aktiv beteiligen werde (vielleicht auch am World Social
Forum 2003 in Porto Alegre - falls ich Sponsoren dafür finde). 

Einer der Aktionsschwerpunkte - gegen die Privatisierung der
Daseinsvorsorge von Grundbedürfnissen, die durch die GATS-Verhandlungen im
Rahmen der WTO gefordert und gefördert wird (siehe Seiten 5 - 6) - hat sich
schon vor dem Alternativforum gegen das Salzburger Weltwirtschaftsforum
(WEF) abgezeichnet. Unsere Vorarbeit, die schon seit der Anti-MAI-Kampagne
(gegen das Investitionsabkommen) läuft - ich verteile seit damals
Informationen aus der ganzen Welt per e-mail weiter - trägt wesentlich dazu
bei. Das bestätigte u.a. auch der Präsident des Österr.
Gewerkschaftsbundes, Verzetnitsch, der dies in seiner Organisation und auch
in der SPÖ zum Thema machte. Übrigens erreichten die friedlichen
WEF-Gegenveranstaltungen - inklusive erstmalig einer Diskussion von
besorgten Unternehmern aus Klein- und Mittelbetrieben -  nur positives
Medienecho. Die Podiumsdiskussion mit wenig kompetenten WEF-Vertretern (die
ich boykottierte) enttäuschte erneut. Einige Tage später mußten der
Landeshauptmann und der Bürgermeister mitteilen, dass das
WEF-Führungsgremium wahrscheinlich im nächsten Jahr in einen anderen
Tagungsort ausweichen wird. Wird es dann - wie in Florenz - eine
Alternativveranstaltung ohne direkte Konfrontation mit den „Global Players"?

So sehr ich mich mit anderen Kritikern der österreichischen Regierung über
deren selbstgemachten, demokratischen Sturz freue (ich hatte dies schon vor
mehr als einem Jahr in einem ORF-TV-Interview gefordert) so machen uns die
politischen Ränkespiele von zurückgetretenen Politiker (von der
neoliberalen FPÖ/ ÖVP-Fraktion), aber auch eine nicht ausgeschlossene große
Koalition zwischen SPÖ und ÖVP Sorgen. Taktisches Wahlverhalten könnte
wieder einmal politische Grundsatzentscheidungen verdrängen. Auch wenn eine
„Rot-Grüne"-Koalition zustande kommt, ist es - wie man am Beispiel
Deutschland sieht - für außerparlamentarische Bewegungen nötiger denn je,
unverzichtbare politische Forderungen durchzusetzen.

Es kommt also in den nächsten Monaten jede Menge von Arbeit auf uns zu.

Hoffen wir, dass uns der vielpropagierte Weihnachtsfriede - im Land und
weltweit - etwas Zeit und Ruhe zum gemeinsamen Überlegen und zum Kraft
schöpfen gibt. Das wünsche ich auch euch

Matthias Reichl

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Pfandler Kreuz

Schon vor Jahren wurden uns Bewohnern von Pfandl (einem Vorort von Bad
Ischl) bewusst, dass die in der Tourismuswerbung präsentierte
"Romantikstrasse" (von Salzburg nach Ischl und weiter ostwärts) in unserem
Gebiet eine Touristentäuschung und für uns eine zunehmende Belastung ist.
(Wird es in unserem Bereich Warnschilder geben: "Romantikstrasse Ende -
Shopping-Mall Anfang - Gefahrenzone für Fußgänger und Radfahrer"?)
Wenigstens wird der Romantik zwischen den neugebauten Supermärkten ein
passendes Denkmal gesetzt. Ein überdimensioniertes Eisengerüst ähnlich
einem Gipfelkreuz soll Besucher in die neuen Konsumtempel locken. Oder ist
es ein riesiger Bildstock (Säule mit Heiligenbildern) mit den Namen der
neuen Nothelfer, dessen Scheinwerfer Tag und Nacht ein "Ewiges Licht"
imitieren? Wird es zur Geschäftseröffnung auch eine Weihe des
"Gipfelkreuzes" geben - inklusive einer "Gipfelmesse" mit Sonderangeboten?
Wird zur Fronleichnamsprozession auch dort ein Altar aufgestellt, mit
adaptierten Bittgebeten: "Heiliger ..., hast du nichts für uns?" Bisher
haben sich die (Schein-) Heiligen Stadtväter vor dem Gespräch mit den
betroffenen Pfandlern gedrückt. Offenbar haben sie Angst vor der Kritik.

Matthias Reichl (Leserbrief für „Nicht-Ischler" adaptiert)

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Leopold Kohr

Leopold Kohrs Hauptwerk „Das Ende der Großen" („The Breakdown of Nations")
ist nach vielen Jahren in einer verbesserten Übersetzung und mit einem
ausführlichen Kommentar wieder im Buchhandel erhältlich (siehe Buchtipps
Seite 9). Wir bedauern, dass Kohrs bahnbrechende Kritik an
„überentwickelten Strukturen" und der „Globalisierung" in deutschsprachigen
Publikationen und Medien und damit auch in der wissenschaftlich-politischen
Diskussion kaum aufgegriffen wird. Ein Sammlung (auch auf homepage) mit
seinen wichtigsten Aussagen und mit Kommentaren dazu ist längst überfällig,
doch das hat das Team der Leopold-Kohr-Akademie zu verantworten!
Matthias Reichl

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Regierungssturz und Wahlk(r)ampf

Die Dokumentation und Analysen der selbstzerstörerischen Prozesse in der
blau-schwarzen Regierung Österreichs findet ihr seit der Nr. 95 und würde
weitere „Rundbriefe" füllen. Meine Entschluß „Keine Kooperation mit dieser
Regierung!" (in Nr. 96, S. 2) - ausgenommen die Kontakte zu kritischen
Ministerialbeamten - stellte sich als richtig heraus.

Die innere Erosion der Macht begann lange vor den inneren Widersprüchen in
der FPÖ zwischen den neoliberalen Ministern (v.a. Grasser, Scheibner und
NR-Vizepräsident Prinzhorn) und dem national-populistischen Haider-Lager.
Nach Jörg Haiders Besuchen bei Saddam Hussein forderte
FPÖ-Bezirksparteiobmann Kreßl in seinem „Heimatgau" Salzkammergut, er solle
„aus der Partei austreten" und „um politisches Asyl im Irak ansuchen"
(„Salzkammergut Rundschau" vom 7.11.2002).

Da trotzdem Wolfgang Schüssel und ein Großteil der ÖVP eine weitere
ÖVP-FPÖ-Regierungskoalition nicht ausschließt, wird deutlich, wie sehr sich
die beiden ideologisch und strategisch aneinander angepaßt haben. Dass dies
eine Kooperation mit beiden ausschließt haben die GRÜNEN eindeutig
klargestellt während Teile der SPÖ eine große Koalition (SPÖ-ÖVP) nicht
ausschließen wollen. Dies, obwohl Vertreter des neoliberalen Lagers in der
ÖVP (u.a. Wirtschaftsminister Bartenstein) entscheidend den derzeitigen
Kurs - aber auch schon vorher in der „rot-schwarzen" Koalition -
mitbestimmt haben. Aus Platzmangel muss ich mir die Abrechnung mit dem -
vom Papst ausgezeichneten - Innenminister Strasser (u.a. mitverantwortlich
für die Misere bei Flüchtlingen und Migration, beim Zivildienst, für die
Ausweitung des „Spitzelstaates" inklusive Verknüpfung von militärischen
Geheimdiensten und Staatspolizei...) und seinen Kollegen ersparen.

Ein weiteres Problem ist die Besetzung hoher Beamtenposten mit treuen
Parteigängern, die weit über einen möglichen Regierungswechsel
hinauswirken. Als Beispiel erwähne ich den wenig kompetenten Leiter des
WTO-Verhandlungsteams im Wirtschaftsministerium. Beamtenapparate können
neue Minister praktisch sabotieren, wie es der frühere Innenminster Caspar
Einem (SPÖ) erleben musste.

Auf den Punkt gebracht - sowohl die Regierungsbeteiligung von ÖVP und FPÖ
als auch eine Koalition SPÖ-ÖVP wäre - nach bisherigen Erfahrungen - eine
Katastrophe. Als kleineres Übel bleibt also nur noch eine Koalition
SPÖ-GRÜNE, die - mit den Hypotheken der Vorgängerregierungen belastet - nur
schwerlich jene unaufschiebbaren Weichenstellungen und Projekte realisieren
kann, die von den Bewohnern Österreichs (inklusive der nicht
wahlberechtigten Ausländer) gefordert werden. Für die Basisbewegungen und
die KPÖ als ausserparlamentarische Opposition, die mit ihren Protesten
(z.B. die - noch immer aktiven - „Donnerstagswanderungen" in Wien,
homepages, Zeitschriften...) den wesentlichsten Teil des (gewaltfreien)
Widerstandes getragen haben, bleibt auch weiterhin mehr als genug zu tun.

Matthias Reichl

Einige Forderungen, Anfragen und Stellungnahmen zu Detailbereichen findet
ihr u.a. auf folgenden homepages:

www.temelin.at („Atomfragen an acht Politiker" von der O.Ö.
überparteilichen Plattform gegen Atomgefahr, Linz)

www.attac-austria.org (Fragenkatalog zu Wirtschaft, Privatisierung/ GATS,
Globalisierung...)

www.sozialstaat.at/analyse.shtml (Fragebogen des Volksbegehren „Sozialstaat
Österreich")

www.ug-oegb.at/auge/ (Fragen des Österr. Gewerkschaftsbundes und kommentare
durch Grüne Gewerkschafter)

www.ksoe.at .Forderungstext „Für eine Regierung mit Weltblick"

www.grundeinkommen.at

Damit die Wahl nicht zur Qual, sondern zum kreativen Spaß wird:

www.werwennnichter.at (BK Schüssel karikierende homepage)

www.wahlkabine.at/ Public Netbase

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Zivilcourage gegen den (NS-)Staat

In 45 Minuten das widerständige Leben einer 96-jährigen Frau - von ihr
selbst erzählt - auf einem Videofilm zu dokumentieren, das gelang heuer Uwe
Bolius und Robert Angst (siehe Buchtipps Seite 7). Die Dokumentation wurde
von den Salzburger Grünen mit ihrem Kulturpreis 2002 ausgezeichnet. 

Die frühere Arbeiterin Agnes Primocic lebt seit ihrer Geburt in der
Kleinstadt Hallein bei Salzburg und engagierte sich als überzeugte
Kommunistin für die Rechte ihrer Mitmenschen und unterstützte diese durch
das Netzwerk der „Roten Hilfe". Das brachte sie - von 1934 - 39 während der
„christlich"-austrofaschistischen Dollfuss-Diktatur und dann bis 1945 in
Hitlers NS-Regime mehrmals in das Gefängnis und auch in Todesgefahr.
Trotzdem hatte sie 1945 knapp vor Kriegsende den Mut den Kommandanten eines
KZ-Nebenlagers in Hallein unter Druck zu setzen, um 17 Häftlinge vor dem
Erschießen zu retten. Nach dem Krieg verteidigte sie als Gemeinderätin
weiter die sozialen Rechte der „einfachen Leute". Das alles konnte sie bis
vor kurzem auch in Gesprächen mit Schülern und Erwachsenen authentisch und
mit einfachen Worten vermitteln.  Diese Dokumentation kann zwar die
persönliche Begegnung nicht ersetzen, aber ihre Botschaft weiter
verbreiten. Daher bitten wir euch, die Leitung des ORF-Fernsehen (Postfach,
A-1136 Wien) zu ersuchen, den Film „Agnes Primocic - Nicht stillhalten,
wenn Unrecht geschieht" im ORF zu senden.

Primocic konnte sich in ihrer Überzeugung und organisatorisch auf die
Widerstands-Netze der Kommunisten stützen. Leopold Engleitner, ein
97-jähriger Arbeiter aus St. Wolfgang - als bekennender Zeuge Jehovas in
einer bäuerlich-katholischen Umgebung, die sich zum Großteil mit dem
NS-Regime arrangierte - konnte nur auf wenige Unterstützer vertrauen. Er
kompensierte dies mit der bedingungslosen Überzeugung seiner
Glaubensgemeinschaft, die generell den Dienst am weltlichen Staat kritisch
sah und auch jetzt noch jeden Militärdienst strikt ablehnt. Sein Leidensweg
durch GESTAPO-Gefängnisse, weiter zu den Konzentrationslagern Buchenwald,
Niederhagen und Ravensbrück - mit Folterfolgen unter denen er noch heute
leidet - bis zur überraschenden Entlassung, um bei Bauern die Arbeit der
rekrutierten Männer zu leisten. Eine lebensgefährliche Flucht in die Berge
bewahrte ihn 1945 vor der Wahl Militärdienst oder Hinrichtung. Erschütternd
war nach Kriegsende der weit verbreitete Vorwurf, er und andere Verweigerer
seien „Asoziale" und „Vaterlandsverräter". (Video-Dokumentation und
Biographie von: Bernhard Rammerstorfer: Nein statt Ja und Amen. Leopold
Engleitner: Er ging einen anderen Weg. 1999 
ISBN 3-9500718-6-5, € 20,- + Versand, Bestellung bei: office at rammerstorfer.cc)

Matthias Reichl

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Die USA sind pleite

...(Der US-Notenbankchef) Greenspan habe mit seiner Politik des billigen
Geldes nämlich die Spargesinnung der Amerikaner zerstört und eine
gigantische Verschuldungsspirale in Gang gesetzt. Heute sei der
amerikanische Konsument, der ganz nebenbei die letzte Stütze der
US-Wirtschaft ist, der „höchstverschuldete der Welt". (Der deutsche
Börsenexperte) Leuschel spricht von einem angehäuften Schuldenberg von
30.000 Mrd. US-Dollar und meint lapidar: „Die USA sind pleite." Deshalb sei
absehbar, dass die US-Konsumenten demnächst ihre Ausgaben drosseln
müssen... (Salzburger Nachrichten, 9.11.2002) Im vergangenen Jahr erhöhte
sich die Zahl der als arm eingestuften US-Bürger um 1,3 Millionen - auf
32,9 Millionen. 11,7 Millionen von ihnen sind jünger als 18 Jahre. Rund 2
Millionen US-Amerikaner haben 2001 ihre Arbeit verloren... (Daten der
US-Behörde für Statistik, aus „Publik-Forum" Nr. 21, S. 21)

Diese und weitere Entwicklungen auf Wirtschaft und Soziale Sicherheit - die
sich weltweit negativ auswirken werden - wurden wieder einmal durch einen
aufwendigen US-Wahlkampf verdrängt. Von den 46%, die zur Wahl gingen gab
eine Mehrheit Bushs’ Republikanischer Partei ihre Stimme und festigte damit
ihre Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus. Dass die oppositionellen
Demokraten nicht fähig waren, die bedrohlichen Entwicklungen wie die
Wirtschaftskriminalität, Rüstungsprojekte, ruinöse Kriege usw. in einer
aufrüttelnde politische Kampagne bewusst zu machen, illustriert die
unheilvolle Beziehung zwischen den beiden politischen Dinosauriern. (Die
marginalisierten Grünen konnten zumindest regional einige zusätzliche Sitze
erringen.)

Diese erzkonservative Dominanz wird vor allem den Lobbies dienen, von denen
Bushs’ Politikclan abhängig ist und auf die er sich stützt. Die Öllobby
wird u.a. in Alaskas ökologisch sensiblen Gebieten auch Öl bohren. Das
Militär wird dort auch seine riesige HAARP-Anlage fertigstellen
(High-Frequency Active Auroral Research Program, Buchtipp: Rosalie Bertell:
Planet Earth: The Latest Weapon of War, 2000, Women’s Press) . Ihre
konzentrierten elektrischen Strahlen führen nicht nur in der Ionospäre den
„Krieg der Sterne". Auf die Erde zurückreflektiert können sie zu neuen
Formen der Bekämpfung von Menschen und ihrer Umwelt eingesetzt werden - in
bisher unbekannter Intensivität und Dimensionen. An dem Projekt sind auch
die NASA und einige US-Universitäten beteiligt.

Forciert wird vom Pentagon (Büro für Informationserkenntnis, Leitg. John
Poindexter, Data, Erfinderwerkstatt) die weltweite Datenüberwachung
(Datamining), nicht nur von Internet und e-mails, sondern auch in anderen
Lebensbereichen. Ein gigantomanisches Projekt, das an der Datenflut
ersticken könnte. Aber vorher könnten die - z.T. kriminellen -
Wirtschaftsprozesse zu einem irreversiblen weitreichenden Zusammenbruch
führen. Auslöser könnte auch der unkalkulierbare Irak-Krieg sein.

(Karikatur von Manfred Madlberger (nur im gedruckten Rundbried)
Nicht nur scheinheilige, religiös-politische Fundamentalisten in USA - aber
auch in Israel, arabischen und anderen Ländern - fallen auf
pseudo-göttliche (Ver-)Führer hinein und werden zur Strafe aus dem
„Paradies" vertrieben. Trotz ihrer Bitten: „Gott schütze Amerika!", „In
Gott (Bush) vertrauen wir!", „Schütze unser glorreiches Land!" antworten
ihnen höchste Autoritäten mit: „Ich schütze unser Land - verlasst es
sofort, ihr (naiven) Narren! Ich gebe unser Land den Natives (den indigenen
Völkern) zurück!")

Auswirkungen auf Hawaii

Könnte diese „West against the rest"-Mentalität der „main-landers"
(US-Festlandbewohner) bei den hawaiianischen Aktivisten die latenten
Strömungen verstärken: „Los vom Osten" - schließen wir uns dem
(pazifisch-ostasiatischen) Westen an!? Eine eigenständige Form eines
„Ost-West-Konfliktes"!

Linda Lingle, erste weibliche Gouverneurin von Hawai’i, die als
Republikanerin nach 40 Jahren die Demokraten ablöste, wurde schon im
Wahlkampf von Umweltschutzgruppen wegen umweltfeindlicher Entscheidungen
und von den „Indigenen" wegen ihrer Ignoranz kritisiert. In ihrer ersten
Pressekonferenz favorisierte sie statt der Verbesserung des öffentlichen
Verkehrs ein milliardenteures zwei-stöckiges Autobahnprojekt, das mitten in
die Altstadt von Honolulu hineinreichen soll. Ein Erfolg der Bau- und
Autofahrerlobby zu Lasten von Umwelt und Stadtbildschutz. Dass noch
gravie-rendere Verschlechterungen kommen werden, befürchten ihre Kritiker
(www.honoluluadvertiser.com). 

Im „Rundbrief" Nr. 106, Seiten 2 - 3, berichtete ich über den Kampf der
indigenen Hawaiianer um das gemeinschaftlich nutzbare Land. Zurzeit
versucht eine Kampagne von „Liberalisierern" mit Methoden von
Bürgerinitiativen (e-mails, Faxe, Unterschriftenlisten) den Grundbesitz
einiger gemeinnütziger Schulen mittels Beschlusses des Stadtparlaments zu
„privatisieren". (Homepage der indigenen Hawaiianer: http://kupaa.org/)

Dass unter diesen vielfältigen politischen Bedrohungen die Energien für
tiefergehende, visionäre Bereiche zu knapp werden, beweisen u.a. auch die
Informationen auf der homepage www.hawaii-nation.org. (Weitere homepages
findet ihr im „Rundbrief" Nr. 106, Seite 3).

Matthias Reichl

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Stopp GATS

Kein Ausverkauf der öffentlichen Dienste

Stopp Gats-Kampagne
c/o   GdE
Margaretenstr. 166
1050 Wien
www. stoppgats.at
gats at attac-austria.org

 Sieben Gründe gegen das GATS

Ein Verhandlungsstopp wird nicht leichtfertig gefordert.

Es gibt zentnerschwere Gründe.


1. Falscher Ansatz

Ein UNO-würdiger Ansatz für eine globale Politik zum Thema Dienstleistungen
müsste lauten: „Wie können alle Menschen mit essentiellen Dienstleistungen
wie Trinkwasser, Gesundheit, Bildung, Alterssicherheit, Energie, Post,
Telefon und Internet versorgt werden?" Das Ziel dahinter wäre
Armutsbekämpfung, Herstellung von Chancengleichheit, Einlösung von
Menschenrechten. Die Mittel dazu wären Schuldenstreichung der armen Länder,
Tobinsteuer, Erhöhung der Entwicklungshilfe auf die versprochenen 0,7
Prozent, zinsenfreie Kredite für Investitionen in die Daseinsvorsorge.

Der (neokoloniale) GATS-Ansatz lautet hingegen: Wie kann ich „meinen"
Konzernen (des jeweiligen WTO-Mitglieds) neue Absatzmärkte (im Süden) und
neue Profitsektoren (in der öffentlichen Daseinsvorsorge) erschließen.

2. Angriff auf die Demokratie

Im GATS sind gleich mehrere Prinzipien enthalten, welche den politischen
Gestaltungsspielraum von Gemeinden, Ländern und Parlamenten dramatisch
einschränken.

Die zwingende Gleichbehandlung von lokalen und ausländischen Anbietern
(Prinzip der „Inländerbehandlung") macht Regionalpolitik oder die Förderung
von Nahversorgung unmöglich.

Die zwingende Gleichbehandlung von armen und reichen Ländern
(„Meistbegünstigung") – z. B. Ghana und USA – macht entwicklungspolitische
Zielsetzungen zunichte.

In denjenigen Sektoren, in denen Verpflichtungen eingegangen wurden, dürfen
Gesetze, Verordnung und Normen nur noch dann erlassen werden, wenn sie
„objektiv und transparent" sind und den freien Dienstleistungshandel „nicht
mehr als nötig" beschränken. Andernfalls können diese Regulierungen vor dem
WTO-Gericht geklagt werden. Die Nichtbehinderung des Freihandels wird somit
zum übergeordneten Verfassungsprinzip, dem sich die gesamte nationale
Gesetzgebung unterordnen muss. Ein veritabler Sachzwang wird geschaffen.
WTO-Recht steht über nationalem Recht, auch über der österreichischen
Bundesverfassung. 

3. Daseinsvorsorge in Gefahr

Ziel des GATS ist es, langfristig alle Dienstleistungssektoren (bis auf den
Luftverkehr) zu liberalisieren. Erschreckender Weise gilt dies auch für den
Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge: Gesundheit, Pensionen, Bildung,
Wasserversorgung Post, Strom, Telekommunikation, Öffentlicher Verkehr. Fast
alle Erfahrungen mit der Liberalisierung/Privatisierung der Daseinsvorsorge
zeigen jedoch, dass die Preise und Tarife steigen, dass ein zunehmender
Teil der Bevölkerung von der Versorgung ausgeschlossen wird, dass die
Versorgungsqualität abnimmt, dass die Verfolgung politischer Ziele wie
Umweltschutz, Chancengleichheit oder Regionalförderung zugunsten des
ausschließlichen Ziels des maximalen Profits aufgegeben wird und dass sich
die Arbeitsbedingungen in den liberalisierten Bereichen dramatisch
verschlechtern. Im Bereich der Daseinsvorsorge sind öffentliche Systeme
billiger, sozial gerechter und demokratischer. Hier haben der Markt und
globaler Konzernhandel nichts zu suchen.

4. GATS verschlechtert weltweit die Situation der Frauen

Frauen sind im Dienstleistungssektor besonders stark vertreten und von der
globalen Verschärfung der Konkurrenz und der damit einhergehenden
Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen und der Maximierung des Shareholder
Value umso mehr betroffen.

Wenn öffentliche Bereiche privatisiert werden, ist es aus mit der
Gleichbehandlung, und die Lohnschere zwischen Männern und Frauen öffnet sich.

Und wenn Sozialsysteme beschnitten und privatisiert werden, fallen soziale
Aufgaben in den Schoß der Familie zurück: Alten-, Kranken- und
Kinderbetreuung wird üblicherweise – und unentgeltlich – von Frauen
verrichtet.

5. GATS vertieft die Nord-Süd-Kluft 

Nicht kambodschanische Finanz-, Computer- und Telekomkonzerne drängen auf
den EU- und US-Markt, sondern umgekehrt. Das GATS ebnet den Weg für eine
neue Kolonialisierungswelle. Westliche Konzerne werden sich die Märkte in
den armen Ländern aufteilen, bevor diese in der Lage sind, eigene
Dienstleistungssektoren aufzubauen. Die große Mehrheit der Menschen wird
damit in die Abhängigkeit der Global Players getrieben.

Die Entwicklungsländer wollten keine neuen Liberalisierungsrunden innerhalb
der WTO, sie wurden von den Industrieländern aber zum Teil mit Drohungen
und Erpressungen (Streichung der Entwicklungshilfe) K.O.-verhandelt. Die EU
verlangt von den meisten Entwicklungsländern die Öffnung des gesamten
Energiesektors, des Telekom- und Finanzsektors, des Personentransports, des
Postwesens, des Tourismus, der Umweltdienstleistungen und der
Wasserversorgung. Die bekannte indische NGO Equations bezeichnet diese
Forderungen als „frontale Attacke gegen die indische Verfassung".

6. GATS ist unvereinbar mit Nachhaltiger Entwicklung

Die WTO ist nicht Teil des UN-Systems und nimmt in ihren Verträgen keine
Rücksicht auf „handelsfremde" Politikfelder wie Umweltschutz oder
Arbeitsrecht. Die GATS-Verhandlungen sind weder mit
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) noch mit Interregierungsorganisationen
(IGOs) wie dem Umwelt- oder dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen
(UNEP, UNDP) oder der Weltgesundheitsorganisation abgestimmt. Der Ansatz
ist Freihandel pur.

Folglich werden bedenkenlos hochproblematische Dienstleistungen der
Liberalisierung preisgegeben: Müllverbrennung, Ölförderung, Pipelinebau,
Abfallbehandlung, Abwasserentsorgung u. a. „Umweltschutz" findet nur am
Ende der Verschmutzungskette statt („end of the pipe"), wodurch eine
Vermeidung der verschmutzenden Aktivitäten verhindert wird.

Die einseitige Liberalisierung z. B. des Strommarktes ohne gleichzeitige
ökologische, soziale und kartellrechtliche Flankierung –
Grundgebührbefreiung für sozial Schwache, progressives Tarifmodell,
verpflichtender Mindestanteil und kostendeckende Einspeisetarife für
Ökostrom, strenge Fusionskontrolle – widerspricht zutiefst einer
nachhaltigen Entwicklung.

Die oben beschriebene Knebelung der Demokratie – Umweltschutzgesetze dürfen
nur dann erlassen werden, wenn sie den Freihandel mit Dienstleistungen
nicht mehr als nötig behindern –, stellt einen inakzeptablen Stolperstein
für nachhaltige Entwicklung dar.

7. Geheimverhandlungen

Es ist für eine Demokratie unverzeihlich, dass so weitreichende globale
Wirtschaftsverhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden.
Parlamentspräsident Heinz Fischer wusste vom GATS bis Mitte September 2002
nichts. In den Aussendungen der Austria Presse Agentur (APA) kam das Wort
„GATS" von September 2001 bis September 2002 gezählte 11mal vor. (Das Wort
„Hollywood" 1209mal.) Auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums finden
sich bis heute weder die Forderungen noch die Angebote Österreichs. Es ist
eine Mindestanforderung an die Demokratie, globale Wirtschaftsverträge
öffentlich zu verhandeln und im Zweifelsfall einer Volksabstimmung zu
unterziehen.

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Haus-WG-Projekt.

Wir (derzeit 4 Erwachsene, 1 Kind, 1 Ungeborenes) möchten ein
Haus-WG-Projekt gründen (oder in ein Bestehendes einsteigen). Das Ganze
soll im Umkreis von Wien sein, da ein Teil von uns dort arbeitet (nicht
länger als dreiviertel Stunden entfernt, Öffis). Wir sechs wünschen uns
Zugang zu einem Garten und fünf bis sechs  Räume für uns. Wir würden gerne
mieten, unter Umständen kaufen - es muss etwas für kleinere Geldtaschen
sein. Wir möchten uns auf die Suche nach alternativen Formen von
Miteinander-Leben, von Auf-Wachsen und Arbeiten (teilen) machen...

Dazu suchen wir: 
* ein geeignetes Haus!
* Menschen, die dabei mitmachen möchten (mit und ohne Kinder, Singles,
Paare...)
* Menschen, die Erfahrungen und Wissen in diesem Bereich haben und uns
diese weitergeben möchten.  
Und: wir möchten so rasch als möglich damit beginnen, im März möchten wir
bereits einziehen!

Kontakt: Michael Nussbaumer (Hermanngasse 14, 1070 Wien. e-mail:
mihi42 at yahoo.com, Tel. 0699/19234561)

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Info-Reiche oder Info-Arme

Aminata D. Traoré

Auszug aus der Erklärung des „Forums für ein anders Mali" zum Thema „Afrika
und die Informationsgesellschaft"

„Wer schweigt, setzt genauso eine politische Handlung wie der, der
protestiert. Jeder, der sich der verheerenden Folgen der Globalisierung
bewusst wird, kann seine Hände nicht mehr in Unschuld waschen. Er ist
verpflichtet, etwas dagegen zu tun"

Arundhati Roy

Einladung in den Cyberspace

Der starke Anstieg der rassistischen und ausländerfeindlichen
rechtsradikalen Parteien in Europa macht uns, die wir aus Mali oder anderen
Teilen Afrikas stammen, wieder einmal mehr als deutlich, dass wir in
gewissen Breitengraden noch immer nicht willkommen sind. Aber die
Lebensumstände in unseren Heimatländern sind nun einmal katastrophal. Es
fehlt an allem: an Arbeitsstellen, Einkünften, Lebensmitteln, Schulen,
medizinischer Versorgung und Zukunftsperspektiven.

In unserer schwierigen Situation bieten uns nun die Industriestaaten und
unsere eigenen Politiker den Cyberspace sozusagen als neuen Lebensraum an,
den wir erforschen und bewohnen sollen. Aber wie alle anderen Wege, die wir
bereits versucht haben, sind auch die Datenautobahnen für uns überschuldete
und abhängige Staaten voller Tücken und Fallen. Sie stehen nur denen weit
offen, die über ein gewisses Maß an Bildung und die entsprechenden
Geldmittel verfügen. Die Geldmittel jedoch, die Afrika den Zugang
ermöglichen würden, sind konfisziert. Bei der Konferenz der Vereinten
Nationen in Monterrey (Mexiko) im März 2002, bei der es um die Finanzierung
der Entwicklungshilfe ging, haben uns die gleichen Industriestaaten, die
uns auffordern, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und uns der
Informationsgesellschaft anzuschließen, einmal mehr deutlich zu verstehen
gegeben, dass der Zugang zu den Geldern, die unser Kontinent mehr als
dringend benötigt, auch weiterhin der Bedingung unterliegt, dass unsere
Staaten sich voll und ganz den Dogma des Marktes anschließen. Der enorme
soziale Preis, den wir für dieses Diktat zahlen müssen, das die Regierungen
der Staaten des Südens in Misskredit bringt und destabilisiert, wird
übertüncht mit Zauber- und Beschwörungsformeln für den Kampf gegen die
Armut. Das afrikanische Volk hat Hunger, es leidet und hat Angst vor der
Zukunft. ...  Auszug aus: : Gerfried Stocker/ Christine Schöpf (Hg.):
Unplugged. Art as the Scene of Global Conflicts. Ars Electronica 2002. 2002
Hatje Cantz Verlag.  € 28,-. In diesem Reader nehmen die meisten Referenten
und Künstler mit Textbeiträgen (in Englisch und Deutsch) Stellung.

Bei einer Tasse Kaffee am Buffet des Linzer „Brucknerhauses", umgeben von
Computerfreaks, kam sie im Zwiegespräch mit mir schnell zur Sache. Aminata
als Mitorganisatorin des „Afrikanischen Sozialforums" und Sprecherin bei
dem Weltsozialforum in Porto Alegre 2002 knüpfte mit südlichem Elan die
Verbindungen zu unserem „Europäischen Sozialforum". Mit ihrem regionalen
„Forum für ein anderes Mali" meldete sie ihre Skepsis gegenüber einem
technologiefixierten wissenschaftlichen Positivismus und dem neoliberalen
Globalisierungsdogma an, mit dem wir auch bei diesem Symposium konfrontiert
waren. (Lori Wallach, die kritische US-amerikanische Expertin für GATS und
Privatisierung, die einige Tage später referierte, schilderte mir später
ihren Ärger über die abgehobene Atmosphäre.)

Nicht nur die Form der Anbindung Afrikas an den Rest der Welt, sondern vor
allem die Inhalte und Ziele standen auch bei weiteren Afrikanern zur
Debatte. Aus dem „Norden" bekamen sie Unterstützung von Kritikern wie
Saskia Sassen, eine Expertin für die zentralisierenden Tendenzen der
Metropolen. Jeremy Rifkin knüpfte geschickt an die Analysen in seinem Buch
„Access" an (zu seiner Energieinitiative siehe untenstehenden Text).

Matthias Reichl

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Energiepionier Jeremy Rifkin

Jeremy Rifkin, nicht nur als Buchautor sehr erfolgreich und
durchsetzungsfähig, will nun die EU-Führung zu einem Energie-Umstieg
bewegen. Eine Presseaussendung des Campus Verlages, der sein neuestes Buch
„Die H²-Revolution. Mit neuer Energie für eine gerechte Weltwirtschaft"
(siehe S. 8) vor Kurzem publiziert hat, berichtet, dass
EU-Kommissions-Präsident Romano Prodi von 2003 bis 2006 für Forschung und
Anwendung der Brennstoffzellentechnik für ein Wasserstoffenergie-Netz 2,12
Milliarden EURO zugesagt habe. Mit dieser „historischen
EU-Energie-Initiative" soll schrittweise der Einsatz von Öl und anderen
fossilen Energiequellen reduziert werden - nicht allein wegen der
Klimafolgen sondern auch aus Angst vor ökonomischer Erpressung, Kriegen um
Öl und Terroranschlägen. 

In einer Diskussion bei der Ars Electronica in Linz stellte er auf meine
Frage fest, dass er mit dieser dezentralisierten Energieproduktion auch den
Ausstieg aus der Atomenergie mit ihren zentralisierten Reaktoren erreichen
will.

Weitere Informationen zu Jeremy Rifkin vermittelt Stephanie Woodhouse, The
Foundation on Economic Trends, 
Stephanie Woodhouse, 1660 L St. NW, Suite 216, 
Washington, DC 20036, USA. Tel. 001-202-466-2823, 
e-mail: swoodhouse at foet.org , www.foet.org

Matthias Reichl

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EURATOM und EU-Osterweiterung

Trotz der dokumentierten Gefahren hat die Atomenergie in der EU -
abgesichert durch den EURATOM-Vertrag - noch immer Kredit. Das
dokumentierte am 6.11.2002 die Atombefürworterin EU-Kommissarin Loyola de
Palacio, als sie ihr „Gemeinschaftskonzept für nukleare Sicherheit in der
EU" präsentierte. Darin wird die Erhöhung des Kreditrahmens - vor allem für
die EU-Beitrittskandidaten-Länder - von 4 auf 6 Milliarden Euro
angekündigt. In der EU sind derzeit in 8 von 15 Mitgliedsstaaten insgesamt
145 Atomanlagen in Betrieb. Dazu kommen ab 2004 weitere 22 AKWs in 7 der 10
Beitrittsstaaten. Mehr zur Bürgerberuhigung als zur wirksamen Sicherung der
Reaktoren, aber auch der Atommülllager sollen entsprechende Bestimmungen in
den EURATOM-Vertrag eingebaut werden. 

Dass damit sowohl die gefährlichen Mängel sowohl der „westlichen" als auch
der „östlichen" Technologien und erst recht deren Kombination beseitigt
werden können, wird seit langem von Wissenschaftern und Bürgerbewegungen
infrage gestellt. Dass mit der „Osterweiterung" nicht nur realer Atommüll
sondern auch ebenso gefährlicher ideologisch-politischer Müll durch
neoliberale Technokraten zurückimportiert wird, ignorieren
EU-Repräsentanten konsequent. Das musste am 21.10. eine kleine Delegation
von Atomgegnern in einem Gespräch mit Loyola de Palacio - trotz ihrer
diplomatischen „Offenheit" - feststellen. Weder die dokumentierten
Strahlenopfer noch Irlands Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen die
Verstrahlung der Irischen See durch britischen Atommüll, aber auch die
unhaltbare Subventionierung der Atomstromproduktion durch die Staaten
änderten ihre offensichtliche pro-Atomenergie-Haltung. Die Forderung von
Grünen und anderen Atomgegnern, dass statt des EURATOM-Vertrages ein
exekutierbares „Atomausstiegs"-Kapitel in die geplante EU-Konvention
aufgenommen wird, ist zwar gut gemeint, hat aber wenige Chancen! Am
Beispiel der Privatisierung der Energiewirtschaft zeigen sich die fatalen
Folgen einer neoliberalen Politik unter dem Diktat der WTO und ihrer
GATS-Verhandlungspolitik.

Am Vortag, dem 20.10. waren an die 10.000 Demonstranten in Straßburg auf
der Strasse um für ein Europa frei von Atomanlagen zu demonstrieren.
Greenpeace Österreich wird in diesen Tagen die Unterschriften zu einem
„Volksbegehren für ein atomfreies Europa" einreichen. Und
deutsch-französische Atomgegner versammeln sich ab 9.11. eine Woche lang in
Gorleben, um den bisher grössten Atommülltransport von La Hague zu stoppen
oder zumindest zu behindern. Die 12 Castor-Behälter enthalten mehr als das
Doppelte an radioaktivem Material als es in Tschernobyl freigesetzt wurde.

Aber auch die undurchsichtigen Verhandlungen um das tschechische AKW
Temelin gehen auf zwischenstaatlicher Ebene weiter. Wie die technischen und
finanziellen Probleme der Anlagen gelöst werden können, wenn dies in den
west-/ mitteleuropäischen Ländern nicht gelingt, muss vehement bezweifelt
werden.	

Matthias Reichl

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Alternative Nobelpreise 2002

Die „Alternativen Nobelpreise 2002" - gestiftet von der „Right Livelihood
Award Foundation (RLA)" - werden am 9.12. im schwedischen Parlament in
Stockholm durch Jakob von Uexküll überreicht.

Infos: E-mail: info at rightlivelihood.se , www.rightlivelihood.se   

Zwei der Ausgezeichneten engagieren sich für Konfliktlösung und Heilen:

Das Centre Jeunes Kamenge in Burundi (Afrika), ist ein Netzwerk von
christlichen Sozialprojekten für Jugendliche, das seit 1991 die Opfer von
Bürgerkrieg, ethnischem Hasses und der wirtschaftlichen Misere des
afrikanischen Landes dabei unterstützt, in Mikro-Projekten selbstbewusst
Bildung, Arbeitsmöglichkeiten und ein solidarisches Zusammenleben neu zu
entwickeln. Unterstützt werden sie unter anderem von europäischen,
kirchlichen Organisationen, der EU und auch durch die staatliche
Österreichische Entwick-lungszusammenarbeit. 

Kontakt: Claudio Marano, Centre Jeunes Kamenge, BP. 500, Bujumbura,
Burundi, Afrika, www.cejeka.com

Schwedische Frauen gründeten 1993 in Stockholm die Stiftung „Kvinna Till
Kvinna", um Initiativen von Frauen auf dem Balkan zu unterstützen, die
Opfer der Kriege, bewaffneten Auseinandersetzungen und der Feindseligkeiten
zwischen den Volksgruppen wurden. Sie haben 70 - 80 Kooperationsprojekte in
Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Kroatien, Serbien, Albanien,
später auch in Israel/ Palästina und Georgien aufgebaut. Die Kernbereiche
ihrer Arbeit: „Dialoge initiieren, Trainings für Selbstbewußtsein und
Beruf, Gesundheitsvorsorge, Auseinandersetzung mit Gewalt in der Familie,
juristische Beratung, und eine Reihe weiterer Bereiche (darunter auch die
Probleme mit Prostitution und Menschenhandel), die während und nach den
politischen Konflikten entstanden". Ihr Budget wird zu gut 90% von der
staatlichen Entwicklungsagentur Schwedens (SIDA) finanziert.

Kontakte: Kerstin Grebäck, Kvinna till Kvinna, Kristinebergs Slottsväg 8,
S-112 52 Stockholm, e-mail: info at iktk.se, www.iktk.se

Ein Menschenrechtsaktivist: Martin Almada, aus Asuncion (Paraguay) hatte
mit seiner Frau in seiner Heimatstadt San Lorenzo das Institut „Juan
Baptista Alberdi" zur Bewußtseinsbildung und kooperativen Entwicklung
gegründet, das 1974 durch den Diktator Stroessner gewaltsam unterdrückt
wurde. Wegen seiner Doktorarbeit „Paraguay, Bildung und Abhängigkeit" wurde
er von staatlichen Autoritäten als „intellektueller Terrorist" diffamiert.
Während drei Jahren Konzentrationslager und Folter wurde seine Frau Opfer
eines „psychologischen Mordanschlages" und Martin Almada musste 1977 mit
seinen Kindern und seiner Mutter ins Exil. Für die UNESCO arbeitete er als
Experte für Umwelterziehung und ländliche Entwicklung in Afrika und
Lateinamerika, war aber auch literarisch aktiv. 

Als 1989 Stroessner gestürzt wurde konnte er in seinem Heimatland die
Menschenrechtsbewegung wieder mitaufbauen. Er sammelte die Dokumente des
Staatsterrors in „Archiven des Terrors", die für ganz Lateinamerika und
darüber hinaus Vorbildcharakter bekamen. Daneben gründete es in ländlichen
Gebieten „Bildungs und Produktions"-Projekte, die auch (solare)
Alternativenergien einsetzen.

Kontakt: Martin Almada, Avda. Carlos Antonio Lopez 2273, Asuncion,
Paraguay, e-mail: malmada at rieder.net

Und ein Ehrenpreis für einen Experten in photovoltaischer Solarenergie:
Martin Green, Professor in Sydney an der Universität von New South Wales
baute dort - gemeinsam mit Prof. Stuart Wenham - das Photovoltaics Special
Research Center auf. Dieses Institut ist seit den frühen 80er-Jahren
weltweit führend in der Solarzellen-Forschung. Die „erste Generation" wird
seit 1985 von BP Solar in Lizenz erzeugt. Seither konnten die Kosten auf
ein Drittel reduziert werden. Die „zweite Generation" - aus einem auf Glas
fixierten Silikon-Film - soll ab 2004 als erheblich preiswertere
Weiterentwicklung produziert werden.

Kontakt: Prof. Martin Green, Centre for Photovoltaic Engineering,
Electrical Engineering Buildung, The University of New South Wales, Sydney
NSW 2052, Australia, www.pv.unsw.eduau/mag.html

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RLA-Preisträger 2001 zu Gast im Land Salzburg

Wie 2001 sollten auch heuer wieder die Alternativen Nobelpreisträger des
Vorjahres zu (sehr) kurzen Gastauftritten im Rahmen der
Leopold-Kohr-Akademie in Neukirchen eingeladen werden. Es waren nicht
allein die zu knappe Zeit für die Gespräche sondern die dramatischen
politischen Entwicklungen, die die meisten an der Teilnahme hinderten.
Leonardo Boff, in Brasilien, unterstützte - erfolgreich - den
Präsidentschaftskandidaten Lula von der Arbeiterpartei (PT), dem es bei
dieser Wahl erstmals gelang der neoliberalen Regierungspartei eine
Niederlage zu bereiten. Dass die riesigen ökonomischen Probleme und der
Druck von USA und Währungsfond die überfälligen sozialen Reformen erheblich
erschweren werden, ist eine kaum zu bewältigende Hypothek. Neueste
Informationen aus den Provinzen berichten, dass sich nun lokale herrschende
Kreise und auch die Polizei an den Unterstützern der PT für die
Wahlniederlage mit massiven Repressionen rächen wollen. Übrigens haben -
trotz vehementer Repressionen durch die Polizei - die sehr erfolgreichen
gewaltfreien Proteste von ekuadorianischen Indios und anderen Aktiven gegen
die ALCA-Konferenz in Quito die globalisierungskritischen Kräfte
Lateinamerikas gestärkt. Sie erreichten, dass 50 Demonstranten den
Regierungsvertretern - v.a. dem US-Delegierten - ihre Proteste gegen die
fatalen Auswirkungen der geplanten gesamtamerikanischen Freihandelszone
ALCA mit allem Nachdruck zur Kenntnis brachten. Bemerkenswert ist, dass
sich an einer weiteren Demonstration auch Polizisten protestierend
beteiligten. (Mehr dazu in: www.foodfirst.org/progs/global/trade/quito2002/)

José Antonio Abreu aus dem Nachbarland Venezuela musste wegen des drohenden
Militärputsches gegen den fortschrittlichen Staatspräsidenten verfrüht
abreisen. 

Uri Avnery, der israelische Friedensaktivist von „Gush Shalom", bedauerte,
dass wir uns zu einem späteren Zeitpunkt treffen müssen, weil der Konflikt
zwischen der israelischen Regierung und den Palästinensern wieder einmal
eskalierte. Zudem meldete „profil" am 4.11.2002: „Strafe für die Wahrheit.
Ein Israeli, der dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag Beweismittel über
israelische Kriegsverbrechen an Palästinensern übergibt, soll mit Gefängnis
bis zu zehn Jahren bestraft werden. Das sieht ein Gesetzesentwurf aus den
Reihen der regierenden Likud-Partei vor. Erster Kandidat für die Anklage:
der Journalist Uri Avnery. Nun, nach dem Zerbrechen der Regierung, der
Ernennung des Hardliners Netanyahu zum Außenminister und dem drohenden
Stimmenzuwachs für den Likud und die weit rechtsstehenden bzw.
religiös-fundamentalistischen Parteien ist eine weitere Zunahme der
Unterdrückung zu befürchten. (Homepage: www.gush-shalom.org,
www.uri-avnery.de) Übrigens wird dies auch der Alternative Nobelpreisträger
Mordechai Vanunu zu spüren bekommen, der in Israel bis auf 18 Monate seine
verschärfte Gefängnisstrafe von 18 Jahren durchgestanden hat und nun auf
eine etwas vorzeitige Entlassung hofft. (Info: http://nonviolence.org/vanunu)

Die einzigen Alternativen Nobelpreisträger, die nach Salzburg kommen
konnten waren drei Frauen von der gewaltfreien Aktionsgruppe „Trident
Plowshares" aus Großbritannien (und Dänemark). Walter Achleitner von der
Koordinationsredaktion der Kirchenzeitungen konnte mit ihnen nach einiger
Mühe über ihre „gewaltfreie Abrüstung britischer Atom-U-Boote" und über die
aktuellen Kriegsgefahren sprechen. Ich hoffe, dass wir Teile daraus
abdrucken können. (Homepage: www.gn.apc.org/tp2000/)

Matthias Reichl

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Alles wegen einer kleinen Olive 

Warum ist die Sharon-Ben-Eliezer-Peres-Regierung zusammengebrochen? Wegen
einer kleinen Olive!

(Gedanken zum Regierungskollaps)      		       Uri Avnery 

Es beginnt wie eine Kindergeschichte: Es war einmal eine kleine Olive in
einem palästinensischen Dorf. Sie wuchs und reifte an einem Zweig eines
alten Baumes im Olivenhain ganz oben auf einer Hügelkuppe. „Pflückt mich!
Ich möchte euch mein Öl schenken!" bat die kleine Olive.  Sie wurde immer
reifer, aber die Pflücker kamen nicht. Sie konnten sie nicht erreichen,
weil die israelischen Siedler zwei Wohnmobile auf die Hügelkuppe gesetzt
hatten, und so das ganze Gebiet zu einer „Sicherheitszone" dieses
Außenpostens geworden war. Als die Besitzer des Olivenhaines sich näherten,
wurden sie von den Siedlern beschimpft und geschlagen und zuletzt sogar
beschossen. Dies geschah an Dutzenden von Orten überall in der Westbank. 

Die Dorfbewohner riefen die israelische Armee um Hilfe; denn diese
kontrollierten ja jetzt wieder alle palästinensischen Gebiete. Aber die
Armee kam nicht, um sie zu beschützen. Viele der Armeeoffiziere waren
selbst Siedler. Die Armee sah ihren Job als Verteidiger der Siedler an und
dachte gar nicht daran, sie anzugreifen. Als die Armee schließlich
eingriff, vertrieb sie die Dorfbewohner aus ihren eigenen Olivenhainen rund
um die Außenposten. 

In ihrer Notlage riefen die Dorfbewohner dann die israelischen
Friedensgruppen um Hilfe. Und die waren bereit. 

Nun besteht das israelische „Friedenslager" aus zwei Teilen. Das eine, rund
um „Peace now"(Frieden jetzt), ist mit der Arbeiterpartei verbunden, die
eine Stütze der Regierung war. Der Parteivorsitzende war auch der
Verteidigungsminister und darum verantwortlich für all die schlimmen Dinge,
die sich in den palästinensischen Gebieten ereigneten. 

Der andere Teil des Friedenslagers besteht aus vielen radikalen Gruppen,
von denen jede auf ihrem besonderen Sektor aktiv ist.. „Gush Shalom" ist
ein politisches Zentrum, das die Grundlagen der Situation und die Mythen
analysiert und dem entsprechend vielseitig und provozierend aktiv wird.
„Ta’ayush" eine arabisch-jüdische israelische Gruppe, die der belagerten
palästinensischen Bevölkerung hilft. B’tselem sammelt und veröffentlicht
Daten über Menschenrechtsverletzungen, wie es das Alternative
Informationszentrum in anderer Weise („News From Within") tut. Die „Ärzte
für Menschenrechte" machen eine wunderbare Arbeit auf medizinischem Gebiet,
während die Frauenkoalition für Frieden und Bat Shalom
Menschenrechtsaktivitäten mit einer feministischen Agenda verbindet. „Das
Komitee gegen Hauszerstörungen" initiiert den Wiederaufbau von durch
israelisches Militär zerstörten Häusern, und die „Rabbiner für
Menschenrechte" - zwar nur eine kleine religiöse Gemeinschaft, die nicht
dem fanatisch nationalistischem Banner folgt – sondern sehr aktiv sich um
marginale Bevölkerungsgruppen in den Besetzten Gebieten und in Israel
(Höhlenbewohner, Beduinen, Fremdarbeiter u.a.) kümmert . „Machsom Watch"
berichtet über Schikanen an den Checkpoints und versucht, sie zu
verhindern. Yesh Gvul hilft Soldaten, die den Dienst in den Besetzten
Gebieten verweigern. „New Profile" ist auf demselben Gebiet aktiv. Die
Liste ist lang. Aktivisten der verschiedenen Gruppen arbeiten häufig
zusammen, und viele gehören mehreren Gruppen an. 

Die Aktivisten dieser Organisationen meldeten sich, um den Dorfbewohnern zu
helfen. Sie gingen hin, um Oliven zu pflücken und gleichzeitig den
Dorfbewohnern als menschliche Schutzschilde zu dienen. Es schlossen sich
ihnen europäische Friedensaktivisten an, die seit fast zwei Jahren in sich
abwechselnden Schichten der besetzten palästinensischen Bevölkerung helfen.
An manchen Tagen sind Dutzende von israelischen und internationalen
Aktivisten in den Olivenhainen, am Sabbat Hunderte. Sie sind auf mehrere
Dörfer verteilt, gehen die Hügel hinauf und werden von den Siedlern
angegriffen. Bei Dutzenden von Zwischenfällen begannen die Siedler, in die
Luft oder auf den Boden rund um die Olivenpflücker zu schießen. 

Wochenlang erfuhr die Öffentlichkeit nichts von diesen Vorfällen. Denn
unter den Medien gibt es ein verabredetes Stillschweigen über die Existenz
eines radikalen Friedenslagers. „Frieden Jetzt!" wird irgendwie als zum
nationalen Konsens gehörig betrachtet und deshalb wird über seine Aktionen
- wenn auch nur knapp – berichtet. Über Aktivitäten der von mehr Prinzipien
geleiteten und tatkräftigeren Kräfte ( der „zutiefst Linken" nach den
Worten des früheren Ministerpräsidenten Ehud Barak, der sie verabscheute)
wurde überhaupt nicht berichtet, es sei denn, es war mit Blutvergießen
verbunden. 

Aber langsam sickerten auch in den Medien Berichte über den Olivenkrieg
durch: über die Siedler, die die Palästinenser wegjagten und ihnen die
schon gepflückten Oliven stahlen; über Siedler, die, nachdem sie die
Besitzer der Olivenhaine vertrieben hatten, selbst ernteten; über Siedler,
die die Haine in Brand setzten; über den früheren Oberrabbiner, der
verkündete, dass Juden recht handelten, wenn sie die Früchte denen
wegnahmen, um die die arabischen Dörfler schwer gearbeitet hatten, weil
Gott die Früchte des Landes den Juden gegeben habe. 

Dies verabredete Stillschweigen wurde schließlich dadurch gebrochen, als
eine Gruppe berühmter Schriftsteller mit ihrem Olivenpflücken ein Zeichen
setzte. Die Medien, die die engagierte Arbeit von Hunderten von anonymen
Aktivisten ignorierten, waren glücklich, auf Berühmtheiten wie Amos Oz,
A.B.Yehoshua, David Grossman und Me’ir Shalev zu treffen. Nun wurde das
Olivenpflücken ein Teil des Konsenses. 

Die Siedler waren in weiten Teilen der Öffentlichkeit niemals beliebt. Der
Zorn über sie wuchs, als bekannt wurde, dass man den Armen in Israel große
Summen von Geld wegnahm, um die Siedlungen damit zu mästen. Der Zorn war
vermischt mit der Sorge um die Soldaten, die häufig von Siedlern
angegriffen, ihr Leben riskierten, um entfernt gelegene, halbleere
Siedlungen zu schützen. Die Geschichten über das grausame Schikanieren von
ungeschützten Olivenpflückern hatten gerade noch gefehlt. Sie haben selbst
in der schweigenden Mehrheit Widerwillen und Abscheu hervorgerufen. 

Dies hatte auch einen indirekten Einfluss auf Binjamin Ben-Eliezer. Er nahm
die sich verändernde Stimmung in der Öffentlichkeit wahr und entschied,
dass es nun in seinem Interesse und in dem der Partei sei, die Regierung zu
verlassen. Er suchte fieberhaft nach einem Vorwand. Öffentliche
Meinungsumfragen ergaben, dass die Siedler jetzt die unbeliebteste Gruppe
im Land seien. So entschied er, die Regierung dahin zu bringen, dass sie
zusammenbräche. Er verlangte plötzlich, dass die Regierung das für die
Siedlungen bestimmte Geld den Rentnern geben solle.  Das war nur ein
Vorwand, aber es bewies, dass ein großer Teil der Öffentlichkeit es mit den
Siedlungen einfach satt hatte. Zu guter Letzt sind die Siedlungen der
Hauptpunkt der Auseinandersetzungen geworden. Während Ariel Sharon noch
versucht, eine Regierung aufzustellen, die sich auf die Siedler und ihre
Verbündeten der äußersten Rechten gründet, wird die Arbeiterpartei – nun in
der Opposition – gezwungen sein, ein Anti-Siedlungsprogramm vorzustellen.
Somit wird der Slogan einer kleinen „marginalen" Minorität zum Programm
eines großen Lagers. 

Dies ist wieder einmal ein Beispiel für die Doktrin des „kleinen Rädchens",
wie wir es schon vor Jahrzehnten formulierten: ein kleines Zahnrad, von
starkem unabhängigen Antrieb bewegt, dreht ein größeres Rad, das ein noch
größeres antreibt .....bis die ganze große Maschine sich zu bewegen
beginnt. In dieser Weise kann eine kleine politische Gruppe mit einer
unabhängigen und klaren Agenda einen entscheidenden politischen Prozess in
die Wege leiten, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. 

Wir haben noch immer einen weiten Weg vor uns. Die Gefahr des Faschismus
schwebt noch immer über diesem Land. Es ist nun jedoch bewiesen, dass Dinge
in die andere Richtung bewegt werden können. 

Vielleicht ist eine kleine Olive auf dem Hügel mächtiger als eine 1t-Bombe. 

02.11.2002 (Aus dem Englischen übersetzt:
 Ellen Rohlfs und vom Verfasser autorisiert)

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Proteste gegen Nord-Südamerikanische Wirtschaftszone

Pressemitteilung vom 31.10.02, Quito, Ecuador 

Ein historisches Ereignis, das es bisher noch nicht gegeben hat, Vertreter
von sozialen Bewegungen Ecuadors und Lateinamerikas betraten das
Ministertreffen, das im Rahmen der  ALCA-Verhandlungen stattfand, und
erhielten die Möglichkeit, ihren Widerspruch und ihre Ablehnung gegenüber
dem ALCA auszudrücken. Mit dieser eindringlichen Befragung der
teilnehmenden Außenminister durch Vertreter der Sozialen Bewegungen und
Organisationen endete die Tagung zur Mobilisierung gegen das ALCA unter dem
Motto "Ein anderes Amerika ist möglich", an dem indigene, bäuerliche und
soziale Organisationen aus ganz Lateinamerika teilgenommen hatten. ...

Hunderte von in Armut lebenden Menschen schlossen sich in den letzten Tagen
den Massendemonstrationen an, zu denen die Konföderation für bäuerliche
Sozialversicherung, CONFEUNASSC und die CONAIE aufgerufen hatten. ...

Die starken Proteste während des heutigen Tages führten letztlich dazu,
dass 50 Delegierte der ecuadorianischen und kontinentalen Bewegungen und
Organisationen von den Außenministern empfangen wurden.

Cesar Cabrera, Präsident der CONFEUNASSC, war einer der Delegierten, ... .
Er führte er an, dass sich die sozialen Bewegungen des Kontinents weiterhin
wehren und den Ministern demonstrieren werden, dass die Verhandlungen nicht
wie bisher auf heimliche Art und Weise und ohne Berücksichtigung der
Zivilgesellschaft durchgeführt werden könnten. Vielmehr forderte er einen
Aufschub der Verhandlungen zum ALCA  und die Durchführung eines
kontinentalen Referendums, damit die betroffenen Menschen selber über ihre
Zukunft entscheiden können.

Antonio Poso, Präsident des lateinamerikanischen Parlaments, sagte, dass
bisher bei den Verhandlungen zum ALCA die Gesichtspunkte des Parlaments
nicht miteinbezogen wurden, obwohl es die höchste Instanz des Staates ist.
Die Abgeordnetenhäuser hätten zu entscheiden, inwiefern diese Abkommen zu
vertreten oder abzulehnen seien.

Leonidas Iza, Präsident der CONAIE, klagte die extreme Armut und
Ungleichheit innerhalb des amerikanischen Kontinents an, die sich seines
Erachtens unter dem Freihandelsabkommen ALCA noch weiter verstärken würden.
"Wir erheben unsere Stimme und die nordamerikanische Regierung nennt uns
Terroristen. Wir bedrohen nichts und niemanden, aber wir sind müde und
haben Hunger."

Mit großer Empörung klagten die Campesinos und Indigenen Dr. Heins Moeller,
den Außenminister Ecuadors, wegen der enorm hohen Polizeirepression während
der letzten Tage an. Ergebnis dieser Repression seien 3 verletzte Kinder im
Alter von 8 Monaten bis 1 Jahr und mehr als 3 weitere verletzte Erwachsene,
... .

Zwei Delegierte der Vereinigten Staaten machten Bob Zoellick, dem
Verhandlungsleiter der US-Regierung, zum Vorwurf, dass er zum einen den
bestehenden, nordamerikanischen Widerstand gegen den Freihandel
verheimlicht habe und zum anderen beabsichtige, Lateinamerika einen großen
Schaden  zuzufügen. Und das, obwohl man sich der schlechten Erfahrungen mit
dem NAFTA (Nordamerikanisches Freihandelabkommen) bewusst sei.

Zum Ende dieses denkwürdigen Ereignisses überreichten die Indigenen und
Campesinos den Ministern einen überdimensional großen Brief, mit einer
Breite von 4m und einer Länge von schätzungsweise 200m, gefüllt mit
Bedenken und Vorschlägen, die während der Karawane zusammengetragen worden
sind, gemeinsam mit einer Erklärungder Zivilgesellschaft von Amerika, ...
Die DemonstrantInnen gingen zurück in ihre Gemeinschaften und ihre
Delegierten trafen sich noch zu einer Kontinentalen Versammlung der Völker...

 Kommission für Kommunikation CONFEUNASSC-CNC CONAIE   

(Übersetzung: Andreas Rockstein red. M.R)

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UNICEF durch Multis gesponsert

Hilfsprogramme für Kinder im Besonderen und für andere gemeinnützige
Institutionen werden von Multis zunehmend als Imageförderer gebraucht.

Das Internationale Babyfood Action Network (IBFAN) kritisiert in seiner
Presseaussendung vom 30.10.2002 eine Kooperation zwischen dem
Nahrungsmittelmulti Nestle und der UN-Kinderhilfsorganisation UNICEF am
Beispiel eines gemeinsamen Symposium öffentlich. „Making Global
Responsibility Work for Business and Development" passt als Titel gut für
ihre Zusammenarbeit im Rahmen des „UN Global Compact". IBFAN, das seit
Jahren mit Nestle wegen deren Werbe- und Verkaufspraktiken bei Babynahrung
(„Flaschenfütterung statt Muttermilch aus der Brust") im Streit liegt,
stellt peinliche Fragen auf Basis der UN-Grundsätze wie sie u.a. in der
Konvention über die Rechte der Kinder formuliert sind. Die US-Amerikanerin
Carol Bellamy, eine UNICEF-Direktorin, wird im RLA-Journal „Cornerstones"
(Nr.18, Okt. 2002, S. 2) wegen ihrer einjährigen „ökonomischen Zweckehe"
mit den Multis - darunter McDonalds und Disney - kritisiert, die Nachahmer
finden könnte. McDonalds organisierte z.B. in diesem Monat in seinen
Filialen einen „UNICEF-Kinder-Tag", muss aber demnächst wegen der
Wirtschaftskrise bis zu 175 Filialen schließen und dabei ca. 5% seiner
Beschäftigten entlassen - darunter auch Väter und Mütter mit Sorgepflichten
für ihre Kinder. Diese Krisenfolgen werden aber auch andere Budgets für
Sponsoring entsprechend reduzieren.

Wir berichteten in den „Rundbriefen" Nr. 105 und 106 von multilateraler
Firmen, die den Johannesburger UN-Gipfel für Nachhaltige Entwicklung für
ihre Imagepflege missbraucht hatten: IBFAN nützte dieses Event, um den
Multi Nestle wegen seinen wirksamen „Weisswaschmethoden" den „Best Blue
Actor Award" zu überreichen. (Infos bei: www.ibfan.org, www.corpwatch.org,
www.earthsummit.biz/awards/blueactor.html)

Wir schätzen die Kontakte mit einzelnen UN-Sektionen - z.B. die
Flüchtlingshilfsorganisation UNHCR - und warnen daher vor einem wachsenden
Abhängigkeitsverhältnis von Multis und ihren Lobbies, die zunehmend auch
die politischen Konzepte und ihre Umsetzung beeinflussen.

Matthias Reichl

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Lutz Rathenow

Lutz Rathenow feierte in September 2002 seinen 50. Geburtstag. Wir bringen
einen Auszug aus seinem Buch: 
Die Fünfzig. Gedichte. 2002 Verlag Landpresse 

Was ich noch dichten wollte. 2002

Fünfundzwanzig ältere und fünfundzwanzig sehr neue Gedichte werden vereint.
Ein Vereinigungsbuch mehr. Es sind zweimal Gedichte und lyrische Notizen
aus einer Situation, in der sich vieles ändern wird. Aus einer Zeit davor,
Erwartungen konkurrieren mit Befürchtungen.

„Früher," schrieb ich 1991, „früher verstand ich mein Leben auch als Kampf
gegen eine Regierung, die ich als unfähig, gefährlich und zunehmend
ekelhaft empfand. Mein Schreiben hatte damit auf eine vertrackte Weise zu
tun. Ich nutzte Kontakte und polemische Fähigkeiten für Einmischungen - und
kam andererseits zu immer seltsameren, politisch kaum brauchbaren
Gedichten. Die Arbeit an ihnen und an der kurzen Prosa verstand ich als das
eigentliche Schreiben. Dazu wollte ich immer Ruhe haben und möglichst
allein gelassen werden. Politisch gesehen erstrebte ich Unruhe, hoffte auf
ein Ende der Einsamkeit rebellischer Geister. Eine oft gestellte Frage: Hat
Zensur die Sprache verfeinert? Diente ein Verschlüsselnmüssen dem
Differenzierungsvermögen, förderte es sprachliche Subtilität? Ja, es
sensibilisierte gegenüber vorgegebenen Sprachmustern - und schränkte andere
Kriterien der Wahrnehmung ein: zwecklose Neugier, den Wunsch nach
Klarheit." .... 

Wir wünschen dem Lutz weiterhin die nötige Inspiration und Kraft in seinem
Unruhe(zu)stand und dass er seine Autobiographie nicht - wie Robert Jungk -
erst mit 80 Jahren bei dem Verlag abgibt.		

Matthias und Maria Reichl

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Europäisches Sozialforum (ESF) 

Brief aus Florenz von Leo Gabriel

Dies ist kein Zeitungsbericht und auch kein Solibrief. Es ist eine
Erinnerung an die FreundInnen, die „in Gedanken„ bei uns in Florenz mit
dabei waren, aber aus irgendeinem Grund nicht dabei sein konnten - aus der
Feder eines teilnehmenden Beobachters, der diesmal mehr Teilnehmer als
Beobachter eines historischen Ereignisses war.

Das Europäische Sozialforum war für alle ein Erfolg, die wir uns darum
bemüht hatten, es mitzugestalten. Das zeigte sich nicht zuletzt bei der
Schlussveranstaltung, in der - obwohl offiziell (d.h. nach den Statuten des
Weltsozialforums) gar nicht mehr zum Forum selbst gehörig - die politische
Essenz der monatelangen Vorbereitungsarbeiten vielleicht am besten zum
Ausdruck kam.

Obwohl die eigentlichen Drahtzieher hinter diesem Ereignis ebensowenig in
Erscheinung traten wie die RednerInnen, die von den ein bis zweitausend
TeilnehmerInnen der Veranstaltung im fahlen Schein der ehemaligen
Bahnhofshalle der Stazione Leopolda kaum zu unterscheiden waren, kam in den
mehr oder minder strukturierten Reden das Resultat eines monatelangen
Diskussionsprozesses zum Ausdruck.

Die Gliederung der Redebeiträge erfolgt nach einem genau ausgeklügelten
System von Themenführerschaft, bei dem die britischen Netzwerke (Stop the
War und Globalise Resistence mit der Schützenhilfe von Amnesty
International) das heisseste Eisen schmiedeten: den Widerstand gegen den
Krieg im Irak, ATTAC-Frankreich - schon angesichts des G-8 Gipfels in Evian
und des nächsten Europäischen Sozialforums, das nach wie vor in Paris
stattfinden soll - den die WTO, IMF und die Weltbank betreffenden Part
gestalteten und schliesslich die Griechen den aus einer Vielzahl von
Interventionen bestehenden sozialpolitischen Themenkreis moderierten.

Was den Krieg betrifft erging an alle Netzwerke und soziale Bewegungen der
Aufruf:

- noch am gleichen Tag des Beginns der Kampfhandlungen Protesterklärungen
abzugeben,

- am darauffolgenden Samstag möglichst grosse Mobilisierungen zu
veranstalten, und

- den 15. Februar 2003 als einen Tag der Generalmo-bi-li-sie-rung
vorzusehen, wobei die Möglichkeit eines gesamteuro-päischen Generalstreiks
ausgelotet werden soll.

Natürlich hatte der Protest gegen den Krieg nach der Demo am 9.11.2002 in
Florenz mit der Beteiligung von einer halben bis einer Million Menschen
grossen Aufwind erhalten. Um die Aktionen nicht nur auf Demonstrationen zu
beschränken, wie die britischen Netzwerke vorschlagen, haben die Italiener
und Griechen sowie auch der Unterzeichner dieser Zeilen vorgeschlagen, ein
Internationales Friedensnetzwerk zu bilden, das die Entsendung von
Friedensbrigaden (vor allem nach Palästina und Bagdad) koordinieren soll.
Zu diesem Zweck ist ein gesamteuropäisches Treffen der nationalen und
regionalen Netzwerke für den 15. Dezember in Kopenhagen geplant.

Am komplexesten sind die Forderungen, die im Bereich der sozialen und
MigrantInnen- Rechte erhoben wurden, so sehr dass einen Tag nach ihrer
Verlautbarung die Texte noch immer nicht in schriftlicher Form vorliegen.
Den breitesten Konsens erhielten die Forderungen der europäischen
EUROMARSCH-Bewegungen in bezug auf ein bedarfsorientiertes Mindesteinkommen
von 50% des BIP sowie die Forderung der „Sans Papiers„ nach einem
europäischen Bürgerschaftsrecht, welches die vollen Staatsbürgerschafts-
und sozialen Rechte nicht mehr von der Staatsbürgerschaft, sondern vom
Aufenthaltsort (residence) abhängig macht. Die Erarbeitung einer Charta der
sozialen und ökonomischen Rechte, die im Gegensatz bez. Ergänzung zu der
EU-Charta stehen, die in Nizza vorgestellt wurde, geht vor allem von den
Katalanen aus, wird aber von einem Teil der Griechen und der Briten, die
die EU nicht als Ansprechparner akzeptieren, abgelehnt.

Selbstverständlich hat auch der Widerstand gegen die WTO, der für Cancun
(Aussenministerkonferenz der WTO im September 2003) vorgesehen ist, neuen
Auftrieb bekommen, zumal sich auch die internationalen Bauernnetzwerke wie
Via Campesina dem Protest gegen GATS angeschlossen haben.

Letzteres ist auch die Grundlage für einen Beschluss der Versammlung, sich
verstärkt für die Freilassung von José Bové von der Confederation Paysanne
einzusetzen, der in der letzten Woche von einem französischen Gericht
(Voraussichtlich zu 14 Monaten Gefängnis - Anm. d. Red.) verurteilt wurde.

Trotz der zahlreichen Kampagnen, die in Florenz beschlossen wurden, wird
erst die Zukunft zeigen inwieferne die Zusammenschlüsse der verschiedenen
Netzwerke in der Praxis funktionieren werden. Oder wie es der Vertreter von
EUROMARSCH gesagt hat: „Wir haben im Vergleich zur Staatengemeinschaft
einen 30-jährigen Rückstand, den es bis zum nächsten Europäischen
Sozialforum im Dezember 2003 in Frankreich aufzuholen gilt.„

Das gleiche könnte mutatis mutandis auch für Österreich gelten, wo in
Florenz ein sehr schöner Anfang gelungen ist: eine am Freitag, den 8.11.
zusammengetretene Versammlung der in Florenz anwesenden ÖstereicherInnen
hat immerhin beschlossen, dass es ein Österreichisches Sozialforum geben
soll; als vorläufiger Termin wurde der 29. Mai bis 1. Juni 2003 in Aussicht
genommen und eine Einladung des Gemeinderats von Hallein stark applaudiert.
Näheres soll bei einer Versammlung von ASF-Interessierten, die am 13.
Dezember 2002 in Wien stattfinden soll, besprochen werden. 

(Per e-mail aus Florenz erhalten am 11.11.2002)

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Aus dem Inhalt
107. Rundbrief (4/2002) 26. Jhg.				

Seite

1	Einleitung

2	Pfandler Kreuz - Leopold Kohr

3	Regierungssturz und Wahl - Kurzmeldungen 

4	Die USA sind pleite

7	BUCHTIPPS - Impressum

10	TERMINE 

11	Info-Reiche oder Info-Arme - Aminata D. Traoré

11	Energiepionier Jeremy Rifkin

12	EURATOM und EU-Osterweiterung

12	Alternative Nobelpreise 2002

13	RLA-Preisträger 2001 zu Gast im Land Salzburg

13	Alles wegen einer kleinen Olive - Uri Avnery 

14	Proteste g. Nord-Südamerikanische Wirtschaftszone

15	UNICEF durch Multis gesponsert

15	Lutz Rathenow 50. Geburtstag

16	Europäisches Sozialforum (ESF) - Leo Gabriel

Absender:

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
Wolfgangerstr. 26 
A-4820 Bad Ischl
E-mail: mareichl at ping at
Tel. +43-6132-24590
www.begegnungszentrum.at 



Maria Reichl
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
Wolfgangerstr. 26
A-4820 Bad Ischl



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