[E-rundbrief] Nr. 6 - August 2002 - Teil b: Artikel und weitere Informationstexte

Maria Reichl maria.reichl at gmx.at
Do Aug 29 12:29:36 CEST 2002


E-RUNDBRIEF Nr. 6 - August 2002 - Teil b:  Artikel und weitere
Informationstexte

(*  Teil a:   Inhalt und Allgemeines
*  Teil b:  Artikel und weitere Informationstexte
*  Teil c:  Buchtipps
*  Teil d:  Termine)


In Teil b findet ihr die folgenden Texte:
(Seite bezieht sich nur auf dem gedruckten Rundbrief)
Seite:
1	Einleitung von Maria und Matthias Reichl 

2	Hawai’i erfahren

3	Unsere Erinnerungen an: Josè Lutzenberger, Erwin Chargaff, Nikolaus
Schmidt..

3	Europäisches Sozialforum (ESF) 2002 - World Social Forum (WSF) 2003

3	Alle Jahre wieder?! - Alternativen zur ökonomischen Präpotenz des WEF in
Salzburg

5	Sinn des Lebens. José Lutzenberger

6	IMPRESSUM:

10	Virgil Mihaiu - DIE SUPERSCHLAUEN - POLITIKWISSENSCHAFT

10	Keine EU-Visa für Friedensarbeiter - Presseerklärung der WAR RESISTERS
INTERNATIONAL (WRI)

11	Mexiko:  Friedens- und MenschenrechtsbeobachterInnen für Chiapas:

11	Soziale Kämpfe in Lateinamerika

11	Zum Hiroshima-Gedenktag 2002

14	Wir leben alle in Babylon. Dorothee Sölle

14	Friede braucht Bewegung

14	Verpflegungsgeld für Zivildiener

15	Soziale Bewegungen im Dilemma. Marianne Gronemeyer

15	WSSD-Gipfel der Frechheit - Nachhaltige Umweltzerstörer waschen sich weiss

16	Weder Kampfjets noch Abfangjäger!

August 2002

Liebe Freunde!

Während in ganz Österreich, nach den größten Überschwemmungen seit
Jahrzehnten, mit dem Aufräumen begonnen wurde, befürchten unsere
Nachbarländer noch größere Katastrophen.  Aber auch aus Bangla-desh, Nepal,
Vietnam, China usw. erreichen uns Meldungen von verheerenden
Überschwemmungen. Dabei sind uns noch die Bilder verheerender Brände, wegen
Dürre in Nord-Amerika, gut in Erinnerung. Der Mensch ist direkt oder
indirekt an dieser ökologischen Krise Schuld. Jedenfalls ist es wieder
einmal Anlass genug zum Nachdenken ob wir unsere Prioritäten richtig setzen.

In Österreich gab es mitten im Sommer ein Volksbegehren gegen Abfangjäger.
Siehe dazu den Bericht und die Karikatur auf der letzten Seite.

Matthias' Reise nach Hawaii wurde leider etwas getrübt durch die Nachricht
vom Tod zweier guter Freunde. Josè Lutzenberger verstarb am 14. Mai 2002.
In Gedenken an ihn drucken wir auf Seite 5 - 6 seine Gedanken über den Sinn
des Lebens ab. Tief traf uns auch die Nachricht dass unser langjähriger
Mitarbeiter und Vertreter der Methodisten in der Ökumene, Nikolaus Schmidt,
unheilbar krank wurde, er war auch Taufpate unserer Tochter Martina. Er
verstarb am 17. Juni 2002 in einem Hospiz in Salzburg. (siehe Seite 3)

Derzeit versuchen wir, zwischen den Regentagen an denen wir am Rundbrief
arbeiten, auch unser Obst zu  verarbeiten, welches heuer durch den schönen
und warmen Frühling und Sommer sehr früh gereift ist. Ich hoffe ihr habt
Verständnis dafür dass dadurch auch einiges andere liegen bleibt. Wenn ihr
uns geschrieben und keine Antwort erhalten habt, kann es allerdings auch
sein dass bei der „neuen" Post einiges durcheinandergekommen ist. Seit
versprochen wurde, dass nach der Umstrukturierung der Post jedes Poststück
in Österreich innerhalb von zwei Tage zugestellt werden muss, haben wir
einige wichtige Poststücke überhaupt nicht erhalten und sind dadurch
gezwungen wichtige Sendungen einzuschreiben. Solltet ihr auch vergebens auf
Antwort warten, dann ruft uns bitte an ob wir euer Schreiben überhaupt
erhalten haben und teilt uns auch mit wenn euch einer unserer Rundbriefe
fehlt.

Ich danke allen, die ihren Kostenbeitrag für heuer schon überwiesen haben
sowie für jede Unterstützung. Ich wünsche euch allen einen schönen Herbst
und allen die vom Hochwasser betroffen sind viel Kraft für den Wiederaufbau. 

Friede, Kraft und Freude  

Maria Reichl

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Liebe Freunde!

Wenn ihr in diesem Rundbrief einen umfangreichen Reisebericht aus Hawaii
erwartet, so muss ich euch enttäuschen. Wie ihr seht, hat mich knapp nach
meiner Rückkehr die (welt-)politische Realität wieder voll im Griff. Ich
könnte mehr als einen „Rundbrief" mit den Hawaii-Details füllen (und einen
Bildband mit den hunderten Fotos). Knapp vor meiner Abreise holten mich die
Nachrichten vom Tod unseres alten Freundes José Lutzenberger und der
absehbare Tod von Nikolaus Schmidt aus meiner Kommunikation mit Leuten in
Hawaii (vor allem mit meiner SERVAS-Gastgeberin Ann und einigen
Universitätsprofessoren), die mir aus unterschiedlichen Gründen nahestehen.
Ich danke auch allen, die mich - finanziell und durch Informationen - dabei
unterstützten. So muss ich mich dieses Mal auf einen bruchstückhaften
Bericht über meine Erlebnisse auf Hawaii beschränken.

Es ist kaum möglich, mit knappen Worten zu beschreiben wie eine bunt
gemischte Bevölkerung, in der die „Native Hawaiians" eine Minderheit
bilden, ihrem Selbstbewußtsein in Kultur, Religionen und
Gesellschaftspolitik Ausdruck verleihen. Ihre Feststellung: „This is not
America, this is Hawai’i!" definiert ihren Standort mitten im Pazifik,
eingebettet in die polynesische Inselwelt und als ein Bindeglied zwischen
Ost (US-Amerika) und West (Ostasien, Australien). Das Bestreben kritischer
Bürger, den „American Way of Life" (und die dahinterstehende ökono-misierte
Politik) durch eine ursprüngliche, gemeinschaftsbezogene Lebenskultur
zurückzudrängen, ist bewundernswert. Andere geben diesem Gegensteuern
angesichts der fortschreitenden Zerstörung der Lebensgrundlagen wenig
Chancen (siehe den folgenden Bericht, den Text von Dorothee Sölle auf Seite
14 und die Buchtipps auf Seite 7 und 10).

Der Flut von Informationen, die ich mitbrachte und die auf mich warteten
folgten bald jene über die Hochwas-serfluten, die zum Glück unser Haus
nicht bedrohten, allerdings auch in unserer Region Schäden anrichteten.
(7,4 Milliarden EURO betragen die zur Zeit geschätzten Schäden in
Österreich - in Tschechien und Ostdeutschland sind es ein vielfaches!). Nur
spärlich tauchten dabei Warnungen vor den Folgen durch chemische
Kontaminie-rungen auf. Nicht nur aus Chemiefabriken sondern auch aus
anderen Betrieben (auch Tankstellen), aber auch aus Privathäusern (Lecks in
Öltanks, Farben und Haushaltschemikalien usw.) wurden sie von den Fluten
mitgerissen. Österreichische Feuerwehrexperten fordern, den kontaminierten
Sand aus undichten Sandsäcken getrennt zu „entsorgen" statt ihn
wiederzuverwenden. (Bestimmte Politiker könnten ihn uns womöglich in die
Augen streuen - siehe Seite 16!) Nun wird wieder einmal über das ge- und
zerstörte Weltklima diskutiert (siehe Seite 15). Schon vor Jahrzehnten
stellten Warner wie Chargaff, Jungk, Kohr und Günther Anders fest, dass
unser technisch hochgerüstete Gesellschaft von solchen - und künftigen noch
folgenschwereren - Katastrophen in ein unbewältigbares Chaos mit
unkalkulierbaren Folgeschäden gestürzt wird.

Lutzenberger zeigte die Absurdität der Volkswirt-schafts-rechnung am
Beispiel Bruttosozialprodukt auf: Die Beseitigung von Schäden und Ersatz
von Zerstörtem erhöht es, doch die durch Vermeidung und Einsparung
geschaffenen Werte werden ignoriert. In meinen Aktivitäten in den folgenden
Monaten werden ich diese Einsichten und Erfahrungen einfließen lassen. Vor
allem bei den Veranstaltungen des „Salzburg Social Forums" als Alternative
zum „Weltwirtschaftsforum" (siehe Seiten 3 - 4) sowie dem „1. Europäischen
Sozialforum" in Florenz (siehe S. 15 - 16) als Regionaltreffen , aber auch
bei anderen Veranstaltungen wird es dazu Gelegenheit geben.

Vor einigen Tagen beteiligte ich mich spontan an einem Porträt über Robert
Jungk, das zwei unserer Freunde live im regionalen Radio Salzkammergut
(jeden Donnerstag, 21.00 - 22.00 auf 100,2) in einer Sendereihe
redigierten. In einigen Tagen folgt der zweite Teil. Es macht Freude und
Spaß, fast vergessene Inspiratoren und andere denkwürdige Leute in einem
kleinen Medium wiederzubeleben.

Ich danke euch nochmals herzlich für euer Interesse und bin gerne bereit
euch mehr über meine Erfahrungen zu erzählen, ergänzt durch
dokumentarisches und Foto-Material.

Mit spätsommerlichen Grüssen

Matthias Reichl

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Hawai’i erfahren

Notizen von meinem Hawai’i-Besuch, Mai/Juni 2002

Wie ich schon oben anmerkte, reicht den Platz nicht für einen ausführlichen
Bericht (den ich gerne in einer anderen Form nachhole).

Dank der Informationen durch die SERVAS-Gastgeberin Ann und andere Freunde
war ich schon vorher mit einem Hawai’i abseits von Kommerzialisierung
vertraut, das u.a. den Hula-Tanz als Ausdruck von ursprünglicher
Gemeinschaft und als kultischen Akt versteht. Heilkunde (Ai Kupele) und
Huna-Philosophie wird in speziellen regionalen „Health-Centers" (gegen
freiwillige Spenden) praktiziert und soll damit der Vermarktung im
„Schamanismus-Tourismus" entzogen werden. Traditionelle Praktiken von
politischer Organisation (pono) und Konfliktlösung (Ho’oponopono) werden
mit neuen Erkenntnissen aus der Mediation nicht nur in kleinen
Gemeinschaften sondern auch in den Konflikten zwischen Bürgern und Staaten
weiterentwickelt. Bruce Barnes erarbeitete in einem Projekt Gemeinsamkeiten
zwischen den Erfahrungen von Hawaiianern, Maori (Neuseeland) und Aborigines
(Australien).

Der Oberste Gerichtshof in Washington entschied in einem Streit gegen
Subventionen für Institutionen (z.B. Schulen), die „Native Hawaiians"
vorbehalten sind. Rechtsgerichtete Kreise versuchen damit, die speziellen
staatlichen Förderungen für Bildung, Kultur, Gesundheit, Landrückgabe usw.
einzuschränken bzw. zu stoppen und öffentliche Einrichtungen (wie das OHA)
auszuhungern. Dies würde radikalisierte Unabhängigkeitsbewegungen
provozieren, die schon jetzt eine völlige Loslösung vom „mainland" USA (mit
seinen diskriminierenden Indianer- und Eskimo-Reservaten) fordern. Seit
Jahrzehnten kämpfen sie bei der UNO um Anerkennung als „kolonisierte
Nation". Ob auch hier die Konfliktlösungsmechanismen zur Lösung beitragen
können? Poka Laenui zeigte uns in einem Gespräch konstruktive Schritte auf.
Auch der Friedensforscher und Gandhi-Experte Glenn Paige und die Quäker
könnten dazu beitragen. Diese unterstützen auch gewaltfreie Aktionen zwecks
Rückgabe des vom Militär besetzten Landes (auf Oahu: 22 %) und gegen der
radioaktive und chemische Kontaminierung. Im Nordwesten von Kauai werden
Raketen des „Star-Wars"-Projekts getestet. Und ein neues Sonarsystem der
U-Boote würde Wale und andere Meerestiere in den Tod treiben.

Um allerdings Hawai’i persönlich zu er-fahren, muss man die Ökologie
vergessen. Gibt es auf Oahu (mit Honolulu) noch einen kostengünstigen
öffentlichen Busverkehr, so sind alle anderen Inseln nur per Flugzeug zu
erreichen und per (Miet-)Auto zu er-fahren. (Ich danke der Ann für das
kostengünstige Arrangement und für ihre Fahrkünste.) Außerdem gibt es meist
nur die Wahl zwischen teuren Hotels und mäßig komfortablen Campingplätzen.
Der Politologe Ira Rohter, Vizevorsitzender der Hawaiian Green Party, hatte
dazu schon 1982 in seinem - jetzt neu aufgelegten - Buch „A Green Hawai’i"
präzise Alternativmodelle für viele Lebensbereiche aufgezeigt. Die heutige
Realität, wie sie die Grünen in ihrer „Platform 2000" an den Zerstörungen
unter Wasser, auf dem Land und in der Luft illustrieren, entzaubert das
„Glückliche-Inseln"-Image. Im September bei den Wahlen zum Senat,
Repräsentantenhaus und hawaiianischen Parlament wollen sie erneut diese
meist verdrängten Wahrheiten in den Massenmedien publik machen. Ebenso
wichtig sind die Basisinitiativen in denen auch die Zusammenarbeit von
„Natives" und Einwanderern an gemeinsamen Problemen funktioniert.

Matthias Reichl

Buchtipp, Materialien und homepages
Ira Rohter: A Green Hawai’i. Sourcebook for Development Alternatives. 2002
Na Kane O Ka Malo Press (P.O.Box 970, Waipahu, Hawai’i 96897, USA). ISBN
1-878751-13-1.  $ 17,- + postage. Weitere Buchtipps auf den Seiten 7 und 10

Center for Global Nonviolence/ Glenn A. Paige: www.globalnonviolence.org

Center for Hawaiian Studies / Jon Osorio: www.hawaii.edu/chs/

East-West-Center / Sig Ramler: www.EastWestCenter.org/

Globalization Research Center/ Barry Gills: www.globalhawaii.org

Hawai’i Green Party (Jack & Gretchen Kelly, Ira Rohter...):
www.GreenHawaii.org

Hawai’i Nation (Infoservice der Souveränitäts-Bewegungen):
http://hawaii-nation.org

Hawai’i Research Center for Futures Studies (Univ. of Hawai’i)/ Jim Dator:
www.futures.hawaii.edu

Institute for the Advancement of Hawaiian Affairs/ Poka Laenui:
www.opihi.com/sovereignty

Matsunaga Institute for Peace/ Brian Hallett (Universität for Hawai’i):
www2.soc.hawaii.edu/peace/index.html

Office of Hawaiian Affairs/ OHA: www.oha.org

Program on Conflict Resolution/PCR (Univ. of Hawaii)/ Bruce Barnes:
www.peaceinstitute.hawaii.edu

Ira Rohter: www2.hawaii.edu/~irohter/

American Friends Service Committee/ AFSC (Quäker) - Zeitschrift „Maluhia Me
Ka Pono - Peace with Justice": e-mail: afschawaii at afsc.org

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Unsere Erinnerungen an...

José A. Lutzenberger

Der weltweit bekannte und aktive Ökologe, Pionier einer biologischen
Landwirtschaft und Kritiker der neoliberalen Globalisierung ist am
14.5.2002 in Porto Alegre (Südbrasilien) gestorben. Wir haben mit ihm seit
vielen Jahren zusammengearbeitet und seine Texte in Europa verbreitet.

José wurde in einem Wäldchen auf seiner Farm „Rincão Gaia", nördlich von
Porto Alegre entsprechend seinem Wunsch ohne Sarg beerdigt. Später wird auf
dem Grab ein Baum gepflanzt.

Seinen letzten Text (und Lebensrückblick) drucken wir auf den Seiten 5 und
6 ab. Weitere findet ihr auf den homepages www.begegnungszentrum.at und der
seiner Stiftung „Gaia" www.fgaia.org.br. (deren Team sein Lebenswerk
fortsetzt)

Erwin Chargaff

„Zwei Kerne hätte die moderne Wissenschaft nicht spalten dürfen: den
Atomkern und den Zellkern". Als Kritiker einer Biochemie, die aus Macht-
und Geldgier dem Machbarkeitswahn verfallen ist und dabei in die
Abhängigkeit von privaten und staatlichen Geldgebern geraten ist, haben wir
ihn als brillanten Redner und Essayist (und Weggefährten von Kohr und
Jungk) kennen gelernt. Er ist Mitte Juni 2002, 97jährig in New York gestorben.

Nikolaus Schmidt

1967 hatten wir mit ihm (und anderen) in Salzburg den Ökumenischen
Jugendkreis gegründet. Er engagierte sich voll und ganz als Mitarbeiter der
kleinen Methodistengemeinde, die in ihrer Offenheit und Dynamik ihn und den
offiziellen Ökumenischen Arbeitskreis aktiv unterstützte. Während die
institutionalisierte Ökumene zunehmend erstarrte vertiefte sich unsere
freundschaftliche Verbundenheit und Unterstützung unserer Arbeit weiter,
bis zu seinem - zu frühen - (Krebs-)Tod am 17.6.2002. 

Matthias Reichl

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Europäisches Sozialforum (ESF) 2002 

World Social Forum (WSF) 2003

Als Regionalisierung des „World Social Forums" (das sich zum 3. Mal von 23.
bis 28.1.2003 in Porto Alegre/ Südbrasilien treffen wird) wird es erstmals
ein europäisches Treffen geben. Vom 7. bis 10.11.2002 treffen in Florenz
(Mittelitalien) Aktive aus sehr unterschiedlichen Basisbewegun-gen und
-initiativen zusammen um in Plenumsveranstaltun-gen und Workshops möglichst
viele der aktuellen Herausforderungen im europäischen Kontext zu beraten.
Im Vordergrund steht auch die europäische und weltweite Vernetzung als
gewaltfreie Strategie gegen die Machtkartelle der neoliberalen
Globalisierer und für dauerhafte Überlebensstruktu-ren. Wir hoffen, daß
dabei nicht die ideologischen Kontroversen dominieren sondern - wie in
Porto Alegre - eine kreative, gemeinschaftliche, politische Kultur.
Umfangreiche Informationen im österreichische Netzteil: www.esf-vienna.org;
für ESF: www.fse-esf.org; für WSF: www.portoalegre2003.org

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Alle Jahre wieder?!

Alternativen zur ökonomischen Präpotenz des WEF in Salzburg

„Das World Economic Forum (WEF) soll in der Stadt Salzburg bleiben!"
beteuerte mehrmals der - sozialdemokratische - Bürgermeister Schaden. Er
ignorierte damit die weitverbreitete Kritik an diesem jährlichen
europäischen Regionaltreffen von Politikern mit Wirtschaftskapitänen (v.a.
auch aus Osteuropa) am 16. und 17.9.2002 im Kongress-haus. Die Fassade
pseudodemokratischer Podiumsdiskussionen soll die in intimen Treffen in
Hotelseparees kaschieren. Dort dominieren üblicherweise (Privatisierungs-
und Übernahme-) Deals und problematische Geschäftspraktiken von
neoliberalen Globalisierern, die früher oder später zu verheerenden Lasten
von Beschäftigten und Konsumenten gehen. (Dass in den zwei Tagen auf dem
Podium die vielen aktuellen Probleme nicht adäquat behandelt werden können,
zeigte sich schon in den vergangenen Jahren.)

Die Erfahrungen mit ähnlichen Veranstaltungen zeigen die Gefahr einer
Mehrfachstrategie: Vereinnahmen der dialogbereiten NGO-Vertreter,
ignorieren der „unbedeutenden" Gruppierungen und kriminalisieren der
„gefährlichen", nicht-kooperativen. Bewußt werden diese verunsichert, ob
diese Proteste als großzügige, demokratische Geste geduldet oder diese -
dem seit 1999 international entwickelten Image „gewaltbereiter
Globalisierungskritiker" folgend - entsprechend polizeilich „behandelt"
werden. 

(Streit-)Gespräche zum WEF

Im Vorjahr trat bei der Podiumsdiskussion mit WEF-Kritikern (im
Brunauerzentrum) das WEF-Präsidiumsmitglied Percy Barnevik, ein Schwede und
damals Vorstandsmitglied von ABB, als Verteidiger des liberalisierten
Kapitalismus auf. (Hans Rauscher lobte ihn dafür in einer
„STANDARD"-Kolumne.) Kurze Zeit später musste Barnevik sich den wütenden
Protesten der ABB-Kleinaktionäre beugen, die seine Forderung nach einer
Abfindung von 148 Millionen $ ablehnten und auch seine Managementqualitäten
infrage stellten. 

In diesem Jahr sollen am 16.9. abends im Brunauerzentrum beide Seiten statt
vier nur noch zwei Diskutanten (voraussichtlich zum Thema „Gesundheit")
entsenden - organisiert von der Arbeiterkammer und ATTAC Österreich. Über
die Ablehnung solcher Streitgespräche (bzw. Scheindialoge) u.a. durch ATTAC
Schweiz - mit ihren negativen Erfahrungen aus Davos - habe ich schon
berichtet: „Herbergsuche für ‘Global Players’" - im „Rundbrief" Nr. 103, S.
12. Auch meine Satire ist aktueller denn je: „Salzburger WEF (=World
Economic Fiasco). (Ver-) Spielanleitung", im „Rundbrief". Nr. 101, S. 15).

Vertreter von Klein- und Mittelbetrieben artikulieren - organisiert vom
Salzburger Wirtschaftsbund - am 13.9. ab 17h im Brunauerzentrum (u.a. mit
Jakob von Uexküll) ihre Ansichten und Kritik der neoliberalen
Globalisierung. Info bei: e-mail: f.riedl at wirtschaftsbund-sbg.at 

ATTAC hatte schon im Vorjahr in einem Kongress praxisorientierte
Alternativen aufgezeigt, und will dies auch heuer - am 14.9. im
Brunauerzentrum - fortsetzen, u.a. mit einer Grußbotschaft von
Horst-Eberhard Richter. Lori Wallach (Global Trade Watch, Washington) und
Fritz Verzetnitsch (EGB/ ÖGB-Präsident) sprechen zum GATS; Jakob von
Uexküll über den „Alternativen Nobelpreis", Marianne Gronemeyer
charakterisiert die sozialen Bewegungen unter „Gegenmacht oder Ohnmacht"
(siehe Seite 15) und Kwabena Ohemeng (Kakaobauern-Initiative Kuapa Kokoo/
Ghana) berichtet über fairen Handel. Infos bei: e-mail:
presse-wef at attac-austria.org, www.attac-austria.org, Robert Müllner
<auge.sbg at demut.at>

Global Village und gewaltfreie Proteste

Trotz der bisher nicht eingelösten Subventions-Versprechen des
Bürgermeisters (dafür mit einer Ausfallshaftung der Sozialistischen Jugend
Salzburg) soll im Salzburger Volksgarten wieder ein „Global Village"
aufgebaut werden. Im Aufruf werden nicht nur dringend finanzielle
Unterstützer, sonder vor allem auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
gesucht, die sich in kreativen Bereichen (u.a. mit Kindern), bei den
Seminaren und gewaltfreien Trainings, als Demonstrations-Ordnerdienst usw.
beteiligen. 

Einige Aktivitäten aus der langen Liste von Angeboten:

In Photoausstellungen werden die Demonstration 2001 (mit der stundenlangen
„Einkesselung" durch die Spezialpolizei) und die aktuellen Ereignisse
dokumentiert. (Und etwa 2 Wochen nachher in einer Diskussion evaluiert.)

Schon am 9.9. (18 - 20h, Uni, GesWi, Rudolfskai 42) diskutieren Claudia von
Werlhof, Christa Müller, Klaus Firlei u.a. auf einem Podium über
„Auswirkung der neoliberalen Globalisierung auf die Grundversorgung –
Salzburg im internationalen Vergleich" (Wasser, Strom, Bildung,
Sozialsystem, Müll, etc.)

Eine Podiumdiskussion von Gewerkschaftern wird sich im Zirkuszelt mit der
„Auswirkung der neoliberalen Globalisierung auf Arbeitnehmer in
verschiedenen Branchen" befassen. 

Am 14.9. abends wird im Zirkuszelt Rigoberta Menchu über die
Militarisierung in Guatemala berichten, gemeinsam mit einem Vertreter des
Genova Social Forums, der die Repression der sozialen Bewegungen in Italien
während und nach den Demonstrationen schildert. Aus Polizeiberichten wird
bekannt, daß - wie im Vorjahr - wieder Grenzkontrollen und der (nach dem
11.9.2001 erweiterte) Überwachungsapparat eingesetzt werden soll.

Zwischen den Organisationsteam des Salzburg Social Forums und der Polizei
entwickelte sich ein monatelanger Nervenkrieg um die Route der -
gewaltfreien und kreativen - Demonstration am 15.9. (ab 13h vom
Bahnhofsplatz ab über das linke Salzachufer zum Volksgarten. Anschließend
treten - wie an den Vortagen -  Musikgruppen auf - darunter auch „Die
Querschläger" aus dem Lungau). Obwohl das WEF-Treffen im Kongresshaus erst
am folgenden Tag beginnt, sollte der Demonstrationszug weit entfernt (über
die Lehener Brücke) umgeleitet werden. Die Organisatoren haben gegen den
Bescheid berufen, befürchten aber, daß durch die Verzögerungstaktik der
Polizei die Vorbereitungen für einen friedlichen Verlauf erheblich
behindert werden.

Dieser friedliche Protest soll durch weitere kreative Protestaktionen
begleitet werden - u.a. durch Transparente an Hausfassaden in der „roten,
gelben und grünen Zone" um das Kongresshaus. (Würden die örtlichen
„Sicherheitsexperten" den Wünschen einiger internationaler Kollegen folgen,
müßte die Gesamtzone auf 30 km ausgedehnt werden.)

Infos zum Global Village bei: Salzburg Social Forum, Arbeitskreis Kultur,
Sabine Auer, Tel. 0664/1610771, e-mail: kultur at salzburgsocialforum.org und
allgemein auf der homepage www.salzburgsocialforum.org.

Alternatives Medienzentrum in der „Radiofabrik"

Wie schon im Vorjahr gibt es vom 13. bis 17.9. - organisiert von
Radiofabrik Freies Radio Salzburg, subnet und Kulturgelände Nonntal - für
alternative Radioleute und Journalisten aus nichtkommerziellen Medien die
nötige Infrastruktur für ihre Dokumentations- und Kommentier-Tätigkeiten
(mit Werkschau am 17.9.). Kontakt: Kathrin Niedermoser, Radiofabrik,
Mühlbacherhofweg 5, A-5020 Salzburg, Tel: 0699/ 11 66 95 89, e-mail:
kathrin at subnet.at, www.imc.subnet.at

Redigiert und kommentiert von Matthias Reichl 
(Stand: 23.8.2002)

GATS-kritische Kampagne von ATTAC

11.9. 16.00 - 18.30h LINZ (Bildungshaus Jägermayrhof, Römerstr. 98): 1.
O.Ö. Vernetzungstreffen zur GATS-kritischen-Kampagne. Info: Susanne Loher,
Tel. 070-795664, e-mail: susanne.loher at oneworld.
Ergänzender Buchtipp (siehe auch Seiten 8 - 9): 

Andreas Dally (Hg.):: Wasser & Wirtschaft. Handlungsoptionen gegenüber dem
Liberalisierungsdruck. Loccumer Protokolle 03/01. 2002 ISBN 3-8172-0301-2,
Evang. Akademie, Postf. 2158, D-31545 Rehburg-Loccum, e-mail:
Protokoll.eal at evlka.de,  EURO 14,-

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Sinn des Lebens

José Lutzenberger

Wenn man mich fragt, „was ist der Sinn des Lebens?", und ich suche rein
vernunftmäßig, naturwissenschaftlich, nach einer Erklärung, dann weiß ich
zunächst keine befriedigende Antwort. Ich muß ja dann der Sache auf den
Grund gehen, muß mir die gesamte kosmische und biologische Entwicklung
vorstellen, vom Urknall -  falls es den überhaupt gegeben hat, es ist ja
zunächst nur Spekulation, und davor, falls es ein Davor gegeben hat - bis
zum Leben auf unserem Planeten, bis zu unserem Leben heute, die Milliarden
Jahre davor und die Milliarden Jahre danach. 

Wenn wieder  Milliarden von Jahren vergangen sind, vom Leben auf unserem
Planeten keine Spuren mehr vorhanden sind, weil die Sonne in ihrer letzten
Entwicklungsphase, wenn sie zum Roten Riesen wird, bevor sie zu einem
Weißen Zwerg zusammen schrumpft, in ihrer Ausdehnung bis fast hin zur Bahn
von Mars, die Erde schluckt, diese sich in der glühenden Gaswolke auflöst,
was hat dann die ganze organische Entwicklung mit ihren Millionen von Arten
und Billionen von Individuen für einen Sinn gehabt? Ist aber eine solche
Frage überhaupt sinnvoll? Hat es Sinn auf dieser Ebene nach Sinn zu fragen?

Das ist aber trotzdem alles unfaßbar faszinierend, daher einfach schön.

Konzentrieren wir aber unsere Aufmerksamkeit mehr gefühlsmäßig auf den im
obigen Kontext winzigen Augenblick, der die Zeitspanne unserer Existenz als
Art, dann als Zivilisation ausmacht und auf den noch winzigeren Augenblick
unseres bewußten Lebens als Einzelmensch, und fragt man mich dann, welchen
Sinn ich in meinem persönlichen Leben sehe, was ich daraus mache? Dann weiß
ich nicht, wo ich anfangen soll. Ich habe ein langes Leben hinter mir –
drei Viertel Jahrhundert. All die Erinnerungen an Erlebnisse, Erkenntnisse,
all die Gefühle, gute und schlechte Erfahrungen, Erfolge und Fehler.

Aber was ist das alles?  Solche Fragen zwingen ja auch, tiefer zu gehen,
eigentlich noch tiefer. Das hat doch mit Leben ganz allgemein zu tun, mit
dem einmaligen Prozeß des Lebens auf unserem Planeten. Aber was ist Leben?
Ein völlig lebloser Kosmos und ein absolutes Nichts, wären nicht zu
unterscheiden. Wer könnte da unterscheiden? 

Die einfältige Antwort, „ist alles von Gott geschaffen", kann einen
wahrhaftig neugierigen Geist nicht befriedigen. Das verschiebt ja das Große
Geheimnis nur weiter zurück und setzt dann eine Denkschranke. Man soll ja
dann nicht weiter fragen - was, wer ist dieser Gott, woher kommt er, und
wie weit beherrscht er, lenkt er das alles? „Kein Blättchen fällt vom
Baum..." Wenn dem aber so wäre, müßte er ja schrecklich sadistisch sein,
bei all dem Elend, Leid, Terror und Verwüstung, die er zuläßt. Und warum
soll er sich gerade um diese eine Art besonders kümmern, eine unter
Millionen von anderen Arten, um uns Menschen, auf diesem winzigen
Sandkörnchen, einem Planeten unter mehreren, eines Sternes unter Hunderten
von Milliarden anderen, in einer Galaxie unter Hunderten von Milliarden
anderen. 

Oder hat er nur die Naturgesetze geschaffen, so daß sich alles von selbst
entwickelt und von selbst regelt? Dann sind die Naturgesetze selbst das
große Geheimnis. Warum sind sie so, wie sie sind und nicht anders? Das
werden wir wohl nie ergründen. Da kann man nur, und muß man ganz
bescheiden, ehrfürchtig staunen. Wenn die eine oder andere der Konstanten
der Physik anders wäre, der ganze Kosmos wäre anders. Oder wenn auch nur
das Wasser normalere physikalische Eigenschaften hätte, wenn es wie
praktisch alle anderen Substanzen beim Gefrieren nicht leichter, sondern
schwerer würde. Eis würde nicht schwimmen, die Ozeane wären schon am Anfang
der Erdgeschichte von unten nach oben zugefroren, ein völlig weißer Planet
wäre, wegen des hohen Albedos (Reflektivität, Rückstrahlung) nicht mehr
aufgetaut. Wir wären alle nicht da um diese Fragen zu stellen.

Daher halte ich mich lieber gleich an das größte Abenteuer des menschlichen
Geistes, an die Naturwissenschaft, an die systematische Suche nach diesen
Gesetzen. An den sauberen, absolut aufrichtigen, das heißt betrugfreien
Dialog mit diesem großen Geheimnis. Die Naturwissenschaft gibt uns zwar nie
endgültige Erklärungen und jede neue Erklärung wirft weitere, immer tiefer
gehende Fragen auf, auch immer größere Geheimnisse aber man kommt voran.
Die Naturwissenschaft stellt ihre erarbeiteten Erklärungen immer wieder in
Frage, sie korrigiert sich selbst immerfort. So wird das große logische
Gebäude immer konsistenter. Wo immer es sich nicht reimt, wird weiter
gesucht, bis zur Aufgabe ganzer Paradigmen, das heißt ganzer Denkstrukturen
und der Suche nach neuen, noch besser die Fakten erklärenden Sichtweisen.

So war es mit Einsteins Relativität und so war es mit der Quantenmechanik,
in der Geologie, usw. So ist es mit der Ökologie und so muß es unbedingt
sehr bald kommen in dem, was sich heute Volkswirtschaft oder
Wirtschaftswissenschaften, oder Ökonomie nennt. Das ist ja keine
Wissenschaft, sondern eine inzwischen zum Dogma gewordene Doktrin welche
den Regierungen und der Gesellschaft  absurde, selbstmörderische
Verhaltensweisen diktiert. 

Es wird immer wieder behauptet, Naturwissenschaft sei wertfrei. Das kann
doch nicht stimmen. Sie ist doch ein Wert an sich. Die Entscheidung, auf
der sie basiert, der saubere Dialog mit der Natur ist doch eine ethische
Entscheidung, und das ehrfurchtvolle Staunen ist doch zutiefst
gefühlsmäßig. Das ist doch nicht anders, als Religion, aber total
diszipliniert und selbstlos. Zumindest sollte Wissenschaft so sein. Das
herrschende wissenschaftlich-technische Establishment sieht es leider anders. 

Was die Naturwissenschaft auf diese Weise erarbeitet wird immer
faszinierender, immer hinreißender. Es ist einfach überwältigend, was wir
Menschen schon entschlüsselt haben, welche Wunder wir schon schauen können.

Wenn man sich in Naturwissenschaften einigermaßen auskennt, wenn man, wie
ich das seit meiner frühesten Jugend tat und bis zu meinem letzten Tag tun
werde, immer weiter am Ausbau seines naturwissenschaftlichen Horizonts
arbeitet, auch versucht, die vorherrschenden Techniken und technologischen
Infrastrukturen einigermaßen zu verstehen und das Ganze philosophisch und
ethisch betrachtet, dann kommt man aus dem Stauen nicht heraus. 

Da ich mich sehr früh in meinem Leben dafür interessierte, habe ich einige
dieser großen Abenteuer Schritt für Schritt und bewußt verfolgen können,
ich kann fast sagen, miterleben können. Darunter: 

.  Die Entwicklung der Genetik, von Mendel, wie ich ihn in der Schule
gelernt hatte, über die klassische Genetik von Thomas Hunt Morgan und von
da bis zur Molekulargenetik und dann zur jetzigen – man muß  leider sagen –
Perversion, basierend auf der Patentierung von Lebewesen, Teilen von
Lebewesen und Prozessen des Lebens. Die heutige technokratische Macht nennt
sie „the life sciences" statt ganz aufrichtig zu sagen „life commerce", das
Geschäft mit Leben. 

.  Die moderne Astronomie und Kosmologie, die uns die gewaltigen
Perspektiven und unvorstellbaren Größenordnungen in Raum und Zeit eröffnet
haben, ermöglicht durch die immer gewaltigeren Teleskope, einschließlich
solcher, die im Weltraum stationiert um die Erde kreisen, basierend auch
auf immer tiefer gehenden Kenntnissen in Kern- und Teilchenphysik, mit den
immer potenteren Teilchenbeschleunigern. Die Kernphysik hat uns allerdings
auch die schreckliche Atombombe und die unanständigen Atommeiler beschert,
für deren Abfälle Hunderte von Generationen nach uns noch leiden und
bezahlen werden.

.  Die Raumfahrt mit ihren unbemannten Fähren, die uns heute die Planeten
und deren Monde im Sonnensystem zeigen, wie man sich das noch zur Zeit
meiner Jugend nicht vorstellen konnte, was uns die Einmaligkeit unseres
Juwels, Gaia, die Erde, erst richtig bewußt macht.

.  Die Plattentektonik und Kontinentalverschiebung, die eine vor einem
halben Jahrhundert noch unvorstellbare Ordnung in die Geologie als Ganzes
brachte. 

.  Der immer weitere Ausbau des großen Panoramas der organischen
Entwicklung und die holistische, ökologische Sicht des Lebens, die nun die
Entwicklung in ein anders Licht stellt. Es geht  nicht um den Kampf aller
gegen alle, „the struggle for life", sondern um eine immer perfektere
Eingliederung in das Ganze. Ein Kampf aller gegen alle hätte doch, durch
das sukzessive Aussterben der Schwächeren, zu immer mehr Vereinfachung
geführt. Wir haben aber doch das Gegenteil, es hat zu immer fantastischerer
Artenvielfalt geführt. So verstehen  wir heute, daß die Erde insgesamt ein
lebendiges System ist, ein großes homöostatisches, sich selbst
regulierendes, geo-bio-physiologisches System. 

Aus dieser Sicht ergibt sich der Name Gaia, als ein nicht rein technischer,
sondern eher gefühlsmäßiger Name und die sich daraus für uns Menschen und
jeden Einzelnen ergebende Verantwortung. Der symphonische Prozess der
organischen Entwicklung aus dem wir Menschen, gemeinsam mit Millionen
anderer Arten hervorgegangen sind, ist doch etwas unwahrscheinlich
wunderbares. Mit unserer bewußten Vernunft haben wir die Möglichkeit der
Mitwirkung, wie sie kein anderes unserer Mitgeschöpfe hat. Davon ausgehend
können wir nun eine wirklich sinnvoll vernünftige Ethik ableiten. 

Im Gegensatz zur Wissenschaft geht es aber in der Technik, nicht um
Schauen, um ehrfürchtiges Staunen, es geht um das Durchsetzen von Willen.
Die Technik nützt die Information, welche die Wissenschaft erarbeitet hat,
um Artefakte, Instrumente,  zu machen. Da ist jede Form von Betrug möglich,
wie z. B. geplante Veralterung, betrügerische Reklame und irreführende
Verpackung, sinnlose Naturzerstörung  und dergleichen mehr. 

Daher dürfen wir nicht jede neue Technik, schon gar nicht die mit ihr
errichteten techno-bürokratisch-, gesetzlich verankerten Infrastrukturen,
woraus sich dann die unüberwindbaren Sachzwänge entwickeln, blindlings
akzeptieren, wie z. B. das  genmanipulierte Saatgut in der Landwirtschaft,
wel--ches die Monopolisierung der Kultivare  bezweckt und ähnliche
Perversionen. In der Technik müssen wir uns immer fragen, wem dient sie,
wer zahlt die Kosten, die sozialen für die heutigen und die zukünftigen
Generationen und welche Umweltkosten bringen sie mit sich?  

So will ich in der Technik, als Teil der vielen persönlichen Erlebnisse,
nur die Entwicklung von der Dampfmaschine mit ihren tollen Lokomotiven, die
uns als kleine Jungen besonders begeisterten, über den Otto- und
Dieselmotor bis hin zu Raketen und jetzt der Brennstoffzelle erwähnen;
sowie die Elektrotechnik mit mechanischen Schaltern, über einfache
Elektronik mit Vakuumröhren und von Hand gelöteten Kreisen, über die
vorgedruckten Kreise, dann den Transistor, bis hin zum Chip und den großen
Superrechnern, aber auch die kleinen für den persönlichen Gebrauch, wie
dieser, auf dem ich jetzt schreibe, eine phantastische Erleichterung
gegenüber auch meiner letzten, elektrischen, Schreibmaschine, wo ich oft
Dutzende von Seiten wegen kleiner Korrekturen oder Änderungen neu tippen
mußte. 

Diese Rechner, und was sie nun in Wissenschaft, Technik und Verwaltung
ermöglichen, sind ja nun eine wirklich vor wenigen Jahrzehnten
unvorstellbare Revolution. Bergen sie mehr Gefahren, als Vorteile, mehr
zentrale Herrschaft oder mehr persönliche Selbstbestimmung? Wir wissen es
noch nicht. Eine neue Abhängigkeit sind sie bereits. So, wie wir ohne Auto
nicht mehr auskommen, kommen wir ohne diese Dinger nicht mehr klar.  

Aber, die Zivilisation in der wir heute leben, besonders ihr letzter
degenerativer Auswuchs, genannt, Konsumgesellschaft, befindet sich auf
einem selbstmörderischen Pfad. Wir benehmen uns auf Gaia wie ein
Krebsgeschwür, das bereits Tausende von Metastasen streut. Warum ist dies
den meisten Menschen in ihrem alltäglichen Handeln nicht bewusst oder nicht
in ausschlaggebender Form präsent? Dabei zwingt uns doch dieses Wissen,
schon als Einzelne, verantwortungsbewußt zu leben. 

In meiner Kindheit hat man mir das anthropozentrisch-christliche Weltbild
eingetrichtert. Davon habe ich mich schon, als kaum Vierzehn- oder
Fünfzehnjähriger befreit, als ich auch nur die ersten Seiten meiner
Astronomie- und Biologiebücher öffnete. 

So war für mich mein Leben lang mein höchster geistiger Genuß das Teilhaben
am größten Abenteuer des menschlichen Geistes, aber auch die Aufregung über
das heutige zerstörerische Verhalten unserer globalen industriellen
Zivilisation. Daher wurde ich zum Aktivisten in Umwelt und Ökologie. 

Kurzgefaßt, ist für mich der Sinn des Lebens identisch mit meiner
Definition von Naturwissenschaft: Naturwissenschaft ist das ehrfürchtige,
andächtige  Schauen der göttlichen Schönheit des Universums. Und tiefste
Spiritualität, Ethik, ist für mich das Bewußtsein, als winziges Teilchen
des großen Geheimnisses an der Erhaltung seiner Schönheit mitwirken zu
können und zu wollen.  

August 2001
Text am 6.6.2002 erhalten von Lilly Lutzenberger

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IMPRESSUM:

Inhaber, Herausgeber und Redaktion: Begegnungszentrum für aktive
Gewaltlosigkeit, Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl. Eigenvervielfältigung
(Layout und Druck: Maria Reichl). Verlagsort: Bad Ischl.

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Virgil Mihaiu

DIE SUPERSCHLAUEN
sie errichteten
gesellschaftsformen utopien
gewährten beistand und setzten ihn aus
stellten pläne auf und wiesen pflichten zu
erhoben gebühren
steuern trieben bußgelder ein
ließen listen anlegen
verhängten strafen
warfen ins gefängnis
schalteten und walteten ganz nach belieben
machten uns das leben zur hölle
sie schulmeistern uns weiter

POLITIKWISSENSCHAFT
die führer führten
ohne irgend etwas zu wissen
die führer führten die geführten
die ihr leben daran gegeben hatten
alles zu wissen

Aus: Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und
Politik. Vergangenheitsbewältigung II. 13. Jahrgang Heft Nr. 1/ Mai 2001
A/G/K Verlag Dinklage 2001

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Keine EU-Visa für Friedensarbeiter
Presseerklärung der WAR RESISTERS INTERNATIONAL (WRI)

11.8.2002

Vom 2. bis 11.8. fand an der Universität Dublin (Irland) die 23.
WRI-Dreijahreskonferenz statt.

Die WRI ist ein internationales pazifistisches Netzwerk von Organisationen
und eine ihrer Ziele ist, verschiedene Friedensgruppen aus aller Welt
miteinander in Verbindung zu bringen und die Kontakte dieser Gruppen zu
verbessern. Aus diesem Grund hat die WRI Anmeldungen von über 300 Menschen
aus aller Welt bekommen.

Wir waren schockiert und höchst besorgt als wir feststellen mußten, daß ein
Drittel der  eingeladenen Teilnehmer aus Nicht-EU-Ländern mit der Festung
Europa konfrontiert wurden, jener berüchtigten Einwanderungspolitik der
Europäischen Union. Über hundert angemeldeten Menschen, wurde von den
irischen Behörden die Einreise verweigert. Deshalb konnten Leute aus
Rußland, der Ukraine, aus Georgia, Ghana, Nigeria, aus dem Kongo, aus
Kamerun, Senegal, Sierra Leone, Burundi, Simbabwe, Togo, Gambia, Kenia,
Bangladesh und Pakistan nicht an der Konferenz teilnehmen.

Für uns ist dies ein Beispiel für die rassistische und diskriminierende
EU-Politik, die darauf aus ist, die EU für Menschen aus der Dritten Welt zu
verschließen. Diese Methode des irischen Staates verweigerte diesen
Menschen das Recht frei zu reisen und kriminalisierte sie sogar. Diese
Politik verhinderte die Möglichkeit der Begegnung von Friedensarbeitern aus
aller Welt, was bewirkte, daß die diesjährige Konferenz vorwiegend auf
Teilnehmer aus den USA und Europa begrenzt blieb.

Unter den Leuten, denen die Teilnahme verwehrt blieb, waren 16 Mitglieder
einer kongolesischen Studiengruppe über Frieden und gewaltlose
Konfliktlösung für ihr Land. Ein Beamter des Justizministeriums gab einen
erstaunlichen Grund für die Verweigerung der Visas für unsere
kongolesischen Freunde bekannt: Sie konnten nicht nach Europa kommen, weil
sie keine „Visa-Geschichte" hatten. Demzufolge hätten sie vorher im Ausland
reisen müssen, damit sie ein Visum bekommen hätten. Dies ist ein neues
„Catch 22": Du kannst kein Visum bekommen, ohne gereist zu sein aber Du
kannst nicht reisen, weil Du kein Visum bekommst.

Als internationale, antimilitaristische und pazifistische Organisation
protestieren wir schärfstens gegen diese Politik der Festung Europa gegen
die Dritte Welt. 

„Reisefreiheit ist ein Menschenrecht"

Andreas Speck, WRI (red. M.R.)

Weitere Informationen bei Siva Ramamoorthy, WRI, 5 Caledonian Road, London
N1 9DX, BRITAIN, Tel.: +44-20-7278 4040, email: info at wri-irg.org,
www.wri-irg.org

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Mexiko:  Friedens- und MenschenrechtsbeobachterInnen für Chiapas:

Mit dem Aufstand der Zapatisten in Chiapas am 1. Jänner 1994 wurde der
Widerstand der indigenen Völker Mexikos weithin sichtbar. Nach wie vor
wehren sie sich gegen die Zerstörung ihrer Kulturen, gegen Ausbeutung und
Neoliberalismus. Weiterhin ist internationale Solidarität für sie und ihren
Kampf erforderlich:

Daher sind internationale Freiwillige in ihren Dörfern anwesend und
willkommen -  die Mexiko-Plattform bereitet auf einen Einsatz als
BeobachterIn vor:

Nächste Vorbereitungsseminare in Wien: 8. - 9. und 22. - 23. November sowie
im Mai 2003. Eine Seminarteilnahme ist auch möglich, wenn keine
Beobachtertätigkeit geplant ist.

Mindestdauer des Aufenthalts drei Wochen...

Nähere Informationen zu Infoabend etc. siehe homepage:
www.oneworld.at/mexiko-plattform

(Gerne zeigen wir auf Anfrage auch Dias über einen Einsatz als BeobachterIn
oder stehen für schulische und sonstige Veranstaltungen zur Verfügung).

Roland Bangerter 
E-Mail: mexiko-plattform at gmx.at 

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Soziale Kämpfe in Lateinamerika

von Dr. No - 12.08.2002

Immer stärker sind weltweit die Auswirkungen des Neoliberalismus zu spüren
- Lateinamerika steht dabei erst am Anfang einer beispiellosen
Strukturkrise. Besonders hier, wo starke soziale Bewegungen seit über
hundert Jahren Tradition haben und oft nur mit Militärdiktaturen begegnet
werden konnten, wächst der Widerstand der Bevölkerung immer mehr.

Anfang August bereiste US-Finanzminister Paul O’Neill die drei am
heftigsten vom neoliberalen Kollaps betroffenen Staaten Argentinien,
Uruguay und Brasilien. Während in Uruguay und Brasilien das „Schlimmste"
durch kräftige Finanzspritzen von USA und IWF abgewendet werden konnte
-ohne daß die Krise wirklich beendet wurde- wird Argentinien weiterhin
keine Unterstützung erhalten. 

Da in Argentinien sich seit dem Aufstand im Dezember die basisdemokratische
Organisierung der Bevölkerung weiter festigt und notgedrungen eine
Tauschwirtschaft eingeführt wurde, versuchte die Regierung mehrmals die
nicht abreissenden Proteste blutig niederzuschlagen. Aus Uruguay kommen
ganz ähnliche Bilder: Generalstreiks, Besetzungen, Protestdemonstrationen
und Repression als Antwort darauf. In Uruguay wird seit dem sich die Krise
verschärft, verstärkt gegen kritische Medien vorgegangen - darunter auch
gegen Indymedia.Uruguay. In Brasilien nimmt mit Verschärfung der Krise
ebenfalls der Widerstand zu. Hier sind neben Demonstrationen besonders
Landbesetzungen an der Tagesordnung.
http://de.indymedia.org/2002/08/27616.shtml
Indy.Argentinien: http://argentina.indymedia.org/
Indy.Uruguay: http://uruguay.indymedia.org/
Indy.Brasilien: http://brasil.indymedia.org/
Indy.Global: http://www.indymedia.org/
„poonal" http://www.npla.de/poonal/ (Pool de Nuevas Agencias de América
Latina) ist ein wöchentlicher Pressedienst Lateinamerikanischer Agenturen,
der aktuelle Nachrichten und Hintergrundberichte aus Lateinamerika auf
deutsch publiziert. 
ila-web http://www.ila-bonn.de/lateinamerika/home.htm - Informationsstelle
Lateinamerika mit einer anderen Sicht zu Lateinamerika Politik, Wirtschaft,
Kultur und soziales Engagement...

(Aus: http://de.indymedia.org/2002/08/27616.shtml)

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Zum Hiroshima-Gedenktag 2002

Gandhis politisches Erbe in Indien hält seit kurzem ein Atomwaffentechniker
als Präsident im Griff, gemeinsam mit dem Hindu-Nationalisten Vajpayee. Der
Waffenstillstand mit Pakistan erinnert mehr an das Gleichgewicht des
Schreckens, in dessen Schatten regionale Kriege und eine beiderseitige
Aufrüstung wuchern, die tagtäglich - direkt und indirekt - töten.
Ausgerechnet zum indischen Unabhängigkeitstag wurde bekannt, dass demnächst
alle militärischen Einheiten Indiens mit Atomwaffen und den dazugehörigen
Raketen aufgerüstet werden - ohne Rücksicht auf die Folgen! Mahatma Gandhis
Erbe der Gewaltfreiheit als Grundlage des politischen Systems wird damit
weiter „atomisiert"!

Während in Indien ein Atomtechnokrat zu seiner „Karriere" steht, setzen in
ähnlichen politischen Positionen Lobbyisten der militärischen und zivilen
Atomtechnologie - und mit ihnen neoliberale Globalisierer - ihre Ziele mit
wachsendem Erfolg durch. Beim Ausbau ihres weltumspannenden
„Sicherheits"-Apparates leisten zurzeit die geschürten Ängste vor
potentiellen terroristischen Anschlägen mit „schmutzigen" Minibomben gute
Dienste. Unterstützt von diensteifrigen Medien, aber auch von Gesetzgebern
(nicht nur in den USA!), die auch gewaltfreie Proteste zumindest in die
Nähe des Terrorismus rücken und damit eine politische Atomspaltung
versuchen. Mit ihrem omnipotenten Auftreten probieren sie, Kritiker mundtot
zu machen. 

Der Hiroshima-Gedenktag ist einer von vielen, die uns Gelegenheit geben,
trotzdem unseren gewaltfreien Protest öffentlichkeitswirksam zu machen.

Aktualisiert am 16.8.2002, Matthias Reichl

Über 200 Beiträge zum Hiroshima-Gedenkfeier 2002 in Wien (und jene aus den
vergangenen Jahren) sind auf der Homepage http://www.hiroshima.at/
dokumentiert.

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Wir leben alle in Babylon

Dorothee Sölle

Anfang der 80er Jahre begrüßte mich ein amerikanischer Freund in New York
mit den Worten: »Welcome in Babylon on Hudson«. Damals stand das
Wahrzeichen der wirtschaftlichen Macht, die Türme des World Trade Centers,
noch. 

Babylon ist in der prophetischen Tradition der Bibel das Land der amüsanten
Selbstbereicherung und zugleich der Ort der Verbannung des Volkes aus
seiner wahren Heimat... Im ersten Buch der Bücher hat das Wort Babel noch
eine andere Bedeutung, wir kennen alle die Geschichte von dem Turmbau zu
Babel, der einstürzt, weil die Menschen, die ursprünglich nur eine Sprache
hatten, sich plötzlich nicht mehr verstehen. »Hast du noch drei Ziegel für
mich?« fragte ein Arbeiter und bekam zur Antwort »Habakutschkalla«, was
wahrscheinlich auf deutsch »Was willst du Esel eigentlich von mir?« bedeutet. 

In Babylon hat man keine gemeinsame Sprache mehr. Die einen verstehen immer
nur: »Was bringt’s? Rechnet es sich?« Cash und Fun sind die Lieblingswörter
der Babylonier. Die anderen verstehen immer nur: »Die Schule fällt mal
wieder aus, der Lehrer ist Taxifahren gegangen.« In Bolivien, einem Land,
das ich gut kenne, wird er so miserabel vom Staat bezahlt, dass er das tun
muss, wenn er überleben will. Und der Staat Bolivien bekommt von den
Weltbesitzern gesagt, »Schön, Sie bekommen einen Kredit, aber nur wenn Sie
die Staatsausgaben verringern.« Weniger Geld für Schulen, für die wenigen
Staatlichen Krankenhäuser, für Transportmittel und Notfallhilfe, das ist
das Diktat der Herrn dieser Welt. Für Militär und Polizei darf natürlich
ausgegeben werden, aber alle soziale Verantwortlichkeit soll privatisiert
werden. 

Wir leben alle in Babylon. 

Wie definieren wir eigentlich Gewalt? Das Einschlagen von Schaufenstern
oder das Anzünden von Autos ist natürlich Gewalt, und ein klarer
Rechtsbruch. Aber wenn eine Behörde eine Exportlizenz für Waffen, die
Kinder gut bedienen können, erteilt (da bekanntlich aller Handel frei und
unbehindert sein muss), ist das auch Gewalt? Oder wenn das Spekulieren an
der Getreidebörse in Chicago Tausende von Menschen in den Hungertod treibt,
weil die Notprogramme bei steigenden Preisen nicht mehr finanziert werden
können, ist das auch Gewalt? Es ist in der Welt Babylons völlig legal.
»Free trade« ist einer der wichtigsten Götzen, die über uns herrschen. In
Babylon.

Gastkolumne  in „Neues Deutschland" v.  11.05.02, www.nd-online.de

Friede braucht Bewegung

Das, was sich in der Praxis angesichts der verflochtenen und globalisierten
Bedrohungen auch in Österreich schon lange bewährt, wird nun von 43
AutorInnen zusammen-gefasst und vernetzt. Mit Stand Sommer 2001 - also noch
vor dem 11. September - analysierten und dokumentierten sie diese in den
Themenblöcken kirchliche Friedensarbeit, Sicherheitspolitik und
Neutralität, Neue Weltordnung, Gewaltfreiheit, Friedenserziehung,
Abrüstung, neoliberale Globalisierung und zivilgesellschaftliche
Perspektiven. (Meinen - aktualisierten -. Beitrag findet ihr auch in
unserem „Rundbrief" Nr. 102, Seite 4 - 6, und in
http://www.begegnungszentrum.at/texte/reichl/reichl-globalisierung.htm)  

Matthias Reichl

Andreas Pecha/ Thomas Roithner/ Thomas Walter (Hg.): Friede braucht
Bewegung. Analysen und Perspektiven der Friedensbewegung in Österreich.
2002 ISBN 3-9502098-1-6. Vertrieb: Thomas Roithner (Moosleite 3a, A-4053
HAID).  € 7,- + Porto

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Verpflegungsgeld für Zivildiener

Der langanhaltende Streit um den Zivildienst hat einen neuen Höhepunkt
gefunden. Zwar hat der Verfassungsgerichtshof die bestehende
Verpflegungsgeld-Regelung  für verfassungskonform erklärt, aber er lieferte
auch Richtwerte, was unter dem umstrittene Begriff „angemessen Verpflegung"
zu verstehen sei: Euro 11,30 bis 13,60 sollten die Einrichtungen
rückwirkend pro Tag zahlen!!! 

„Ein klarer Erfolg", so Florian Seidl, Bundessprecher der Zivi-Troika. Die
Zivi-Troika kündigt eine Flut von Beschwerden beim Zivildienstrat des
Innenministeriums zum Verpflegungsgeld an. „Wir wissen, dass das
Verpflegungsgeld eine große Belastung für die Einrichtungen darstellt, und
sie deswegen weit weniger zahlen. Deswegen fordern wir alle Einrichtungen
auf, mit uns GEMEINSAM dafür zu kämpfen, dass das Innenministerium - wie
das Verteidigungsministerium für ihre Präsenzdiener - wieder die
finanzielle Verantwortung für den Zivildienst übernimmt," so Seidl. 

Weiters fordert Seidl jeden (Ex-)Zivildiener, dessen Verpflegungsgeld unter
11,30 EURO pro Tag beträgt, auf, eine außerordentliche Beschwerde nach §37
des Zivildienstgesetzes einzubringen und verweist zu diesem Zwecke auf die
Zivi-Homepage: http://zivildienst.at/neu/docs/AOB%202002%20Essen.doc .
Hintergrundinfos:http:
 //www.ziviprotest.at/11,30_EURO.htm  Rückfragen bei: Florian Seidl,
e-mail:  bundessprecher at zivildienst.at, Handy: 0664/8980507

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Soziale Bewegungen im Dilemma

Marianne Gronemeyer

(Auszüge aus einem längeren Manuskript von 2002)

...Nehmen wir die Sozialen Bewegungen beim Wort, denn ihre politische Kraft
steckt in dem Wort ,Bewegung’. Was Soziale Bewegungen auszeichnet ist, ihre
Fähigkeit Beweglichkeit herzustellen oder wiederherzustellen und damit
repräsentieren sie den Inbegriff des Politischen. Die Kunst der Politik
besteht darin, Verhältnisse sich nicht so festfahren zu lassen, daß
schließlich nur noch eine Möglichkeit offensteht, an die Stelle der
Entscheidung zwischen Möglichkeiten also der unausweichliche Zwang getreten
ist. Wenn das ,Auchanderskönnen’ dem ,Nichtanderskönnen’ (R. Schottlaender)
zum Opfer gefallen ist, dann ist Politik am Ende. Soziale Bewegungen sind
also diejenigen Agenten, die die in Sachzwängen versteinerten Verhältnisse
zum Tanzen zu bringen sich vornehmen. Ihre vorzügliche Leistung besteht
darin, daß sie der Sachzwanglogik die Gefolgschaft verweigern, abtrünnig
sind gegenüber deren Glaubenssätzen und lieber an Wunder als an
Unausweichlichkeit glauben....

... Wenn Soziale Bewegungen sich zu strikter Gewaltlosigkeit bekannt haben,
dann deshalb, weil sie sich nicht mit der Macht gemein machen wollten. Man
kann durchaus die Ohnmacht der Sozialen Bewegungen als diejenige Eigenheit
ansehen, auf deren Bewahrung sie am sorgsamsten achtgeben muß, als
diejenige Kraft, die einzig in der Lage ist, der Macht die Legitimität zu
entziehen. Ohn-mächtiger Widerstand attackiert die Macht, ohne sie für sich
zu wollen. Demgegenüber ist die Macht hilflos, weil sie ihr Gegenüber dann
nicht unter ihre Spielregeln zwingen kann, und das ist das einzige Metier,
das die Mächtigen beherrschen. Macht kann sich nur verteidigen gegen
Machtkonkurrenten, Gegenüber ohn-mächtigen Angriffen ist sie machtlos.
Ohnmächtiger Widerstand entzieht der Macht ihr Gegenüber und läßt sie so
ins Leere laufen, lächerlich oder offen gewalttätig werden, was einer
Selbstentlarvung gleichkommt und der Eleganz der Macht, ihrer souveränen
Unauffälligkeit, abträglich ist.

...Schon den Terminplan müssen sich die Globali-sie-rungs-gegner von den
Herren der Erde diktieren lassen, weil nur zu Gipfel-Spektakeln das
Fernsehen präsent ist. Statt dessen sollten sie, wie der französische
Philosoph Pierre Bourdieu, der zur Aufkündigung der großen Koalition der
Einverstandenen aufruft, einleuchtend fordert, eigene Taten setzen für die
internationalen Zusammenkünfte der lokal agierenden Bewegungen. Wenn sie
nur reagieren, statt zu agieren, droht ihnen , was die Gipfelriesen, sofern
sie sich auf elegantes Machtgebaren verstehen, schon generös in Aussicht
stellen: die Integration in die Gipfelkonferenzen, was die verführerischste
und fraglos eleganteste Weise ist, die Kritiker unschädlich zu machen.
Ohn-mächtig kann man nicht halbherzig sein, der Ohn-Macht muß man sich mit
Haut und Haar verschreiben, sonst weicht alle Kraft aus ihr und sie wird
zur Machtlosigkeit, während die Soziale Bewegung gleichzeitig, dem Gegner,
dem sie die Legitimität entziehen will, immer ähnlicher wird. ...

... Konsumenten, die in dieser Umklammerung durch Arbeits- und
Warenlieferanten fidel ihren Freiheitswahn huldigen, sind tatsächlich
Papiertiger des Widerstandes. Sie können jederzeit zum marktgerechten
Wohlverhalten gezwungen werden. Die Drohung des sozialen Abstiegs ist
ungemein wirksam. Tatsächlich lassen die Herren der Erde die Welten des
Verbraucherprotests sich in aller Gelassenheit totlaufen. Und tatsächlich
ist die Vergeßlichkeit der Verbraucher genau so chronisch wie die des
Wahlvolks. Der Rindfleischkonsum ist bereits wieder auf dem alten Stand,
obwohl doch viele die Einschränkung nicht mit der medienstimulierten Furcht
vor BSE, sondern mit Ekel begründet hatten. Ekel sollte man für eine
tiefsitzende Aversion halten aber auch das ist ein Irrtum. Die großen
Gefühle von der Trauer über die Liebe, die Sehnsucht und den Ekel, sind
längst vermarktet.

Damit hängt ein letztes zusammen, was die Sozialen Bewegungen ungemein
schwächt. Sie haben sich seit den frühen Tagen der Ökologie- und
Friedensbewegung nötigen lassen und sich auch genötigt gefühlt, sich von
dem klaren und unmißverständlichen ,Nein’ abzuwenden und sind statt dessen
,konstruktiv’ geworden, übergelaufen zu den sogenannten lösungsorientierten
Ansätzen. Das starke, schöne, selbstbewußte ,Nein Danke’ der
Anti-Atom-Bewegung und das klare ,Nein ohne jedes Ja zu
Massenvernichtungswaffen’ der Friedensbewegung ist dem Tüfteln an
Problemlösungen gewichen. Eleganter konnten Protestbewegungen nicht auf der
Seite der Macher gezogen werden. Auf beiden Seiten haben jetzt die
Techniker und die Manager das Wort. Der Planet ist endgültig zum
Management-Objekt (W.Sachs) geworden. Seine Zerstörung und seine Rettung
beflügeln gleichermaßen Markt und Profit.

Ist das nun ein Totengesang auf die Sozialen Bewegungen? Nein! Aber ein
Totengesang auf sie, sofern sie die Dilemmata, in denen sie sind,
verleugnen. Soziale Bewegungen bleiben wohl trotz alledem die einzige
politische Hoffnung, auf die wir setzen können.

Aktuelle Ergänzung von M.R.: Die geschickten Integrationspraktiken mit
denen - v.a. in den USA - Großkonzerne (corporations) und ihren Lobbyisten,
aber auch „Anti-Korruptionisten", gutwillige Initiativen und NGOs für sich
instrumentalisieren werden auch bei dem RIO +10-Gipfel in Johannesburg
sichtbar. Ihrer Demaskierung dient der präzise Text von Aziz Choudry „How
Low Can You go? The Corruption Of Corporate Imperialism", publiziert am
8.8.2002 auf der ZNet-homepage:
http://www.zmag.org/content/showarticle.cfm?SectionID=13&ItemID=2196.

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WSSD-Gipfel der Frechheit

Nachhaltige Umweltzerstörer waschen sich weiss

(Welttreffen der  nachhaltigen Zerstörung Rio+10)

In einer Eiltmeldung (23.8.2002) berichten „Food First"- und "Via
Campesina"- Mitarbeiter aus Johannesburg (Südafrika), über einen
friedlichen Protestmarsch von Landlosen aus der südafrikanischen Region
Gauteng am Vorabend des „Rio+10 (WSSD)-Gipfels". Er endete am Sitz von
Premier Mbazima Shilowa mit der Verhaftung von 72 Demonstranten und der
sofortigen Ausweisung der US-Bürgerin Ann Eveleth, Pressesprecherin des
NLC). Mit ihrer Petition wollte das National Land Committee (NLC) und das
Landless People’s Movement (LPM) gegen eine Vertreibung Landloser aus den
von ihnen besetzten Gebieten protestieren.

War es auch eine Einschüchterungsmaßnahme gegen die Mitorganisatoren eines
alternativen Treffens von Umweltaktivisten, Bauern und Landlosen, das jene
versammelt, die sich von den etablierten Institutionen und ihren Lobbyisten
nicht vereinnahmen und instrumentalisieren lassen? Solidaritätsschreiben
für die „WSSD 72" an: National Land Committee, e-mail:
nhussein at worldonline.co.za, Infos bei: www.foodfirst.org

Die deutsche "Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) ruft auch zu
einem Boykott der WSSD-Konferenz auf (www.buko.info).

Wir haben schon im „Rundbrief" Nr. 106, Seite 15, unter „Nachhaltige"
Umweltpolitik? vor einer „Greenwash"-Kampagne der Umweltzerstörer gewarnt.
Ein Lieferant für „Ent-Schuldig-ung" ist der dänische Statistiker Björn
Lomborg mit seinem Buch „Apocalypse No!" (siehe Buchtipp Seite 8). Als
Leugner einer fortschreitenden Klimakatastrophe vertraut er offenbar dem
statistischen Mittelmaß. Wenn Überschwemmungen und Austrocknung
zusammengezählt eine balanzierte Umwelt ergäben und die Zerstörungen der
Regenwälder als verhältnismäßig minimal quantifiziert werden (ohne die
unberechenbaren Effekte auf ein sensibles Ökosystem zu respektieren - wovor
José Lutzenberger ständig warnte) kann eine derartige Fehlkalkulation
entstehen. Als Einführung in gefährliche Denkweisen ist dieses Buch brauchbar.

Matthias Reichl

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Militärische Geldverschwemmung? 	
			Karikatur von Manfred Madlberger (nur im gedruckten Rundbrief)

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Weder Kampfjets noch Abfangjäger!

Das Volksbegehren gegen die „Abfangjäger" wurde - trotz Urlaubszeit - von
624.700 wahlberechtigten Bürgern Österreichs unterschrieben. Weil die
Hintergründe der Forderung „Kein Kauf der 24 Abfangjäger" vom Initiator
Fußi und der „Kronen"-Zeitung populistisch eingeengt wurden, haben spät ,
aber doch Friedensinitiativen - und im Parlament die Oppositionsparteien
Grüne und SPÖ - die Hintergründe gründlicher durchleuchtet. Dabei wurde
klar, daß der „Eurofighter" als Kampfflugzeug konzipiert ist, der nach
Bedarf auf NATO-Standard nachgerüstet werden kann, also eine Vorleistung
für einen späteren NATO-Beitritt darstellt. Der Finanzaufwand von -zig
Milliarden (inklusive Betriebs- und Nachrüstungskosten) würde - wie hohe
Militärs bestätigen - ein „Aushungern" der übrigen Militär-Bereiche
bedeuten - v.a. auch der Einsätze bei Katastrophen! (Auch eine Methode, das
Militär schleichend abzuschaffen!) 

Wie zu erwarten war, wurden am 19.8. bei einer - von der SPÖ-Fraktion
geforderten - Parlaments-Sondersitzung die Forderungen des Volksbegehrens
nach einer Volksabstimmung durch die Regierungsmehrheit (ÖVP und FPÖ)
abgelehnt. Als kleines Zugeständnis wurde von ihr - vorläufig - die Zahl
von 24 auf 18 Stück reduziert und den Beginn der Ratenzahlung um ein Jahr
auf 2006 verschoben. Dabei tauchten absurde Argumente im Zusammenhang mit
der Umschichtung der Finanzen zu Gunsten der Katastrophenhilfe (und
-prävention) auf: „Der gesunde Menschenverstand sagt, daß die Gelder von
2006 nichts mit der jetzt erforderlichen Hilfe zu tun haben". 

Umweltexperten fordern schon lange die - nicht nur finanzielle - Vorsorge
gegen die sich häufenden und ausbreitenden Umweltkatastrophen. Wie die
jüngsten Hochwasserschäden zeigen, werden zeitlich unbeschränkt
Budgetmittel in kaum abschätzbarer Höhe benötigt. Die regierenden Politiker
und ihnen ergebene Medienleute verschweigen jedoch, daß diese
Militär-Milliarden indirekt Mensch und Natur zerstören.

Daher will demnächst eine breit angelegte Plattform - mitinitiiert durch
Parlamentarier der GRÜNEN - einen erneuten Vorstoß gegen den Ankauf der
zerstörerischen Kampfflugzeuge starten. 

Matthias Reichl

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 Ich danke allen die schon einen Beitrag für den Rundbrief überwiesen
haben. Wer bei seiner Adresse noch nicht "Abo 2002" bzw. "Austauschabo"
stehen hat, den bitten wir noch um ihren Mitglieds- bzw. Kostenbeitrag für
2002. Wir senden diesen Rundbrief auch als  Probeexemplar an Leute, denen
wir in letzter Zeit begegnet sind, und an einige alte Freunde. Wir hoffen,
dass sie sich für die behandelten Themen interessieren. Wir würden uns
freuen, auch Sie bald als Mitglieder oder Abonnenten aufnehmen zu können.
Wer nur den
 e-Rundbrief erhalten, will soll sich melden.   Maria Reichl

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1	Einleitung
2	Hawaii Erfahrungen
3	Erinnerungen an: Lutzenberger, Chargaff, Schmidt 		Europ. Sozialforum ESF
- Weltsozialforum WSF / 
	Weltwirtschaftsforum ( WEF) in Salzburg
5	Sinn des Lebens - Lutzenberger
6	IMPRESSUM:
7	BUCHTIPPS
10	Virgil Mihaiu / Keine EU-Visa für Friedensarbeiter
11	Mexiko:  Chiapas / Soziale Kämpfe in Lateinamerika
	Hiroshima-Gedenktag 2002
12	TERMINE 
14	Wir leben alle in Babylon - Dorothee Sölle; / Friede braucht Bewegung /
Verpflegungsgeld für Zivildiener
15	Soziale Bewegungen im Dilemma / WSSD-Gipfel 		

Maria Reichl
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
Wolfgangerstr. 26
A-4820 Bad Ischl





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