[E-rundbrief] Nr.1 - Juni 2001/ Teil b: Artikel und Informationstexte

Matthias Reichl mareichl at ping.at
Do Jun 14 01:26:58 CEST 2001


Dies ist Teil b des e-Rundbrief Nr. 1 des Begegnungszentrums für aktive
Gewaltlosigkeit. (101. Rundbrief (2/2001) 25. Jhg.      Juni 2001)

*  Teil a:   Inhalt und Allgemeines
*  Teil b:  Artikel und weitere Informationstexte
*  Teil c:  Buchtipps
* Teil d:  Termine


  Inhalt Teil b:

Einleitungsbrief von Maria Reichl

Einleitungsbrief von Matthias Reichl

Dialog mit Afrika

Ein Blick zurück:  Generalversammlung
  "Fremd sein in Oberösterreich ...
Ein Bericht von Josef H. Handlecher

Die selbstmörderische Sinnlosigkeit der modernen Landwirtschaft Text von 
José Lutzenberger

Ein afrikanisches Hoffnungsprojekt "Green Belt Movement"

Maria Mies : Anti-Hymne LASSEN SIE SICH PATENTIEREN "Globalisierung von unten"

Zukunftpassiert. Sind wir ausgeschlossen?  "Robert-Jungk-Memorial-Lecture 
2001" von Univ. Prof. Dr. Klaus Firlei "Wahl und Konsumakte reichen nicht 
zur Lösung der anstehenden Probleme"

Raubbau Privatisierung?

Salzburger WEF (=World Economic Fiasko) - (Ver-)Spielanleitung  von 
Matthias Reichl

Aus dem Inhalt

Vielfältiger AKW-Widerstand

**********************        ANFANG     Rundbrief  Nr. 
1    *********************************
Liebe Freunde!

Da das Wetter uns monentan nicht herauslockt, fällt es nicht so schwer das 
verlängerte Pfingstwochenende zu opfern um die Informationen für diesen 
Rundbrief fertig zu stellen.

Wir haben uns gefreut, dass zur Generalversammlung und zum anschließenden 
Fest einige neue Freunde gekommen sind. Wir geben die Hoffnung noch nicht 
auf junge Mitarbeiter zu finden, die uns auch bei der Website behilflich 
sind. Wenn ihr Lust dazu habt, bitte meldet euch! (Tel. 06132-24590, email: 
mareichl at ping.at) Damit die Texte, die wir ins Web stellen, auch leserlich 
und abrufbar sind, sollten sie dementsprechend vorbereitet werden. Bedingt 
durch meine Sehschwäche - ich kann nur mit dem rechten Auge lesen - möchte 
ich nicht zu lange beim Computer verbringen, und auch Matthias muss bedingt 
durch eine Nachstar-Operation seine Arbeitszeit am Computer stark reduzieren.

Diejenigen, die unsere Website schon besucht haben, haben gemerkt, dass ich 
im Mai viele Veranstaltungen - vor allem mit der internationalen 
Frauengruppe "Frauen einer Welt" organisiert habe. Über den Vortrag zum 
Thema "Fremd sein..." bringen wir einen Bericht auf Seite 3.

Leider erscheint dieser Rundbrief zu spät, um euch noch zum Vortrag von 
Hans Henning Scharsach über den Populismus von Rechts, den wir auch in 
Zusammenarbeit mit der ÖGB-Bücherei am 31. Mai organisiert hatten, einladen 
zu können.

Obwohl alle Vortragenden ausgezeichet waren und ihr Wissen sehr gut weiter 
vermittelten, bedauern wir, dass sich doch relativ wenige Teilnehmer die 
Zeit genommen haben zu diese Veranstaltungen zu kommen. Auffallend ist bei 
uns in Bad Ischl schon lange die Politik-Verdrossenheit, gerade zu 
relevanten Themen kommen sehr wenige Leute. Wir wollen es nicht ganz 
wahrhaben, aber der Trend zu Events mit viel Wirbel und wenig Inhalt 
scheint sich mehr und mehr durchzusetzen. Wie wir damit umgehen sollen, ist 
sicher noch ein weiteres Gesprächs-Thema

Nachdem wir beim Fest "100. Rundbrief" bis in die frühen Morgenstunden 
feierten - herzlichen Dank auch für die Gratulationen - werden wir diesen 
Sommer nichts Größeres planen. Ihr seid aber herzlich eingeladen meinen 
Geburtstag mitzufeiern oder spontan ein Grill- oder anderes Fest zu 
organisieren oder einfach so mal vorbei zu kommen.

Mit Leuten der Musikgruppe Simentera planen wir für den 3. oder 4. Juli 
noch ein Gespräch über Rassismus, Toleranz, Identität und Jugend. Da der 
genaue Zeitpunkt des Gesprächs noch nicht ausgemacht werden konnte, bitte 
ich euch dass ihr euch rechtzeitig bei uns meldet, wenn ihr dabei sein wollt.

Danken möchte ich allen, die ihren Mitglieds- bzw. Abobeitrag schon 
überwiesen haben (vermerkt mit 2001 vor der Adresse) und allen, die unsere 
Arbeit sonstwie finanziell oder ideell unterstützen.

Ich wünsche euch einen schönen und erholsamen Sommer, Friede, Kraft und Freude!

Maria Reichl

  *****************************************************************
Liebe Freunde!

Wieder einmal passiert es, dass ich unter Zeitdruck meine Einleitung 
schreibe, unterbrochen durch Gespräche mit einem Freund, der in seinem Haus 
in Mexiko-Stadt ein ähnliches Begegnungszentrum aufbauen will. Als 
alternativer Friedensforscher reist er seit Jahrzehnten um die Welt, 
unterstützt auch durch das Netzwerk der SERVAS-Freunde. Der Dialog 
ermuntert uns, die vielen gemeinsamen Interessen zu entdecken und 
miteinander zu verknüpfen. Und er hilft mir, aus der erzwungenen 
Konzentration auf Kooperationen in unserer Region (inklusive der Stadt 
Salzburg) wieder auszubrechen.

Trotz mancher Schwierigkeiten - durch die Post und andere Behinderer - 
bemühen wir uns auch weiter, unseren Rundbrief vierteljährlich 
fertigzustellen. Texte haben wir mehr als genügend.

Wie schon die Maria erwähnt, haben wir es bisher nicht geschafft, die 
homepage mit Texten, Terminen, Buchtipps und Zusatzinformationen zu füllen 
und sie mit uns nahestehenden homepages zu vernetzen. Es fehlt nicht am 
Material, doch es muss aufbereitet und mit kurzen Einleitungstexten 
verständlich gemacht werden. Auch ich hoffe, dass sich unter euch einige 
für diese Redaktionsarbeit interessieren.

Ich danke euch für eure besorgten Anfragen wegen meiner Operation am 
rechten Auge. Erst jetzt entdeckte ich im Bericht darüber, dass es 
Komplikationen gab, von denen mir der Bad Ischler Arzt nichts berichtet 
hatte. Ein Freund vermittelte mir einen Augenarzt in Salzburg, der zudem 
einige unserer Interessen teilt. So hat er einige Male in Syrien Kindern 
durch eine Operation das Augenlicht gerettet. Ich musste inzwischen in der 
Augenklinik eine "Nachstar"-Behandlung mit Laser durchmachen. Zudem bestand 
kurzzeitig der Verdacht, dass sich die Netzhaut ablösen könnte. Erst in 
einigen Wochen kann der Arzt feststellen, ob und wieviel die Sehkraft 
reduziert bleiben wird. Eine der schwierigsten Konsequenzen wird sein, ob 
und wieviel ich meine Arbeit am Computer und das Lesen reduzieren muss und 
ob das (noch) gesunde Auge das kompensieren kann.

Im Gedenken an Robert Jungk wurde der Platz vor dem Eingang zu seiner 
Bibliothek als "Robert-Jungk-Platz" benannt. Ob dieser jetzt mit 
"Benzinkutschen" gefüllte Platz einmal nur für Solarautos reserviert sein 
wird? Einen Bericht über das nachdenklich stimmende Referat von Klaus 
Firlei bei der "Robert-Jungk-Memorial Lecture" findet ihr auf Seite 13 - 14.

Im letzten Rundbrief (Seite 13) haben wir unsere Kritik am "Europäischen 
Wirtschaftsforum" (des Davoser WEF) vom 1. bis 3.7., aber auch unsere 
Skepsis gegenüber demonstrativen Protestaktionen erläutert. Daran hat sich 
nichts geändert. Daher illustriere ich meine Kritik in Form eines 
"Salzburger WEF-Spiel" (auf Seite 15 ) - und bitte euch, den 
hintergründigen Humor in der Karikatur von Manfred Madlberger richtig zu 
interpretieren.

Soeben berichtet der ORF über die Vorbereitungen der Polizei in Salzburg. 
Diese kündigt massive Verkehrsbehinderungen durch die "Sicherheitszone" im 
Großteil des Stadtzentrums, aber auch ein mögliches Versammlungsverbot in 
dieser Zeit an. Auch gegenüber einem Pseudodialog von WEF-Vertretern mit 
Kritikern bei einer Podiumsdiskussion am 2.7. (um 19h im Brunauer Zentrum) 
haben wir - wie Maria Mies - unsere Skepsis gegenüber 
Vereinnahmungsversuchen und/ oder Abqualifizieren als 
"Fundamentalkritiker". Wir befürchten auch, dass die - im WTO-kritischen 
Netz dokumentierte - Komplexität der Themen zu kurz und oberflächlich 
gerät. Etwa auch die aktuellen Gefahren der "Privatisierung" (siehe S. 14 
). Die für 2.7. geplante Präsentation des Buches "Globalisierung von unten" 
inklusive einem Arbeitsgespräch mit Maria Mies (siehe S. 10-11 ) haben wir 
aus diesen Gründen in den Herbst verschoben.

Vor einem Monat hat uns José A. Lutzenberger, Landwirtschaftsexperte in 
Brasilien und Alternativer Nobelpreisträger, gebeten, seinen neuesten, 
kritischen Text "Die selbstmörderische Sinnlosigkeit der modernen 
Landwirtschaft" möglichst weit zu verbreiten (sowohl an den 
EU-Agrarkommissar und die Landwirtschaftsminister als vor allem auch an die 
Bauern- und Konsumenteninitiativen). Die Kopien sind etwas umfangreich (36 
Seiten.) Wir können euch den Text aber auch per e-mail zusenden. 
Ausschnitte daraus findet ihr auf den folgenden Seiten.

So, und nun will ich mich weiter unserem transatlantischen Basisdialog 
widmen. (Ende der Woche werden wir ihn mit einer Frau aus Hawaii 
fortsetzen.) Wenn wir schon nicht Zeit und Geld für Fernreisen haben, holen 
wir uns wenigstens für uns interessante Teile der Welt ins Haus - gerne als 
Besucher oder als elektronische Informationen.

Auch ich wünsche euch einen erholsamen und belebenden Sommer und freue 
mich, dass ich möglichst viele von euch irgendwann und irgendwo wieder begegne.

Mit herzlichen Grüßen
Matthias Reichl
***********************************************************************

Dialog mit Afrika

Am 3. oder 4. Juli wird die Musikgruppe Simentera - aus den Kap Verdischen 
Inseln - wieder in Bad Ischl sein
(mit einem Konzert am 4. 7. 2001, 20h auf den Siriuskogl).

  In der Einleitung zum letzten "Rundbrief" berichtete ich vom Dialog mit 
Mario Lucio Sousa, der zu einem Gespräch mit uns und weiteren 
Interessierten bereit wäre. Themen: Identität, Rassismus, Toleranz, aber 
auch Jugend und Soziales. (Mario hat mich auch gebeten, Möglichkeiten einer 
Unterstützung für ein Solarenergieprojekt auf der - sehr trockenen - Insel 
Maio zu recherchieren.)

Auch das Freie "Radio Salzkammergut" will daraus eine Reportage im Rahmen 
der Sendereihe zu "Migration" gestalten. Bis jetzt scheint das 
Treffen  daran zu scheitern, dass der Ischler Kulturmanager Hannes Heide, 
der für die Zeitplanung zuständig ist, trotz der ausreichenden freien 
Zeiten nicht bereit ist, einen Termin zu vereinbaren. Wir werden uns auf 
jeden Fall um ein Dialogtreffen bemühen und können euch leider erst 
kurzfristig Uhrzeit und Ort bekanntgeben.  (Tel. 06132-24590).
Matthias Reichl
*******************************************************************************

                         Ein Blick zurück:
Generalversammlung
mit Begegnungs-und Jubiläums-Fest

Wir haben uns gefreut, dass zur Generalversammlung und zum anschließenden 
Fest einige neue Freunde gekommen sind und auch Mitglied wurden. Auch wenn 
sich nur sehr wenige bereit erklärten, als Vorstandsmitglied oder 
Rechnungsprüfer zu kandidieren gab uns das doch Hoffnung für die Weiterarbeit.

Angelika Wiesauer, Christoph Promberger und Mirjam Oehmichen haben wegen 
Arbeitsüberlastung ihre Funktionen zurückgelegt. Dafür haben sich Gottfried 
Hochstetter und Gerhard Winkler bereit erklärt die Funktionen als 
Rechnungsprüfer zu übernehmen.

Leider fanden wir noch keinen Ersatz für Gottfried Hochstetter und Mirjam 
Oehmichen im Vorstand sodass wir jetzt nur mit einem sehr reduzierten 
Vorstand bestehend aus Matthias und Maria Reichl und Klaus Tscherne 
versuchen die Arbeit zu bewältigen. Wir danken den drei scheidenden und 
wünschen ihnen bei ihre andere Aktivitäten viel Erfolg.

Wichtige andere neuerungen sind die:  Website www.begegnungszentrum.at und 
die Funktion von Matthias Reichl als Pressesprecher um bei Aktionen 
schneller agieren und für den Verein in der Öffentlichkeit Stellungnahmen 
und Presseaussendungen zu veröffentlichen.

Da Matthias und Maria Reichl nach wie vor einen Großteil der 
Bürorenovierungskosten selber tragen und in den vergangenen Jahren kein 
Überschuß erwirtschaftet wurde, mußten wir nach eingehender Beratung den 
Mitglieds- und Abobeitrag erhöhen. Dafür ist neben dem Rundbrief auch noch 
der e-Rundbrief (und fallweise zusätzliche e-mail-Aussendungen zwischen den 
Quartalen) inkludiert. (Siehe Seite 1 und/oder gelbes Infoblatt bzw. in der 
Website unter 
<http://www.begegnungszentrum.at/verein/begegnungszentrum.htm>). Darin 
findet ihr neben den neuen Beiträgen auch noch die Ziele des Vereins, Namen 
der neuen Vorstandsmitglieder usw...

Gleich zu Beginn der Versammlung wurde mit einem  Video noch Jean Goss 
gedacht, der vor 10 Jahren starb. (Siehe auch Text im Rundbrief Nr. 100, 
Seite 4 - 5 oder in unserer Website unter 
<http://www.begegnungszentrum.at/texte/goss/goss1-vision.htm>)

Als Höhepunkte der Tätigkeit der vergangenen 2 Jahre wurde die 
Mitorganisation des Treffens der Alternativen Nobelpreisträger im Mai 1999 
in Salzburg sowie der Kampf gegen die Globalisierung hervorgehoben sowie 
die Sisyphusarbeit am und im Haus - Hausisolierung mit Fenstereinbau und 
der damit verbundenen Umgestaltung der beiden Büros.

Marias Mitarbeit  bei der Migrantinnengruppe "Frauen einer Welt" wird auch 
in naher Zukunft einen Schwerpunkt ihres Engagements sein. Ebenso setzt 
Matthias Schwerpunkte in: Informationsvernetzung (österreichweit u. 
international) zu "Globalisierung", "Atomgefahren durch DU-Waffen", 
"Soziales"...und die Mitarbeit in Netzwerken im In- und Ausland usw. .

Ein Grund zum Feiern war der 100. Rundbrief.

Beim Fest  verdoppelten sich die Teilnehmer und bis spät in die Nacht wurde 
ausgetauscht, geplaudert, gegessen (u.a. ein von Bäckerei Maislinger 
gesponsertes Brot), gesungen und gespielt (auf Gitarre und Kochtöpfen).

Maria Reichl

*****************************************************************************
  "Fremd sein in Oberösterreich ...

Univ.-Prof. Dr. Josef Weidenholzer,Vizebürgermeister Ferdinand Mittendorfer 
und Mag. Josef Pfeil (Volkshilfe) informierten und diskutierten über 
Einladung von "Frauen einer Welt" und "Begegnungszentrum für aktive 
Gewaltlosigkeit" über "Fremd sein in Oberösterreich ... und in Bad Ischl?".

Ein Bericht von Josef H. Handlecher

AUSLÄNDER / Woran liegt's dass aus Fremden nicht so leicht Freunde werden 
können?

"Sind wir wirklich so viel anders als ihr ..."?

"Reden wir darüber": Das allein wäre schon ein guter Anfang, um ein Problem 
anzupacken, das eigentlich gar kein Problem sein dürfte, meint der Linzer 
Universitätsprofessor für Gesellschafts- und Sozialpolitik, Josef Weidenholzer.

Heute stehe man vor Grenzen, die erst in der jüngsten Vergangenheit 
aufgerichtet wurden: Der Begriff "Ausländer" in seiner politischen 
Bedeutung existiert nämlich erst seit Mitte der 80er Jahre, und genauso 
jung sind die Vorurteile, die da rundherum aufgeschichtet wurden.

"Anpatzen" zur Selbstbestätigung

"Ausländer sind nicht Ausländer an sich, sie werden erst von uns dazu 
gemacht" sieht Weidenholzer das eigentliche Problem nicht bei den "Fremden" 
sondern in hausgemachten gesellschaftlichen Zwängen: "Wie sollten wir unser 
Wir-Gefühl bestätigen, wenn man dabei nicht andere anpatzen könnte?"

Die Diskussion habe sich zum einen mit dem Aufstieg der FPÖ und von Jörg 
Haider intensiviert und zum anderen mit wirtschaftlichen Unsicherheiten: 
"Die Menschen wurden ängstlich und suchten nach Sündenböcken." Solche 
durchaus menschliche Reaktionen müsse man ernst nehmen, meint Weidenholzer, 
auch wenn man diese Ansichten vielleicht nicht teile, so dürfe sie aber 
auch nicht verurteilen.

Noch viel weniger sei aber ein politischer Missbrauch akzeptabel, denn: 
"Wir selber, unsere egoistischen Interessen sind es, die das 
Ausländerproblem geschaffen haben, nicht die Ausländer!"

Wie aus "Fremden" Freunde werden können, das sei eine Frage des 
Selbstverständnisses, meint auch Vizebürgermeister Ferdl Mittendorfer. Und 
man müsse ernsthaft Ängste und Wünsche ausloten und vor allem bereit sein 
diffuse Vorurteile abzubauen: "Ich würde mir wirklich wünschen, dass wir 
mit unseren Ausländern so umgehen wie mit den Alt-Salzkammergütlern" sieht 
Mittendorfer eine Offenheit gegenüber gewissen Randgruppen, die freilich 
dem Gros der Ausländer nach wie vor nicht einmal im Ansatz zugestanden 
wird. Dass auch Behörden keinesfalls mit gutem Beispiel vorangehen, ist für 
Weidenholzer schlichtweg ein Skandal - und Frage einer unverständlichen 
Misskreditierung: " Es müßte doch eigentlich selbstverständlich sein, 
Ausländer in Österreich gleichwertig - nämlich als Menschen" - zu behandeln"

Josef H. Handlecher

(Artikel aus der "Salzkammergut Rundschau" Nr. 19  vom Do. 10. Mai 2001)

*******************************************************************

Die selbstmörderische Sinnlosigkeit der modernen Landwirtschaft

José A. Lutzenberger

Globale Sicht

Durch die Aufregung über den Rinderwahn, die Maul- und Klauenseuche und die 
dadurch ausgelöste Umstrukturierung im deutschen Ministerium für 
Landwirtschaft, im Januar 2001, wird endlich für das allgemeine Publikum 
klar, dass in der modernen Landwirtschaft und besonders in der 
Massentierhaltung etwas faul ist. Aus der politischen Entscheidung, die 
Landwirtschaft in Richtung ökologisch-nachhaltig zu orientieren, ergeben 
sich nun ungeahnte Chancen, die nicht verpasst werden dürfen.

Als Diplomlandwirt habe ich 50 Jahre Berufsleben hinter mir, war dreizehn 
Jahre bei einem großen deutschen Chemiekonzern, habe dort vor dreissig 
Jahren gekündigt, weil ich als Biologe und Ökologe die moderne Agrarchemie 
nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren konnte. Seitdem bin ich 
selbstständig. Ich hatte das Glück, außer der deutschen, der 
brasilianischen, venezolanischen, marokkanischen und andinen 
Landwirtschaft, auf vier Kontinenten die verschiedensten Bauern- und 
Agrarkulturen kennen zu lernen. Aus ökologischer und auch rein 
menschlich-sozialer Sicht ist, was man heute weltweit sehen kann, zum 
verzweifeln. Wenn wir die Chancen für einen vernünftigen Umschwung nutzen 
wollen, müssen wir verstehen, was bisher schief gelaufen ist:

Nach der konventionellen Auffassung sind die Methoden der modernen 
Landwirtschaft der einzige effiziente Weg zur Lösung des Problems des 
Hungers auf der Welt und zur Ernährung der durch die Bevölkerungsexplosion 
auf uns zukommenden Menschenmassen. Das Gegenteil ist der Fall.

Im wiedervereinigten Deutschland haben wir heute, entsprechend der mir 
zugänglichen Zahlen, und nach dem jahrzehntelangen, weiter fortschreitenden 
Bauernsterben, noch ca. eine halbe Million Erwerbstätige in der 
Landwirtschaft, das sind knapp 0,6% der Gesamtbevölkerung von achtzig 
Millionen Menschen. In Großbritannien ist in den letzten zwei Jahren die 
Zahl der Bauern um ein Drittel auf unter 100.000 gefallen (NEWSWEEK, 12. 
III. 01). Das ergibt weniger als ein fünftel Prozent der Bevölkerung. In 
den USA ist die Situation nicht anders. Während der letzten Wahlkampagne 
soll es Diskussionen gegeben haben, ob es sich noch lohne für die Stimmen 
der Bauern zu werben. Der jetzige brasilianische Bundesminister für 
Landwirtschaft hat vor kurzem behauptet, die Kleinbauern brauche man für 
die landwirtschaftliche Produktion nicht zu berücksichtigen. Sie existieren 
für ihn gar nicht.

Das verleitet zu der Behauptung, die moderne Landwirtschaft sei so 
effizient, dass kaum ein Prozent der Bevölkerung die Gesamtbevölkerung  e r 
n ä h r e n  könne, gegenüber an die 60% um 1900 und immer noch um die 20% 
oder mehr im Jahre 1945, nach Kriegsende. Für diese Behauptung wird aber 
verglichen, was nicht direkt vergleichbar ist.

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht war der traditionelle, bodenständige Bauer 
ein nachhaltiges, sich selbst versorgendes, autarkes System der Produktion, 
Verarbeitung und Verteilung von Nahrungsmitteln. Er produzierte seine 
eigenen Betriebsmittel und war weder abhängig von transnationalen 
Konzernen, noch von Banken; er kam ohne Subsidien vom Staat oder 
überstaatlichen Behörden, wie die EG in Brüssel aus. Er ernährte 
tatsächlich die Bevölkerung. Für die heute noch überlebenden Bauern, kann 
man das nicht sagen.

Das soll natürlich nicht heißen, dass alles ideal war, vieles hätte schon 
früher besser sein können. Aber die Richtung stimmte - fortschreitende 
Entwicklung zu möglichst lokal angepasster, daher vielseitiger, 
nachhaltiger Landwirtschaft in einer ökologisch gesunden Landschaft.

Heute will man eine gemeinsame, technokratische Agrarpolitik für einen 
ganzen Kontinent, und wenn die Globalisierung, wie von den transnationalen 
Großkonzernen und der ihnen gefügigen Regierungen, nicht gebremst wird, 
eine gemeinsame, globale, ökologisch und sozial rücksichtslose Agrarpolitik.

Der überlebende "moderne" Bauer ist nur noch das, was die Industrie vom 
Bauerntum übrig gelassen hat. Im heutigen System - einer enormen, die 
gesamte Weltwirtschaft durchdringenden technisch-bürokratisch und 
gesetzlich verankerten Infrastruktur - ist er nur noch ein winziges 
Rädchen, er wurde total entmündigt.

Die Entmündigung geschah schrittweise und wurde den Bauern jeweils als 
Fortschritt aufgezwungen. All die Teile ihrer Arbeit, die sicheres 
Einkommen garantierten, hat man ihnen abgenommen, es bleiben die Risiken - 
das Risiko schlechter Ernten durch schlechtes Wetter und das ökonomische 
Risiko. Letzteres hat ihnen die Industrie beschert, indem sie sie von immer 
teureren Betriebsmitteln abhängig machte und die Preise ihrer Erzeugnisse 
immer weiter nach unten drückte.

Die Strukturen des Systems umschlingen den gesamten Planeten wie ein Polyp. 
Wenn wir die Wirtschaft als Ganzes betrachten, ist das System nicht 
produktiver als die traditionelle Landwirtschaft, weder was menschlichen 
Arbeitsaufwand betrifft, noch im Flächenertrag.

Abgesehen von der absurden Tierquälerei, ist es in der Massentierhaltung 
ausgesprochen destruktiv, es zerstört weit mehr Nahrung für Menschen als es 
produziert. Es ist nicht nachhaltig und die Kosten für Mensch und Natur 
gehören zu den großen Katastrophen, nicht nur der Geschichte der 
Menschheit, sondern auch der Geschichte des Lebens auf diesem Planeten.

Es ist sinnlos zu sagen, die moderne Landwirtschaft sei so effizient, dass 
in einem modernen Land ein winziger Bruchteil der Bevölkerung die 
Gesamtbevölkerung ernähren kann.

Die vorherrschende ökonomische Doktrin geht davon aus, wir bräuchten mehr 
Produktion, um die vielen hungernden Menschen zu ernähren und das ginge nur 
durch Mehrertrag. Aber es weiß doch jeder gutinformierte Mensch, dass 
Hunger, wo er heute wütet, auf politische, nicht auf technische Probleme 
zurückzuführen ist. Meistens geht es doch darum, dass man es den Menschen 
in den traditionellen Kulturen unmöglich gemacht hat, für sich selbst zu 
sorgen. Wenn heute von reichen und armen Ländern die Rede ist, sollte man 
doch so ehrlich sein, hinzuzufügen, dass die Kolonialpolitik der letzten 
Jahrhunderte und die Entwicklungspolitik der letzten Jahrzehnte für diese 
Armut verantwortlich sind. Für die heutige Weltbevölkerung haben wir genug. 
Die Bevölkerungsexplosion müssen wir allerdings in den Griff bekommen. Auch 
sie ist zum Teil das Ergebnis des Abbaus gewachsener sozialer Strukturen.

Es wird meistens nicht verstanden, oder verschwiegen, dass die 
traditionellen Bauernkulturen, aus Sicht der Ernährung für die Menschheit, 
weit effizienter waren, als das heutige System.

In meiner Heimat, Rio Grande do Sul, Südbrasilien, haben die Bauern, als 
die "Kolonie" - das waren die Regionen mit deutschstämmigen, italienischen 
und zum Teil polnischen Bauern - noch intakt war, die lokale und regionale 
Bevölkerung sehr gut ernährt und es gab Überschüsse für den Export in 
andere Staaten Brasiliens. Die modernen, großen, total mechanisierten und 
chemisierten Monokulturen für Soja aber, tragen praktisch nichts zur 
Ernährung der hiesigen Bevölkerung bei, da ja fast nur für den Export und 
die Bereicherung einiger weniger gearbeitet wird. Die Agrarpolitik, die 
diese Art von Landwirtschaft gefördert hat, hat aber dazu beigetragen, dass 
heute unser Bauerntum im Aussterben ist. Grundnahrungsmittel, wie Maniok, 
sind inzwischen knapp, schwarze Bohnen, die praktisch zu jeder 
brasilianischen Malzeit gehören, müssen oft importiert werden - aus Mexiko 
oder aus USA, Kartoffeln und Gemüse aus Sao Paulo, Knoblauch und Linsen 
manchmal sogar aus China.

Falls es nicht bald zu einer Wende in der Agrarpolitik kommt, wird unser 
Bauerntum aussterben. Es fehlt nicht das Land und noch nicht ganz das 
Wissen, aber ein Großteil der Äcker verwildert, die Bauernhöfe werden zu 
Ruinen oder zu Wochenendhäusern für Städter. Bald wird es noch schlimmer. 
Auf den noch nicht aufgegebenen Höfen, lebt meistens nur noch das alte 
Paar. Die Kinder sind alle weg. Sie sehen dort keine Zukunft. Die Alten 
leben von der kümmerlichen Sozialversicherung und, da sie sich keine 
Arbeitskräfte mehr leisten können, pflanzen sie gerade das 
Allernotwendigste für den Eigenbedarf, bis sie nicht mehr da sind.

Was die Macht nicht kontrollieren kann, versucht sie zu demoralisieren. Das 
Wort "Colono" wurde zu einem herablassenden Begriff. Die Kinder der Bauern 
schämen sich oft schon zu sagen, dass ihre Eltern Kolonisten waren. Die 
heutige Landesregierung versucht zwar, diesen Zustand umzukehren, solange 
aber die Bundesregierung in Brasilia sich weiter an Globalisierung, WHO und 
IWF orientiert, wird es ihr wohl kaum gelingen...

Das Bauerntum schaffte automatisch eine vielseitig bewirtschaftete und 
biologisch vielfältige Landschaft. Bei uns schützte der Bauer sogar fast 
die Hälfte der Landschaft als Naturwald. Für die großen Sojamonokulturen 
dagegen, wurde der letzte Zipfel Naturwald wegrasiert, nicht einmal Hecken 
zwischen den Feldern werden geduldet.
Beim Großgrundbesitzer, ist die Produktion nur ein Mittel zum Zweck, er 
will Geld machen, Macht erhalten. Das führt zum Ausräumen der Landschaft 
und zu großen Monokulturen - nur Kaffee, nur Kakao oder Baumwolle oder 
Kautschuk, nur Soja, nur Rinder, oder nur Zuckerrohr, wie im Nordosten 
Brasiliens. Er braucht dann auch billige Arbeitskräfte. Da er politisch 
mächtig ist, fördert er eine Politik, die die Menschen arm macht. Beim 
Bauern gab es keine Armut, auch keinen übermäßigen Reichtum...

Der traditionelle Bauer hatte es nicht nötig, die Fruchtbarkeit seines 
Bodens bei der Industrie zu kaufen. Die Bodenfruchtbarkeit wurde organisch 
gepflegt - mit Mist, Kompost Gründüngung, Leguminosen, Fruchtfolge, 
Mulchen, Mischkultur, Brache, Asche, Gesteinsmehl. Auch wenn der Bauer 
nicht wußte, was Bakterien oder mineralische Nährstoffe sind, er hatte ein 
tiefes, intuitives Verständnis für den Boden als ein lebendiges System und 
für die geschlossenen Kreise der Natur...

Wie ist es möglich, dass eine mächtige, weltweite Zivilisation - der 
Globale Industrialismus - die bereits den gesamten Planeten beherrscht, die 
sich für sehr gescheit hält, die über enormes Wissen bezüglich der großen 
und kleinen Zusammenhänge in der Natur verfügt, sich kollektiv so dumm 
benimmt?...

Die moderne Biotechnologie mit ihren patentierten Lebewesen und Kultivaren, 
in Händen der transnationalen Konzerne, die im Laufe der letzten Jahrzehnte 
weltweit schon praktisch alle Saatgutfirmen aufgekauft haben, weil ihr 
Endziel die totale Monopolisierung des Saatguts ist, ist jetzt dabei, dafür 
zu sorgen, dass die Vielfalt weiter ganz drastisch reduziert wird - ein 
weiterer Schritt in der Entmachtung des Bauerntums...

Ich wage zu sagen, hätte man das Bauerntum in Ruhe gelassen, es hätte sich 
sehr wohl so mancher moderner Technik bedient, aber anders. Die 
Weiterentwicklung wäre zwar langsamer, aber sozial gerechter und ökologisch 
in Richtung Nachhaltigkeit verlaufen...

Es stimmt sowieso in den meisten Ländern schon nicht mehr im heutigen 
ökonomischen Denken. Wenn Umwelt- und soziale Kosten "externalisiert" 
werden, schert sich das techno-bürokratische Establishment nicht um die 
sozialen Kalamitäten, die die moderne Landwirtschaft weltweit ausgelöst hat 
und weiter auslöst. Wo sind die Statistiken über die zig Millionen Bauern 
und Handwerker, die überall in der Welt, besonders in der Dritten Welt, 
entwurzelt wurden oder ihre Gesundheit den Agrargiften geopfert haben? Wo 
werden die Kosten aufgerechnet für den Abbau der gewachsenen sozialen 
Strukturen, was weltweit zu wachsender Kriminalität führt? Wo die Kosten 
für die ausufernden Elendsviertel der Megalopolen in der Dritten Welt? Für 
das Genozid - ja, so muss man es nennen - so manchen indigenen Stammes? Für 
das Aussterben von Sprachen und Kulturen? Ein Prozess der durch die 
Globalisierung noch weiter verschlimmert werden wird...

... Wo relativ intakte "primitive" Bauernkulturen überleben, sind sie nicht 
arm. Es besteht aber große Gefahr, dass sie bald arm gemacht werden, 
besonders durch die Globalisierung...

Es ist ein total von Großkonzernen manipulierter Markt. Von wegen, freie 
Marktwirtschaft! Das richtige Wort für diese Regelungen ist - 
Knebelkontrakte. Das gibt es auch für die Tabakpflanzer und bei Konserven 
für Gemüse und Früchte, neuerdings für Schweinemast. Die Bedingungen werden 
immer härter...

Es geht den großen Firmen auch um die Umgehung der Arbeitsgesetze. Der 
"Produzent" mag den Eindruck haben, er sei selbstständiger Unternehmer, 
tatsächlich ist er Arbeiter ohne sicheren Lohn, ohne feste Arbeitszeiten; 
wenn notwendig muss er um Mitternacht raus, die ganze Familie muss helfen. 
Er hat keinen Feierabend, keine arbeitsfreien Wochenenden, keinen bezahlten 
Urlaub, und er muss seine Sozialversicherung ganz selber tragen. Außerdem 
liegen alle Risiken bei ihm: die biologischen, die klimatischen (z.B. 
Hitzewellen, die jedes Jahr im Sommer großen Schaden anrichten können) und 
die finanziellen. Würde die Hühnerfirma mit fest angestellten Arbeitern 
operieren, alle Risiken selber übernehmen, wie jeder kleine Unternehmer das 
tun muss, ihre Kosten würden sich wohl mehr als verdoppeln. Hühnerfleisch 
und Eier wären viel teurer...

Man muss es immer wieder sagen, das hat doch alles mit Lösen des 
Welthungerproblems nichts zu tun. Es geht um ökonomische Macht!...

  Wissenschaft ist (sollte sein) der saubere, absolut ehrliche, 
ehrfürchtige Dialog mit dem großen Geheimnis - mit der Natur, dem 
Universum, mit dem Kosmos; wir können auch Gott sagen. Wie wir es nennen 
wollen, ist eine semantische Frage...

Ich wagte weiter oben zu sagen, hätte man die Bauern in den letzten hundert 
Jahren in Europa, viel früher schon in den Kolonien, sich selbst 
überlassen, die Entwicklung wäre anders gelaufen, zwar langsamer und 
vorsichtiger, aber sie hätten sicher auch aus moderner Naturwissenschaft 
gelernt, sie hätten so manche moderne Technik genutzt oder selbst 
entwickelt. Es wären aber örtlich angepasste, vielfältige Techniken, 
bestimmt keine solchen, wie die oben erwähnten und was noch auf uns 
zukommt, z.B. mit der Gentechnik. Die Situation der Ernährung der 
Menschheit wäre weit sicherer. Es wäre nicht zu den gewaltigen Massen 
entwurzelter, verelendeter Menschen gekommen...

Wissenschaftlich fundierte, ökologisch und sozial vernünftige 
Landwirtschaft, müsste sich doch in die großen und kleinen Kreise der 
Ökosphäre eingliedern, statt sie aufzureißen, sie zu überwältigen; 
systematisch und nacheinander alle lebenserhaltenden Systeme zu 
verstümmeln, gar total abzubauen oder zu vergiften, und die Verarmung der 
biologischen Vielfalt voranzutreiben, wie das heute weltweit der Fall ist...

Die noch überlebenden Bauern - egal ob Europäer, Nord-, Zentral- und 
Südamerikaner, Afrikaner, Asiaten oder Australier - müssen wissen, dass sie 
alle im selben Boot sitzen; und den Konsumenten muss bewusst werden, dass 
nur ein starkes, jeweils sozial und ökologisch verankertes, gesundes 
Bauerntum, befreit vom Joch der transnationalen Konzerne, nachhaltig 
gesunde Nahrung liefern kann. Die Gesellschaft muss wissen, wie und wo ihre 
Nahrung produziert wird, muss an den wichtigen Entscheidungen teilhaben. 
Davon hängt die nationale Sicherheit ab, und davon hängt ab das Überleben 
der Zivilisation...

In der modernen Industriegesellschaft wird es echte Demokratie und 
gesichertes Überleben erst geben, wenn die techno-bürokratischen Strukturen 
für Jedermann transparent gemacht werden, wenn sie möglichst klein und 
dezentral bleiben, wenn die wichtigen Entscheidungen von der Gesellschaft 
ausgehen und von ihr bewusst und willens getragen werden - nicht, wie 
heute, diktatorisch in den Führungsetagen der transnationalen Großkonzerne 
zu deren Vorteil gefasst und durchgesetzt werden mit fügsamer 
Selbstunterwerfung der Regierungen, egal welcher Parteien...

José A. Lutzenberger im April 2001

Wir konnten aus Plaztmangel nur den Anfang und einige Auszüge aus den 
ingsgesamt 36-seitigen Text von Lutzenberger abdrucken. Wir 
schicken  euch  den ganzen Text auf Wunsch per e-mail oder gegen 
Kostenersatz in Kopie zu.                                   M. Reichl

************************************************************

Ein afrikanisches Hoffnungsprojekt

Das Bildungshaus St. Virgil   beginnt eine Partnerschaft mit dem "Green 
Belt Movement"

Wüstenbildung (Desertifikation) ist eines der drängenden sozialen und 
ökologischen Probleme, das weltweit in 110 Ländern eine Milliarde Menschen 
bedroht. Das "Green Belt Movement", eine vorbildliche öko-soziale 
Fraueninitiative, entwickelt in Afrika seit über 20 Jahren praktische 
Antworten darauf. Das Salzburger Bildungshaus St. Virgil geht nun eine 
Partnerschaft mit diesem Hoffnungsprojekt ein.

"Wüstenbildung" hat wenig mit Wüste zu tun - gemeint ist vielmehr die 
Zerstörung von Böden und Vegetation, die zu Wasserknappheit führt. Sie hat 
komplexe Ursachen: Klimatische, biologische, politische, soziale, 
ökonomische und kulturelle Faktoren wirken zusammen. Vor allem in Afrika, 
wo das fruchtbare Ackerland bis 2025 um zwei Drittel zurückgehen wird, sind 
die Folgen fatal: Armut, Hungersnöte, Krankheit, Landflucht.

Der Erdgipfel der UNO in Rio de Janeiro schlug 1992 einen Lösungsansatz 
vor, der ökologische, wirtschaftliche und soziale Maßnahmen integriert - 
aufgrund der komplexen Wechselwirkungen hatten einseitige Maßnahmen die 
Wüstenbildung nicht stoppen können. Genau diese integrierte Weise, 
Desertifikation zu bekämpfen, wird seit über 20 Jahren vom Green Belt 
Movement - einer afrikanischen Nicht-Regierungsorganisation - praktiziert. 
Und das lange bevor die offiziellen Stellen begriffen, dass technische 
Lösungen zu kurz greifen, sondern Naturschutz, Armutsbekämpfung, 
Demokratisierung, nachhaltige Entwicklung und Frauenrechte Hand in Hand 
gehen müssen. Gerade die Frauen am Land spielen eine Schlüsselrolle, denn 
sie tragen im täglichen Kampf um Wasser, Nahrungsmittel, Brennholz die 
Hauptlast.

Im Gegensatz zu vielen anderen Organisationen Afrikas ist das Green Belt 
Movement 1977 aus einer lokalen Initiative entstanden und kein Ableger 
einer internationalen NGO. In den ersten zwanzig Jahren ihres Bestehens 
unterstützte die Graswurzelbewegung Frauengruppen dabei, Baumsetzlinge zu 
ziehen. Die Frauen setzten die Bäume rund um ihre eigenen Häuser. Daraus 
ergab sich der Name der Organisation: Ihre Mitglieder sind an den "grünen 
Gürteln" rund um ihre Hütten erkennbar. Ein "Greenbelt" ist ein Wald mit 
mindestens tausend Bäumen. Die Bäume verbessern über die Jahre hinweg das 
Leben der Green Belt Movement-Mitglieder: Sie bieten Früchte und Brennholz, 
Schatten, Tierfutter und Baumaterial und stoppen die Versteppung und 
Wüstenbildung. Die Frauengruppen geben ihre Setzlinge aber auch kostenlos 
an interessierte Bauern ab. Seit der Gründung des Green Belt Movements 
wurden so in Kenia 20 Millionen Bäume gepflanzt, heute verfügt die 
Organisation über 600 lokale Netzwerke und rund 120.000 Mitglieder - 
mehrheitlich Frauen.

1986 sprang die Bewegung von Kenia aus auf weitere zwölf Länder in Afrika 
über, u.a. Tansania, Uganda, Malawi, Lesotho, Simbambwe und Äthiopien, die 
in einem Pan-Afrikanischen Green Belt Netzwerk verbunden sind. Aus der 
Wiederaufforstungs-Aktion ist eine Massenbewegung von Frauen geworden, die 
die Zukunft ihrer Familien und ihrer Region selbst in die Hand nehmen. Die 
Bewegung unterstützt ihre Mitglieder und die Dorfgemeinschaften dabei, neue 
Wege zur Sicherung ihrer Bedürfnisse und zur Steigerung der Lebensqualität 
zu finden. Dazu gehört die Möglichkeit, bestehende Rechte einzufordern und 
bei der Nutzung und Verteilung von Boden, Wasser, Bäumen mitreden zu 
können. Aufklärung und Schulungen zu diesen Themen sind wichtiger 
Bestandteil der Arbeit des Green Belt Movements. Dieses Empowerment v.a. 
der Frauen ist für das Green Belt Movement der einzig gangbare Weg, um 
nachhaltige Entwicklung in Afrika einzuleiten.

Gründerin und zentrale Inspirationsfigur der Bewegung ist Professorin Dr. 
Wangari Maathai. Nach einem Biologiestudium unterrichtete sie veterinäre 
Anatomie an der Universität Nairobi - als erste Universitätsprofessorin in 
der Geschichte Kenias. 1981 bis 1987 war sie Vorsitzende des Nationalen 
Frauenrats in Kenia und damit Anführerin der kenianischen Frauenbewegung. 
Transparenz, Verlässlichkeit, Integrität und Engagement sind die zentralen 
Werte der von ihr gegründeten Bewegung. Die heute 61-Jährige erhielt 1984 
für ihr herausragendes Engagement den Alternativen Nobelpreis. Die 
Philosophie ihres politischen Engagements fasst sie so zusammen: "Die 
richtigen Dinge tun, weil Verstand und Herz davon berührt wurden, weil es 
das einzig Logische ist - ungeachtet der öffentlichen Meinung."

Das Green Belt Movement hat in Kenia politisches Gewicht. So konnte 1999 
mit gewaltfreien Protesten die geplante Abholzung des Karura Forest in 
Nairobi verhindert werden. Die kenianische Regierung wollte diese grüne 
Lunge der Großstadt an Geschäftsleute verkaufen. Ihren Einsatz und ihre 
Aufmüpfigkeit gegen die herrschenden Kreise - bis 1992 war Kenia ein 
Einparteien-System - hat Wangari Maathai schon öfter mit Schaden an ihrem 
eigenen Leib und mit dem - vorübergehenden - Verlust ihrer persönlichen 
Freiheit bezahlt.

Während der letzten Jahre wurde das Green Belt Movement von einer Reihe von 
Geldgebern finanziell unterstützt. Die Mittel wurden u.a. für 
Baumpflanzaktionen, für in Not geratene Mitglieder, 
Fortbildungsveranstaltungen und Aufklärungskampagnen verwendet. In 
Österreich unterstützte die Hilfsorganisation CARE das Green Belt Movement 
ab 1994 im Rahmen der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, u.a. bei 
der Organisationsentwicklung. Diese Unterstützung läuft heuer im Sommer aus 
- und das Bildungshaus St. Virgil beginnt eine Partnerschaft mit der 
Bewegung. Es geht dabei nicht bloß um materielle Unterstützung - wenn die 
Initiative auch jeden Groschen dringend brauchen kann -, sondern auch um 
einen Fluss von Informationen von einem Kontinent, der für viele von der 
Weltkarte verschwunden ist, als verloren betrachtet wird, zu uns.

Sind für das Green Belt Movement die materiellen Ressourcen wichtig, die 
wir in einem reichen Land wie Österreich für sie auftreiben können, dann 
ist für uns umgekehrt eine Ressource lebenswichtig, die uns die 
afrikanischen Frauen bieten und an der uns mangelt wie nichts sonst: 
Hoffnung. Sie zeigen, dass aus den ersten Schritten einiger weniger, die 
einfach das tun, was ansteht und als richtig erkannt wurde - allen 
Widrigkeiten, Gefährdungen zum Trotz-, eine große Bewegung der Hoffnung 
entstehen kann.

Ernst Fürlinger/ Silvia Jirsa
Ernst Fürlinger (Bildungshaus St. Virgil, (Ernst-Grein-Str. 14, A-5026 
Salzburg, Tel. 0662-65901-514, e-mail: office@ virgil.salzburg.at, 
www.salzburg.com/virgil)
Silvia Jirsa (Care Österreich)

  Website zum Thema:
Green Belt Movement:  http://www.geocities.com/gbm0001/All_Frames.html

************************************************

(Buchtipps siehe Teil c)

**************************************************


  Maria Mies

Neben dem Widerstand gegen die Globalisierer engagiert sich Maria Mies auch 
gegen die Gentechnik. Unter anderem mit einer "Anti-Hymne", die sie mit 
deutschen Aktivistinnen gedichtet hat - adressiert auch an Vertreter von 
Multis bei dem Salzburger "Europäischen Wirtschaftsforum":


LASSEN SIE SICH PATENTIEREN
Lassen Sie sich patentieren, denn Sie sind ein Kapital
Ihre  Leber, Ihre  Nieren, Ihre  Gene allzumal
Lassen sie sich patentieren, denn es gibt Sie nur einmal
Eh‚ die Multis Sie sezieren haben Sie die erste Wahl.

Gene, Gene und Patente, ja das ist der neu'ste Hit
Ja, das bringt die beste Rente, machen Sie beim Reibach mit
Höchst, Monsanto, Ciba Geigy und auch Bayer machen mit
Bei der Jagd auf die Patente, bei dem Run auf den Profit.

Diese großen neuen Mütter schaffen Nahrung, heilen Schmerz
Wenn nur die Bilanzen stimmen brauchen sie kein Menschenherz
Die Natur wird überflüssig hier in diesem Jammertal
Unsre Mutter ist Frau Technik, Vater ist Herr Kapital.

Dieses schöne neue Leben bringt nicht die Natur hervor
Kinder schaffen nicht mehr Frauen, die entstehen im Labor
Denn was soll noch dieses Leben in dem ew'gen Einerlei
Doch Ihr Gen das lebt ja ewig, ist es erst vom Körper frei.

Freiheit, die das Gen bescheret
Frisch auf  Ihrer Samenbank
Wo es dann den Fortschritt mehret
Sagen wir den Multis Dank!

Maria Mies

c° Common Intellectual Property of People with Resistance Gens (CIPPRG)
(Zu singen nach Ludwig von Beethovens Melodie "Freude schöner Götterfunken" 
- der Text kann unbeschränkt geklont werden!)
Erstmals abgedruckt August 1997 im "Rundbrief" Nr. 86 des 
Begegnungszentrums für aktive Gewaltlosigkeit (Wolfgangerstr. 26, A-4820 
Bad Ischl)

* *  * * *

"Globalisierung von unten"
Unbemerkt von der Öffentlichkeit wird seit Jahren das konzerngesteuerte 
neoliberale Wirtschaftsmodell durch Institutionen wie Weltbank, IWF und 
Welthandelsorganisation weltweit durchgesetzt. Immer neue 
Freihandelsabkommen gefährden Demokratie, Umwelt, Arbeitsplätze und 
Menschenrechte.

In ihrem neuen Buch berichtet Maria Mies über die großen globale Bewegung 
dagegen und die Situation des Protests, der auf Seattle folgte. Sie 
informiert über Methoden und Ziele, über Vorläufer und historische 
Hintergründe. Doch vor allem geht es um die Suche nach einer anderen 
Wirtschaft und Gesellschaft, einer Gesellschaft, die den Profit nicht über 
Menschen und Natur stellt.

Auszüge aus ihrem Buch"Globalisierung von unten":

....Gerard Greenfield, der langjährige Beobachter und Kritiker des 
Globalisierungsprozesses aus Hongkong definiert Globalisierung schlicht als 
die Freiheit der Konzerne, zu tun was sie wollen....(S. 7)

... Das Neue an der weltweiten Antiglobalisierungsbewegung ist vor allem 
die Suche nach Wiedergewinnung der Kontrolle über die unmittelbaren 
Lebensbedingungen. Die Menschen wollen nicht, dass ihr Leben von 
irgendwelchen fernen Chefetagen transnationaler Konzerne bestimmt wird. Sie 
suchen eine Wiederverwurzelung in solidarischen, zuverlässigen, nicht nur 
an Profit orientierten, überschaubaren Gemeinwesen und die Wiederversöhnung 
mit der Natur. Dies alles und mehr fängt auf der lokalen Ebene an und 
verlangt zunächst die Kontrolle über die lokalen Verhältnisse. Da diese 
lokalen Verhältnisse aber, wie am MAI (Multilaterales Abkommen über 
Investitionen) am Kampf gegen die WTO (Welthandelsorganisation), Weltbank 
und IWF (Internationaler Währungsfond) klargeworden ist, von den 
transnationalen Konzernen und den sie stützenden Politikern in Geiselhaft 
genommen sind, reicht eine Beschränkung auf eine "Lokale Agenda 21" nicht 
aus. Denn diese lokale Agenda wird permanent von der globalen Agenda 
konterkariert. Die "Globalisierung von unten" verbindet daher in vielen 
Ländern bereits jetzt den Kampf auf der lokalen mit dem auf der globalen 
Ebene...

Die WTO, die Weltbank und andere Institutionen können diese 
"Zivilgesellschaft" heute nicht mehr ignorieren. Sie wissen, dass Menschen, 
die "Politik in der ersten Person" betreiben, ihre "globalen Spiele" wenn 
nicht verhindern, so doch empfindlich stören können. Für die "global 
players" ist besonders irritierend, dass immer neue Gruppen und Bewegungen 
entstehen, mit immer fantasievolleren Namen, die nicht in das Muster 
bekannter hierarchischer Organisationen passen. Viele wenden Methoden der 
direkten sozialen Aktion an, auf die Ordnungskräfte nicht vorbereitet 
sind... (S. 19f)

... Ich habe schon vor Jahren nachgewiesen, dass das Mythos der 
"nachholenden Entwicklung" ein großer Betrug ist. Denn in einer 
kapitalistisch-patriarchalen Weltwirtschaft können die einen sich nur 
dadurch "entwickeln, wachsen, reich werden", dass sie andere kolonisieren, 
hinunterentwickeln, berauben und ausbeuten (Mies 1988, Shiva/Mies 1995). 
Die "anderen" sind nicht nur die so genannte Dritte Welt, sondern auch 
Subsistenzbauern, Handwerker, Menschen im so genannten "Informellen 
Sektor", vor allem aber Frauen weltweit und nicht zuletzt die Natur. ... 
(S. 202f)

Aus: Maria Mies: Globalisierung von unten. Der Kampf gegen die Herrschaft 
der Konzerne. 2001,  Rotbuch Verlag.  DM 26,-

*******************************************************

(TERMINE siehe Teil d)

*******************************************************
Zukunft passiert.
  Sind wir ausgeschlossen?
  "Robert-Jungk-Memorial-Lecture 2001"
von Univ. Prof. Dr. Klaus Firlei

Wahl und Konsumakte reichen nicht zur Lösung der anstehenden Probleme

Zwei Milliarden Arme weltweit, ökologische Verwüstungen allen Orts, 
Artensterben, menschenverursachter Klimawandel - die Probleme sind bekannt, 
Lösungen jedoch nicht in Sicht. Der Sozial- und Arbeitsrechtler Klaus 
Firlei legte in der Robert-Jungk-Memorial-Lecture 2001, die am 14. Mai in 
der Salzburger Bibliothek für Zukunftsfragen stattgefunden hat, 
eindrucksvoll dar, warum Änderungen so schwer fallen und - trotz um sich 
greifender "Optimismusindustrie" - Sorge um die Zukunft der Menschheit 
angebracht ist. Als erstes nannte er die "kapitalverwertende 
Konkurrenzgesellschaft", die den ganzen Globus erfasse und den 
Wachstumszwang in sich trage: "600 Billionen Schilling warten darauf, 
gewinnbringend angelegt zu werden." Die Suche nach neuen Märkten führe 
daher zwangsläufig zu Globalisierung und Internationalisierung, aber auch 
zur Zerstörung von Sozial- und Umweltstandards, denn das System neige zu 
Dumpingeffekten. Ein Beispiel: "Erdbeeren aus dem spanischen Murcia, von 
der EU gefördert, unter hohem Chemikalieneinsatz hochgebracht und von 
marokkanischen Tagelöhner billig geerntet, sind eben kostengünstiger als 
Erdbeeren aus den Niederlanden mit höheren Löhnen und Umweltauflagen." Bei 
aller Effizienz im Makrosystem: "Kosten werden abgewälzt auf die Dritte 
Welt, die Umwelt und die nachfolgenden Generationen."

Als zweites Dilemma führte Firlei die Auflösung des gestaltenden Subjekts 
und den Zusammenbruch des Rationalen in der postmodernen 
Erlebnisgesellschaft an. Die Welt werde zum Supermarkt. Die 
Erlebnisökonomie dringe in die "Nervenzentren der Gesellschaft ein. Sie 
bestimmt das Denken, fühlen, die politische Kommunikation, die Herstellung 
von Deutungen." Hochgerechnet auf das ganze Leben verbringen wir nur mehr 
zwei Stunden pro Tag mit Erwerbsarbeit,    an die drei Stunden aber mit 
Medienkonsum. Die Konsumgesellschaft führe zu einem ständigen 
Überdrehtsein. ("Das Leben als Hit"), Flucht werde zum Normalfall, 
Anstrengung gemieden. Die Schattenseiten zeigen sich in der Zunahme an 
psychischen Krankheiten und der Flucht in Betäubungsmittel (2 Millionen 
Menschen leiden allein in Österreich an Depressionen).

Auch seien keine klaren Interessenslagen mehr auszumachen. Der multiple 
Mensch sei als Autofahrer für billige Benzinpreise, Als Umweltschützer für 
die Rettung der Natur, als Steuerzahler für weniger Steuern und wenn er 
krank wird, fordert er ein funktionierendes Gesundheitssystem. Während der 
Saat als Widerpart zu einer aus den Fugen geratenden Ökonomie zusehend an 
Gestaltungsmacht verliere, sei daher auch die "demokratische Republik von 
unten" paralysiert. Dies mache auch globales Denken unmöglich: "Afrika geht 
vor die Hunde, weil wir uns von unserem psychotischen Konsummodell nicht 
lösen können."

Wo sieht Firlei Auswege? "Wahl- und Konsumakte reichen nicht mehr, um 
unsere Gesellschaft zusammenzuhalten und die anstehenden sozialen und 
ökologischen Probleme zu lösen", ist der Arbeitsrechtler überzeugt. Er 
fordert gegen den Trend der gegenwärtigen Wissens- und 
Unterhaltungsgesellschaft, in der zwar exponentiell publiziert, aber damit 
auch immer mehr Beliebigkeit erzeugt wird - Orientierungswissen. 
Dazu  zählt er Vorstellungen von einem guten Leben, das mit Liebe, Schmerz, 
Freude, Anstrengung und Tod zu tun hat, das Sich-Begreifen als Teil eines 
Ganzen, in dem es nicht nur Rechte sondern auch Pflichten gibt, die 
Stärkung von Eigenverantwortung, die Einsicht in die Notwendigkeit von 
Solidarität und - als sozialpolitsche Antwort - die Einführung von 
Grundsicherungen.

Hans Holzinger

Ergänzung

Dieser - vorsichtig formulierte - Bericht wurde von den "Salzburger 
Nachrichten" nicht abgedruckt.

Aus meinen Notizen von Firlei's Vortrag und aus seinem Artikel "Zukunft 
passiert. Sind wir ausgeschlossen?" ("Die Furche" v. 11.1.2001, S. 13) 
zitiere ich einige notwendige Ergänzungen, die mich unter anderem an 
Günther Anders und Leopold Kohr erinnern.

Als ehemaliger sozialdemokratische Abgeordneter zum Salzburger Landtag 
beurteilte er die  führenden Parteien als "unfähig, den bedrohlichen 
Entwicklungen entgegenzusteuern". In der Diskussion gefragt, wie die Bürger 
mit dem Versagen von Politikern umgehen sollten, meinte er "nur mit List". 
Leider fehlte die Zeit, um über die praktische Umsetzung zu diskutieren. 
Dazu ist u.a. bei der "Sozialen Erfindungswerkstatt" zum Thema "Tempo, 
Tempo. Oder: Speed kills" (vom 21. bis 23.11. in BIfEB Strobl) Gelegenheit. 
(Klaus Firlei will im Herbst seine komplexen Überlegungen weiter 
ausarbeiten und sie in einem umfangreichen Text publizieren.)

Matthias Reichl

Zukunft passiert. Sind wir ausgeschlossen?

... Der Prozess der Verwandlung der Gesellschaft in einen völlig aus dem 
Gleichgewicht geratenen Dschungel-kapitalismus überschreibt den alten 
Menschen mit neuen Programmen. Der biedere, nette und kontrollierbare 
"organisierte Kapitalismus" der letzten Jahrzehnte (soziale Marktwirtschaft 
etc.) wächst sich zu einer mächtigen Agentur der Verführung des Menschen 
aus, der in seiner kläglichen Schwäche und Abhängigkeit dazu gebracht wird, 
seine eigenen so unfassbar breit angelegten Talente auf die Funktionen von 
Konsumenten und Zuschauern zu reduzieren.

Die Kernbestände des Humanen werden um einen Spottpreis verkauft. Ihre 
Verschrottung erfolgt zugunsten einer wahn- und zwanghaften neuen Religion. 
Für sie ist jeder Zweifel daran, dass sich aus Geld, Waren und Wettbewerb 
jenes Paradies schaffen lässt, das die Moderne immer schon versprochen hat, 
Häresie. Die Macht dieser neuen Religion zeigt sich überdies daran, dass 
sie keine Scheiterhafen braucht. Die intellektuelle und künstlerische 
Kritik erschöpft sich in verlorenen Selbstgespräachen und verhallt echolos 
und ungehört.

Die neue Globalreligion setzt zwei Hauptgegner erfolgreich auf die rote 
Liste der aussterbenden Arten, die bei ihrem Endsieg hinderlich sind - sie 
könnten ihn verzögern, ja sie könnten knapp vor Erreichen des Eldorado der 
totalen Durchkapitalisierung der Welt den unberechenbaren, sperrigen alten 
Menschen dazu bringen, das Ruder noch einmal herumzureißen. Die beiden 
Todfeinde der neoliberalen Invasion sind - vom Potential, nicht von ihrem 
derzeitigen Zustand her - ein starker Staat und ein starker selbstbewusster 
Mensch. Sie gilt es um jeden Preis zu schwächen.

Es ist klar, dass der Befund eines so totalen Umsturzes, der die 
Kernsubstanzen der bisherigen Gesellschaften (nicht nur der modernen!) 
auslöscht, nur schwer nachvollziehbar ist. Das ist zwar 
Realitätsverweigerung. Aber Realitätsverweigerung ist ein bekanntes Muster 
im Umgang mit dem Bedrohlichen. Der homo austriacus pflegt diese Haltung 
ohnehin mit besonderer Hingabe. ...

... Die Welt degeneriert zu Sprachspielen, zu sozialen Spielen, zu 
ökonomischen Spielen, zu einem Erlebnispark perfekter Beliebigkeit, zu 
einem Zirkus, in dem Politik und Bürger nicht die Peitsche schwingen, 
sondern als Nummerngirls, Clowns, Statisten oder Zuschauer auftreten. Das 
Widersprüchliche, Unangemessene, Ordnungslose, Skandalöse, Inkonsistente, 
Rechtswidrige wird akzeptiert und behandelt wie das Fernsehprogramm oder 
ein komplexes Computerspiel, mit hundert Levels und zehn Leben. ....

Klaus Firlei

(Aus "Die Furche" v. 11. 1. 2001, Seite 13)

Raubbau Privatisierung?

"Ich schlage vor, dass wir aufhören, von Privatisierung zu sprechen und 
stattdessen Worte verwenden, die die Wahrheit deutlich machen; Wir reden 
über die Veräusserung und Preisgabe der Ergebnisse der jahrzehntelangen 
Arbeit Tausender Menschen an eine winzige Minderheit großer Investoren. 
Dies ist einer der größten Raubüberfälle unserer und aller bisherigen 
Generationen."

Susan George

Aus der Broschüre: "Privatisierung - Diebstahl an öffentlichem Eigentum" 
Hg.  Grüne Akademie Graz. (Bei uns erhältlich gegen öS 20,- + Porto)

"Privatisierung" der Stadtwerke Graz...

Susi Haydvogel, ist die Autorin der "Privatisierungs"-Broschüre, deren 
zweite Ausgabe verbessert und durch Informationen aus dem Bildungs- und 
Gesundheitsbereich ergänzt werden soll. Sie initiierte mit anderen 
Betroffenen in Graz in einer überparteilichen Plattform eine Petition an 
den Gemeinderat gegen den Verkauf und die Privatisierung der Grazer 
Stadtwerke. Sie bemühen sich derzeit, die nötigen 10.000 Unterschriften zu 
sammeln. Kontakt: e-mail: susi.haydvogel at lion.cc.

... und in Wien

Lange wurde uns vorgegaukelt, die Umwandlung der Wiener Stadtwerke in eine 
Holding sei nur eine Änderung der Gesellschaftsform, sonst hätte sie keine 
Auswirkungen! Die Wahrheit sieht leider anders aus. Am 1. 10. 2001 tritt 
die Strommarktliberalisierung in Kraft. Dies ist auch das Startsignal für 
das Ende der Wiener Stadtwerke. Ein neuer Versorgungskonzern ist im 
entstehen: die "Energie Allianz", die sich zusammensetzen soll aus: 40% 
Wiener Stadtwerke, 40% EVN, 10% Burgenländische Energie Gesellschaft, 10% 
Linzer Stadtwerke. Kurzfristig geht es um die Energieversorgung der 
Ostregion, mittelfristig um die gesamte Ver- und Entsorgung zumindest der 
Ostregion, inklusive der Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Müllabfuhr, 
Betrieb von Müllverbrennungsanlagen und Mülldeponien, Fernwärmeversorgung, 
Telekabel etc. Mit der Strommarktliberalisierung sehen wir zahlreiche 
Risiken: Wenn man nur mehr den billigsten Strom verkaufen kann, kann man 
auch nur in den billigsten Anlagen produzieren. Freier Markt mit freien 
Preisen führt zu Versorgungsunsicherheit, weil sich niemand die Haltung von 
entsprechenden Reservekapazitäten leistet. Und es wird sich auch einiges 
für die KonsumentInnen ändern: Der Strombezug über Wertkarten. Kontakt: 
e-mail: links.kommunal.wien at chello.at

M. R.

************************************************************************

Salzburger WEF (=World Economic Fiasko)

(Ver-)Spielanleitung

(Achtung! Einige Mitspieler könnten mit gezinkten Würfeln spielen!)

* Am Start:

Sie kommen am Salzburger Hauptbahnhof mitten in der Sicherheitszone um das 
Kongresshaus an, werden von einigen der 5000 Polizisten zu Ihrer eigenen 
Sicherheit durchgecheckt, fotografiert, gefilmt, durchleuchtet, verdatet 
usw. und zum check-in das WEF eskortiert.

* Feld 2) Der WEF-Computer wurde (wieder) gehackt und alle Daten sind 
gelöscht. Händische Neuregistrierung verzögert Eröffnung um Stunden. 2 
Runden aussetzen.

*  3) Die Teilnehmergebühr wurde überraschend verdoppelt. Sie haben 
Geldprobleme, gehen hungrig ins Bett und können nicht einschlafen. 1 Runde 
aussetzen und Kontostand nachrechnen.

*  4) Sie versuchen die Sperrzone um das Kongreßhaus zu umgehen, klettern 
über den Kapuzinerberg, stürzen ab und landen im Unfallkrankenhaus. Out.

*  5) Sie weichen der Sperrzone aus, schwimmen die Salzach flußauf bis zur 
Staatsbrücke. Wegen starker Strömung. 2 Runden aussetzen.

*  7) Sie lassen sich bei der (politischen) Ost-West-Trauung im Marmorsaal 
des Schlosses Mirabell durch Putins und Schausbergers Lächeln und Ja-Worte 
blenden, müssen deswegen in die Klinik zum Augenauswischen. 3 Runden aussetzen.

*  8) Sie vertrauen den Segnungen des Kapitalismus - und des Salzburger 
Erzbischofs. Zurück zum Start.

*  9) Sie bemühen sich vergeblich um einen Freund, der in Freilassing wegen 
der Einreisebeschränkungen festgehalten wird. Zurück auf 6.

*  8) Sie mißtrauen den Segnungen des Kapitalismus - und des Erzbischofs. 
Vor auf 11.

*  10) Sie schließen bei einem Arbeitsessen im Hotel einen Vertrag zur 
Übernahme eines osteuropäischen Betriebes ab. Vor auf 13.

*  12) Sie entdecken unter den prominenten Wirtschaftsbossen einen, der Sie 
fast in den Ruin getrieben hat, schlagen einen Wirbel und werden aus dem 
Konferenzsaal gejagt. Vor auf 15.

*  13) Die osteuropäische Partnerfirma entpuppt sich als Filiale der 
italienisch/russischen Mafia. Sie reisen (ohne die Hotelrechnung zu 
bezahlen) ab um zu retten, was noch zu retten ist. Out.

*  15) Angewidert durch das Minister-Gequatsche ziehen Sie sich mit einer 
Journalistin (einem Journalisten) zu einem Flirt zurück und erzählen ihr/ 
ihm Ihre Story. Sie/ er will Sie mit ähnlich Betroffenen zusammenbringen. 
Vor auf 18.

*  18) Auf dem Robert-Jungk-Platz und der Salzachböschung: Treffen von 
Opfern der Globalisierung mit alternativen Experten zu einem gewaltfreien 
Widerstands-, Strategie- und Entspannungstraining. Vor auf 21

*  20) Dollar- und Euro-Krise mit Börsenkrach verdrängen die vorbereiteten 
Konferenzthemen. Das betrifft Sie als "Schillingfan" und 
"Börsenabstinenzler" nicht. Weiter so!

*  22) Bedingt durch die Sperrzone und übertriebenen 
"Sicherheits"-Kontrollen bricht die Infrastruktur und Versorgung des 
Stadtteils zusammen. 1 Runde aussetzen zum Selbstorganisieren.

*  24) Als Folge der Massenverhaftungen von (gewaltfreien) Demonstranten 
werden alle Hotels in Gefängnisse umgewandelt und die Kongreßteilnehmer 
evakuiert. Sie sind rechtzeitig vom Hotel in ein Privatquartier gewechselt. 
Vor auf 26.

Am Ziel:

  Mißverständliche Formulierungen und Übersetzungen provozieren einen 
Ost-West-Konflikt. Die Konferenz wird einen Tag früher abgebrochen, 
Schlägereien zwischen den fliehenden Kongreßteilnehmern um Plätze in 
Flugzeugen und Massencrashs bei Autobahnauffahrten machen das Chaos 
komplett. (Unter den Flüchtlingen ist auch die gesamte Landes- und 
Bundesregierung.)

Sie aber entspannen sich einige Tage außerhalb Salzburgs bei einem 
Biobauern und reisen dann gemütlich per Bahn nach Hause. Dort erwartet Sie 
die Einladung, die Übergangsregierung zu leiten -

Sie erwachen aus dem Alp(en)traum und genießen ein WEF (Wirklich Erholsames 
Frühstück)!

Matthias Reichl

*******************************************************************

Vielfältiger AKW-Widerstand

Der Widerstand gegen das AKW Temelin geht auf vielen Ebenen weiter:

Bei einem "Temelin-Hearing" am 19.4. 2001 in Salzburg zeigte u.a. der 
Biophysiker Franz Daschil gemeinsam mit den deutschen Wissenschaftern 
Lengfelder und Hirsch die Ausbreitung und Auswirkungen der 
Strahlenbelastung nach einem schweren Störfall im AKW Temelin auf. Daschil 
hatte mit tschechischen Atomgegnern aber auch einige Halden und 
Schlammgruben mit uranhaltigem Material aus den Uranbergwerken in Mydlovary 
bei Ceske Budejovice untersucht und gefährliche Strahlenmengen gemessen. 
Die Elektrizitätsgesellschaft CEZ leugnet dies.

"Einer des besten Mitarbeiter" im AKW Temelin reagierte am 3.6. 2001 falsch 
und pumpte 70.000 Liter radioaktiven Wassers aus dem - abgeschalteten - 
Reaktor in die Halle. Die CEZ verharmloste die Folgen.

Am Grenzübergang Wullowitz stellte der Künstler Alfred Moritz für eine 
Woche 200 Skulpturen auf, die die Folgen eines Störfalles illustrieren sollen.

Ab 16.6. wird die Grenzblockade in Niederösterreich fortgesetzt.

Gestützt auf die alarmierende Expertise des Atomexperten Helmut Hirsch 
kündigte der deutsche Umweltminister Trittin den Austritt der deutschen 
Regierung aus dem untauglichen tschechischen Verfahren zur 
"Umweltverträglichkeitsprüfung" des AKW aus. Sein österreichischer Kollege 
Molterer will trotz der Ausstiegsforderungen der Atomgegner mit 
tschechischen Politikern weiter verhandeln.

Der tschechische Außenminister Jan Kavan, den ich den 80er Jahren noch als 
Menschenrechtsaktivisten der Bürgerbewegung kennenlernte, muß nun die 
Positionen der Atomlobbyisten verteidigen. Der sozialdemokratische 
Ministerpräsident Zeman ernannte ausgerechnet einen neoliberalen 
AKW-Propagandisten, den Wirtschaftsminister Gregr, zu seinem Vizepremier.

Der Druck der Atomgegner zwang den deutschen Stromkonzern "e.on" zum 
sofortigen Stopp seiner Atomstromimporte aus Tschechien. CEZ behauptet, sie 
hätten genügend andere Interessenten.

... und in Kärnten?

Trotz eines Angebotes der österreichischen (Strom-) Verbundgesellschaft 
entschied Landeshauptmann Jörg Haider, die Anteile an der 
Landesgesellschaft an den deutschen (Atom-)Stromkonzern RWE zu verkaufen. 
Dieser hofft - wie die französische EdF in der Steiermark - damit einen 
Brückenkopf nach Südosteuropa zu schaffen.

Vor wenigen Monaten trat Haider noch an der tschechischen Grenze als 
Atomgegner auf. Ob dieser Deal seiner schwindenden (Aus-)Strahlung die von 
ihm erhoffte "Strahlkraft" verschafft? Vielleicht hofft er auch, mit dieser 
katastrophalen "Privatisierung" für sich eine "politische Endlagerstätte" 
im Vorstand eines Konzerns zu sichern. Wünschen wir ihm seine baldige - 
längst überfällige - Privatisierung!
Matthias Reichl

*************************************************************************
Aus dem Inhalt
Seite (vom gedruckten Rundbrief Nr. 101)
1       Einleitung
2       Dialog mit Afrika
3       Ein Blick zurück:: Generalversammlung, Fremd sein...
4       Die selbstmörderische Sinnlosigkeit der modernen Landwirtschaft. 
José A. Lutzenberger
6       Ein afrikanisches Hoffnungsprojekt
7       BUCHTIPPS - IMPRESSUM:
10      Maria Mies  -  "Globalisierung von unten"
11      TERMINE
13      Zukunft passiert.  Sind wir ausgeschlossen?
13      "Robert-Jungk-Memorial-Lecture2001"  Klaus Firlei
14      Raubbau Privatisierung?
15      Salzburger WEF -  (Ver-)Spielanleitung

************************** ENDE  *****************************

---
     M. Reichl, Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
           Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr.26, A-4820 Bad Ischl, Austria  fon/fax: +43 6132 24590







Mehr Informationen über die Mailingliste E-rundbrief