[E-rundbrief] E-RUNDBRIEF Nr. 4 Februar 2002 Teil b: Artikel und weitere Informationstexte

Maria Reichl maria.reichl at gmx.at
Mi Feb 20 00:20:43 CET 2002


E-RUNDBRIEF Nr. 4 Februar 2002 Teil b:  Artikel und weitere Informationstexte

104. Rundbrief (1/2002) 26. Jhg.	

*  Teil a:   Inhalt und Allgemeines
*  Teil b:  Artikel und weitere Informationstexte
*  Teil c:  Buchtipps
*  Teil d:  Termine

Seite
1	Einleitung Maria
2	Einleitung Matthias 
2	Eu und Globalisierung
3	Einladung zum Frühlings-Begegnungsfest 
4	Sozialstaats-Volksbegehren, "Frauen einer Welt"
4	Das II. Weltsozialforum in Porto Alegre
6	Am Rande des Weltsozialforums, José Bové, 
6	Hassan A. Sunmonu, Bianca Chancoso,
11	Europe Echanges
12	Assisi oder Pentagon .. . von Franz Alt
13	Die Weltreligionen zum Frieden
13	Salzburger Anti-Atom-Konsens
14	Störfall im AKW Temelin
14	Pierre Bourdieu (1930-2002)
14	Aufruf der sozialen Bewegungen - Weltsozialforum II

Februar 2002
Liebe Freunde!
Vorerst möchte ich allen danken die uns wieder bei unserer Arbeit mit
Informationen, Mitgliedsbeiträgen und Spenden unterstützt haben. Ohne eure
Hilfe könnten wir diese Arbeit nicht machen.
Nachdem viele nach dem 11. September gelähmt und über den Afghanistan Krieg
entsetzt waren, regt sich doch schon langsam Widerstand gegen die weltweite
Aufrüstung und Einschränkung der Menschenrechte. Auch wenn wir noch täglich
Horrormeldungen von Umweltsünden, Kriege, Katastrophen usw. erhalten sind
die kritischen Stimmen und die Appelle für Gewaltlosigkeit nicht mehr
überhörbar. Die Vorträge von Maria Mies (zwischen 8 und 11. April in
Österreich) gegen die Globalisierung, das Weltsozialforum II in Porto
Alegre sowie die Erklärung der Weltreligionen zum Frieden geben uns etwas
Hoffnung dass ein Umdenken und hoffentlich auch ein Um-Handeln möglich
wird. Wir drucken einiges hiervon ab.
Wie wichtig auch Begegnungen und ein gegenseitiges Kennenlernen sind um
Feindbilder abzubauen wird uns jeden Tag mehr bewusst. Ich arbeite daher in
der Initiative „Frauen einer Welt" nach wie vor aktiv mit, damit  wir auch
auf lokaler Ebene einen interkulturellen Austausch möglich machen können.
(Siehe Seite 4).
Da Matthias dieses Jahr seinen 60. Geburtstag feiert, wird es schön langsam
Zeit dass auch er einmal innehält und sich einen Urlaub gönnt. Bis jetzt
hat er jede Reise dazu verwendet diverse Veranstaltungen zu besuchen, an
Aktionen teilzunehmen oder Leuten zu begegnen um wieder Impulse für unsere
Arbeit zu erhalten oder selber weiterzugeben. Erholung und Entspannung war
bei ihm ein Fremdwort. Ich bin aber überzeugt dass es wichtig ist, auch mit
seinen eigenen Körper gewaltfrei umzugehen, damit man selber gewaltfrei
agieren kann. So hoffe ich dass ich und einige Freunde ihm helfen können im
späteren Frühjahr einen Traum zu verwirklichen. Welcher, das möchten wir
euch erst bei unserem Frühlings-Begegnungsfest am Ostersonntag - wozu ich
euch alle herzlich einlade - verraten. (siehe Seite 3).
Da ich leider noch keine Zeit hatte, Zahlungs-Erinnerungen auszusenden,
schicken wir ausnahmsweise diesen Rundbrief auch noch an alle Abonnenten
vom Vorjahr. Wer bei seiner Adresse noch nicht 2001 oder 2002 oder
Austausch stehen hat, soll sich unbedingt melden, wenn er oder sie den
Rundbrief weiter erhalten will. Wir bekommen immer Einzahlungen mit keinen
oder unleserlichen Absenderadressen und da ist es mir unmöglich diese
zuzuordnen. Auf der letzte Seite drucke ich einem Hinweis ab wie ihr den
e-Rundbrief erhalten könnt.
Ich hoffe, dass ich viele von euch bei unserem Fest oder bei anderer
Gelegenheit treffen werde und wünsche auch weiterhin Friede, Kraft und Freude
Maria Reichl

Liebe Freunde
die Faschingslarven bzw. Karnevalsmasken sind wieder einmal gefallen, doch
die Demaskierung jener, die ihre Absichten mehr oder minder gut hinter
einer Fassade verstecken, wird uns weiter das ganze Jahr über beschäftigen.
Ist das erstere noch Spaß, wird es beim zweiteren bitterer Ernst, wie es
große Teile der argentinischen Bevölkerung lautstark demonstrieren (siehe
Seiten 4-6 und 14-16). Daß zu den sozialen Protesten auch die ökologischen
kommen, zeigten heute (15.2.) die kritischen Reaktionen - auch von
„verbündeten" Umweltministern - gegen George Bush’s Klima-Plan, der mit den
Illusionen einer „freiwilligen" Reduktion der Schadstoffemissionen jongliert.
Nur scheinbar kleiner in ihren Auswirkungen sind aktuelle politische
Prozesse in Österreich und den Nachbarländern. Die Kampagne für das
„Sozialstaats-Volksbegehren" (siehe Seite 16) gibt uns Gelegenheit auch in
unserem Land die Realität des Sozialabbaues publik zu machen. Allerdings
werden wir erheblich dabei behindert. In der ungünstigen Osterwoche (3. -
10.4.) sollen die Unterschriften geleistet werden. Und die populistischen
Massenmedien - vor allem die „Kronen-Zeitung" - werden kaum die komplexen
Inhalte unverfälscht transportieren. 
Jene Atomgegner, die das - von der FPÖ initiierte - Volksbegehren gegen das
AKW Temelin unterstützten, müssen nun zur Kenntnis nehmen, daß nun ihr
Anliegen durch andere Themen verdrängt wird.. Wir haben es wegen dieser
politischen Vereinnahmung nicht unterstützt. Die - nicht nur vom
„Wort-Führer" Jörg Haider - populistisch hochgespielten zusätzlichen Themen
wie EU-Osterweiterung, Konflikt mit Tschechien (Benes-Dekrete) verlagerten
schnell das Medieninteresse. Und Haider hat mit dem spektakulären Besuch
bei Saddam Hussein im Irak wieder den humanitären Hilfsaspekt in schiefes
Licht gerückt - und damit den NGOs mit ihren Hilfsaktionen eher geschadet.
Sein heute erklärter Rückzug aus der Bundespolitik könnte einer seiner
vielen Schachzüge sein, um seinen Ambitionen, eine rechts-populistische
Europapartei aufzubauen, zu dienen. Zurecht kritisieren SPÖ und Grüne das
taktische Schweigen bzw. Bagatellisieren des Regierungspartners ÖVP und
fordern deshalb Neuwahlen.
Das Ausmaß des Bildungsabbaues wird meist nur mit Beispielen aus Schulen
und Universitäten illustriert. Daß aber die Institutionen der
Erwachsenenbildung weder auf der homepage des „Bildungsministeriums"
(www.bildung.at) noch in ausreichendem finanziellen Ausmaß in den Budgets
vorkommen, beweist die Politik des Kaputtsparens.
Wir bedauern auch, daß das Französische Kulturinstitut in Salzburg mit
31.12.2001 schließen mußte weil dort - im Unterschied zu Graz - die
österreichischen Behörden nicht die nötige Unterstützung leisteten. So
müssen wir auf eine Informationsquelle verzichten, die wir seit über 20
Jahren gerne nützten (siehe auch Seiten 11-12). 
Zwar sind die elektronischen und die Printmedien in Italien unter
Berlusconis Diktat wesentlich stärker bedroht. Doch der personelle und
organisatorische Umbau des öffentlich-rechtlichen ORF (Fernsehen und Radio)
lässt auch eine ideologische Umorientierung befürchten. So berichteten
Insider, daß angeblich beim trüben Schein der Christbaumkerzen im
ORF-Zentrum Wien die Aufteilung der Einflußsphären durchgesetzt wurde - FPÖ
für Information, ÖVP für Unterhaltung verantwortlich. Es ist zu befürchten,
daß früher oder später kritische Nachrichten- und Bildungssendungen
entweder zensuriert oder eliminiert werden. (Die Lateinamerika-Reportagen
von Leo Gabriel sind seit einiger Zeit fast nur noch im religiösen
Nischenprogramm „Orientierung" zu sehen.)
Für den 19.2. hätten Regierungsstellen auch uns zu einer Präsentation ihres
Beitrages zur UNO-Konferenz „Rio +10" über „zukunftsfähige Nachhaltigkeit"
in die Wiener Hofburg eingeladen. Doch ich werde diese Inszenierung mit
(ÖVP-) Bundeskanzler und Minister - mitorganisiert vom WWF - die keine
Publikumsdiskussion eingeplant hat, boykottieren. Informationen, die wir
per e-mail erhalten, warnen davor, daß auch die EU-Staaten die überfälligen
radikalen Weichenstellungen und Taten meist nur vortäuschen. 
Vieles aus den alternativen Informationsströmen sollten wir
weiterverbreiten, doch der Raum ist limitiert. (Zusätzliches kann -
eingeschränkt - unser e-mail-Netz transportieren.) So müssen wir unter
anderem auch dringende Infos der israelischen Friedensbewegung Gush Shalom
zum Palästina-Konflikt zurückstellen. Weiters den Nachruf auf den
verstorbenen Vordenker der Ökologie und Gartenexperten Jürgen Dahl. Einiges
davon könnt ihr im nächsten „Rundbrief" lesen, den wir Anfang Mai, noch
rechtzeitig vor meiner Abreise versenden wollen.
Im Blick auf die Karikatur auf Seite 3 werden sich manche von euch fragen:
„Ist nun auch der Matthias ‘reif für die Insel’? Und welche wird er mit
seinem Besuch beglücken?" Ich frage mich allerdings unbescheiden: „Ist die
Insel reif für mich?" Jedenfalls sind es einige ihrer Bewohner, deren Gast
ich sein werde, und die in vielen ähnlich orientierten Aktivitäten
gemeinsam mit uns gereift sind. Viele dieser neuen Impulse werden mir
sicher gut tun und die Weiterarbeit bereichern.
Auch ich danke euch für eure Unterstützung und freue mich auf das
gemeinsame Feiern mit möglichst vielen von euch
Euer Matthias

Die EU und die Globalisierung
War die EU-Hauptstadt Brüssel - im Schatten des EU-Gipfels von Laken - eine
Reise wert? Porto Alegre mit dem zweiten Weltsozialforum wäre es gewesen,
wenn ich dafür Geld und Zeit gehabt hätte. Das wurde mir bei den fünf
Treffen zur weltweiten und europäischen Koordination der
Globalisierungsgegner bzw. -kritiker wieder einmal bewußt. Es wurden dort
auch Strategien zu brisanten Detailbereichen - wie Rückzahlungsstop von
Schulden, die Reparationszahlungen des Norden an den Süden (z.B.
„Ecological Debt") aber auch die Ernährungssicherung - für Porto Alegre
vorbesprochen. 
Ein Spezialevent war eine Podiumsdiskussion von NGO-Vertretern mit dem
EU-Ratspräsidenten - und liberalen, belgischen Ministerpräsidenten -  Guy
Verhofstadt. Während Vandana Shiva aus Indien - die Wortführerin der NGOs -
kurz, präzise und scharf die Themen (v.a. die Globalisierung) auf den Punkt
brachte, redete der Herr EU-Präsident mindestens dreimal so lange und
verkündete - außer einigen vagen Versprechungen - fast nichts Konkretes,
dafür umsomehr neoliberalen Populismus. Auch auf die präzisen Nachfragen
kam nichts Besseres nach. Nach gut einer Stunde war der Spuk vorbei. Für
unsere belgischen Freunde war dies die Wiederholung von taktischen
Spielchen, mit denen er die Kritiker und ihre Forderungen geschickt
abwehrt. Sie kritisierten u.a. die forcierte Privatisierung - jetzt im
Kommunikationsbereich. Wie kann sich diese ohnmächtige, aufgestaute Wut
entladen ohne in sinnlose Gewalttaten abzugleiten?
Großdemonstrationen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zeigten, dass dies -
fast - ohne Gewalt dennoch möglich ist. Am ersten waren es fast 100.000
Gewerkschafter aus den meisten europäischen Ländern, die - ausgerüstet mit
vielen roten Fahnen - ihre prekäre ökonomische und soziale Lage
demonstrativ aufzeigten. Tags darauf waren es zwar „nur" fast 30.000
Aktivistinnen und Aktivisten aus Basisbewegungen und NGOs, die sich zu
einer viel bunteren Schar vereinten. Ich schloss mich einer Gruppe an, die
mit bunten Postern ohne Begleittexte und den „Herrschenden auf der Nase
tanzend" die Absurdität einer „heilen Konsumwelt" illustrierten. Am
wichtigsten waren aber wie immer die Begegnungen und angebahnten Kontakte
am Rande in einer beschwingten und trotzdem fröhlichen Atmosphäre - auch
wenn vielen zum Heulen zu Mute war.
Bei der Analyse des WTO-Treffens von Doha zeigte sich, dass die
EU-Vertreter zwar in Detailfragen gegen die Dominanz der US-Politik
auftreten, aber ansonsten ihre neoliberale Linie beibehalten. Inzwischen
laufen die Verhandlungen in mehreren Bereichen - wie GATS, Investitionen
(mit einer Reaktivierung des MAI-Projekts), Landwirtschaft usw. an. Jene
NGOs, die - noch - an die Sinnhaftigkeit von Lobbyarbeit glauben, haben
Schwierigkeiten überall mitzuhalten, einzubremsen und Alternativen zu
entwickeln.
So wie im Süden - nicht nur in Porto Alegre - die dahinterstehende
Ideologie wirksam in Frage gestellt wird, kommen langsam auch bei den
EU-Beitrittskandidaten in Mittel-Ost- und Südeuropa begründete Bedenken
gegenüber einer Unterwerfung unter das propagierte politische Modell aus
West-Mittel-Europa auf. Die Probleme verschärfen sich auch in Deutschland
mit seiner rot-grünen Regierung. 
Wegen Platzmangels muß ich zwei Analysen (unter vielen anderen) auf den
nächsten Rundbrief verschieben: Saral Sarkar’s treffende, kritische Analyse
der Systemalternativen in „Die nachhaltige Gesellschaft" (Rotpunkt Verlag)
und Lutz Rathenow mit seiner Forderung an die Grünen, die Werte der
ostdeutschen, ausserparteilichen Bürgerbewegungen nicht zu verraten (in
„Der Bündnis-Fall". Edition Temmen).
Ab 1.3. trifft sich in Brüssel die Kommission zur Ausarbeitung einer
„EU-Konvention", als Basis für die „Osterweiterung". Österreich ist u.a.
durch Maria Berger und Caspar Einem (beide SPÖ - mit einem Dialogangebot an
die „Zivilgesellschaft" unter: www.eukonvent.at) sowie Eva Lichtenberger
und Johannes Voggenhuber (beide Grüne) vertreten. Ich erwarte mir nicht
allzu viel.
Matthias Reichl

Einladung zum Frühlings-Begegnungsfest 
Im Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit, (Wolfgangerstr. 26, 4820
Bad Ischl) 
am Ostersonntag, den 31. März 2002 ab 17h
Wie einige von euch schon wissen, feiert Matthias am 9.April 2002 seinen
60. Geburtstag. Wovon er träumt hat unser Karikaturist Manfred Madlberger
schon festgehalten. Wer diesen Traum realisieren helfen will, oder noch
andere oder bessere Ideen hat, ist herzlich eingeladen zu unserem
Frühlings-Begegnungsfest am Ostersonntag ab 17h zu kommen. Wie immer sind
musikalische und kulinarische Spenden willkommen. Manfred Madlberger ist
bereit mit freiwilligen Musikanten für diesen Zweck eine „Insel-Band"
zusammenzustellen damit es ein rauschendes Fest wird und Matthias danach
reif für die Insel ist!?! 
Beim Fest und im nächsten Rundbrief verraten wir euch dann welche Insel er
ausgesucht hat.
Bitte teilt uns mit, ob und wann ihr kommen könnt. (Tel. 06132-24590)
Maria Reichl
		(Karikatur: Manfred Madlberger)

Sozialstaats-Volksbegehren
Eintragungswoche 3. - 10. April in allen Magistrats- und Gemeindeämtern.
Auf der homepage „www.sozialstaat.at" findet ihr kürzere und längere
Argumentationstexte zu den Aufgaben des modernen Sozialstaats in den
verschiedenen Lebensbereichen.
üWie werden die verschiedenen Problembereiche und die entsprechenden
Personengruppen vom vergangenen und in Zukunft drohenden Sozialabbau
betroffen?
üWas bedeutet die Verteidigung und Erneuerung des Sozialstaats konkret in
den verschiedenen Lebensbereichen?
üWarum lohnt es sich für die meisten BürgerInnen, das Volksbegehren zu
unterstützen? 
Thesenhafte Antworten finden sich für die wichtigsten vom Grundsatz der
Sozialstaatlichkeit betroffenen Bereiche: Arbeitslosigkeit und atypische
Beschäftigung, Armut, Behindertenpolitik - Sozialpolitik, Bildung,
Flüchtlinge, Frauen, Gesundheitswesen, Kinder - Jugend, Kunst und Kultur,
Ländlicher Raum, MigrantInnen, Pensionen, Sport, Wohnen.
Das Volksbegehren bietet Raum für Diskussionen und Positionierungen zu
wichtigen sozialpolitischen Fragen.
Bei den Diskussionen kristallisierte sich als eines der folgenschwersten
Probleme die Privatisierung öffentlicher Bereiche und Dienste zur
Befriedigung von Grundbedürfnissen heraus - wie Bildung, Gesundheitswesen,
Pensionen, aber auch Wasser, Energie, Abfallentsorgung usw. In diesen
Bereichen wurden in den vergangenen Jahren - auch in anderen Ländern -
irreparable Weichenstellungen und Schäden angerichtet und bei den
GATS-Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorghanisation WTO zeichnen sich
weitere Gefahren ab.
Die international vernetzte Aufklärungsarbeit, gewaltfreier Widerstand und
politischer Druck muß einen langen Zeitraum durchhalten. Denn
Scheinkompromisse können jederzeit wieder ausgehöhlt und populistisch
mißbraucht werden.
(Weitere Informationen findet ihr in unserem „Rundbrief" Nr. 103, Seiten 11
u. 16. Als ein wichtiger Schritt ist die Unterschrift unter das
„Sozialstaats-Volksbegehren" in der Zeit vom 3. bis 10. April!)
Die Kampagne ist dezentral organisiert. Wir arbeiten mit der Salzburger
Plattform zusammen, die sich jeden zweiten Dienstag im Brunauerzentrum,
Elisabethstr. 45, Salzburg trifft. Kontakt: BÜRGERWELLE  ÖSTERREICH, Regina
Taxacher, Tel/Fax: 0662/88 53 37 (17.00 - 18.00 Uhr), Michael Meyer,
Tel/Fax: 06217/8576, E-Mail: buergerwellesalzburg at gmx.at
Österreichweites Koordinationsbüro:  Volksgegehren „Sozialstaat
Österreich", Schottenfeldgasse 3/26, 1070 Wien, Tel. 01/595 50 40, Fax
01/595 50 41, Hotline 0810/00 1755, 
E-Mail office at sozialstaat.at, www.sozialstaat.at
Matthias Reichl.
„Frauen einer Welt" - Bad Ischl
Ich lade alle interessierten Frauen ein zu unseren regelmäßigen Treffen im
Ev. Gemeindesaal, Bahnhofstr.5, 4820 Bad Ischl (Tel. 06132-23225) zu
kommen. Jeden 1. Montag im Monat um 19h und jeden 3. Montag im Monat um
15h. (Feiertage ausgenommen) Die Termine und Themen 
veröffentlichen wir auch auf unserer Homepage unter  
http://www.begegnungszentrum.at/kooperationen/frauen.htm
Maria Reichl

Im Brennpunkt der Geschichte:
 Das II. Weltsozialforum in Porto Alegre
Leo Gabriel - Ludwig-Boltzmann-Institut für zeitgenössische
Lateinamerikaforschung
Von außen besehen gleicht Porto Alegre (zu deutsch: fröhlicher Hafen) dem,
was sein Name verspricht. Das bunte Treiben seiner ca. einer Million
Einwohner - viele von ihnen Söhne und Töchter deutschstämmiger Einwanderer
- vermischt sich einmal im Jahr mit dem Gewirr von Zehntausenden von
Besuchern aus aller Mütter Ländern. Für den von der brasilianischen
Arbeiterpartei PT regierten Bundesstaat Rio Grande do Sul ist das
Weltsozialforum von Porto Alegre bereits zu einer Tradition geworden, das
aus dem Stadtbild nicht wegzudenken ist, auch wenn es - dieses Jahr vom 31.
Jänner bis 5. Februar - erst zum zweitenmal stattgefunden hat.
Rein quantitativ hat das II. Weltsozialforum das erste bei weitem
übertroffen: 51 300 Menschen sind aus insgesamt 131 Ländern angereist,
darunter 43 Prozent Frauen; 15 230 Delegierte von 4 909 Organisationen
beteiligten sich an den über 700 Vorträgen, Seminaren und Workshops, die
innerhalb von vier Tagen in den Räumlichkeiten in- und außerhalb des
weitläufigen Geländes der katholischen Universität PUCA abgehalten wurden.
Die Losung: „Hier ist eine andere Welt möglich"
Und doch war das Weltsozialforum von Porto Alegre nicht bloß das "Woodstock
der Linken" als das es in vielen der internationalen Medien dargestellt
wurde. Denn nicht nur die Massivität des Megaevents, sondern vor allem die
dort vorgestellten tausendfältigen Inhalte, Vorschläge, Visionen und
Utopien machten Porto Alegre zum historischen Ereignis an der Zeitenwende
des 21. Jahrhunderts. Ob es nun tatsächlich am Beginn der Endzeit einer
kapitalistischen Weltgesellschaft steht, wie es der US-amerikanische
Soziologe Immanuel Wallerstein sieht oder bloß die „sichtbare Fackel" eines
weltweit spürbaren Generationenwechsels, wie der baskische Jesuit und
Polittheoretiker Xabier Gorostiaga behauptet, wird die Zukunft zeigen.
Fest steht jedenfalls schon jetzt, dass gerade weil dieses Treffen in einem
der wenigen politischen Freiräume, die es heute auf der Welt noch gibt,
abgehalten werden konnte und von keiner wie immer auch gearteten
ideologischen oder religiösen Autorität vorherbestimmt wurde, der inneren
Struktur der Diskussionen eine umso größere Bedeutung zukommt. Oder anders
gesagt: "Die andere, mögliche Welt", die viele noch im Vorjahr im Dunkeln
tappen ließ, hat in den unzähligen Gesprächen in und am Rande des
Weltsozialforums bereits eine konkrete Gestalt angenommen.
Will man den letztendlich unmöglichen Versuch wagen, das diesjährige
Weltsozialforum und damit die kollektiven Visionen seiner 50 000
TeilnehmerInnen thematisch zusammenzufassen, könnte sich daraus in etwa
folgendes Bild ergeben, das sich aus drei "optische Achsen" (wie die
Kameraleute sagen würden) zusammensetzt:
1. Achse 
Solidarökonomie: die Netzwerke einer alternativen Weltwirtschaftsordnung
Dieser Themenkomplex, mit dem sich Hunderte Menschen (insgesamt vielleicht
ein paar tausend) während der gesamten Arbeitszeit des Forums
auseinandersetzten, bildete gewissermaßen die Basis der
gesamtgesellschaftlichen Reflexion. Insbesonders auf dem Hintergrund des
wirtschaftlichen Zusammenbruchs in Argentinien gingen die VertreterInnen
von Produktions- und Konsumgenossenschaften, Tauschvereinen und sonstigen
Assoziationen, die sich in den letzten Jahren vor allem in den Ländern des
Südens bzw. Ostens herausgebildet haben, der Frage nach, ob und wie sich
die bestehenden Netzwerke zu einem gesamtgesellschaftlichen Gefüge derart
verdichten könnten, dass sich daraus eine gangbare Alternative zu der in
sich kollabierenden Welt(un-)ordnung der transnationalen Unternehmen
entwickeln würde. Sowohl der brasilianische Befreiungsphilosoph Euclides
Mance als auch der prominente Wirtschaftswissenschaftler Marcos Arruda
gaben sich diesbezüglich optimistisch: "Die durch die Abwanderung bzw.
Schliessung der Großbetriebe freigesetzten ArbeiterInnen schließen sich
entweder sofort den bestehenden Netzwerken an oder gründen neue. Über das
Internet informieren sie sich dann ziemlich rasch, wie sie sich mit den
Konsumgenossenschaften in ihrem Gebiet verbinden können. Ein gewisses
Problem besteht noch darin, dass es zu viele Produktionsgenossenschaften
und zu wenige Konsumvereine gibt."
Noch scheint die Zeit allerdings nicht gekommen zu sein, um an einen
Boykott der Transnationalen Corporationen denken zu können, meinen die
Alternativökonomen, wenngleich sie feststellen, dass die gemeinschaftliche
Ethik, die u.a. auch von ökologischen Erwägungen getragen ist, auch das
kollektive Kaufverhalten bestimmt.
2. Achse 
Partizipative Demokratie versus repräsentative Demokratie: eine falsche
Dichotomie?
„Es gibt keine soziale Gerechtigkeit ohne Demokratie und es gibt keine
Demokratie ohne soziale Gerechtigkeit" war einer der meistgehörten Sätze in
Porto Alegre. Übereinstimmend wurde festgestellt, dass den sozialen
Bewegungen eine tragende Rolle bei der Entwicklung einer partizipativen
Demokratie zukommt. Darüber, welche politische Struktur sich aus dem
partizipatorischen Ansatz entwickeln könnte bestanden nicht unbeträchtliche
Meinungsverschiedenheiten. Im Seminar über Soziale Bewegungen etwa krachten
die chilenische marxistische Theoretikerin Marta Harnecker mit ihrer
Forderung nach einer strukturellen Einheit ("viele Minderheiten machen noch
keine Mehrheit") und die zapatistische Nachdenkerin Maria Esther Cecéo
("was wir brauchen ist kein Programm, sondern eine gemeinsame Methode")
aneinander.
Auch das Weltsozialforum selbst spiegelte diese Debatte in einer
Größenordnung wieder, die sich kaum jemand zuvor erwartet hatte. Bereits im
Vorfeld (vom 28. bis 30. Jänner) hatte es das sogenannte Lokale
Gemeindeforum (Forum de Autoridades locais pela inclusó social) gegeben,
bei dem die Bürgermeister von Buenos Aires, Paris, Rom, Sao Paulo, Brüssel,
Budapest und natürlich auch der von Porto Alegre selbst aufgetreten waren.
Letzterem wurde nicht nur deshalb besonders stark applaudiert, weil er der
Gastgeber war, sondern auch, weil das sogenannte "partizipative Budget"
(ein auf Bezirksversammlungen basierender Entscheidung-sprozess) inzwischen
auch in anderen Weltstädten Nachahmung gefunden hat.
Ebenso wie beim Forum der Parlamentarier waren die Reden allerdings weitaus
radikaler als die gemeinsame Schlusserklärung. Die schlauen Abgeordneten
brachten es sogar fertig, zwei Schlusserklärungen - eine gemässigte und
eine radikalere - zu verabschieden, weil sie sich nicht einigen konnten.
Auf diesem Hintergrund erregte auch die Anwesenheit von Ministern aus
Frankreich den öffentlichen Unmut der TeilnehmerInnen, denen vorgeworfen
wurde, ihr Auftreten in Porto Alegre für ihre persönliche Wahlpropaganda
missbrauchen zu wollen. Der belgische Ministerpräsident, dem von den
Veranstaltern bereits vorher mitgeteilt wurde, er dürfe keine öffentlichen
Reden halten, entschloss sich noch rechtzeitig, seinen Flug nach Porto
Alegre zu stornieren.
Den mehr oder minder gescheiterten Versuchen der PolitikerInnen, die
Tribüne zu nutzen, um sich selbst ins Rampenlicht zu rücken, standen die
zivilgesellschaftlichen Initiativen verschiedener NGOs (z.B. eine
Initiative des nicaraguanischen Soziologen Alejandro Bendana zur Bekämpfung
der "Korrupten und der Korrumpierer") und vor allem der sozialen Bewegungen
gegenüber. Allabendlich setzten sich über hundert RepräsentantInnen der
weltweit wichtigsten sozialen Bewegungen zusammen, um ein gemeinsames
Schlussdokument auszuarbeiten (siehe unten), das auch einen genauen
Aktionsplan für die Mobilisierungen in diesem Jahr enthält.
3. Achse 
Globaler Friede: eine Grundforderung aller GlobalisierungskritikerInnen
Obwohl die Diskussionen, die auf den verschiedensten Ebenen gleichzeitig
liefen, eine starke inhaltliche Kontinuität zum Ersten Weltsozialforum im
vergangenen Jahr aufwiesen, standen sie doch im Schatten der kriegerischen
Ereignisse nicht nur in Afghanistan und Palästina, sondern auch in
Kolumbien und auf den Philippinen. Unvergesslich bleibt der spontane
Wutausbruch, der die TeilnehmerInnen an der Abschlussversammlung der
sozialen Bewegungen befiel, die gerade das Schlussdokument (Titel:"
Widerstand gegen den Neoliberalismus, den Militarismus und den Krieg: für
den Frieden und die soziale Gerechtigkeit") verabschiedeten, als die
Nachricht von den Bombardierungen im Irak eintraf; eindrucksvoll aber auch
die Stille im Saal, als Noam Chomsky den denkwürdigen Satz aussprach:
„Entweder es wird eine Menschheit ohne Krieg geben oder es wird keine
Menschheit geben."
Für die meisten waren der Widerstand gegen den Krieg, zu dem aufgerufen
wurde und der Widerstand gegen die (neoliberale) Globalisierung nur zwei
Seiten derselben Medaille. Vittorio Agnolotti vom Genua-Sozialforum etwa
brachte die Sache auf den Punkt: „Wir sind ein und dieselbe Bewegung: unser
Kampf ist gegen den Neoliberalismus u n d gegen den Krieg".
Dass die stärkste Waffe sowohl gegen den Krieg als auch gegen den
Neoliberalismus die Mobilisierung der ökonomischen Netzwerke, der
Menschenrechtsorganisationen, der radikalen Linksparteien, der Bauern- und
Landlosenorganisationen etc. ist, kam sowohl bei der Friedensdemonstration
am Beginn als auch bei der Demonstration gegen die von der Bush-Regierung
vorangetriebene ALCA (Alianza para el Libre Comercio de las Americas -
Allianz für den Freihandel in Amerika) zum Ausdruck. An die 40 000 Menschen
strömten durch die Strassen von Porto Alegre; und selbst denen, die nicht
direkt daran teilnahmen sah man an, dass sie richtig stolz darauf waren,
dass ihre Stadt plötzlich ins Rampenlicht der Geschichte gerückt ist. "Wir
haben während der Militärdiktatur zwanzig Jahre unserer Geschichte
versäumt", sagte ein Künstler am Straßenrand, "jetzt haben wir sie wieder
eingeholt."  

Am Rande des Weltsozialforums
Interviews in Porto Alegre 
 von Leo Gabriel
 José Bové, 
Bauernführer der Conféderation Paysanne, Frankreich
LG: Wenn Sie das Weltsozialforum revuepassieren lassen und sich fragen, was
hat sich seither getan, dann stossen Sie unweigerlich auf den Krieg. Wie
sehr hat der Krieg die sozialen Bewegungen im allgemeinen und die
Bauernbewegungen im besonderen beeinträchtigt?
JB: Ich glaube ganz persönlich, dass die Attentate vom 11. September das
Gesicht der Welt nicht verändert haben. Es sind die Anhänger des
Neoliberalismus, die diese Attentate instrumentalisiert haben, um
vorzutäuschen, dass die Antiglobalisierungsbewegungen auf die eine oder
andere Weise für diese Situation verantwortlich sind.
Andererseits glaube ich, dass der Friede etwas grundlegendes ist und dass
man den Frieden nicht ohne Gerechtigkeit erreichen kann. Ohne Gerechtigkeit
gibt es keinen Frieden. Das Ziel dieses Forums 2002 ist es, die
Gerechtigkeit auf ökonomischer und sozialer Ebene zu erreichen, sowohl
innerhalb der Länder als auch zwischen den Nationen. Um einen dauerhaften
Frieden zu erlangen darf das kein Friede sein, der sich auf Waffen stützt.
LG: Aber glauben Sie nicht, dass es sich dabei um zwei verschiedene
Phänomene handelt? Einerseits den sozialen Frieden, den Sie mit Ihren
sozialen Forderungen zu erreichen suchen und andererseits der militärische
Friede wie er in Afghanistan etwa auf dem Spiel gestanden ist?
JB: Ich glaube, dass es heute eine zweifache Globalisierung gibt: eine
ökonomische und finanzielle Globalisierung auf der einen Seite und eine
militärische Globalisierung auf der anderen. Die grosse Gefahr heutzutage
besteht darin, dass diese beiden Globalisierungen in dieselbe Richtung
gehen. Eine Minderheit von Ländern hat sich die Mehrheit der Ressourcen
angeeignet. Schon allein der Vorrat an Atomwaffen ist für den Frieden eine
ungeheuerliche Hypothek. Daher kann ein bewaffneter Friede niemals ein
wirklicher Friede sein.
LG: Was kann eine Organisation wie die Ihre, was kann Via Campesina gegen
den militärischen Krieg überhaupt unternehmen?
JB: Ich glaube, dass Via Campesina allein gar nichts machen kann. Nur in
Zusammenarbeit mit den anderen sozialen und zivilgesellschaftlichen
Bewegungen können wir den Frieden aufbauen. Nur in dem Masse, in dem es der
zivilen Gesellschaft gelingt, eine Gegenmacht gegen die Verursacher der
Kriege aufzubauen können wir an den Aufbau eines dauerhaften Friedens
denken. Der Friede, das ist vor allem die Zivilgesellschaft; wenn die
Zivilgesellschaft „Nein" zum Krieg sagt, kann er nicht stattfinden.
LG: Bedeutet das nicht einen Qualitätssprung für die Bewegungen, wenn jetzt
die Zivilgesellschaft dem Kampf gegen den Krieg die Priorität einräumen muss?
JB: Ich glaube halt, dass die Lösung der Kriege, die es heute gibt, nicht
ganz einfach das Unterschreiben eines offiziellen Dokuments ist, weil ja
gerade die Kriege durch die Missachtung internationaler Abkommen
hervorgerufen werden. Der Mittlere Osten ist heute ebenso das Opfer eines
wirtschaftlichen wie auch eines militärischen Krieges. Und wenn wir uns das
Abkommen von Oslo anschauen, dann sehen wir, dass es nur zwei Seiten über
die politischen Aspekte und acht Seiten über die wirtschaftlichen Aspekte
gibt. Es sind gerade diese wirtschaftlichen Aspekte, die die Ursachen für
die politische und militärische Unterwerfung Palästinas bilden.

Hassan A. Sunmonu,
Generalsekretär der Organisation of African Trade Union Unity, Accra-Ghana.
LG: Wie gefällt Ihnen das Forum? Welche Bedeutung hat das für Afrika?
HS: Die Bedeutung für uns zeigt sich darin, dass wir dieses Jahr dreimal
mehr Leute als letztes Jahr sind. Ausserdem haben wir ein sehr
erfolgreiches Afrikanisches Sozialforum gehabt, bevor wir hierhergekommen
sind. Dabei waren 240 Nichtregierungsorganisationen und soziale Bewegungen
aus 45 afrikanischen Ländern.
LG: Glauben Sie, dass es auf dieser Ebene leichter sein wird, die Einheit
Afrikas herzustellen als auf der Ebene der Regierungen?
HS: Wir haben unseren Regierungen gesagt, dass die Einheit Afrikas nur über
die Vereinigung der afrikanischen Völker herbeigeführt werden kann. Wir,
die sozialen Bewegungen werden das unter Beweis stellen.
LG: Aber trotzdem gibt es in Lateinamerika zum Beispiel viel mehr soziale
Bewegungen als in Afrika.
HS: Es kommt nicht auf die Zahl an, sondern darauf wie effektiv sie sind.
Ich zum Beispiel repräsentiere alle Gewerkschaftszentralen in allen 54
afrikanischen Ländern.

Bianca Chancoso,
Gründungsmitglied der Confederación Nacional de los Indígenas del Ecuador,
CONAIE
LG: Inwieweit spiegelt dieses Forum das Konzept einer multiethnischen und
plurinationalen Staates wieder?
BC: Dadurch, dass das Forum ein Aufruf an alle darstellt, gegen den
Rassismus und die Diskriminierung anzukämpfen und die Ungleichheiten zu
beseitigen, die es in jedem Land gibt. Denn wir haben trotz unserer
Unterschiede die gleichen Rechte.
LG: Glauben Sie, dass die Autonomie, die die Indigenas anstreben auch für
die anderen Länder anwendbar wäre?
BC: Ich glaube, das wäre sehr wichtig. Denn nur so würden wir alle lernen,
uns gegenseitig zu respektieren. Wenn es mehr Autonomie gäbe, dann gäbe es
auch nicht diese Korruption, die es in den Regierungskreisen fast überall
gibt.
LG: Wie lange wird das, glauben Sie, noch dauern, bis alle diese
Forderungen, die hier erhoben werden erfüllt sind?
BC: Das ist ein Prozess, an dem wir alle aufrufen, sich zu beteiligen. Die
Zeit hängt von der Zeit ab, die es braucht, bis alle bereit sind, sich an
dem Aufbau dieser neuen Welt zu beteiligen.  
 Europe Echanges
Helga Probst, langjährige Mitarbeiterin des Französischen Kulturinstituts
in Salzburg baut seit dem 1. Jänner 2002 selbstständig ihre Agentur „Europe
Echanges" für interkulturellen Austausch auf und arbeitet auf ihre Weise
für die Begegnung zwischen den Menschen:
- Einzelaustausch für Jugendliche (zwischen 13 und 20 Jahren während der
Ferien). Eine kostengünstige Möglichkeit, Menschen und Kultur der
europäischen Nachbarländer besser kennenzulernen. 
- Sprachkurse im romanischen Sprachraum: Frankreich, Italien, Spanien und
Mexiko (auf Anfrage auch für den englischsprachigen Raum). 
- Informationen und Vermittlung für Kontakte kulturschaffender
Institutionen zu französischen Institutionen.
Weitere Informationen: Europe-Echange, Helga Probst, Bergstr. 22/2, A-5020
Salzburg, Tel.+Fax: +43-(0)662-877775, E-Mail: europe.echanges at 24on.cc

Assisi oder Pentagon: Wer bestimmt die Zukunft?
24. Januar 2002: Religionsführer fordern Frieden und Gewaltlosigkeit -
George W. Bush verkündet die größte Aufrüstung seit 20 Jahren
von Franz Alt
Wir schreiben den 24. Januar 2002: Der Papst fährt mit 240 Vertretern von
11 Weltreligionen im Zug von Rom nach Assisi. So viel Religion war wohl
noch nie in einem Zug: Buddhisten, Hindus, eine Voodoo-Priesterin, Moslems,
Schintoisten, Sikkhs, Katholiken, Protestanten, afrikanische
Naturreligionen, Juden.
Obwohl sie noch immer in verschiedenen Abteilen saßen, bewegten sie sich
doch alle in dieselbe Richtung: Zum heiligen Franz (1181-1226), der für den
Frieden mit der Natur, für Gerechtigkeit, für Freundschaft mit Tieren und
für Gewaltlosigkeit steht.
Alle Religionschefs waren sich einig: „Niemand darf im Namen Gottes
morden." Der körperlich gebrechliche Chef-Katholik hatte seit dem 11.
September nicht nur den Terrorismus verurteilt, sondern zum Entsetzen
vieler konservativer Kirchenführer im Vatikan und in den USA auch den Krieg
gegen den Terrorismus. Eindrucksvoll und eindeutig sagte Johannes Paul II.
in seinem Schlussappell: „Nie wieder Krieg. Nie wieder Terrorismus.
Stattdessen Vertrauen, Güte, Gerechtigkeit, Frieden, Liebe." Pazifismus pur
- Bergpredigt ohne Wenn und Aber! Terror und Kriege gegen den Terror sind
„eine Beleidigung Gottes", meinte der Papst; jede Gewalt erzeuge
Gegengewalt. Der Schlüssel zum Frieden sei Gerechtigkeit.
Ob George W. Bush und Tony Blair, beide engagierte Christen, diese Politik
der Bergpredigt verstehen oder einfach für naiv halten? Und Gerhard
Schröder erst, der Macher aus Berlin? Auf sie wirkt der Appell aus Assisi
doch eher störend, wenn nicht lächerlich hilflos. Die Kerzen und Gebete in
Assisi sind für Machtpolitiker allenfalls Folklore - es sei denn, sie
brauchen Religionen in Wahlkämpfen zum Stimmenfang.
24. Januar 2002: Am selben Tag kündet George W. Bush vor Reserveoffizieren
an, er werde seinen Militärhaushalt um 14 Prozent steigern. Das wäre die
größte Erhöhung seit den Zeiten des atomaren Wettrüstens unter Ronald
Reagan. In Deutschland fordern Scharping, SPD, sowie Stoiber und die Union
unisono ebenfalls eine Erhöhung des Militärhaushalts. Sie wollen so viel
Geld wie zu der Hoch-Zeiten des Kalten Krieges, obwohl Deutschland nur noch
von Freunden umzingelt ist.
Wenn Worte einen Sinn haben, dann ist diese Politik exakt die „Beleidigung
Gottes", von der Johannes Paul II, in Assisi sprach. Wenige Tage zuvor
hatte die Weltgemeinschaft dem zerbombten und geschundenen Afghanistan 4,5
Milliarden Dollar - verteilt auf fünf Jahre - zugesagt. Das heißt: Die
ganze Welt gibt jetzt Afghanistan pro Jahr knapp eine Milliarde Dollar für
den Wiederaufbau. Aber die USA erhöhen ihren Militäretat in einem Jahr um
48 Milliarden Dollar auf jetzt 379 Milliarden. Soll so der Frieden möglich
werden, für den alle Religionen so eindringlich beten und demonstrieren?
Wenn im Kampf gegen den Terrorismus die Remilitarisierung der Welt die
entscheidende Schlussfolgerung bleibt, dann haben wir vom 11. September
nichts, aber auch gar nichts gelernt. Im Gegenteil: Es ist zu befürchten,
dass die Politiker, die uns heute regieren, viele neue „11. September"
provozieren. Die weltweite Koalition gegen den Terror wird scheitern, wenn
es nicht ganz rasch eine weltweite Koalition gegen den Hunger gibt. Hunger
ist die schlimmste Form des Terrorismus. Aber zur Zeit hat die NATO in
eineinhalb Tagen so viel Geld zur Verfügung wie die UNO in einem Jahr.
Pentagon oder Assisi? Wer bestimmt unsere Zukunft wirklich? George W. Bush
hat einen „zehnjährigen Krieg gegen den Terror" angekündigt. Er hat Irak
und Somalia als nächste Länder im Visier, und deutsche Kriegsschiffe
kreuzen schon am Horn von Afrika. Und das alles, um Bin Laden zu fangen?
Für wie dumm halten uns eigentlich die Herrschenden? Langfristig geht es um
nichts anderes als um den Zugriff auf die Ressourcen wie Öl und Gas:
üder Golfkrieg war ein Krieg um Öl;
üin Tschetschenien geht es um Durchleitungsrechte für Erdgas und Erdöl;
ümit der Taliban-Regierung in Afghanistan hat die US-Regierung schon 1998
um Pipelines für Erdgas verhandelt.
Wenn in spätestens zwei bis drei Jahren diese Leitungen gebaut werden,
gehen der Welt die Augen auf über die wahren Hintergründe des jetzigen
Afghanistan-Krieges.
Bushs Kriegsziel in Afghanistan war die Gefangennahme von Bin Laden, „Dead
or alive!", und das Zerschlagen des Al Qaida-Terrornetzwerkes. Weil er
dieses Kriegsziel bisher nicht erreicht hat, müssen die islamistischen
Kriegsgefangenen in Guantanamo auf Kuba jetzt büßen. Sie werden
widerrechtlich behandelt. Die US-Unabhängigkeitserklärung von 1776 setzt
fest: „All men are created equal." Es heißt also nicht: „Alle Amerikaner
sind gleich erschaffen." Aber für islamistische Kriegsgefangene in den
Händen der USA sollen völlig andere Regeln gelten als sonst für
Kriegsgefangene in der Welt. Die Sprecherin des Pentagon, Victoria Clarke,
sagt: „Wir bestimmen selbst, welche Typen wir in welche Käfige sperren."
„God bless America", sagt Bush in beinahe jeder Rede, Bevor er nicht aus
tiefer innerer Überzeugung zu sagen lernt „God bless the world" hat er
weder politisch noch menschlich noch religiös begriffen, um was es heute
wirklich geht. Für den Christen George W. Bush ist die Bergpredigt mit
ihrer befreienden Kraft zum Frieden allensfalls ein religiöser Heimatroman.
So aber war sie nie gedacht. Jesus sagt in großer Eindeutigkeit: Ihr könnt
das Böse nur durch das Gute überwinden. US-Streubomben, die in Afghanistan
tausenden das Leben gekostet haben, sind völkerrechtlich ein Verbrechen.
Wann macht ein mutiger Rechtsanwalt endlich den Versuch, George W. Bush vor
ein internationales Gericht zu stellen? Die Feindesliebe der Bergpredigt
meint niemals: Lass’ dir alles bieten. Aber sie meint entschieden: Sei
klüger als dein Feind. Und das heißt: Dem Feind den sozialen und religiösen
Nährboden für jenen Hass zu entziehen, der ihn zum Feind macht. Das heißt:
Assisi statt Pentagon.
(Aus: „Publik-Forum" Nr. 3/2002)

Die Weltreligionen zum Frieden
Vertreter von 12 Weltreligionen und 31 christlichen Kirchen reflektierten
in Assisi über die Bedingungen für einen globalen Frieden und
verpflichteten sich am Ende zu folgenden Prinzipien.
1. Wir verpflichten uns, unsere feste Überzeugung zu proklamieren, dass
Gewalt und Terrorismus im Kontrast zu einem echten religiösen Geist stehen.
Wir verurteilen jeden Rückgriff auf Gewalt und Krieg im Namen Gottes oder
der Religion und verpflichten uns, alles Mögliche zu tun, um die Ursachen
des Terrorismus auszumerzen.
2. Wir verpflichten uns, die Menschen zu gegenseitigem Respekt und
gegenseitiger Hochachtung zu erziehen, damit sich ein friedliches
Zusammenleben zwischen den Angehörigen unterschiedlicher Ethnien, Kulturen
und Religionen realisieren lässt.
3. Wir verpflichten uns, die Kultur des Dialogs zu fördern, damit
gegenseitiges Verständnis und Vertrauen zwischen den Einzelnen und den
Völkern wachsen kann.
4. Wir verpflichten uns, das Recht jeder Person auf eine würdiges Leben
gemäß ihrer eigenen kulturellen Identität zu verteidigen.
5. Wir verpflichten uns, zum aufrichtigen Dialog, um zu erkennen, dass die
Begegnung mit einer anderen Realität zu gegenseitigem Verständnis beitragen
kann.
6. Wir verpflichten uns, uns die Irrtümer in Vergangenheit und Gegenwart zu
verzeihen. Wir müssen uns im gemeinsamen Bemühen unterstützen, Egoismus und
Missbrauch, Hass und Gewalt zu besiegen und aus der Vergangenheit zu
lernen, dass Friede ohne Gerechtigkeit kein echter Friede ist.
7. Wir verpflichten uns, an der Seite der Leidenden und Verlassenen zu
stehen und uns zur Stimme derer zu machen, die selber keine Stimme haben.
8. Wir verpflichten uns, uns den Schrei derer zu Eigen zu machen, die nicht
vor Gewalt und vor dem Bösen resignieren. Wir wollen der Menschheit eine
echte Hoffnung auf Gerechtigkeit und Frieden geben.
9. Wir verpflichten uns, jede Initiative zu ermutigen, die Freundschaft
zwischen den Völkern fördert, in der Überzeugung, dass technologischer
Fortschritt ein steigendes Risiko von Zerstörung und Tod für die Welt
einschließt, wenn solidarisches Einverständnis unter den Völkern fehlt.
10. Wir verpflichten uns, die Verantwortlichen der Nationen aufzufordern,
alle Anstrengungen zu unternehmen - auf nationaler wie internationaler
Ebene -, dass eine Welt in Solidarität und Frieden erbaut und gefestigt wird.
(Aus: „Publik-Forum", Nr. 3/2002)

Salzburger Anti-Atom-Konsens
Die Anti-Atom-Gruppierungen kommen in ihrem gesamtösterreichischen
Gipfeltreffen vom 26. Jänner 2002 in Salzburg zu folgendem Schluss:
Die österreichische Anti-Atom-Politik findet seit der Volksabstimmung von
1978 in ihren wesentlichen Forderungen ausschließlich auf Druck der
Bevölkerung statt. Alle bisherigen Regierungen haben dem Geist der
Volksabstimmung in ihren Taten keinerlei Rechnung getragen, vielmehr wurde
und wird versucht, die generelle Ablehnung von AKW’s in ein „Ja zu sicheren
AKW’s„ umzudeuten und damit der Atomlobby Vorschub zu leisten. 
Die unnötige und fahrlässige Preisgabe der Energiekapitel hat Österreich in
eine verheerende Verhandlungssituation gebracht. 
Die Realität beweist: es gibt keine sicheren AKW’s, weder in Ost noch West,
daher sind nachstehende Forderungen unter Einbeziehung der NGO’s umzusetzen:
1. Rücknahme der Genehmigung von Atomstromimporten
2. Kein weiterer Ausverkauf der österreichischen Stromerzeuger an Atommultis
3. Sofortiger Umstieg auf Ökostrom bei allen öffentlichen Einrichtungen
4. Bundesweite gesetzliche Bevorrangung Erneuerbarer Energien (z.B. durch
Einspeisegesetz nach Vorbild von Vorarlberg, Deutschland)
5. Euratom-Ausstieg  -  Eurosolar-Einstieg - und Umwidmung der
österreichischen Atomförderungsgelder von Euratom und IAEO für die
Anti-Atom-Arbeit
6. Sofortige Einberufung der vom EU-Parlament beschlossenen
Ausstiegskonferenz für Temelin und in deren Folge für alle weiteren
Beitrittskandidaten 
7. Bereitstellung zielorientierter Ausstiegshilfen 
8. Bildung einer Koalition atomfreier Länder (KOALA)
9. Österreichische Initiative zur Einführung der vollen Haftpflicht für
europäische AKW’s
10. Eintreten für Kostenwahrheit und Kostenklarheit in Bezug auf die
Atomenergie in der Europäischen Union
Wir fordern die österreichische Bundesregierung auf, bis 15. Februar 2002
in bilaterale Verhandlungen mit der Regierung der Tschechischen Republik
einzutreten mit der eindeutigen Zielsetzung der sofortigen Schließung des
AKW Temelin. 
Weiters fordern wir alle österreichischen Politiker und österreichischen
Parlamentsparteien auf, mit ihren tschechischen Kollegen ebensolche
Verhandlungen bis 15. 02.2002 anzuberaumen
Verhandlungsthemen: 
- Nullvariante
- Nichtbeladung Block II
Ebenso unverzüglich sind Atomausstiegsverhandlungen mit allen
Nachbarländern Österreichs und EU-weit zu führen.
Abschließend fordern die nachgenannten NGO’s die österreichische
Bundesregierung auf, ihnen bis 15. 03. 2002 einen Fahrplan für die
Umsetzung des gesamten Forderungsprogrammes vorzulegen.
PLAGE – Salzburger Plattform gegen Atomgefahren, Gemeinsam für Sonne und
Freiheit, Gewerkschafter gegen Atomenergie, Stop Temelin,
Oberösterreichische überparteiliche Plattform gegen Atomgefahr,
Österreichisch-Tschechisches Anti-Atom-Komitee, Vorarlberger Plattform
gegen Atomgefahren, Niederösterreichische Überparteiliche Plattform STOP
TEMELIN, PRO SLOWAKEI ATOMKRAFTFREI (PROSA), NATURSCHUTZBUND Salzburg,
GLOBAL 2000, Alpen-Adria frei von Atomanlagen.  
(Von Maria Fellner per e-mail erhalten)

Anti-Atom Info
Eine neue österreichische Homepage sammelt Presseartikel, die für
Antiatominitiativen interessant sind, versendet per e-mail Kurzhinweise und
die Links zum Herunterladen der Texte - unter: www.antiatom.info.

Störfall im AKW Temelin
Prag/14. Februar 2002: Laut tschechischer Presseagentur ctk befindet sich
die Temelín-Betreibergesellschaft CEZ in einer äußerst prekären Situation.
Dana Drabova, Chefin von SUJB (Staatsamt für Kernsicherheit) bestätigte,
wenn sich ein ähnlicher Störfall wie die Schnellabschaltung vom 7. Februar
d.J. wiederholen sollte, CEZ nicht nur mit hohen finanziellen Strafen
rechnen müsse, sondern den Inbetriebnahmeversuchen das „Zurück zum Start"
drohe. 
Die Führung des Atomkraftwerkes Temelín solle laut SUJB sehr gründlich
überlegen, ob sie sich für die nächsten Tage einen Neustartversuch des
Reaktors leisten könne, oder lieber doch im Laufe der nächsten Wochen die
Mängel im Pannenreaktor zu beheben versuchen solle - bei stillgelegtem
Reaktor, so die Aufsichtsehörde SUJB. „Gleichzeitig müssten wir dann auch
darüber nachdenken, in welchem Ausmaß das Personal des Kraftwerkes
überhaupt fähig ist, seine Verpflichtungen zu erfüllen," sagte Drabova zur
tschechischen Tageszeitung Lidove Noviny...
„Diese haarsträubenden Vorfälle müssen auch Handlungsauftrag für die
österreichische Bundesregierung und die EU sein", fordert Mathilde Halla
einen deutlichen Stilllegungsappell an Tschechien von der österreischischen
Bundesregierung ein.
„Block 2 darf unter diesen Umständen keinesfalls mit Brennstäben beladen
werden", meint Josef Pühringer abschließend.
(aus: PRESSEINFORMATION 14. 2. 2002) 
OÖ Überparteiliche Plattform gegen Atomgefahr, Landstr. 31, A-4020 Linz,
Tel.: 0732 774275, e-mail: post at temelin.at  
www.temelin.at

  Pierre Bourdieu (1930-2002)
 Am 23.1.2002 starb in Paris der weltweit bekannte Soziologe an Krebs. Es
waren weniger seine 2000 Publikationen sondern die Umsetzung seiner
empirischen Erkenntnisse in die politische Praxis, mit denen er nicht nur
Wissenschafter sondern vor allem politische und soziale Bewegungen
beeinflußte. Seine Vision eines Sozialismus befreit von etablierten
Strukturen schaffte ihm auch Feinde - darunter auch bei etablierten
„Linken". Und die von ihm bekämpften neoliberalen Globalisierer rächten
sich als sie ihn 2000 von seinem Lehrstuhl an dem College de France (Paris)
verdrängten und einen ihrer Gesinnungsfreunde als Nachfolger einsetzten. 
In den letzten Jahren engagierte sich Bourdieu immer stärker für sein
internationales Netzwerk „Raisons d’ agir" (mit seinem erfolgreichen Verlag
„Liber - raisons d’agir"). Doch ist deren Energie offenbar erlahmt, da
sogar auf deren homepage (www.raisons.org) bis heute weder ein Nachruf noch
Informationen und Texte aus den letzten 15 Monaten zu finden sind. 
Dafür haben die Institute für Soziologie und Philosophie an der Universität
Linz eine umfassende, kontextorientierte und referentielle Bibliographie
und Mediendokumentation seiner Werke und Äußerungen (bis 2002)
zusammengestellt, das auch schon die Nachrufe dokumentiert:
http://www.iwp.uni-linz.ac.at/lxe/sektktf/bb/HyperBourdieu.html. Bourdieus
Bücher wurden in Deutsch im Suhrkamp Verlag und im Universitätsverlag
Konstanz (als letztes „Gegenfeuer 2") publiziert. 
Wie Susan George, Vizepräsidentin von ATTAC-France in ihrem Nachruf betont,
werden seine Impulse und auch seine spontane und offene Arbeitsweise in den
vielen Bewegungen weiterwirken. Auch ich erinnere mich noch an unsere
kurzen Gespräche (im Oktober 2000 in Wien), in denen ich seine Fähigkeiten
zur Ermutigung zu spüren bekam. 
Matthias Reichl  29.1.2002 
Weitere Texte siehe auch in „Rundbrief" Nr. 97, 2/2000, S. 5-6 und in
unserer Webseite http://www.begegnungszentrum.
at/texte/globalisierung/bourdieu1.htm


 Aufruf der sozialen Bewegungen
Weltsozialforum II - Porto Alegre
Widerstand gegen Neoliberalismus, Militarismus und Krieg: 
Für Frieden und soziale Gerechtigkeit ! 
-1- Angesichts der anhaltenden Verschlechterungen der Lebensbedingungen der
Menschen haben wir, soziale Bewegungen aus aller Welt, uns zu Zehntausenden
zum zweiten Weltsozialforum in Porto Alegre getroffen. Wir sind hier trotz
der Versuche, unsere  Solidarität zu brechen. Wir sind wieder gekommen, um
unsere Kämpfe gegen Neoliberalismus und Krieg fortzusetzen, um die
Übereinkünfte des letzten Jahres zu bestätigen und um erneut zu zeigen,
dass eine andere Welt möglich ist. 
-2- Wir sind der Ausdruck von Vielfalt: Frauen und Männer, Erwachsene und
Jugendliche, UreinwohnerInnen, BäuerInnen und StädterInnen, ArbeiterInnen
und Arbeitslose, Obdachlose, Alte, StudentInnen, MigrantInnen und
Berufstätige, Menschen jeglichen Glaubens, jeglicher Farbe, von
unterschiedlicher sexueller Orientierung. Diese Verschiedenheit ist unsere
Stärke und die Basis unserer Einheit. Wir sind eine globale Bewegung der
Solidarität, vereint in unserem Ziel, gegen die Konzentration des
Reichtums, die Ausbreitung von Armut und Ungleichheit, gegen die Zerstörung
unserer Erde zu kämpfen. Wir leben und entwickeln alternative Modelle und
wir gebrauchen kreative Methoden, um sie voranzubringen. Durch unsere
Kämpfe und unseren Widerstand bauen wir an einer breiten Allianz gegen ein
System, das auf Sexismus, Rassismus und Gewalt beruht und das die
Interessen des Kapitals und des Patriarchats gegenüber den Bedürfnissen und
Bestrebungen der Völker privilegiert. 
-3- Dieses System hat dramatische Auswirkungen. Tagtäglich sterben Frauen,
Kinder und alte Menschen vor Hunger und an vermeidbaren Krankheiten, weil
sie keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Ganze Familien werden
gezwungen, ihre Häuser zu verlassen, auf Grund von Kriegen,
großindustriellen „Entwicklungsprojekten", Besitzkonzentration des Bodens
oder Umweltkatastrophen; auf Grund von Arbeitslosigkeit und Angriffen auf
die öffentliche Daseinsvorsorge und die gesellschaftliche Solidarität. Aus
diesen Gründen nehmen im Süden wie im Norden die Kämpfe und der Widerstand
für ein würdiges Leben zu. 
-4- Die Ereignisse des 11. September haben eine dramatische Wende
eingeleitet. Nach den terroristischen Anschlägen, die wir ohne jeden
Vorbehalt verurteilen, so wie wir alle Angriffe auf ZivilistInnen in allen
Teilen der Welt verurteilen, haben die Vereinigten Staaten mit ihren
Alliierten einen gewaltige militärische Operation eingeleitet. Im Namen des
"Krieges gegen den Terrorismus" werden überall auf der Welt BürgerInnen-
und politische Rechte angegriffen. Der Krieg gegen Afghanistan, in dem auch
terroristische Methoden angewandt werden, wird nun auf andere Fronten
ausgedehnt. Wir stehen am Anfang eines permanenten globalen Kriegs, der auf
die Sicherung der Vorherrschaft der Vereinigten Staaten und ihrer
Verbündeten zielt. Dieser Krieg enthüllt ein weiteres Gesicht des
Neoliberalismus, ein brutales und nicht annehmbares. Der Islam wird
verteufelt, während Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vorsätzlich
propagiert werden. Die Massenmedien beteiligen sich aktiv in diesem
Feldzug, der die Welt in "gut" und "böse" einteilt. Die Opposition gegen
diesen Krieg ist ein Herzstück unserer Bewegung. 
-5- Die Kriegssituation hat den Nahen und Mittleren Osten weiter
destabilisiert; sie liefert  den Vorwand für eine noch schärfere
Unterdrückung des palästinensischen Volkes. Wir halten es für eine
vordringliche Aufgabe unserer Bewegung zur Solidarität mit dem
palästinensischen Volk und seinem Kampf um Selbstbestimmung zu
mobilisieren, da es einer brutalen Besatzung durch den Staat Israel
ausgesetzt ist. Diese Frage ist von vitaler Bedeutung für die kollektive
Sicherheit aller Völker dieser Region. 
-6- Auch andere Ereignisse bestätigen die Dringlichkeit unseres Kampfes. In
Argentinien hat die Finanzkrise, die durch die fehlgeleitete Politik der
Strukturanpassung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und die
akkumulierten Schulden verursacht wurde, das Land in eine soziale und
politische Krise gestürzt. Die Krise hat zu spontanen Protesten der
Mittelschichten und arbeitenden Menschen geführt, zu Repression mit
Todesopfern, zu Regierungsversagen und zu neuen Allianzen zwischen
verschiedenen sozialen Gruppierungen. Mit „Cacerolazos" (Demonstrationen,
bei denen die TeilnehmerInnen mit Kochlöffeln auf Töpfe schlagen) und
„Piquetes" (Verkehrsblockaden) hat das mobilisierte Volk seine Grundrechte
auf Ernährung, Arbeit und Unterkunft eingefordert. Wir weisen die
Kriminalisierung der sozialen Bewegungen in Argentinien zurück und
verurteilen die Angriffe auf demokratische Rechte und Freiheit. Wir
verurteilen gleichermaßen die Gier und das erpresserische Verhalten der
multinationalen Konzerne, das durch die Regierungen der reichen Länder
unterstützt wird.
-7- Der Zusammenbruch des Multis Enron illustriert den Bankrott des
Kasino-Kapitalismus und die Korruptheit von Geschäftsleuten und Politikern,
die die Beschäftigten um Job und Pensionen gebracht haben. In
Entwicklungsländern hat sich dieser multinationale Konzern auf
betrügerische Aktivitäten eingelassen, seine Projekte haben Menschen von
ihrem Land vertrieben und zum starken Anstieg der Wasser- und Strompreise
geführt.
-8- Die Regierung der Vereinigten Staaten hat in ihren Bemühungen, die
Interessen der großen Konzerne zu schützen, arrogant die Verhandlungen des
Kyoto-Prozesses gegen die globale Erwärmung verlassen, den ABM-Vertrag
(über antiballistische Raketen), die Konvention zur Biodiversität, die
UN-Konferenz gegen Rassismus und Intoleranz sowie die Verhandlungen zur
Reduktion von Kleinwaffen. Diese Beispiele zeigen, dass der Unilateralismus
der Vereinigten Staaten die Versuche hintertreibt, multilaterale Lösungen
für globale Probleme zu finden. 
-9- In Genua ist der G8-Gipfel in seiner angemaßten Aufgabe einer
Weltregierung gescheitert. Auf die massenhafte Mobilisierung und den
breiten Widerstand haben die Regierungen der G8-Staaten mit Gewalt und
Repression geantwortet und jene als Kriminelle verurteilt, die es wagten zu
protestieren. Aber es ist ihnen nicht gelungen, unsere Bewegung
einzuschüchtern.
-10- All das geschieht im Kontext einer globalen Rezession. Das neoliberale
Wirtschaftsmodell zerstört die Rechte und die Lebensbedingungen und
-grundlagen der Völker. Die multinationalen Konzerne verteidigen den
Shareholder Value mit allen Mitteln: Sie kündigen Menschen, kürzen
Gehälter, schließen Fabriken, um auch noch den letzen Dollar aus den
Beschäftigten herauszupressen. Die Regierungen antworten auf diese Krise
mit Privatisierungen, Kürzungen im Sozialhaushalt und der Beschneidung von
ArbeitnehmerInnenrechten. Diese Rezession offenbart, dass das neoliberale
Versprechen von Wachstum und Wohlstand eine Lüge ist. 
-11- Die globale Bewegung für soziale Gerechtigkeit und Solidarität steht
vor gewaltigen Herausforderungen: Unser Kampf für Frieden und kollektive
Sicherheit schließt Strategien gegen Armut, Diskriminierung und Herrschaft
sowie die Schaffung einer alternativen, nachhaltigen Gesellschaft mit ein.
Die sozialen Bewegungen verurteilen Gewalt und Militarismus als Mittel zur
Lösung von Konflikten energisch; sie verurteilen: die Förderung von
Konflikten niedriger Intensität und militärische Operationen im
Kolumbien-Plan als Teil des regionalen Anden-Plans; den Puebla-Panama-Plan;
Waffenhandel und die Erhöhung von Militärausgaben; die wirtschaftlichen
Embargos gegen Völker und Nationen, insbesondere gegen Kuba und den Irak;
sowie die wachsenden Repressionen gegen Gewerkschaften, soziale Bewegungen
und AktivistInnen.
Wir unterstützen die Kämpfe von Gewerkschaften und ArbeiterInnen im
informellen Sektor, weil sie von grundlegender Bedeutung sind: für die
Verteidigung der Lebens- und Arbeitsbedingungen; für das Recht, sich
gewerkschaftlich zu organisieren und für das Streikrecht; für das Recht auf
Kollektivverträge; und um gleiche Bezahlung und gleiche Arbeitsbedingungen
für Frauen und Männer durchzusetzen. Wir lehnen Sklaverei und die
Ausbeutung von Kindern ab. Wir unterstützen die Kämpfe der ArbeiterInnen
und Gewerkschaften gegen ungeschützte Arbeitsverhältnisse, gegen die
Auslagerung von Arbeit und gegen Kündigungen. Wir fordern neue
internationale Rechte für die Beschäftigten der multinationalen Konzerne
und ihrer Zulieferer, insbesondere im Bereich gewerkschaftlicher
Organisation und kollektiver Verhandlung. Gleichermaßen unterstützen wir
die Kämpfe der BäuerInnen und Volksbewegungen für ihr Recht auf
Lebensunterhalt und für Zugang zu Boden, Wald und Wasser. 
-12- Die neoliberalen Politikmodelle erzeugen verbreitet Armut und
Unsicherheit. Sie haben die sexuelle Ausbeutung und den Handel mit Frauen
und Kindern dramatisch gesteigert. Armut und Unsicherheit haben Millionen
von Flüchtlingen produziert, denen Würde, Freiheit und Rechte verweigert
werden. Deshalb fordern wir das Recht auf Bewegungsfreiheit, das Recht auf
körperliche Unversehrtheit und legalen Status für alle Flüchtlinge. Wir
unterstützen die Rechte der indigenen Völker und fordern die Umsetzung des
Artikels 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in den
nationalen Gesetzgebungen. 
-13- Die Auslandsschulden der Länder des Südens wurden bereits mehrfach
zurückgezahlt. Die Schulden sind illegitim, ungerecht und betrügerisch und
funktionieren als Herrschaftsinstrument. Sie berauben die Menschen ihrer
fundamentalen Rechte und dienen einzig dem internationalen Wucher. Die
Länder, welche die Bezahlung der Schulden einfordern, sind dieselben, die
die natürlichen Ressourcen und das traditionelle Wissen des Südens
ausbeuten. Wir fordern die bedingungslose Streichung der Schuldenlast und
Reparationen für historische, soziale und ökologische Schuld. 
-14- Wasser, Erde, Nahrung, Wald, Saatgut, die Kulturen und die Identität
der Völker sind Gemeingüter der Menschheit – für die gegenwärtigen und
künftigen Generationen. Die Bewahrung der biologischen Vielfalt ist
essentiell. Die Völker haben ein Recht auf sichere und regelmäßige
Ernährung, die frei von genmanipulierten Organismen ist. Da die
Ernährungssouveränität auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene ein
fundamentales Recht ist, sind demokratische Landreformen und das
Menschenrecht der Bauern auf Zugang zu Land grundlegende Forderungen. 
-15- Der Gipfel von Doha hat den illegitimen Charakter der
Welthandelsorganisation WTO bestätigt. Seine "Agenda der Entwicklung"
schützt nur die Interessen der multinationalen Konzerne. Mit der Einleitung
einer neuen Runde ist die WTO ihrem Ziel näher gekommen, die Welt in eine
Ware zu verwandeln. Für uns sind Nahrung, öffentliche
Basisdienstleistungen, Landwirtschaft, Gesundheit und Bildung keine
verkäuflichen Dinge. Patente und Lizenzen dürfen nicht als Waffe gegen die
armen Länder und ihre Bevölkerungen eingesetzt werden. Wir lehnen die
Patentierung von Lebensformen und den Handel mit ihnen ab. Die WTO-Agenda
setzt sich auf kontinentaler Ebene in Form von regionalen Freihandelszonen
und Investitionsschutzabkommen fort. Mit Protesten und massiven
Demonstrationen gegen die Allamerikanische Freihandelszone (FTAA) haben die
Völker diese Abkommen, die einer neuen Kolonisierung und der Zerstörung
fundamentaler sozialer, ökonomischer, kultureller und ökologischer Werte
und Rechte gleichkommen, abgelehnt. 
-16- Wir werden unsere Bewegung mit gemeinsamen Aktionen und
Mobilisierungen für soziale Gerechtigkeit, für die Einhaltung von Bürger-
und Freiheitsrechten, für Lebensqualität und Gleichheit sowie für Würde und
Frieden stärken. 
Wir kämpfen: 
Für Demokratie: Die Menschen haben das Recht, über die Entscheidungen ihrer
Regierungen informiert zu werden und diese zu kritisieren, insbesondere
wenn sie die Beziehungen zu den internationalen Institutionen betreffen.
Die Regierungen sind ihren Völkern gegenüber rechenschaftspflichtig. Wir
setzen uns weltweit für die Errichtung der elektoralen und partizipativen
Demokratie ein und betonen gleichzeitig die Notwendigkeit der
Demokratisierung von Staaten und Gesellschaften sowie die Notwendigkeit des
Kampfes gegen Diktaturen.
Für die Streichung der Auslandschulden und Wiedergutmachung (Reparationen).
Gegen Spekulation: Wir fordern die Einführung spezifischer Steuern wie die
Tobin Tax und die Abschaffung der Steuerparadiese.
Für die Rechte der Frauen und die Freiheit von Gewalt, Armut und Ausbeutung.
Für das Recht auf Information.
Gegen Krieg und Militarismus, gegen ausländische Militärbasen und
Interventionen sowie gegen die systematische Eskalation von Gewalt. Wir
geben Verhandlungen und gewaltlosen Konfliktlösungen Vorrang. Wir
bekräftigen das Recht aller Völker, in Konflikten internationale
Vermittlung in Anspruch zu nehmen, unter Beteiligung unabhängiger Akteure
der Zivilgesellschaft. 
Für die Rechte der Jugendlichen, ihren Zugang zu kostenloser öffentliche
Bildung, gesellschaftliche Selbstbestimmung und für die Abschaffung der
Wehrpflicht.
Für das Recht aller Völker auf Selbstbestimmung und besonders für die
Rechte der indigenen Völker. 
Porto Alegre, 5. Februar 2002
(In den kommenden Jahren organisieren sie kollektive Mobilisierungen zu
verschiedenen Anlässen, wie zum Beispiel EU-Gipfel und andere Ereignisse.
... Übersetzung aus dem Englischen: Christian Felber, ATTAC-Österreich)

Absender:
Begegnungszentrum für
aktive Gewaltlosigkeit
Wolfgangerstr. 26 
A-4820 Bad Ischl
E-mail: mareichl at ping.at
Tel. +43-6132-24590
www.begegnungszentrum.at (Dzt. im Aufbau)



Maria Reichl
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
Wolfgangerstr. 26
A-4820 Bad Ischl






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